"Kultur der Verweigerung"

Das konstruktive Nein

 

 

Reginald Földy, Clemens Heidack, Hrsg.

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

Reginald Földy

Vom fixierten Statischen zum fließenden Bewegten

Lord Yehudi Menuhin

 

DIE ABWENDUNG VON DER WIRKLICHKEIT - Philosophie auf Suchpfaden

Auf der Suche nach dem Ex-Menschen

Peter Kampitz

Sich der Verweigerung verweigern

Fischer-Barnicol

 

DAS SYSTEM UND SEINE SPRENGUNG - Soziologische Reflexionen

Wider den Systemzwang?

Friedrich Fürstenberg

Freiheit und Feiheitsillusionen

Karl Achim

 

SO EINE GESELLSCHAFT - Konstruktionen und Obstruktionen

Titanic-Untergang der geschlossenen Gesellschaft

Felix Unger

Ohne Zusammenhang kein Zusammenhalt

Heiner Benking

Die rebellische Freiheit der alten Vaganten, der Wilderer und der heutigen Radfahrer

 

Roland Girtler

POLITEIA - QUO VADIS ? - Politik zwischen Wirrung und Irrung

Das Ende des Staates - Konfliktbewältigung auf Österreichisch

Emil Brix

Zwischen Lagerdenken und Clubzwängen

Erwin Ringel

Zeitkritik mit spitzer Feder

Ironimus /Gustav Peichel

Von der antwortenden zur fragenden Gesellschaft
Die deutsche Einheit als geistige Herausforderung

Christine Lieberknecht

Zivilisierung des Brutalkapitals

 

Günter Nenning

MENSCH OHNE MASS UND MITTE - Die Psychosomatik der Verweigerung

Organsprachliche Verweigerung in der Kindheit

H. Zimprich

Verweigerung als Weg der Heilung

Irmgard Simma- Kletschka

Pubertät als Schule der Verweigerung

M.H. Friedrich

 

ARBEIT UND SOLIDARITÄT - Ein Fiktives Faktum

Das Soziale im Härtetest

Norbert Blüm

Erwerbsarbeit ein versteinertes Modell

Alexander Norman

 

AESTHETISCHE BILDUNG - Eine Verlustanzeige

Vom Niedergang der Briefkultur

Dietmar Grieser

Aufklärung in der Informationsgesellschaft versagt ohne aesthetische Bildung

 

Manfred Wagner

GREULICH GEFÜHRT - Die Management-by-Strategen lernen um

Das Ende der Kommandostruktur?

Clemens Heidack

Management by Refusal oder Die Kunst der Führung durch Verweigerung

 

Klaus Steilmann

WAS HEUTE WISSEN SCAHFFT - Infragestellung alphabetischer Lernwege

Wissenschaft ohne Mythen - Die Erziehung zum wissenschaftlichen Denken muss in der Grundschule beginnen

Georges Charpak

Dissonanzen des Geistes und der Wissenschaft

Erhard Busek

Kernkraft im Licht der öffentlichen Meinung

 

Jacques Richardson

SPRACHLOSE SEELENWELT - Die Postmoderne als Ver-Suchbild

Geköpft

Reginald Földy

Postmoderne Psychoanalyse

Harald Leupold-Löwenthal

 

DIE ALIBIEMOTION - Trug ohne Mitgefühl - Ein Epilog mit End-Gültigkeit

Die Weigerung zu Fühlen

Jutta Schrutz

 

Heiner Benking

Ohne Zusammenhang kein Zusammenhalt

Ein Essay auf der Suche

nach gemeinsamen Orientierungen und Konstruktionen

Allein die wachsende Gewißheit reicht nicht, daß wir vor allem in einer Identitäts- und Erkenntnisskrise stecken, und die Umwelt- und Informationskrise nur Nachwirkungen sind.

Unsere vermehrte und immer verzweifeltere Sinnsuche spiegelt sich auch in unsere einäugigen Bilder- und Kategorienwahl, Begriffe wie Ordnung, Maß, Gemeinschaft sind nun seit über zwei Generationen mega-out. Kein Wunder daß so nur Ver"ordnung", Ver"waltung", Obrigkeit und Kontrolle verstanden wird und die Potentiale und der Reichtum der andere "Bedeutungs-Seite" verdrängt oder unbekannt sind. Wie zum Beispiel wirklich tiefe Ordnungsstrukturen: Ordnungsmuster und Musterordnungen, oder sinnvolle, ganzheitliche, gewünschte Ordnungen wie Gemeinschaft und Gestalt gehören so schon zur Esotherik.

Wir werden auf dem Weg durch dieses Essay die Probleme der Identifikation und damit des oberflächlichen und schmalspurigen, eingefahrenen "Entweder-oder denkens" streifen und zeigen, daß unsere Vorstellung und Anschauung es uns ermöglichen gemeinsam tief zu denken, also mehr Dimensionen einzubeziehen, nicht flach und dumm, sondern differenziert und substantiiert zu denken. Hindernisse auf dem Weg dorthin sind natürlich unsere Orientierungslosigkeit und die daraus resultierende Angst, aber auch das enge Denken in Grenzen und Territorien.

Der Kunstgriff? Abstrakte Themen werde wie reale Objekte behandelt, sie bekommen einen Ort und eine Nachbarschaft, wir erfinden einfach für sie einen "RAUM", nicht einen physischen sondern einen imaginären indem wir uns darauf einigen was wo ist. Auf diese Weise, indem wir anschauende Urteilskraft (Goethe) auch auf Abstraktes, Inhaltschweres oder Tiefes ausdehnen, werden wir merken, wie wir durch Differenzieren, Zuordnen und durch Positionswechsel neue Einsichten entwickeln und so manche Probleme mit anderen Augen sehen können.

Wir werden zeigen, daß wir Probleme jeden Tag neu schaffen, also "betriebsblind" sind und beispielsweise das heraufbeschworene Kulturchaos durch eine unglückliche Definition von "Cyberculture" selbst heraufbeschwören, festgefahren sind in Paradigmen, also Denkwegen die wir nicht verlassen weil wir ja "wissen" und die renitenten Fragen der Kinder einfach abschaffen, indem wir Kinder abschaffen. So einfach ist das: Denkfehler und der Trott werden einfach verlängert, Abstand wird immer weniger genommen.

Ein neuralgischer Punkt in dieser fatalen Entwicklung ist wie gesagt die unglückliche Einschätzung der Auswirkungen einer "Digitalen Kultur" oder CyberKultur" als ortslos, zeitlos, bedeutungslos, beziehungslos - und die mangelnde Bewältigung von Informationen aus dritter Hand, die im Medienzeitalter und durch die Mobilität so rasant Überhand gewonnen haben. Dieser Beitrag verweigert sich diesem grenzenlosen Pessimismus und zeigt Wege, wir durch Bewertung und Einordnung in Wissenskarten Original und "Rauschen" von Informationschaos trennen können, und uns mit den bekannten Filtern behelfen können, um nicht alles an uns herandringen zu lassen, aber gleichzeitig die Sicherheit einer Struktur zu haben die uns hilft, gezielt und wiederholbar auch Dinge finden zu können, also nicht wie noch heute im Internet-Chaos unterzugehen.

Sobald wir erkennen, daß wir viele Denkrahmen gemeinsam pflegen, und beliebig vertiefen, und dabei die Bereiche und Kategorien beliebig verändern können, ist das Problem der Orientierungslosigkeit Fixierungen gelöst: Hier muß man für geistige Mobilität in gemeinsam definierten Zusammenhängen, nicht Pessimismus sondern eine Suche nach alternativen Modellen und Wegen plädieren.

Wir wollen selbst geschaffene Grenzen im DENKEN erkennen, verschieben oder auflösen/durchlässig machen. Diese Grenzen liegen zum Beispiel zwischen den Bereichen der Kognition und Emotion (Korte), Perspektive und Aperspektive (Gebser), Dingen und Beschreibungen/Begriffen, "Objects" und "Subjects" (siehe Poppers Diskurswelten). Dies geschieht durch die Verkörperung, Erweiterung und Belebung von Gemeinsamkeiten in nachvollziehbarem Zusammenhang. Ideal ist der Weg durch die Einbeziehung von Spiel und Spaß und unvoreingenommenen, "naiven" Fragen. Deshalb ein "Haus der Augen" das wir auf Kinderart einfach einmal "erlebnis- und ergebnisoffen..." betreten wollen, Imaginäre welten definieren und teilen, also nicht Flucht und Kriegsspiele in "Virtual Reality", sondern Sinnspiele und Phantasiereisen in gemeinsamen Modellen, die man bauen kann, oder auch nicht...

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Solch ein Anspruch, gemeinsam Horizonte zu erschließen und eine Haushaltslehre (Ökologie) mit der Haushaltswirtschaft (Ökonomie) unter einem "Denk"-Dach, in einem Raum, verbinden zu wollen, stößt gewiß sofort auf heftigsten Widerspruch und Ablehnung - wo kämen wir da hin, da könnte ja jeder kommen, - es ist ja bekannt, daß der Mensch begrenzt ist und vieles einfach nicht kann. Und schon sind wir in der heftigsten Diskussion um Erkenntnisfähigkeit, Orientierungs- und Vorstellungsvermögen und wir überschreiten Domänen, angestammte Wissens"claims" die verbissen von Fachschaften oder Individuen verteidigt werden, sobald man sich anschickt einmal die Lupenperspektive zu verlassen und wie die Kinder nach Überblick und Zusammenhängen zu fragen.

Die Diagnose ist klar: die Welt wird durch unsere "Mobilität" und die Medienkultur, verschärft noch durch die anbrechende Cyber-Kultur immer vielfältiger, zusammenhangloser, verwirrender und abstrakter. Die Reaktion des Menschen darauf ist: sich spezialisieren und auf sicheres Terrain zurückziehen, sich abkapseln, verdrängen, geistig fest und dogmatisch werden - die Außenwelt einfach auszusperren und dabei zu versuchen anstatt in Umwelt, Gemeinschaft und Kultur Halt zu suchen, diese auszuklammern oder nur als "Ressource" für persönliche Verwirklichung und Bereicherung zu betrachten.

Es zeigt sich, daß der Mensch begrenzt ist, daß er Halt, Orientierung und Gemeinschaft und Gemeinsamkeiten vermehrt sucht, wenn wenn ihm die Lebenswelt, die "Realitäten", den Boden unter den Füßen wegziehen, und daß er, verwirrt und gehetzt, doppelt so schnell - als stieße man einen Stock in einen Ameisenhaufen - in unbekannte Richtungen läuft, aggressiv wird, oder wie schon beschrieben, sich zurückzieht. Müssen wir uns verweigern oder öffnen!? Und kann durch Verweigerung als Weg zur Besinnung auf gemeinsame, erstrebenswerte Ziele, unser Bewußtsein und damit unser Wertebild und Verhalten geändert werden?

Dazu müssen wir uns jetzt wieder den notwendigen Denkkonstruktionen widmen, deren Statik prüfen, und auf diesem Weg einige festgefügte Denkschablonen, Dogmen und Mythen über Bord werfen. Es ist zu zeigen, daß sich eine neue Konstruktionslehre oder Architektur, ein "Raumplan" lohnt, denn es geht nicht nur darum neue "Welten" zu erkunden, sich versuchsweise in unbekanntes "Gelände" vorzuwagen, sondern auch darum die Verbindung mit der Heimat des Vertrauten und Festen nicht zu verlieren, Zwischenräume einzuplanen und eine Koexistenz von Reduktionismus und Holismus auszuspähen.

Vorbedingung ist ein wenig Wagemut, doch es besteht keine Gefahr für Leib und Leben. Schon eher für Geist und Denken, denn es kann sein, daß die Menschen, mit neuen Augen sehend, verwandelt zurückkommen.

Wie sieht das neue LAND aus, und über welche Denkbarrieren müssen wir springen, welche Kategorien müssen wir erweitern oder ablegen? Kommen wir in neue Ebenen oder neue Räume, ist die neue Landschaft oder der neue Ozean tief oder flach?

Die erstE Hürde

liegt im Vertrauen auf unsere räumlichen Vorstellungskräfte. Einige Menschen haben zwar meßbar ein räumliches, körperliches Vorstellungsvermögen haben, aber die landläufige Meinung bleibt, daß es keine "Eidetic" gibt (Theorie der Vorstellungskräfte wie sie besonders bei Künstlern und Kindern in der Geschichte nachgewiesen oder beschrieben wurde), daß Kinder nur "Phantasie" haben, und daß wir nur "flach" und begrenzt mit unserer Umwelt in Kontakt treten können. Es zeigt sich jedoch gerade das Gegenteil: Es fällt uns schwer, die räumliche Wirklichkeit als Projektion aufs Papier zu bannen und wir brauchen den Raum, um unsere Sinne zu koordinieren. Forscher wie der Ökologe von Uexküll sprachen von Wirkwelt und Merkwelt und Schlauchrealitäten,

Die zweite Hürde

liegt in der Erfahrung mit unserer Ausstattung als Menschen. Wir haben keine "Antennen" außerhalb unseres Lebenskreises. Größenordnungen und Zeithorizonte werden so nicht einbezogen; der Mensch lebt in seiner kleinen Welt und hat kein Maß und Augenmaß für andere Dimensionen der dynamischen individuellen und globalen Zusammenhänge.

 

Die dritte Hürde

liegt darin Wiederholbarkeit, Meßbarkeit, und Mitteilbarkeit zu erreichen, wenn sich unsere "Welt" in zwei Lager spaltet. Das eine Lager versteht Objektivität als den einzigen Weg in einer Umgebung von Vagheit, Bedenkenträgertum und Subjektivität, das andere Lager weiß, daß alles relativ, subjektiv und wandelbar ist. Jedes Lager ächtet jede Grenzüberschreitung und fördert die begriffliche Apartheit und das Sekierertum in den Wissenschften. Als kleinstem gemeinsamen Nenner halten beide Seiten, Natur- und Geisteswissenschaften, verkrampft am Raum als kleinstem gemeinsamen Nenner fest. In der englischen Sprache wird "räumlich" in den letzten Jahrzehnten vermehrt mit "t" als "spatial" geschrieben, mathematisch abstrakt, oder flach bzw. gar nicht verstanden, obwohl die Verkörperung, die Fülle und das Atmen des Raumes (also nicht der wie oft falsch als "Leere" in alten Traditionen übersetzt), lange in England natürlich nur mit "c" also "spacial" geschrieben wurde.

Die VIERTE Hürde

Die Beschränkung des Menschen: Wir denken in Territorien, Bereichen, Domänen, Feldern. Wir haben den Raum uns durch die physischen Sinne langsam erschlossen und als "festen" Grund dogmatisch als die Basis für Erkenntnis, als a-priori "festgelegt" (Kant), andere Sinne oder Räume werden ausgeklammert. Dank Newton, der Beschränkung auf meßbares, wie Masse und Energie, als auf direkt durch unsere Sinne Erfahrbares und Nachvollziehbares, haben wir uns einen "objektiven" Rahmen gezimmert, alles andere bleibt subjektiv, also nicht nachvollziehbar. Wenn sich jemand aufschwingt wie Karl Popper, der von "Objektiver Erkenntnis" spricht" oder wie Gregory Bateson, der Unterschieden einen "objektiven" Charakter zuspricht, dann beginnt ein unendlicher Gelehrtenstreit um "Nichts..." Darum geht es nämlich: Raum ist für die einen Leere, für die anderen potentielle Leere, also Nichts. Die alten Weisheitsschulen haben hier einen Grundstock für ewigen Streit gelegt, oder können wir Raum als Platz für Verkörperung und Veränderung - Potential auffassen, wie es mache Kulturen tun, und sogar Begriffe als Feld, als Bereich "verorten" und damit nachvollziehbar und in ihrer "Lage" beziehbar machen.

  

Die Fünfte Hürde,

die Übervereinfachung ist die natürliche Antwort auf die Begrenztheit der vierten "Hürde". Die deutlichste und einfachste Ausprägung ist die Eindimensionalität oder der Dualismus und wird oft benutzt um falsche Anspruche zu begründen, sich selbst zu finden und zu rechtfertigen, anstatt wie sinnvoll, nur praktisch, also nicht übertragen, verstanden und genutzt zu werden.

Als Alternative wollen wir hier eine drei- oder gar vierwertige Darstellung im Raum begründen, auch dies ist nur ein Kunstgriff, aber wie wir zeigen, etwas weniger (über)vereinfachend als "platte" Denkmodelle!

Die SechsTe und Weitere HürdeN,

liegen in der Oberflächlichkeit und Beliebigkeit, vielleicht sogar in Trägheit und Dummheit. Sie zeigen sich in unserem Territorien- und Grenzendenken, im Gefangensein in (über)einfachen Bildern, Metaphern oder Denkschienen, wie beschrieben; auch daß der Blick allein schon schlecht sei in Zeiten der Multi-media, der Angst vor der "Tiefe", weil sie nicht nachvollziehbar ist, oder bunten flachen Bildern die Erkenntnis nur Versprechen aber nicht halten können, wenn man sich wieder nur auf ein Bild oder Modell festlegt. Wissensbaum, oder das Netz der Erkenntnis sind solche gefährliche Schablonen, die den Blick auf die Vielfalt, Schönheit und Dynamik leicht verstellen können.

  

Raum als Ordnungsgrund und Potential

Wir sehen also, daß der Raum zur Verständigung ein ungeheures Potential hat, und wir wollen uns einfach einmal über all die praktischen, erfolgreichen und gewohnten reduktionistischen Denkpfade hinwegsetzen und behaupten, daß wir auch in künstlichen Räumen objektive Erkenntnis gewinnen können. Wenn wir diese Räume dann auch noch geschickt in ihren Achsen festlegen, so daß sinnvolle, praktischen Nutzen stiftende und einfach zu erinnernde, spielerisch erkundbare "Welten" entstehen, dann haben wir nicht Raum für "Übersinnliches" geschaffen, sondern für gemeinsame sinnliche und anschauliche "begreifbare" und mitteilbare Erkenntnis - kurz, die Möglichkeit, uns über abstrakte Zusammenhänge austauschen zu können, Perspektiven einzunehmen und zu verändern, ja sogar die Modelle und Repräsentationsarten zu benutzen, um durch andere Darstellungen und Betrachtungsweisen andere Sichten zu gewinnen.

Vorweggenommen sei bemerkt, daß all diese Wortbilder, Analogien und Metaphern "richtig" sind, wenn ein Nutzen oder Erkenntnisfortschritt damit einhergeht. Es gilt gemeinsame, mitteilbare und erlebbare Bilder zu wählen, dabei ist es unerheblich, ob es nun ein Netz, ein Baum oder ein Ozean zum Beispiel des Wissens ist, Erheblich ist jedoch, daß diese Bilder sich einfach transformieren lassen und wir so andere Einsichten und Ansichten gewinnen können, eine friedliche Koexistenz der Sinnbilder in Welten und Gegenwelten, auf die wir abschließend natürlich noch eingehen, denn Zusammenhalt bedeutet miteinander, nicht gegeneinander

Auch das Bild "Landschaft" oder "Dorf" ist uns für den Einstieg in Bereiche des Wissens und Nichtwissens noch viel zu abstrakt. Wir wählen deshalb hier als Denk- oder Vorstellungsrahmen, wie in vielen Gesprächs- und Lernkreisen mit Kindern, die Metapher des "Hauses". Denn nichts, wie wir sehen werden, ist als Bild und Modell reicher und näher für die Übertragung unsere täglichen Lebenszusammenhänge in abstrakte Verstehensbereiche als eine Haushaltslehre, also Ökologie, und deren Verkörperung Belebung und Verbindung mit einer anschaulichen, nachvollziehbaren Hauswirtschaft, der Ökonomie.

Haus und Oikos – vertraute Metaphern für Zusammenhalt

Den übergeordneten Rahmen für ein solches Referenzsystem bildet die Lehre der Ö k o l o g i e als der Wissenschaft der Beziehungen und Zusammenhänge. Der Begriff Ökologie wurde von Ernst Haeckel geprägt und meint eigentlich "Haushaltslehre". Es geht dabei sowohl darum das "Haus der Natur" zu verstehen und dessen Biotope, nämlich die Häuser oder Lebenswelten von Menschen, Tieren und Pflanzen. Haeckel versteht daher das Haus in seinem engeren und erweiterten Sinn auch als Gleichgewichts- und Harmonielehre.

Schon immer haben Ökologen Größenordnungen, Fachdisziplinen und Zeithorizonte, Lebens- oder Evolutionszyklen einbezogen, und wir wollen daher dies Dimensionen in Fächer, Maßstäbe und Zeit als Achsen eines offenen Denkraumes verstehen und in diesem Raum reale und abstrakte Situationen, Beziehungen und Zusammenhänge darstellen und somit einer "Globalen Haushaltslehre" eine Plattform geben.

Der Ökologe Jakob von Uexküll hat ein ganzheitliches, lebendiges und organisches Naturverständnis entwickelt, eine Kompositionslehre der Natur. Zur Verdeutlichung eines begrenzten Sehens und Vorgehens beschrieb er eine Schlauch- oder Tunnelrealität. Dieses anschauliche Bild einer "Wurmperspektive" werden wir übernehmen und auf andere Blickwinkel oder Horizonte übertragen.

Uexküll beschrieb eine "Tunnel- oder Scheuklappenrealität" die sich quasi ohne Bezug zu anderen Realitäten in der Zeit fortsetzt. Wir wollen uns hier einmal vorstellen, daß sich dieser Wurm nicht in einem Raummeter Erde mit den bekannten Raumdimensionen bewegt, sondern in einem fiktiven Raum mit den Richtungen Länge, Breite und Höhe. Wobei nach der Definition der Ökologie die Länge die Wissensbereiche, die Breite oder Tiefe die Größenordnungsebenen oder den Maßstab und die Höhe die Zeitachse, also Zeiträume, darstellt. Diesen virtuellen Raum einer erweiterten nachvollziehbaren Realität nennen wir das Haus der Perspektiven. Es ist der zentrale Raum oder der Übersetzer auch zu anderen Repräsentationen oder Realitäten. Die Achse der Größen ist direkt verbunden mit dem ‚Raum" der bekannten Gegenstandswelt, beide können durch das "bewaffnete" Auge, also mit Mikro- oder Makroperspektive erschlossen werden.

Zur weiteren besseren Vorstellung wird empfohlen, sich diesen Kunstraum der Ökologie einmal räumlich vorzustellen, sich ein Bild oder eine Skizze zu fertigen und die obige Tunnelperspektive, wie auch die nachfolgend vorgestellten Blickwinkel direkt in den neuen Denkraum zu übertragen, sich so von abstrakten, inhaltslosen Begriffen so weit wie möglich zu trennen.

Solch eine "einäugige" Wurmperspektive wäre also mit der eines Spezialisten vergleichbar, der sich leicht im Detail verliert und nur durch "Betriebsunfall" auf andere "Realitäten" stößt. Eine andere Perspektive ist der Weitwinkel des Fischauges oder die Fischperspektive. Auch sie ist weit verbreitet und aus eigener Anschauung bekannt. Der Vordergrund oder Nahbereich erscheint vergrößert, alles andere verschwindet rasch am Horizont (der Wahrnehmung oder des Bewußtseins!?).

Ganz anders sind die Vogelperspektive oder das Satellitenauge einzuschätzen: Hier haben wir es nicht nur mit einem Zooming, also einer flexiblen Optik, zu tun, die eine rasche Fixierung, Annäherung und Entfernung ohne Rücksicht auf körperliche Trägheit oder feste Medien erlaubt. Die Natur hat noch viele Fähigkeiten und Besonderheiten zu bieten; denken wir nur an Augen ohne gemeinsame räumliche Basis wie beim Chamäleon, das durch Vor- und Zurückwiegen die Entfernung abschätzt. Schließlich wollen wir noch die Insektenperspektive bemühen: ein Komplexauge, das mosaikartig Bilder zusammensetzen kann und so die Möglichkeit der Modellbildung durch "verteilte" Augen nicht unvorstellbar macht.

Unser nächster Schritt liegt in der Kombination und Integration von Bildern und in der Reflexion über die Inhalte, auch wenn sie keine gemeinsame zeitliche, räumliche oder sensorische Basis haben (auch dies sind wieder die drei Achsen unseres Vorstellungsraumes). Stranislav Lem sprach von einem Gegenauge, das es uns ermöglicht, Phantasiewelten und Realwelten zu verbinden. Wenn wir einmal begonnen haben, uns an diese "erweiterte Optik" zu gewöhnen, machen Begriffe wie eine "Generationen-Perspektive" sofort Sinn; im neuen Denkrahmen fragt man sich unwillkürlich nach dem Zeithorizont, wieviele Generationen in welcher Epoche betroffen sind, und wo und wie man selbst dazu steht. Dasselbe gilt für fachlich-sektiererische Scheuklappen, also geschlossene oder verdeckte Augen: da schaut jemand nicht über den Gartenzaun in andere Fachgebiete oder "Welten". Dies geht soweit, daß wir Metaphern als Übertragungen erkennen, aus dem Realen ins Abstrakte wechseln, vermehrt in Wortbildern und Ihren Ursprüngen denken, von einer "Gegend" oder Anwendung in die nächste springen, und daß Kreativität genau dies ist: ein spielerisches Sich-Annähern und -Entfernen, die Übertragung von Strukturen und Mustern und damit die Erschaffung von Lösungen (Kreativität).

Solch eine aktive, erschließende, erkundende Betrachtung, die überlegt, wo der Standpunkt ist, welches "Objektiv" gerade benutzt wird, hat besonderen Reiz, wenn wir solche Erkundungen nicht nur graphisch-geographisch, sondern thematisch-räumlich verstehen. So können wir über Fachgrenzen und Themenbereiche reflektieren, über Größenordnungen, Ebenen, Proportionen und Konsequenzen von Aktionen. Natürlich können wir auch Unterlassungen gemeinsam reflektieren, eine "ästhetische und proportionale" Optik entwickeln, die auch ethische Überlegungen mit einbezieht.

Komposition von Blickwinkeln und Sichtweisen

In der Psychologie geht es um die verschiedenen Perspektiven, Einsichten und Einstellungen, wie wir Sichten zusammenbringen können, vielleicht sogar tolerant und multi-perspektivisch, wie die "entartete" Kunst gezeigt hat. Weiter geht es darum, die Eindrücke zu relativieren und mit anderen Sinnen zu kombinieren, quasi die Ergebnisse zu verbreitern und abzusichern.

Bei der Konstruktion des Auges fällt auf, daß es mehrere Sichtbereiche, Auflösungen und spezielle Fähigkeiten, zum Beispiel im Randbereich, verbinden kann. Es gilt, diese Bilder in Modellen oder vor dem geistigen Auge zu kombinieren oder zu komponieren, denn diese Integrationsleistung von Aspekten scheint die besondere Fähigkeit des Menschen zu sein. Phantastisch sind diese Fähigkeiten, und die Frage bleibt nachrangig, ob Eindrücke (Bilder) nun wirklich oder konstruiert sind (also Phantasie oder Filterung), zumal viele Forscher davon ausgehen, daß alle Realitäten, ob nun real oder imaginär, ohnedies "bloß" geistige Konstruktionen und Rekonstruktionen sind. Gerade deshalb wird es so interessant, wie Realitäten aufeinander abgestimmt und geteilt werden können und so vielleicht Toleranz entstehen kann.

Geistige Mobilität und Weltwahrnehmung

Solche Kombinationen von Sichten sind Teil unserer Märchen, Erzählungen und Filme; sie fördern geistige Flexibilität, Mobilität und Neugier. Beispiele sind "Phanatasia" in Michael Ende‘s "Unendlicher Geschichte", "Alice im Wunderland" oder "Der kleine Prinz". Mit einer anderen "Brille" sehen, oder prosaischer: "Hinter dem Spiegel" in einer Gegenwelt zu stehen, hilft uns, Realitäts- und Ordnungssprünge als tägliche geistige Gymnastik zu betrachten, hilft uns, zu reflektieren und Fragen nach dem "wer", dem "warum" und dem "von wo und wie jemand schaut" zu stellen.

Solche Zeit- und Bewußtseinssprünge gehören ins Genre "Science Fiction. Nur die Übergänge zwischen den Berufen und Disziplinen sind im Alltagsleben wie zugemauert, und bis auf den Kalifen aus 1001 Nacht, fällt einem spontan kaum ein Beispiel ein, wo jemand seine Welt austauscht, um mit anderen Augen andere Aspekte zu sehen. Gerade eine Durchlässigkeit in unserer Gesellschaft, in welcher Manager, Politiker und Wissenschaftler diesen Perspektivwechsel übend ihre Rollen tauschen, würde sicher manche Verkrustungen auflösen.

Durch die Kombination von Sichten hat der Mensch als Generalist einen thematischen und situativen ‚Zoom" und kann sich neben einer Landschaft oder einem Ort, einem "topos", auch Themenlandschaften als logische Plätze, also "topics" erschaffen und vorstellen. Versuchen wir es doch einmal mit Transformationen in allen drei räumlichen "Freiheitsgraden" und sehen wir Kreativität nicht nur, wenn sich Kulturen treffen, sondern auch, wenn sich Größenordnungen und Epochen treffen (siehe die Raumachsen, wie oben angeführt). Gerade in der Mischung sind Faktoren und Überlagerungen von Mustern, sind Potentiale zu suchen, also nicht nur in der einfachen und linearen Übertragung.

Räume und Landschaften unter einem Dach

Wenn wir die obigen Denk- oder Kontexträume als Landschaft verstehen und mit einer physischen Landschaft und einer später zu vertiefenden Begriffslandschaft verbinden, uns quasi auf einen erhöhten Punkt oder Ausguck stellen, entsteht ein "Kognitives Panorama". Man kann es sich auch als eine Landschaftsbrücke vorstellen, die semantische Situation und physische Räume verbindet. Wichtig ist bei diesem Bild, daß man Überblick hat, sich orientieren und oberflächliche Zusammenhänge sehen kann. Es handelt sich also bei diesem Ordnungsversuch nicht um ein universelles System für jegliche Fragestellungen, sondern um eine Groborientierung und um die Empfehlung eines praktisch nutzbaren, einfach zu erinnernden Zusammenhangs, also nur um ein sinnvolles Bild, keinesfalls um "die Antwort".

Das Haus der Horizonte und Perspektiven - Ein kognitives Panorama

Versuchen wir es neben der Metapher der Landschaft mit dem Wortbild "Raum" in einem Haus der Perspektiven, Räumen mit Fenstern, Türöffnungen und Schlüssellöchern, durch die wir hinaus- und hineinschauen können. Wir können Perspektiven und Orientierungen in diesen Räumen gemeinsam einnehmen, Horizonte zeigen wie Etagen unseres Blickkreises oder der Betrachtungsebene.

Es gilt, die jeweiligen Sichten aus den oben besprochenen abzugleichen und miteinander in Bezug zu setzen. Es handelt es sich nur um verschiedene Darstellungen, die wir im kognitiven Panorama, wie in Popper's Theorem der drei Diskurswelten, in Verbindung bringen. Das Panorama verbindet diese drei tiefgestaffelten, höheren Ordnungen oder Ortsräume.

Bemüht man dies als eine "Baukunst" für Erkenntniswelten, so kann man sich diese drei Räume als Atriumhaus vorstellen, aber (bitte schön!) in japanischer Bauweise: mit flexiblen Wänden (Kategorien), also maximaler Beweglichkeit und (sozialem) Nutzen. Weiterhin sollte man dieses Gebäude als Wissensgebäude und auch als Metapher für die Vorstellung von Ganzheit und Geschlossenheit sowie nicht zuletzt für Einfachheit und Transparenz verstehen.

Nicht alle Räume muß man kennen, nicht alle Orte und Plätze müssen für jeden jederzeit begehbar oder erkennbar sein. Es geht um das Gefühl und die Beruhigung, daß alles seinen Plan und Platz hat, auch bei unterschiedlicher Spezialisierung, Optik und Auflösung. Man hat also ein räumliches Inhaltsverzeichnis und eine zusammenhängende, logische und einfache Wissensordnung, eine Grundlage, um einordnen und finden zu können.

Es gilt zu betonen, daß es noch andere mögliche, zum Beispiel organische, Wissensgebäude gibt, wobei die "objektive Erkenntnis" nach Popper nicht bedeutet, daß es nur einen Grundriß und nur ein Gebäude geben kann, sondern daß ein ganzheitlicher flexibler und offener Raum als Grundbezug geschaffen wird. Auch gilt es die verschiedenen Repräsentationen, auch die Innen- und Aussenwelt, Gegenstands- und Vorstellungswelt zu verbinden (man denkt hier unwillkürlich an Jung und Pauli). Daraus ergibt sich auch die Frage nach der Brücke zu symbolischen und semantischen Inhalten: Wie lassen sich Worte und Zeichen in unseren Plan oder Entwurf einbauen?

Wortlandschaften - Ein Ort für Begriffe und Bezüge

Wir müssen uns stets fragen, wie die Übersichten und Details in unserem ökologischen Raum zusammengebracht werden sollen, wenn jede Disziplin ihre eigene Begrifflichkeit hat, wenn jede Wissensordnung ihre Aspekte, Aufgaben und Dogmen hat, also gemeinsame allgemeinverständliche und verbreitete Landkarten des Wissens durch die hierarchischen Sammlungen auf jedem "Terrain" verhindert werden. Die Suche nach einem Schematismus der Verstandesbegriffe ist nicht neu, und nicht nur Leibniz und Kant haben danach gesucht. Die Frage muß legitim bleiben, ob man sich in explorierbaren, tiefgestaffelten "Räumen der neuen Art" nicht wieder mit solchen Ordnungsfragen beschäftigen sollte. Die Ordnung von Wissen ist ein zentrales und heiß umkämpftes Thema.

Mit unseren technischen Möglichkeiten haben sich auch unsere Darstellungsformen gewandelt: Waren im Mittelalter noch optische, kohärente Zusammenstellungen allen Wissens gefragt - man stellte sich also eine logisch gut strukturierte und durchdachte Ordnung vor - so hat die Automatisierung dazu geführt, daß nicht mehr mit Überblick und Universalität ein Diskurs läuft, sondern jede Fachschaft für sich "ihre" Daten "verwaltet". So entstanden riesige, hierarchisch organisierte Wissensbäume und Wissensfelder; alles wurde irgendwie zugeordnet, jeder für sich in seinem "Feld", weil dies die Klassifikationssysteme möglich machten und erforderten. Die Wissensbäume entstanden nebeneinander, so sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht, übergreifende Ansätze (Äste) aber wurden abgehackt (in der Geschäftswelt heißt das dann "Management by Champignons").

Ordnungen

In unserer Gesellschaft hat Ordnung oft einen strengen Beigeschmack, oft wird verkannt, daß es viele Grade und Ebenen von innerer Ordnung gibt. Sie ist keine Zwangsjacke, sondern die Art wie wir unsere Weltererfahrung und -kenntnis kategorisieren und arrangieren. David Bohm beschrieb Ordnung einmal als die Aufmerksamkeit für ähnliche Unterschiede und verschiedene Ähnlichkeiten. Wie wir ordnen und nach welchen Kriterien, ist eine der Zentralfragen auf dem Weg zur Überschaubarkeit, Wiederholbarkeit und Verläßlichkeit unserer Darstellungen. Doch Wissen richtet sich nicht nach unseren Kategorien oder Fachbereichen, kann aber nach Kernwissen und "peripherem" Wissen unterschieden werden, also nach dem Grad der Übertragbarkeit, und ob es sich als universell bewährt hat. Ein interessanter Gedanke, wenn man überlegt, wie oft etwas "neu" erfunden wird, nur weil jede "Disziplin" oder Fachschaft den Einblick in ihr Fach durch Codes und Sprachgrenzen verhindert!

Schon im Mittelalter wurde versucht, durch die zentralen Fragen nach dem Was?, Wer?, Wo?, Wohin?, Warum? und Womit? etc. Aufschluß über die Innenbeziehungen des Wissens zu erhalten. Dies ist die natürliche und logische Art, Zusammenhänge zu erkennen und einen homogenen Wissenskörper anzulegen. Unser heutiges Wissen ist jedoch hierarchisch geordnet. Wissen aus anderen Sammlungen, Fächern, Medien und Sprachen ist mit hierarchischer Ordnung nicht einzubeziehen, jedenfalls nicht ein-eindeutig, einfach und wiederholbar. Es geht hier also um begrenzte Hierarchien aufsprengende Ganzheit, Vollständigkeit, Überblick und Wiederholbarkeit. Das Problem ist sicher deutlich geworden: zum einen sind es die Umstellungskosten, die Altlasten eingeführter Fachlösungen, zum anderen ist es unsere Trägheit und Vorsicht, wenn es darum geht, neues Terrain zu betreten und eingefahrene Denkgleise zu verlassen.

Geistige Beweglichkeit und ethische Orientierung

Ein Entwicklungsschritt, besser noch ein Vorstellungs- und Erkenntnisfortschritt, ist natürlich weit, denn auf dem Weg dahin müssen wir uns aus uns selbst entfernen und uns selbst wieder annähern, uns vergessen und über unseren eigenen Schatten springen lernen. Individuelles Bewußtsein und Selbstwert sind Vorbedingungen - so ist die anthropozentrische aber interessenlose Sichtweise Grundlage, die nur noch in den Zusammenhang sozio- und ökozentrischer Betrachtungen gestellt zu werden braucht. Die dazugehörigen Traditionen lassen sich vielleicht bei Albert Schweizer und seinem tiefen Respekt vor dem Lebendigen, der ökologischen Sicht der Zusammenhänge im Sinne von Uexküll und den Beziehungen zwischen dem Lebendigen bei Aldo Leopold ausmachen. Vielleicht läßt sich so bildhaft zeigen, daß unser Selbst-, Gruppen-, und Weltbild zusammengehört, daß es nicht gelingen darf, Menschen in das eine oder andere Lager hineinzupressen.

Der Philosoph Hans Jonas sprach davon, das "Prinzip Verantwortung ins Zentrum der Ethik" zu rücken, und zwar "mit Raum- und Zeithorizont". Es gilt also, gemeinsame Wegmarken zu definieren und ab und zu einen Ausguck zu finden, um Überblick zu behalten, um verantwortlich zu handeln. Dazu gehört die Entscheidungsfindung im persönlichen und politischen Raum. Es gilt durch eine "Optik der Ethik" verschiedene Szenarien und Alternativen gemeinsam zu besprechen, Proportionen und Konsequenzen vergleichen und abwägen zu können.

Kombiniert man einzelne Sichtweisen oder Perspektiven, schafft man eine Orientierung für Orientierungen, setzt man die jeweilige "Brille" auf, sieht man die unterschiedlichen "Optiken" und erkennt man die unterschiedlichen Ebenen, Blickwinkel und Standorte, so klären sich die Positionen und Gemeinsamkeiten. Wohlgemerkt: Wir verstehen hier Perspektive als "perspicere", als genaueres Hinschauen, im Sinne der Anschauung Goethes, als tastendes tiefes Suchen, Er- und Abwägen, also als eine nicht-technische, erkennende, nicht instrumentalisierte oder instrumentalisierbare Optik. Letzten Endes geht es dabei um eine "Schau"-Kultur, nicht "Show"-Kultur, da Themen nicht an der Oberfläche abgehandelt, sondern erkundet und erschlossen werden, mit anderen Augen, aus anderen Richtungen, Kulturen und Zeiten.

Schritte zum Ganzen - Wahrnehmung und Bewußtwerdung

Die Menschheit hat durch die Raumfahrt einen sehr interessanten Sichten-Schritt gemacht, denn sie kann plötzlich ihren Heimatplaneten als Ganzes sehen und sich damit identifizieren. Es hat viele Argumente für und gegen die Raumfahrt gegeben, und man kann sicher damit argumentieren, daß dieses Ergebnis auch durch andere Perspektivensprünge hätte ins breite Bewußtsein der Menschen gelangen können. Dies ist aber zu bezweifeln, denn der Mensch ist sehr "bodenständig". Umgangssprachlich heißt es: "Aus den Augen, aus dem Sinn".

Was war bei den Erdbildern anders als bei anderen bunten Bildern, die täglich in Menge auf uns einströmen? Es ist wohl die Einbeziehung und Verknüpfung mit dem Einzelnen, das Aufmerken, dort einen Ort zu haben, und die Identifikation und Definition, Teil eines Ganzen zu sein. Man kann getrost behaupten, daß das wirklich Neue der gemeinschaftliche Perspektivenwechsel ist, die Annäherung und Entfernung, ein intellektueller, kognitiver und intuitiver "Zoom", der Bewegung, Begegnung und Tiefe möglich macht.

Durch die Weltraumbilder war es möglich, sich wieder als Teil in einem größeren Zusammenhang zu begreifen. Es war möglich, "die Menschheit" nicht nur zu sagen, sondern auch ein Bild dafür zu haben, mit dem man sich identifizieren kann. Diese geistige Beweglichkeit, sich zugleich als Teil und als Betrachter eines Bildes zu fühlen, führt zu einer erweiterten Definition von Sinn, von Aufgaben und Reflexionen über Zusammenhang und Zusammenhalt. Was hier passiert, ist, daß örtliche oder zeitliche Perspektiven, Horizonte und Grenzen relativiert werden. Plötzlich hat dieser Positions- und Perspektivenwechsel etwas Transzendentes, Metaphysisches, Religiöses und wird vielleicht sogar als Seelenpflege oder -heilung betrachtet werden können. Ist es nicht die natürlichste Form der Heilung, wenn man sich vertrauensvoll aus der bloßen Ich-Sicht herausnimmt, Sichten verbindet, Grenzen transzendiert und sich so aus einer geistigen Enge und Fixierungen befreit?

Wenn wir einen Schritt weitergehen, erkennen wir, daß wir diesen kostbaren Erkenntnisraum durch die Definition von zwei Blickpunkten, der eine durch unsere Augen, der andere durch die Satellitenkamera, dennoch nicht eindeutig und dauerhaft definiert haben. Dieser Raum ist eher eine Oberfläche, ein Potential, wir haben keinen Tiefenaufschluß, keine inhaltlichen Erkenntnisse. Die Erkenntnisse sind also nicht verkörpert und tief, sondern sie bleiben oberflächlich, flach, willkürlich und kurzlebig, sie verblassen schnell - und so ist es auch mit den Einsichten, die wir gewonnen haben. Schon morgen können die ewigen Zweifler und Verunsicherer fragen, ob der Weltraum mit seinen Ordnungen nicht Fiktion ist, und die Weltraumbilder Täuschungen und Montagen.

Befragungen zeigten, daß große Teile der Bevölkerung nicht nur meinen, daß die Sonne "offensichtlich" auf- und untergeht (und nicht, wie man in der Schule lernt, die Erde um die Sonne kreist), sondern dies auch verinnerlicht haben. Augenscheinlich müssen mehrere Sinne zusammenkommen, um vom Erfahren und Erkennen zum Begreifen und Verinnerlichen zu kommen. Es gilt also, unsere Bilder und Sinneswahrnehmungen zusammenzubringen, uns dadurch Sicherheit zu verschaffen, daß wir unsere Eindrücke abgleichen und so "Sinnvolles" anstreben. Eine Redewendung formuliert dies treffend: "Wer fühlt, was er sieht, gibt, was er kann". Die Nagelprobe bleibt, ob ein "Sinn" die Oberhand gewinnt, ob eine visuelle Zeitenwende bedeutet, daß andere Sinne verkümmern, Oberfläche mit Tiefe und Bewegung verwechselt wird, oder ob wir Täuschungen durch den Abgleich der Sinne aufdecken können.

Augenmaß - ein Auge der Vernunft?

Wie sind nun natürliche und synthetische Realitäten ein- und zuzuordnen? Auch hier bietet sich sofort die alte dualistische Falle an: Geht es hier um Weltbilder oder Weltanschauung, Sinnliches oder Übersinnliches, Physik oder Metaphysik? Lehnen wir diese dualistischen "Totschlag"-Fragen ab und versuchen wir, die Kategorien zu erweitern. Vielleicht sehen wir unsere Vorstellungen mit einem dritten, geistigen Auge? Einem Auge der Vernunft im Sinne von Bonaventura? Vielleicht ist dies ein provisorisch gangbarer Weg für die verschiedenen Denkschulen. Das Auge der Vernunft bietet sich hier als Brücke zwischen sinnlicher, körperlicher Wahrnehmung durch das physische Auge und einem übersinnlichen, kontemplativen Auge.

Gerade das Gefühl für den Zusammenhang, für Ganzheit und Zusammengehörigkeit, verbunden mit Harmonie und Schönheit, ermöglicht einen tieferen Blick, die notwendige Verbindung von Weltbild und Weltanschauung. Und noch wichtiger erscheint der Hinweis, daß wir mit dem Thema "Ganzheit und Greifbarkeit" ein gesellschaftlich sehr heißes Eisen ansprechen. Der Mensch fällt leicht zurück in die "Einäugigkeit", das heißt, in extreme Vereinfachung oder erliegt den Verlockungen der Kompetenz-/Grenzüberschreitung.

Einblick, Durchblick, Ausblick - Eine Abschlußbetrachtung

Der hier vorgestellte Lösungsansatz plädiert für eine Verbindung von Denken, Visualisierung und Gespräch - gerade über komplexe und vielschichtige Zusammenhänge. Dazu bedarf es lediglich einer Einigung über Dimensionen und Räume, damit Zusammenhänge und Beziehungen, Proportionen und Konsequenzen einen Ort haben und somit real, als gemeinschaftlich vorstell- und verhandelbar werden. Zu oft schon haben wir aneinander vorbeigeredet. Klar wird: Das Thema ist nicht nur zentral, sondern auch hochpolitisch, da es gleichzeitig auf allen Ebenen abgehandelt wird, auf der Weltbühne ebenso wie im Rathaus und in den Familien. Wir sprechen zwar von einem "gemeinsamen Tisch" oder Thema, haben oder machen uns aber keine Vorstellung, denken nicht an das Ganze und wie es verwoben ist. Stattdessen hören wir ständig in der Öffentlichkeit, was Amtsträger nicht sind oder nur sind: Wissenschaftler, Unternehmer, Politiker, Journalisten. Solche Funktionsträger, Rollenspieler ohne Blick für die Bühne, sind Beobachter ohne Vorbildfunktion. Dies ist fatal, denn unsere Kinder halten Ausschau nach Weltbildern. Ihnen ist das, was in der Schule geboten wird, wie sich bei Seminaren zeigte, "zu flach". Sie übernahmen spielerisch Modelle, wie eine T-Intelligenz, die ja schon lange von Bildungsforschern beschrieben wurde. Ganz einfach: es ist gut, sich in einem Bereich auszukennen und sein Wissen zu übertragen und überall anzuwenden. Das Thema weitet sich also: Flexibilität, Identität und Integrität.

Der Autor sieht eine der zentralen Herausforderungen darin, die Themen Identifikation, Orientierung und Weltbild versus Weltanschauung nicht zu verdrängen, sondern konsequent und praktisch anzugehen. Eine virtuelle Cyberkultur kann unsere Kultur durchaus destabilisieren und uns noch näher an Babylon heranführen - doch dem gilt es durch gemeinsame Bezugssysteme entgegenzuwirken, die ein "schwarz/weiß" Schachteldenken obsolet machen können. Leider steht dem die ‚postmoderne‘ Einstellung gegenüber, daß alles sowieso subjektiv, relativ, fraglich und sinnlos ist. Dies scheint ein Erbe "skeptischer" Denkschulen zu sein, die mit dem Argument der 'epistemologischen Offenheit' selbst die Orientierung und Offenheit verweigern, dabei aber einen Plan und Ordnungshilfen mit der Realität verwechseln. Wir wollen hier versuchen, dem subjektiv-objektiv Dualismus zu entgehen, indem wir Distanz einnehmen, "Höhe" gewinnen, um die Bilder dieses Beitrags zu verwenden. Dieser "andere Blick" ist dann selbst-transzendierend, inter-subjektiv und partizipativ und kann durch die andere "Beleuchtung" die soziale Kohärenz fördern.

Es sind Hürden auf dem Weg zum gemeinsamen Verstehen zu nehmen. Es reicht nicht die Erkenntnis, daß Menschen in verschieden "Welten" leben können. Die Dimensionen, Maßstäbe, Achsen und Richtungen müssen auch in einen Zusammenhang gebracht werden, um ein gemeinsames "Augenmaß" für Situationen, Beziehungen und Proportionen entwickeln zu können. Vorbedingung ist eine Baukunst oder ein architektonischer Plan, als Einheit mannigfaltiger Erkenntnis unter eine Idee (Kant, Popper), denn wir können nicht vom Teil ausgehen, ohne es auf ein Ganzes zu beziehen.

Der Mensch ist mit seinen optischen und kognitiven Linsen gut ausgestattet, gut gerüstet für das Überleben in Realitäten, denn er kann reflektieren und Vorstellungen und Wahrnehmungen austauschen. Er kann auf diese Weise sogar sinnlich und intellektuell gegensätzliche Bilder und Welten zusammenbringen, Gräben und Täler zwischen den Bildern überbrücken und so ein Dach für ökologisches und soziales Bewußtsein (Mentalitäten) entwickeln. Gerade wenn wir unter dem Begriff Bewußtsein nur das verstehen wollen, was innerhalb eines sozialen Rahmens mitgeteilt werden kann, wird die zentrale Bedeutung der Möglichkeit offensichtlich, sich auch über abstrakte Situationen, Positionen, Proportionen und Konsequenzen von Handlungen austauschen zu können. Die Frage bleibt: Will der Mensch teilen und sich mitteilen? Raum als gemeinsames Potential und Chance sehen, oder nur als Besitzstand verstehen?

Ein Beispiel für die Dringlichkeit und Notwendigkeit systemischer, ganzheitlicher Darstellungen ist die Agenda 21, eine zusammenhängende Darstellung der Themen, Strategien und Optionen, wie sie leider auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro im Jahre 1992 nicht zum Zuge kam. Dort wie fast überall blieb und bleibt es bei "Listen" und "Katalogen" von Wünschen und Forderungen, die leicht dazu führen, gemeinsame Ziele aus den Augen zu verlieren. Solch eindimensionales Denken in Fronten und Grenzen gilt es jedoch zu überwinden; es gilt, einzubeziehen und nicht auszugrenzen. Da es sich hier um abstrakte Positionen und Bereiche handelt, gilt es nach dem geschilderten Beispielen, auch für dieses Terrain gemeinsame Grundlagen, gemeinsame Karten und Pläne zu entwickeln, Grenzen im Denken nicht festzuschreiben, sondern zu verändern, aufzulösen und zu verschieben, also zeitliche, räumliche und thematische Positionen und Lösungen zu verknüpfen, die eindimensionalen Baumstrukturen durch mehrdimensionale Raumstrukturen zu ersetzten und endlich den Dualismus durch eine anschauliche, breitere und tiefere Basis zu überwinden.

Für uns kann "Sehen" Weltoffenheit bedeuten: Es läßt sich aus dem indogermanischen "ueid, veid" = "Wissen" ableiten, und so könnte unser Modell dazu dienen, den Bereich des gemeinsam Wißbaren zu erweitern. Andere verteufeln den Sehsinn, die möglichen Täuschungen und Trugbilder. Ziel sollte es sein, andere Sinne und Erfahrungen stützend heranzuziehen und so überprüfen zu können. Wenn es uns nun gelingen sollte, das Schachteldenken zu überwinden, andere und neue Augen zu bemühen und Sichten auszutauschen, im Raum zwischen unterschiedlichen Repräsentationen zu wechseln, also auch Kugel- oder Spiralmodelle als Annäherungen zu nutzen, so ist das für den Autor eine sinnvolle Übertragung: Eine Transformation von unserem physischen, auf einen konzeptionellen und dann auch auf einen sozialen Körper; der Versuch, gesellschaftlichen Bezug herzustellen und im Gespräch zu halten. Die zentrale Frage war doch gewesen: Überwältigen uns Dimensionen und Komplexität, oder suchen wir Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit? Schrumpfen wir uns friedlich auf eine tragfähige Bevölkerungsdichte zurück, entwickeln wir lebenswerte Bedingungen friedlich, finden wir zu einem Miteinander, oder bleibt es bei beim Einfluß-, Territorien- und Machtdenken?

Ich verweigere mich der Apathie und einer geistigen Enge, plädiere für Überblick und eine Gesamtorientierung, ein umfassendes Miteinander statt eines Wettstreits von Reduktionismus und / oder Synoptismus, der überflüssig und sinnlos ist und zu leicht im Kollektivismus endet. Die Hoffnung besteht darin, sich nicht apathisch, also ohne Fühlen abzuschotten, sondern die Möglichkeiten des Fühlens, Greifens und Begreifens einer erweiterten Gegenstandswelt anzupassen.

Gerade weil es zu oft bei verbalen Bekundungen wie "Brücken bauen, Grenzen überwinden" bleibt, sollten wir fragen: Wo? Welche Grenzen? Wer hat sie wann errichtet, und wie können wir sie abbauen, um so der Gedankenlosigkeit und Schwammigkeit entgegentreten zu können? Warum soll es nicht zusätzlich ein wohlgemerkt oberflächliches Überblickswissen geben, wenn wir es gezielt vertiefen können? Sollten wir nicht unseren Kindern einen Kompaß an die Hand geben, der hilft, übertragbares Wissen herauszustellen und so weit wie möglich das Rauschen der Mitteilungen zu umgehen?

Irgendwann sollten wir erkennen das Bilder und Modelle nur Krücken sind, Halbheiten, die im Zusammenhang eine Ahnung einer Ganzheit verschaffen und so ein Darüber reden wieder möglich machen können. Wir haben gezeigt, das Wortbilder oder Metaphern wie Haus oder Landschaft sehr wohl helfen können sich zu orientieren und Neues in den "Zwischenräumen" zu entdecken. Wichtig ist aber, daß wir uns nicht von einer Metapher einfangen lassen, das der Wissensbaum oder die Wissenslandschaft, oder, momentan "en vogue" der Wissensozean, schöne, praktische und einfache, naturnahe Modelle sind - nicht mehr und nicht weniger.

Die frühen Systemforscher haben dies erkannt, sprachen als Ausflucht von "symbolischen" Bäumen und Systemen, anstatt bei der Notwendigkeit größerer Tiefe auch tiefere Bilder zu bemühen und ein organismisches, lebendiges Erkennen zu verbreiten. In den Systemwissenschaften ist der notwendige Dialog zwischen Reduktionismus und Holismus bisher nicht zustande gekommen und so haben sich Analogien als "Realitäten" einschleichen und verewigen können. So konnten auch oberflächliche anstelle von "griffigen" und leicht "begreifbaren" Darstellungen Eingang in die Lehrbücher und unser Denken finden.

Sobald eine Metapher Gemeingut wird und damit nicht mehr hinterfragt wird(siehe Paradigmen) ist besonders darauf zu achten, ob sie nicht mehr verstellt oder als erhellt. Wir sollten deshalb auch von Wissensgestalten, Wissensgesichtern, Wissensgeweben sprechen und so lebendige, organische Aspekte und die Veränderung der Formen und Sichtweisen einbeziehen, plastische lebendige, verkörperte, als dinglich erkennbare Metaphern (spatial metaphors) suchen und fordern.

Ein "Wissenskiosk" kann zwar den überraschenden Durst stillen, er ersetzt aber nicht das Wissen um Metainformationen, Zusammenhänge und Hintergründe. Ich plädiere deshalb für geistige Mobilität - Orts- und Richtungswechsel in den Köpfen, als natürliche Therapieform, Toleranz durch Perspektiven- und Anschauungswechsel, Gestaltwandel - und eine Verbindung von Sehen und Schauen, Teilen und Mitteilen. Der Blick auf das Ganze und die Sicht der Zusammenhänge führt zur Achtung und Zurückhaltung, dies zeigte sich täglich während der Besichtigung "Blackbox Natur" in der Ausstellung "WELT IM WANDEL". – Es gilt, ständig Identitäten und Positionen zu reflektieren, sich als Teil und als Beobachter zugleich zu verstehen, also nicht nur Einzel- oder Gruppensichten zu kultivieren. Solch eine Flexibilität und Toleranz auch für geistige Territorien führt vom Gegeneinander zum Miteinander, einem dringend notwendigen Entwicklungsschritt. Denn so kann Einsicht nicht nur gepredigt und an Verständnis appelliert, sondern auch geteilt werden, sich Zusammenhalt entwickeln.

Reiseerinnerungen vom Grenzland zwischen Realität und Kognition

Im chinesischen TAO (Weg) heißt es: "Im Nichtanhängen entsteht die Schau des Urgrundes allen Seins, im Ich-Anhangen die Begrenztheit räumlicher Wahrnehmung" (I,3). Treten wir also nach unserer "Gedankenreise in Sinnwelten" einmal zurück, stellen wir fest, daß wir uns nicht bloß auf das nur abstrakte eingelassen haben, und auch nicht nur auf das reale, greifbare, sondern wir haben oszilliert, geatmet - vermittelnd zwischen den "Modellen" und Denkschulen. Dieser Brückenschlag sollte das Bleibende sein, wir können die Welten immer wieder neu definieren und verändern, wichtig ist , daß wir sie (be)greifbarer, anschaulicher und miteinander nachvollziehbarer gemacht haben. Durch das definieren und Modellen von "Wir" auf vielen Ebenen, durch Zusammenhang Zusammenhalt schaffen können. Die Vermittlung zwischen Weltsichten und Sichtweisen und der gemeinsame Abgleich, die Veränderung und der Gestaltwandel (der Betrachtungsweisen und Darstellungen/Konstruktionen) ist ein Schritt zur angestrebten Reflektion, machen Betrachtung des Ich und Nicht-ich, des Gegebenen und Nicht-Gegebenen, durch UNS möglich.

Dabei kann sich wieder ein Gefühl für Ordnung, Plan und Maß entwickeln, nicht als Schreckgespenst, sondern neutrale Art und Weise, wie wir unsere Welterfahrung kategorisieren, arrangieren und ständig verändern können. Dieser Überblick und diese Sicherheit ist nicht nur Grundbedingung für effektives Lernen, sondern auch ein gutes Gefühl, denn aus Zusammenhang und Zusammenhalt erwächst Sicherheit und die Möglichkeit sich zu verändern und zu wachsen, auch intellektuell, was der Menschheit die dringend nötige Portion an Überlebensdenken brächte.

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