Die Abstraktion


1. Die Rolle der Abstraktion in der Wissenschaft *
2. Formen der Abstraktion
* 2.1. Abstraktionsleistungen von Lebewesen *
2.2. Realabstraktionen in der Gesellschaft
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3. Wissenschaftliches Abstrahieren
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3.1. Richtungen der Abstraktion
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3.2. Abstrakt-Allgemeines und Konkret-Allgemeines
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3.2.1. Geschichte des Denkens über Abstraktes und Konkretes
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3.2.2. Abstrakt-Allgemeines
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3.2.3. Konkret-Allgemeines
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3.3. Logik des Abstrahierens
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3.4. Die Grenzen des Abstrakten - die Realität, die Entwicklung und die Bedingungsveränderung
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4. Das Abstrakte und das Konkrete im Allgemeinen der Wissenschaften
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4.1. Die Abstraktion in den Gesellschaftswissenschaften
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4.2. Die Abstraktion in den Naturwissenschaften
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4.3. Konkret-Allgemeines in der Physik?
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Literatur:
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1. Die Rolle der Abstraktion in der Wissenschaft

Oberflächlich wird oft angenommen, Wissenschaft bestehe im "Verallgemeinern" und damit in der "Abstraktion" vom Einzelnen.
Wir werden sehen, daß diese Sichtweise selbst zu allgemein ist und das Wesen des Wissenschaftlichen nicht erfassen kann. Dabei ist es notwendig, als Wissenschaft nicht lediglich das "System bestätigter Erkenntnisse" in Form von Gesetzen und/oder Theorien zu verstehen, sondern als Prozeß menschlicher Tätigkeit, als Arbeitsprozeß. Nur bei einer prozeßhaften Betrachtung haben wir die Möglichkeit, die Abstraktion ebenfalls als Teilprozeß des wissenschaftlichen Erkennens zu verstehen, statt nur ihre geronnenen Ergebnisse, die Abstrakta, vor Augen zu haben.
Wissenschaft ist ein gesellschaftlicher Prozeß und unterscheidet sich damit grundlegend vom "Erkennen" im biotischen Bereich. Deshalb sind auch ihre Teilprozesse nicht lediglich psychische Phänomene in biotischer Allgemeinheit. Abstraktion ist deshalb nicht lediglich ein "psychischer Prozeß" (Mittelstraß 1971, S. 59). Abstraktion ist auch nicht der gesamte "Übergang von der sinnlichen zur rationalen Erkenntnis" (Bönisch 1991, S. 29). Er ist lediglich ein, wenn auch "wichtiges Moment" dieses Übergangs (Klaus, Kosing, Segeth 1976, S. 41).

 
2. Formen der Abstraktion

2.1. Abstraktionsleistungen von Lebewesen

Natürlich kann wissenschaftliche Arbeit nicht auf biologische Sachverhalte reduziert werden. Jedoch beruhen die einfachsten Voraussetzungen der Abstraktion auf einfacheren psychischen Orientierungsprozessen. Bereits in sehr frühen Stadien der Evolution entstanden Fähigkeiten von Lebewesen
  • sich anhand von unmittelbar wahrgenommenen Umgebungseigenschaften und deren Veränderungen zu orientieren (Gradientenorientierung nach Holzkamp 1985, S. 86),
  • bestimmte Invarianzen aus wechselnden Umgebungsbedingungen auszufiltern, wobei aktive Eigenbewegungen Voraussetzung für die Erfassung von Distanzen sind (ebd., S. 87) und
  • verschiedene Umweltgegebenheiten qualitativ zu unterscheiden, die mit bestimmten Aktivitätsdeterminationen verbunden sind ("Freßfeind" = "weglaufen"...).
Die Wahrnehmung der Umwelt durch die Organismen ist dabei artspezifisch. Bestimmte aktivitätsrelevante Merkmalskombinationen werden als "Realabstraktionen" herausgehoben, wie z.B. das Muster von Dreiecken am Himmel für Hühner, welches ihre Flucht auslöst.
Diese Mechanismen wirken bei Menschen als Lebewesen durchaus auch noch - allerdings nicht in derselben Weise wie in der Tierwelt. In der weiteren psychischen, sozialen und gesellschaftlichen Evolution entwickelte sich eine Ablösung von der vorherigen Determination der Aktivitätsauslösung. Schon im Tierreich werden die "angeborenen auslösenden Mechanismen" ergänzt durch individuelles Differenzierungslernen. bzw. die eigenständige Kombination von Aktivitätssequenzen. Menschen haben prinzipiell eine zusätzliche Möglichkeitsdimension: entsprechend den wahrgenommenen aktivitätsauslösenden Merkmalen zu handeln oder auch nicht. Die später diskutierten bewußten Abstraktionsleistungen der Menschen liegen auf einer anderen Ebene als die eben besprochenen biotisch-psychischen. Es ist unzulässig, innerhalb der Wissenschaftstheorie lediglich von Abstraktion als "psychischem Prozeß" (Mittelstraß 1971, S. 59) zu sprechen, weil er den gesellschaftlichen Charakter spezifisch menschlicher Abstraktion vernachlässigt. Typisch für das menschliche Erkennen ist die für Tiere unmögliche "gnostische Distanz" auf Grundlage der existentiellen Entlastung der einzelnen Individuen von den unmittelbaren Reproduktionsanforderungen. (Holzkamp 1985, S. 236). Dadurch können sich die Erkenntnisinteressen der Menschen von der ideellen Reproduktion unmittelbarer handlungsauslöser Reize zur direkten Bedürfnisbefriedigung emanzipieren.

 
2.2. Realabstraktionen in der Gesellschaft

Die menschliche Gesellschaft ist nicht nur die Summe der bilateralen Handlungsbezüge der Menschen, sondern sie stellt selbst einen übergeordneten Zusammenhang dar, der durch die gesamtgesellschaftliche Reproduktion gebildet wird. Zur Reproduktion gehören kulturelle Aspekte wie Kommunikation, allgemeine Interaktionen - zentral ist jedoch die materielle Reproduktion der Existenzbedingungen der Gesellschaft in der Arbeit. Gerade die Streitfrage, ob Arbeit oder Kommunikation zentral ist, wird mit Bezugnahme auf verschiedene Abstraktionstypen verständlicher. Die Bezugnahme auf die Arbeit ermöglichst es im Unterschied zur Bezugnahme auf allgemeine Interaktion oder Kommunikation, die Gesellschaft als sich entwickelnde, nicht lediglich statisch sich reproduzierende zu verstehen.
Als Summe von bilateralen Interaktionen wird die Gesellschaft auf wissesnchaftlicher Ebene kaum noch betrachtet. Auch die Beziehungen auf allen Märkten von Angebot und Nachfrage beruhen auf keinen Fall auf direkten, unmittelbaren persönlichen Beziehungen, sondern vermitteln ein höheres Ganzes, ein System. In Bezug auf das System werden die Beitrage der Einzelnen als prinzipiell gleichartige äquivalent gesetzt, alle eventuellen qualitativen Besonderheiten spielen bezüglich des Systemcharakters des Ganzen keine Rolle, weil sie nur in ihrer Funktion; für ein System "als nicht weiter auflösbare Einheit" (Luhmann 1988, S. 42) zu fungieren, bestimmt sind.
Das System wird quasi zur "Substanz", um deren Selbsterhalt sich alles dreht bzw. zum "Subjekt" als Träger der Bewegung - wobei von der jeweils besonderen Qualität der einzelnen "Elemente" abgesehen wird.
Da verschiedene Bereiche der Realität tatsächlich systemaren Charakter haben, existieren "reale Abstraktionen". Sie fixieren einerseits das Ganze gegenüber den einzelnen Elementen und vereinzeln die Elemente gegeneinander. Diese Realabstraktionen zeigen sich gegenüber den Elementen als "gesellschaftliche Vorgänge der strukturellen und funktionalen Differenzierung, infolge derer die Einheit der Gesellschaft arbeitsteilig realisiert wird" (Warnke 1977b, S. 67).
Diese Systemauffassung bleibt jedoch auf der Ebene der äquivalenten Wechselbeziehung - kann keine wesentliche Unterschiedlichkeit erfassen. Bleiben wir im Bereich der Gesellschaft, wäre die Systemauffassung typisch für Zirkulationsprozesse - was gleichzeitig Entwicklung ausschließt. In den verschiedenen Autopoiesiskonzepten kommt diese Ebene zum Tragen. Sie erfassen lediglich die Selbstreproduktion der Strukturen, deren Gewordensein, Werden und Vergehen aus dem Blickfeld bleibt. Dieses ist nicht aus der Zirkulation ermittelbar, sondern fragt nach der Produktion dessen, was zur Historizität führt. Dazu können die Teile des Ganzen nicht mehr als lediglich Äquivalente angesehen werden, sondern ihre Unterschiedlichkeit wird wesentlich. In der Gesellschaft bspw. hat lediglich eine besondere Ware, nämlich die Ware Arbeitskraft, die Fähigkeit mehr Wert zu produzieren, als sie zu ihrer einfachen Reproduktion benötigt. Daraus ergibt sich eine wesentliche Unterschiedlichkeit, die sich im Geschichtsprozeß zum Widerspruch verschärft, der nur verständlich ist, wenn man die Ebene des äquivalenten Austauchs, der Zirkulation verläßt und die konkrete Produktion und den Doppelcharakter der warenproduzierenden Arbeit, gleichzeitig konkrete und abstrakte Arbeit zu sein, untersucht. Während im System die gewordene Struktur im Mittelpunkt steht, geht es uns jetzt um die Entwicklung - entsprechend dialektischer Sprechweise nennen wir die sich entwickelnde Ganzheit jetzt Totalität.
Wir haben in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft immer noch jene Situation, daß sich der systemare Charakter der Gesellschaft "hinter dem Rücken" der Menschen realisiert, die einander als Vereinzelte auf den verschiedenen Märkten treffen. Trotzdem wird die Gesellschaft, wird in diesem Sinne die reale Abstraktion "von der praktischen Tätigkeit aller Menschen erzeugt (und) charakterisiert die Arbeitspraxis der Wirtschaftssubjekte (Finelli in Sandkühler 1999). Es bedarf einer bewußten Aufhebung des "objektiven Scheins" der Herrschaft des äquivalenten Austauschs, des Aufsuchens des wesentlichen Unterschieds, um daraus Perspektiven für eine Aufhebung dieser konkreten Form der realen Abstraktion zu gewinnen.
Damit ist nicht gleichzeitig die Aufgabe gestellt, jeglichen Systemcharakter der Gesellschaft zu beseitigen, wie Habermas gegen Luhmann fordert. "Die sinnvolle Forderung, dieses gesellschaftliche System revolutionär zu verändern, wird hier in die Aufforderung verkehrt, den Systemcharakter der Gesellschaft aufzuheben" (Warnke 1974, S. 21).
Die Frage nach der konkreten Form der Allgemeinheit nach dem Kapitalismus, mit der die Unmittelbarkeit der gesellschaftlichen Beziehungen überschritten wird ist noch gar nicht in ausreichender Form gestellt...

 
3. Wissenschaftliches Abstrahieren

Die "Abstraktion" wird vorwiegend dadurch zu einem Problem, daß oft nur ihre Ergebnisform, das "Abstraktum" betrachtet wird und nicht ihre Prozeßform, die abstrahierende Tätigkeit.
Sie ist jene Operation, "durch die ein gewisser Aspekt der Wirklichkeit von anderen, mit ihm verbundenen Aspekten getrennt wird und als Objekt der Betrachtung, der Untersuchung, der Erkenntnis ausgewählt wird" (Finelli 1999, S. 20). Welcher "gewisse Aspekt" wird ausgewählt?
  • Invariantes wird herausgehoben, von sich verändernden und - bei einer Menge untersuchter Objekte - unterschiedlichen Eigenschaften wird abstrahiert (Siegwart 1999, S. 27),
  • vom Besonderen wird zum Allgemeinen übergegangen,
  • die "für einen praktischen oder theoretischen Zweck wesentlichen Merkmale, Eigenschaften und Relationen" (Bönisch 1991, S. 29) werden herausgehoben.
Invariantes, Allgemeines und Wesentliches ist nun nicht unbedingt dasselbe. Invarianz ist eine Voraussetzung für Abstraktion. Die Abstraktion selbst führt dann zur Erkenntnis von (abstrakt-)Allgemeinem. Daß dieses abstrakt-Allgemeine bereits das Wesentliche erfaßt, ist nicht selbstverständlich. Es könnten auch unwesentliche Seiten als vielen einzelnen Dingen gemeinsame herausgehoben sein. Abstraktes ist nicht automatisch Wesentliches! Mindestens müssen die wissenschaftlichen Abstraktionen "verständige Abstraktionen" sein, sie müssen "wirklich das Gemeinsame hervorheb(en), fixier(en) und uns daher die Wiederholung erspar(en)" (Marx 1983, S. 20/21).
 

3.1. Richtungen der Abstraktion

Historisch gesehen entwickelte sich eine einfache Form der Abstraktion zuerst: Das Zusammenfassen von Gemeinsamen in den vielen Einzelnen, das Ordnen unter Gattungsnamen. Das Allgemeine wurde historisch zuerst als Gattungen erkannt (z.B. bei Aristoteles und auch bei den biologischen Wissenschaften ist die erste Stufe des Ordnens und Sortierens des vielfältigen Materials aus den letzten Jahrhunderten noch gegenwärtig).
Bereits bei der Einordnung des Gesichteten in derartige Gattungen wird von der jeweiligen indivuellen Verschiedenheit der Einzelobjekte abgesehen, "abstrahiert". Lediglich zur Illustration der Variationsbreite einer biotischen Art werden z.B. im Museum auch verschieden große Käfer einer Art auf einer Tafel aufgereiht.
Ob diesen Gattungen selbst eine "wirkliche" Realität zukommt, oder ob nur das Einzelne existiert und nur unsere Ordnungsarbeit die Gattungen erzeugt, wurde für die Biologie durch die biologische Artdefinition und die historisch-genetischen Abstammungszusammenhänge weitgehend geklärt. Im Mittelalter drehte sich der "Universalienstreit" um diese Frage, ob das Einzelne oder das Allgemeine real existiert, bzw. welches das andere beherrscht/bestimmt. Während vor allem kirchlich-feudal-standesbewußte Leute annahmen, daß das Allgemeine das Einzelne bestimmt und deshalb natürlich selbst existiert, sogar in bestimmender Weise – widersprachen dem vor allem Vertreter einer frühbürglichen Denkweise, die dem Einzelnen den Vorrang und mitunter einzige Existenz zusprachen. Auf einen genialen Ausweg verfiel Abälard,, weil er auf die Kenntnis der arabischen Denker Ibn Ruschd und Ibn Sina bauen konnte: Er unterschied: a) Allgemeines, das Gattungen darstellt und b) Allgemeines, das sich in Zusammenhangsformen zeigt. Dem Gattungs-Allgemeinen kommt nach Abälard keine reale Existenz zu, den Zusammenhängen aber durchaus.
Wir sehen, daß diese Form der Abstraktion auf ein Allgemeines zielt. Es wird von konkreten Eigenschaften des Einzelnen abstrahiert. Die Einzelnen werden nicht mehr mit ihren Besonderheiten, sondern als Elemente einer Klasse gleichartiger (äquivalenter) Objekte genommen. Abstraktes in diesem Sinne ist "durch Vergleichen herausgesondertes Allgemeines" (Röseberg 1975, S.180). Daß drei Äpfel und drei Birnen etwas Gemeinsames haben, ist gar nicht so selbstverständlich. Auf einer Südseeinsel werden heute noch unterschieden zwischen 10 Booten, die "bole" genannt werden und 10 Kokosnüssen, die "karo" heißen (Kaden 1985, S.10). Auch die Begriffsbildung geschieht abstraktiv. Dabei werden verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen geordnet (Kant). Dies ist nach Kant eine Leistung des Verstandes. Insofern stellen Begriffe etwas Allgemeines dar. Aber die "Richtung" der Verallgemeinerung kann unterschiedlich sein. Bei jeder Abstraktion wird das Wesen der besonderen Momente eingeschränkt, und Gemeinsames hervorgehoben. Sie beruht auf der Erkenntnis von Äquivalenzen, d.h. von "Gleichheiten hinsichtlich einer bestimmten Eigenschaft" (Ruben 1978, S. 60). Eine Äquivalenzrelation erfaßt immer nur das Moment der Einheit eines objektiv erscheinenden Widerspruchs, d.h. der abstrakten Gleichheit (Ruben/Wagner 1982, S. 66). Die Abstraktion ist deshalb weniger eine "Verallgemeinerung" als eine Beschränkung. Dabei werden reale Widersprüche (d.h. die Unterschiedlichkeit in der Einheit) herausgenommen. Schelling spricht von der Absonderung des Handelns vom Produzierten. Nach Ruben (s. 3.3.) verschiebt sich durch die analytische Methode für diesen Teil des wissenschaftlichen Tuns die Widersprüchlichkeit direkt in die konkrete Subjekt-Objekt-Beziehung: "Das besagt aber, daß wir den Ausschluß des Widerstreits unseres gewählten Standards mit seiner Umwelt dadurch betreiben, daß wir den Widerstreit genau dieser Umwelt mit uns einschließen" (Ruben 1977, S. 112). Allerdings ist die oben genannte Abstraktionsrichtung nicht die einzige. Sie erscheint es, wenn man – universaliennominalistisch – davon ausgeht, daß primär Einzelnes existiert und das Allgemeine ableitungs- und erklärungsbedürftig ist ("Induktionsproblem").
 
Anders sieht es aus, wenn man die Realität aus Sicht der allgemeinen Zusammenhänge sieht. Die moderne Wissenschaft entwickelt sich immer mehr in diese Richtung. Ganzheitliche, "holistische" Sichtweisen drängen sich in fast allen Gebieten der Wissenschaften auf.
Wenn Schelling (Schelling 1804/1985, S. 551) in einer Abstraktion die Absonderung der Dinge von der Allheit versteht, wird das deutlich. Auch hier entsteht in dem abgesonderten Begrifflichen nichts "Verallgemeinertes", sondern etwas Beschränktes. Hegel sieht im Abstrakten ebenfalls ein einseitiges, vom Ganzen isoliertes Moment des Ganzen. Das Einzelne entsteht überhaupt erst durch das Herausnehmen aus dem Gesamtzusammenhang - wodurch es aber nicht mehr das ist, was es "eigentlich" ist.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht hier nicht das Induktionsproblem, sondern Fragen der
  • Analyse,
  • der Idealisierung von Objekten und
  • der Trennung widersprüchlicher Momente zu Größen (s. 3.3.).

Diese beiden Sichtweisen, die erste universalennominalistische und die zweite universalienrealisitsche, entstehen, entstehen dadurch, daß sich die Erkenntnis einerseits von den Erscheinungen zum Wesen vortastet - andererseits die Wirklichkeit immer konkret, das heißt widersprüchlich und sich entwickelnd ist und die Erscheinungen selbst schon auf dem Weg der Abstraktion abgesondert sind.
 

3.2. Abstrakt-Allgemeines und Konkret-Allgemeines

3.2.1. Geschichte des Denkens über Abstraktes und Konkretes

Das wissenschaftliche Denken beruht seit seiner Frühzeit auf Abstraktionen. Die Reduktion des Seienden auf den Urstoff Wasser durch Thales war eine Abstraktion - eine neue Qualität des Abstrahierens erreichte dann Anaximander, der auf einen Urstoff verzichtete und mit dem Apeiron einen völlig abstrakten Begriff erzeugte, also die Eigenschaften in einem - ansonsten nicht vorhandenen - Wort substantiviert.
Aristoteles erzeugte die Gegenstände der Mathematik, speziell der Geometrie, indem er von den realen Dingen das Sinnliche, Empirische "abzog". Dabei erkannte er den neuen Entitäten keine eigenständige Existenz zu, was er auch explizit gegenüber Platons Ideenlehre geltend machte. Das Mathematische denkt "Ungetrenntes, als ob es getrennt wäre" (Aristoteles, Über die Seele III, 7). Es wird lediglich "das in Gedanken (ausgeklammert), was man dennoch dem betreffenden Objekt in Wirklichkeit zugehörig weiß" (Aubenque 1971b, S. 43). Dieser Prozeß heißt bei Aristoteles: Aphairesis. Aristoteles bestimmt jenes, was durch Boethius als "abstractum" ins Lateinische übersetzt werden wird, als die "Bestimmtheit, die man zwar getrennt denken kann, die aber in der Wirklichkeit nie getrennt von einem Substrat existiert: so das Weiße" (Aubenque 1971a, S. 33, Hervorhebung A.S.).
Erst Alexander von Aphrodisias fügt diesem Aristotelischen (aphairetischen) Abstrakten die Trennung der Qualität vom sie tragenden Substrat hinzu - dadurch gewinnt er das Allgemeine aus dem Einzelnen. Die "Weißheit" entsteht.
Wir kennen jetzt also zwei Typen von Abstraktionen:
  1. formelle A. (abstractio formalis): gedankliche Isolierung von Teilbestimmungen eines Vollständigen: "Weißes" als Resultat des abstrahierenden Denkens - betrifft nur die Betrachtungsweise
  2. einfache oder totale A. (abstractio simplex o. totalis): löst die Idee bzw. das Allgemeine ("Weißheit") so heraus, daß sie von jeder Materie getrennt sind und selbständig existieren (Aubenque 1971b, S. 43)
Auch Thomas von Aquin trennte die Form vom Inhalt. Er sah sie als urbildlich in Gottes Verstand vor den Dingen, abbildlich in den Dingen und im menschlichen Verstand nach den Dingen an.
Ausgehend von Aquin wurden bis ins 18. Jahrhundert hinein nicht alle Begriffe als abstrakt angesehen, sondern abstrakte und konkrete Begriffe unterschieden.
  1. konkrete Begriffe bezeichnen Akt oder Form als zusammengewachsen mit dem Träger, verbunden, ungetrennt (inabstractum), z.B. "Lebendes" (Oeung-Hanhoff 1971a, S. 35). Diese Begriffe entstehen aus dem Prozeß a).
  2. abstrakte Namen: bezeichnen Akt (Tätigkeit oder Eigenschaft) oder Form ohne das Subjekt, z.B. "Leben". Sie entstehen aus b). Nach Hobbes sind sie notwendig, um Eigenschaften berechenbar zu machen: nicht "das Warme" kann verdoppelt werden, sondern nur "die Wärme" eines Gegenstands.
Auch bei Leibnitz ist diese Unterscheidung noch vorhanden in der Differenz von real und logisch Abstraktem (Phil. Schriften, 5, 314f.).
Hobbes warnt ausdrücklich vor einem "Irrtum mancher Metaphysiker, die aus der Möglichkeit gesonderter Betrachtung auf eine vom Körper getrennte Existenz schließen." (Hobbes, De corpore I, Logica III,4) Hieraus entspringt einer der Grundirrtümer gewisser metaphysischer Systeme. Weil man das Denken ohne Rücksicht auf den Körper betrachten kann, hat man gefolgert, daß zum Denken der Körper nicht nötig sei; und weil man die Größen ohne Rücksicht auf Körper betrachten kann, hat man geglaubt, daß Größen ohne Körper und Körper ohne Größen möglich sind... [Hobbes: Grundzüge der Philosophie, S. 47. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 12916 (vgl. Hobbes-G1, S. 30)]
Die Herausdifferenzierung der Physik aus den Wissenschaften war inhaltlich von einer Schärfung des abstrakten Arsenals des Denkens geprägt. Galilei rückte die mathematisch-logische Betrachtungsweise in den Vordergrund, verschärfte als Voraussetzung dafür das Ähnlichkeitsprinzip zum Äauivalenzprinzip. Die späteren Empiristen betonen ebenfalls die Gemeinsamkeit von Merkmalen als Aufgabe der Wissenschaft.
Diese konkrete Form der Wissenschaft wird dann wiederum verallgemeinert. Die frühere feinere Aufteilung des Allgemeinen in Abstraktes und Konkretes ging verloren. Locke, Descartes und Diderot kennen nur noch das Abstrakte als Allgemeines. Bei Hegel jedoch ist der dialektische Gehalt dieser Unterscheidung nicht verloren gegangen. Er unterscheidet die: a.: Allgemeinheit des Begriffs: als "das sich selbst Besondernde (Spezifizierende)" (Hegel 1817/1985, S. 312) - ; und die
b.: abstrakte Allgemeinheit: entsteht durch Hinweglassung des Besonderen und hält lediglich das Gemeinschaftliche fest.

Wir sehen, daß das oben noch undifferenziert als Abstraktes dargestellte Invariante, Allgemeine und Wesentliche verschiedene Formen von Abstraktionen enthält. Das Allgemeine zerfällt selbst in abstrakt-Allgemeines und konkret-Allgemeines, wobei das abstrakt-Allgemeine das Gemeinsame, Invariante darstellt und das konkret-Allgemeine die Differenzierung im Gemeinsamen, die Unterschiede und wesentlichen Widersprüche - die Quelle von Entwicklung sind - nicht wegläßt.
Wenn dies nicht unterschieden wird, sondern alle Abstraktion auf die Form b.) reduziert wird, entsteht eine Verwechslung und "alle Vorwürfe, welche gegen das Denken überhaupt... vom Standpunkt des Gefühls aus erhoben zu werden pflegen, ... haben ihren Grund in jener Verwechslung" (Hegel 1817/1986, S. 312).
Abstraktes Denken ist nicht etwa auf die Höhenflüge theoretischen Denkens beschränkt. Wenn ich etwas "hier und jetzt" erblicke, sehe ich vieles nicht was zu seinen Beziehungen zur Umgebung gehört. Ich abstrahiere von diesen Beziehungen. Jede Wahrnehmung "zieht etwas ab", abstrahiert. Dies betont Hegel in seiner Schrift "Wer denkt abstrakt?" mit dem Beispiel eines Mörders auf dem Weg zu seiner Hinrichtungsstätte. Wenn man diese Person hier und jetzt als "Mörder" wahrnimmt, ist dies eine Abstraktion, ein Hinwegnehmen vom Vollständigen, Ganzen: "Dies heißt abstrakt gedacht, in dem Mörder nichts als dies Abstrakte, daß er ein Mörder ist, zu sehen und durch diese einfache Qualität alles übrige menschliche Wesen an ihm [zu] vertilgen."
[Hegel: Wer denkt abstrakt?, S. 7. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 39646 (vgl. Hegel-W Bd. 2, S. 578)]
Wir können der Abstraktion also nicht entkommen. Unsere Psyche ist einerseits bereits geprägt von der biotisch-artspezifischen Umweltwahrnehmung - wir können diese nur ausweiten, wenn wir uns der Abstraktionen bewußt werden und sie bewußt einsetzten können. Abstraktion ist immer nur ein Teilschritt der Erkenntnis. Das abstrakt-Allgemeine ist notwendig, aber nicht hinreichend für menschliche Erkenntnisprozesse.
Das "wahrhaft allgemeine,... Universelle" sieht Hegel im (konkret-allgemeinen) Begriff, der - als "freie, schöpferische Tätigkeit" (ebd., S. 313) verstanden der Schellingschen Forderung, daß das "Produzierende mit dem Produzierten eins und dasselbe" (Schelling 1800/1979, S. 36, entspr. Werke Bd.2, S. 43) sein solle, entspricht.
Hegel betont deshalb, daß nicht etwa das sinnlich Gegebene das "Konkrete" ist, sondern gerade erst das nach dem Durchgang durchs Abstrakte erkannte "Konkrete" als vollständige Totalität.
"Allgemeines, das in sich konkret ist; unter dieses wird nicht ein gegebenes Besonderes subsumiert, sondern in jenem Bestimmen und in der Auflösung desselben hat sich das Besondere schon mit bestimmt." (Hegel 1812/1986, S. 17). Menschliches Denken " ist... konkret, ist mit Inhalt und Erfüllung zu nehmen" (ebd., S. 132). "Das Konkrete ist nicht mehr ein bloß Erscheinendes, sondern es ist konkret durch die Einheit der Entgegengesetzten, welche sich zu Begriffsmomenten bestimmt haben, im Begriffe". (Hegel 1813-1816/1986, S. 360)
Auch Karl Marx unterscheidet zwischen Allgemeinem, z.B. den "sog. allgemeinen Bedingungen aller Produktion". Diese sind jedoch "nichts als ... abstrakte Momente, mit denen keine wirkliche geschichtliche Produktionsstufe begriffen ist" (Marx 1983, S. 24). Die Untersuchung der Wirklichkeit muß unbedingt weitergeführt werden in Richtung der Suche nach der wesentlichen Verschiedenheit in dem vielfach Gegliederten: "Indes dies Allgemeine, oder das durch Vergleichung herausgesonderte Gemeinsame, ist selbst ein vielfach Gegliedertes, in verschiedne Bestimmungen Auseinanderfahrendes" (ebd. S. 21). Im Abstraktionsprozeß könnte nun "bald diese, bald jene Seite fallen gelassen" (ebd., S. 175) werden - formell wäre auch dies noch Wissenschaft. Wenn wir jedoch den Anspruch haben, das Wesen zu erkennen, müssen wir den Entwicklungsaspekt einbeziehen und nach jenen Unterschieden suchen, die zu entwicklungsbegründenden Widersprüchen verschärfen.
Gegenüber den Ansprüchen von Systemtheoretikern, mit ihrer Erkenntnis der abstrakt-allgemeinen strukturellen und funktionellen Bestimmungen jegliche Erkenntnis abzuschließen, verteidigt Camilla Warnke für Gesellschaftstheorie und die Philosophie das (konkret-)Allgemeine, "das den Widerspruch in sich enthält" (Warnke 1974, S. 43). Nur mit konkreten Begriffen ist demnach die Gesellschaft als Prozeß zu verstehen, wie sie am Beispiel des Begriffs Monopol in der Bewegung seiner widersprüchlichen Bestimmungen Konzentration und Konkurrenz aufzeigt (Warnke 1974, S. 34).
Die Naturwissenschaften jedoch schließen eben jene Widersprüche methodisch aus (s. 3.3.), wodurch sie dem abstrakt-Allgemeinen sehr viel näher sind.
In ihrer Ergebnisform enthalten sie das konkret-Allgemeine
  • in der konkreten wissenschaftlichen Arbeit, z.B. des Abstrahierens,
  • in geronnener Form als gerade zwecks Widerspruchsausschluß konstruierten naturwissenschaftlichen Größen und
  • in den konkreten Bedingungsangaben für ihre Gesetze und Theorien.

3.2.2. Abstrakt-Allgemeines

Ein konkretes Einzelnes kann mit anderen Einzelnen in verschiedener Hinsicht Gemeinsamkeiten aufweisen, bzw. das Ganze kann entsprechend verschiedener Gesichtspunkte analysiert und aufgeteilt werden. Wie dies geschieht, wovon abstrahiert wird, hängt vom Erkenntniszweck ab. Sportmethodiker sind manchmal lediglich an den biomechanischen Eigenschaften von Menschen interessiert und betrachten den Menschen als physikalisches Objekt, maximal noch in seiner physiologischen – den Tieren vergleichbaren - Leistungsfähigkeit. Sogar Psychologen sehen oft nur jenes, was menschlichen Gehirnen und Computern gemeinsam zu sein scheint.
Es gibt gemeinsame Eigenschaften von verschiedenen Objekten, die für die jeweiligen Objekte nicht wesentlich sind, d. h., sie behielten ihr Wesen, ihre Eigenart, wenn jene Eigenschaften entfielen. Alle Menschen haben Haare. Das ist für den Einzelnen (außer in Ausnahmefällen) nicht seine Persönlichkeit, sein Wesen prägend. Viele Blumen sind blau, nicht alle blaue Blumen müssen einer einzigen Art angehören. Solche Gemeinsamkeiten werden "abstrakte Allgemeinheiten" genannt. So unsinnig die Gleichmacherei von Menschen und Sportmaschinen oder Computern ist – ohne das Abstrakt-Allgemeine gäbe es keine Zuordnung von Zahlen und keine Mathematik.
Beispiele für die Bildung von Abstrakta durch das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten sind:
  • Gleichheit für Körper: "gleichschwer" bildet Abstraktum: Gewicht
  • Gleichheit für Lebewesen: "artgleich" bildet Abstraktum: Arten
  • Gleichheit für Waren: "tauschgleich" bildet Werte/Preise (nach Siegwart in Sandkühler 1999, S. 25).

Die Art der Gleichheit bestimmt das Merkmal, bezüglich dessen die verschiedenen Einzelnen bezüglich des Allgemeinen austauschbar sind. Diese Austauschbarkeit wird auch Äquivalenz genannt (Ruben 1978, S. 59). Sie liegt "allen Abstraktionsprozessen zugrunde, so daß jede echte Abstraktion stets relativ zu einer Äquivalenz bestimmt ist" (ebd.). Nach der Art der Entstehung der Äuqivalenz können verschiedene Abstraktionsformen unterschieden werden:
  • isolierende Abstraktion: löst bestimmte Eigenschaften, Beziehungen etc. aus ihrem Zusammenhang heraus und verleiht ihnen selbständige Existenz
  • idealisierende Abstraktion: konstruiert ideale Objekte, Klassen, denen die Begriffe dann entsprechen, mit den Unterformen:
  • idealisierende Klassifikation: Äquivalenzrelation wird gefunden, die Zerlegung einer Menge in Teilklassen ermöglicht;
  • idealisierende Konstruktion: Äquivalenzrelation wird erfunden, damit wird eine Menge idealer Objekte konstruiert, (die den ursprünglichen Objekten mindestens ähnlich sein müssen),
  • idealisierende Klassifikation durch Konstruktion (Klaus, Kosing, Segeth 1976, S. 42f.).

Dabei entstehen bei der isolierenden und auch der generalisierenden Abstraktion keine neuen "Dinge", sondern lediglich "Widerspiegelungen von Beziehungen, die Klassen von Gegenständen oder Beziehungen zukommen", während bei der Idealisierung ein adäquater Gegenstand konstruiert wird (Richter 1969, S.116).
Die Abstraktion beeinhaltet also 1. die Bildung von Klassen äquivalenter Eigenschaften und 2. die Substantivierung dieser Eigenschaften zu eigenständigen Abstrakta. Sie ist nur relativ relativ. Das bedeutet: Einerseits hängt die Abstraktion von den Erkenntnisinteressen und -möglichkeiten der forschenden Menschen ab. Die Auswahl der jeweils interessierenden Eigenschaften ist nicht eindeutig vorgegeben, und es könnten auch durchaus unwesentliche gemeinsame Eigenschaften zusammengeführt werden. Andererseits kann auch nur äquivalent gesetzt werden, was in der Realität äquivalent ist. Ob die gewählten Abstrakta "funktionieren", kann nur die jeweilige Forschungspraxis bestätigen, es gibt keine rein theoretische Sicherheit dafür. Werden hier die "falschen Fragen" gestellt, funktioniert das Gleichsetzen immer öfter - die Antworten sind jedoch dem Gegenstand nicht adäquat. Ein Beispiel dafür wäre eine Psychologie, die in ihren Untersuchungen die Bedingungen für die Versuchspersonen so gestaltet, daß diese lediglich naturhaften "Reiz-Reaktions-Möglichkeiten" unterworfen sind, in denen sie die spezifisch menschlichen Fähigkeitsspielräume (Bedingungen verändern zu können!) gar nicht zeigen können (vgl. Holzkamp 1985, S. 529).

 
3.2.3. Konkret-Allgemeines

Bei Schelling wird das Lostrennen vom Ganzen bei der Abstraktion als endliche Absonderung der Dinge von der Allheit, bzw. vom Unendlichen und Unbedingten bezeichnet. Schellings Weg zurück zum Ganzen, Unendlichen und Absoluten führt über die Einbildungskraft, deren Idee zwischen Begriff und Anschauung, Endlichem und Unendlichem, den Dingen und der Allheit vermitteln kann.
Hegel zielt in eine andere Richtung. Er will nicht per Anschauung und Einbildungskraft die isolierende Abstraktion des Verstandes aufheben, sondern den Verstand "zur Vernunft bringen". Vernunft ist seiner Meinung nach in der Lage, die einzelnen abstrakten Aspekte wieder so zu vereinen, daß nicht etwa wieder der Ausgangspunkt (das Sinnliche, bei dem von allen Zusammenhängen abstrahiert ist) erreicht wird, sondern das Entstehende eine höhere Einheit darstellt.
Die höhere Einheit ist ein Produkt des vernünftigen Geistes: es hat die unterschiedlichen abstrakten Aspekte zusammengeführt. Es versteht das Ganze jetzt als Einheit unterschiedlicher, einander widersprechender Momente, nicht als undifferenzierte "Einheitsbrei". Diese widersprechenden Momente und ihre Einheit bilden jetzt aber wieder etwas Konkretes. Denn es gibt – abstrakt – viele andere Möglichkeiten die Momente zusammen zu führen. Mit der Auswahl einer Möglichkeit ist das Ganze konkret bestimmt. "Die Wahrheit ist konkret" sagt Hegel und meint damit, daß alle einzelnen Sachverhalte in Allgemeines eingebunden sind, dies aber in jeweils konkret bestimmten Beziehungen.
Das Wort "konkret" kommt von "concrescere" - das bedeutet "zusammenwachsen". Wenn wir das verwandte Wort "creare" dazunehmen, erhalten wir die Bedeutung: das Konkrete verbindet etwas auf schöpferische Weise. Es ist die Verdichtung auf das Wesentliche und widerspiegelt einen ganzheitlichen Zusammenhang.
An dieser Stelle werden auch die beiden Sichtweisen: daß man einerseits vom Einzelnen zum Allgemeinen gehen kann, andererseits vom Allgemeinen zum Einzelnen, verbunden: Die konkreten, bestimmten Beziehungen braucht das Einzelne/Besondere überhaupt, um seine Wesenszüge zu realisieren. Alle Eigenschaften und Merkmale haben ihre Wurzeln zwar im Ding selbst, sie realisieren sich aber immer in Beziehungen zu äußeren Dingen. Das Ding "beweist diese Eigenschaft nur unter der Bedingung einer entsprechenden Beschaffenheit des andern Dinges, aber sie ist ihm zugleich eigentümlich und seine mit sich identische Grundlage" (Hegel 1813-1816/1986, S. 134). Damit haben wir einen konkreten allgemeinen Zusammenhang, der als das konkret-Allgemeine das Spezifische des Einzelnen nicht verschwinden läßt, sondern geradezu prägt.
Alle Dinge in der Welt hängen mit anderen Dingen zusammen. Und doch sind die Dinge nicht alle miteinander identisch. Sie unterscheiden sich voneinander. Gerade die Unterschiede sind es, die "sich anziehen" und dadurch die Verbindungen, Beziehungen herstellen. Jedes Ding "reißt sich aus der allgemeinen Kontinuität des Seins ... los", "scheidet sich vom Anderen ab... und ist für sich" (Hegel 1807/1988, S. 168). Wir selbst stehen in Wechselbeziehungen mit vielen Dingen. Wenn wir sie erkennen wollen, stellen wir bestimmte Fragen, betrachten die Dinge unter einem bestimmten Blickwinkel, der von unserem individuellen und gesellschaftlichen Praxis-Hintergrund her bestimmt wird.

 
3.3. Logik des Abstrahierens

Für die Physik beginnt wissenschaftliches Verhalten bereits mit einer abstraktiven Gleichsetzung von Mensch und äußerer Natur. Menschen begeben sich als Erkennende in die "Logik der Sache" hinein, auf Anthropomorphismen wird verzichtet. Dies beinhaltet, die Besonderheit der verschiedenen erkennenden Menschen aus der Wissenschaft herauszuhalten und in diesem Sinne eine "Objektivität" zu erreichen - die Unabhängigkeit vom einzelnen Menschen - wenn auch die Abhängigkeit von menschlicher wissenschaftlicher Arbeit allgemein erhalten bleibt. Zwar gehören Menschen notwendig zur Erkenntnis, ihre einzelnen Vertreter sind jedoch austauschbar. Das heißt nicht, daß wissenschaftliche Arbeit zweck- und interesselos wäre. Es wäre sonst keine menschliche Tätigkeit, sondern tatsächlich eher ein mechanisches Abspiegeln. Es ist nicht so, daß es im Idealfall eine Erkenntnis der Naturbeziehungen "an sich" gäbe, die dann eventuell durch Zwecksetzung und Interesse deformiert würde, sondern im gesamten Erkenntnisprozeß ist der Gegenstand immer eine Einheit von Mensch und Naturprozeß.
Folgen wir der grundlegenden Untersuchung von Peter Ruben (1969c), so steht an erster Stelle der physikalischen Arbeit die
  • physikalische Objekt- und Größenbildung:

Der Physiker (und die Physikerin) ist an physikalischen Eigenschaften der natürlichen Dinge interessiert. Eigenschaften sind den Dingen aber nicht "angeklebt". "Ein Ding hat die Eigenschaft, dies oder jenes im Andern zu bewirken und auf eine eigentümliche Weise sich in seiner Beziehung zu äußern. Es beweist diese Eigenschaft nur unter der Bedingung einer entsprechenden Beschaffenheit des andern Dings, aber sie ist ihm zugleich eigentümlich und seine mit sich identische Grundlage" (Hegel 1813-16/1986, S. 134). Da im konkreten Ding selbst dieses Wechselverhältnis von Innerem und Äußerem unaufhebbar ist, und damit keine widerspruchsfreie mathematische Behandlung möglich ist, werden in der Physik Objekte und Wechselwirkungen (Teilchen/Körper, Kraftfelder) getrennt. Diese Trennung wird dann auch im praktischen Handeln erzeugt. Das Objekt wird kontrolliert als offenes, geschlossenes oder abgeschlossenes System betrachtet und durch verschiedene kontrollierte Wechselwirkungen versucht man, auf die "eigentümlichen" Eigenschaften zu schließen. Die Kontrolle erfordert eine Erfassung der Eigenschaften nach Art und Quantum, die Messung. Aus der Forderung nach Meßbarkeit dieser Eigenschaften werden dann erst die Objekte definiert, an denen diese Eigenschaften meßbar sind. Diese Objektdefinition geschieht durch eine idealisierende Konstruktion. Der physikalische "Körper" ist deshalb nicht der vor mir liegende Briefbeschwerer, sondern dieser nur als Objekt der Messung seiner Masse, seiner Dichte und ggf. seiner Geschwindigkeit.
Die Objekte sind deshalb nur dadurch bestimmt, Träger der untersuchten Eigenschaft zu sein. Dem dient ihre Idealisierung. Die Größen zur Bestimmung der Eigenschaften sind auch nicht beliebig festlegbar. Aussagen über qualitative Eigenschaften, die nicht meßbar sind ("okkulte Qualitäten"), spielen in der Physik der Neuzeit keine Rolle mehr.
Carnap schrieb zur Bestimmung der Größen: "Man hat bisweilen gemeint, eine physikalische Größe,..., habe auch an und für sich, ohne Rücksicht darauf, wie sie gemessen werden soll, einen Sinne, die Frage nach der Messung sei eine zweite Frage. Demgegenüber muß scharf betont werden, daß der Sinn jeder physikalischen Größe darin besteht, daß bestimmten physikalischen Objekten bestimmte Zahlen zugeordnet werden sollen. Solange nicht festgelegt wird, wie diese Zuschreibung geschehen soll, ist die Größe selbst noch nicht festgelegt, und die Angaben über sie sind sinnlos." (Carnap, R., Physikalische Begriffsbildung, Karlsruhe 1926). Nicht beliebige Zahlen werden beliebigen Objekten zugeordnet, sondern im Meßprozeß werden "Größen nach normierten Verfahren aus ihren jeweiligen Familien ausgewählt, um wirkliche Eigenschaften zu repräsentieren" (Ruben 1969c, S. 157)
Dieser am Meßbaren orientierte Zugriff auf die Welt der Naturwissenschaft ist es, der als "Instrumentalismus" kritisiert wird. Hier muß - besonders in Relativierung der durch Carnap unterstellten direkten Verbindung von physikalischen Objekten und Zahlen - berücksichtigt werden, daß die gemessenen Eigenschaften durchaus nichts nur Selbsterzeugtes sind, sondern ihnen materielle Naturzusammenhänge zugrunde liegen. Die Messungen, die hier zugrunde liegen, sind auch nicht beliebige Manipulationen, sondern ihnen liegen Erfahrungen der menschlichen Praxis mit der Natur außer ihr zugrunde. In einer Messung begegnen sich die realen Eigenschaften des Natur und die Erkenntnisinteressen der Menschen - nach Maßgabe des technisch Machbaren. Tatsächlich gibt es auf diese Weise keine Erkenntnis der Natur "an sich", sondern lediglich des in der physikalischen Arbeit erzeugten Produkts.
Qualitäten werden dabei nicht völlig negiert. Es werden unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz verschiedene Objekte gleich gesetzt. Alle Körper mit der Eigenschaft der Trägheit sind beispielsweise austauschbare Objekte der Mechanik. Daß sie aber diese Eigenschaft der Trägheit gegeneinander haben, ist eine ihrer eigenen Qualitäten. In Bezug auf die dynamische Bewegung wird genau sie als eine wesentliche angenommen und nur von denen abstrahiert, die diesbezüglich unwesentlich sind (wie die äußere Form und die Farbe).
Dabei unterliegt die Bildung von Abstrakta auch einer historischen Entwicklung, die sich aus innerwissenschaftlichen Möglichkeiten und Erfordernissen speist - aber auch der gesellschaftlichen Entwicklung. Dadurch verändern sich auch die Apriori jeder Wissenschaft. Während Kant berechtigterweise erstmals prinzipiell darauf verwies, daß keine Theorie nur auf "Fakten" aufbauen kann, sondern Vorannahmen und theoretische Konstruktionen vornimmt, zeigte sich erst später, in welcher Weise auch die konkreten Apriori (physikalische Prinzipien, wie z.B. das Relativitätsprinzip von Galilei bis Einstein) sich verändern können und wie sich das auf die jeweilige Größenbildung auswirkt. Sogar die Veränderung der Apriori in ihrer Abfolge enthält eine Tendenz: Die Erkenntnis gelangt zu immer fundamentaleren Ebenen der physikalischen Zusammenhänge, ihre Größen werden dabei immer abstrakter, ihre Prinzipien "einfacher" und immer mehr auf Symmetrien bezogen. Dies könnte damit zusammen hängen, daß diese Erkenntnis auch immer mehr in die kosmologische Vergangenheit führt. Während der kosmologischen Entwicklung entfalteten sich die physikalisch-chemischen Wechselwirkungen auf immer komplexere Weise - ausgehend von einfachsten Symmetrien. Die Erkenntnis nimmt den umgekehrten Weg: vom Komplexen hin zu den noch vereinheitlichten Wechselwirkungsformen. "Im Gang der Wissenschaft betrachtet, erscheinen diese abstrakten Bestimmungen grade als die ersten und dürftigsten; wie sie zum Teil auch historisch vorkommen; das Entwickeltere als das Spätre" (Marx 1983, S. 173).
  • Messung:

Die Abstraktion der physikalischen Größen sichert, daß Messungen "objektiv" in dem Sinne sind, daß sie die realen Verhältnisse (bezüglich physikalischer Fragestellungen) aufzeigen und nicht nur menschliche Vorstellungen. Die in der Physik untersuchten Gegenstände haben beispielsweise die Eigenschaft, räumlich ausgedehnt zu sein. In einer Raumrichtung zeigt sich dieses Ausgedehntsein als "lang sein". Diese formelle Abstraktion (siehe oben) wird zur totalen Abstraktion, indem aus der Eigenschaft ein Substantiv, die "Länge" wird. Zwar warnte Hobbes vor der Betrachtung der Größen ohne Rücksicht auf ihre Körper (s.o.), aber auch für ihn wäre ohne diese Abstraktion eine messende - mithin eine die außermenschliche Natur und menschliches Tun vereinigende - Wissenschaft nicht möglich:
"Unentbehrlich sind sie, weil wir ohne sie die Eigenschaften der Dinge nicht genau bestimmen können. Denn wenn wir beim Rechnen uns der konkreten Namen bedienen müßten, also beispielsweise das Warme oder das Leuchtende oder das Bewegte verdoppeln, würden wir nicht sowohl die Eigenschaften als vielmehr die warmen, leuchtenden, bewegten Körper selbst doppelt setzen, was wir gar nicht wollen." [Hobbes: Grundzüge der Philosophie, S. 47. Digitale Bibliothek Band 2: Philosophie, S. 12916 (vgl. Hobbes-G1, S. 30)]
Die "Länge" wird nun dadurch handhabbar, daß man einen Standard definiert und mit diesem alle realen Ausdehnungen in einer Richtung vergleicht und zusätzlich Ordnungsrelationen im Sinne von "größer als" einsetzt und eine Metrisierung einführt. Die Länge stellt dabei eine Äuqivalenzklasse dar, für die Ordnungs- und Additionsoperationen als experimentelle Handlungsvorschriften definiert sind. Die gemessene Eigenschaft wird dadurch objektiviert. Zwei Menschen werden am gleichen Gegenstand, wenn sie sich geeinigt haben, daß der Zweck ihres Tuns die Längenbestimmung ist, die gleiche Länge messen.
Dies setzt voraus, daß sich die gemessene Eigenschaft, hier die Länge, nicht verändert. Diese vorausgesetzte Invarianz ist typisch für solche Abstraktionen. Für die Zeit werden die Gegenstände nicht mehr als ruhend vorausgesetzt, sondern eine sich wiederholende, zyklische Bahnbewegung (die es real niemals perfekt gibt) dient als Grundlage der Konstitution des Begriffs der Zeit.
  • Ausschluß des Widerspruchs:

Die Kinematik muß den seit Zenon bekannten Widerspruch, daß ein sich bewegender Körper an einem Ort gleichzeitig ist und nicht ist, bewältigen. Sie macht es dadurch, daß sie nicht in einer Aussage etwas ober den Ort und die Zeit aussagt, sondern zwei verschiedene Größen bildet: Ort und Geschwindigkeit. Jede Bewegungsgleichung verwendet Ableitungen nach der Zeit, nicht die Zeit selbst.
"Es gelingt mithin... physikalisch darzustellen, daß ein bewegter Körper zu ein und demselben Zeitpunkt an einem Ort ist und nicht an ihm ist. Aber um das zu erreichen, mußten die beiden Momente "ist an einem Ort" und "ist an einem andern Ort" auf verschiedene, zwar zusammengehörige, aber mathematisch voneinander unabhängige Größen verteilt werden" (Borzszeskowski, Wahsner 1982, S. 635).
Im Experiment wird deutlich, daß das theoretische und praktische Verhalten den Widerspruch weiterhin enthält, den wir theoretisch ausschließen: Um konstante Relativgeschwindigkeiten messen zu können, müßten wir den Körper vollständig von seiner Umwelt isolieren - ohne andere Körper außer ihm kann ihm aber überhaupt keine Geschwindigkeit zugesprochen werden. Da die neuzeitlichen Physiker(innen) sich nicht aufs Beobachten und Beschreiben beschränken, sondern seit Galilei ihre Experimente durch bewußtes Herrichten der Bedingungen erzeugen, ist dieser Widerstreit in ihrer Arbeit durchaus enthalten, wenn auch aus der mathematischen Darstellung der Zusammenhänge durch geeignete Größenbildung ausgeschlossen.
In der Dynamik besteht der Widerspruch darin, daß die Eigenschaft der Trägheit, die mit der Größe Masse erfaßt wird, die Fähigkeit einen bestimmten Geschwindigkeitswert beizubehalten darstellt - dies aber nur im Zusammenhang mit anderen Körpern (Körper sind nur gegeneinander schwer). Genau dieser Zusammenhang führt aber jeweils zur Geschwindigkeitsänderung. Dieser Widerstreit wird dadurch theoretisch aufgehoben, daß die Größen m und v unabhängig voneinander erklärt, und erst dann abstraktiv in Bezug auf die dritte Größenart, den Impuls verbunden werden. In p=mv ist der Widerstreit ausgelöscht, nur der "Ausgleich der Gegensätze" bleibt in den theoretischen Abstrakta erhalten. Die physikalische Größenbildung ist also jeweils die Aufhebung des Widerstreits - deshalb Abstrakta.
Diese Abstrakta bilden deshalb nicht direkt Wirkliches ab, das immer in sich widersprüchlich ist, sondern bleibt im Raum des theoretisch-Möglichen. Erst das praktische Handeln setzt im Weiteren Mögliches für Wirkliches.
  • Abstraktes als Mögliches:

Oft beziehen sich Wissenschaftskritiken auf die "Abstraktheit" der Wissenschaft. Wäre Wissenschaft aber nicht abstrakt, könnte sie lediglich ein Abbild des Wirklichen sein - im mechanisch-materialistischen Sinne. "So ist die Welt. Punkt". Menschliches Erkennen distanziert sich jedoch vom unmittelbar "Gegebenen" und verdoppelt es nicht etwa, sondern widerspiegelt es in der für menschliche Praxis relevanten Form. Sie sucht nach Möglichkeiten, die Welt zu verändern. "So ist die Welt - so kann sie geändert werden." Für die Praxis ist es weniger wichtig, zu beschreiben wie genau welches Ereignis abläuft, sondern auf welcher allgemeineren Grundlage dies geschieht, was das einzelne Ereignis über das in der Natur überhaupt Mögliche oder Unmögliche aussagen kann. Das Mögliche ist aber jeweils etwas Abstraktes. Eine Ebene des Abstrakten ist die Mathematik. Die mathematischen Möglichkeiten entsprechen aber nicht den physikalischen. In der Physik geht es darum, die wirklich möglichen Beziehungsrelationen zu finden - die jeweils von konkreten Bedingungen abhängen.
Physikalische Erkenntnis testet in Experimenten die Spielräume maximal aus und ist dann in der Lage, jeweils genauere Eingrenzungen der Möglichkeitsfelder anzugeben, die Bedingungen für Zusammenhänge genauer zu bestimmen. Einerseits wird damit zwar nie die gesamte unerschöpfliche Vielfalt der Wirklichkeit ausgeschöpft, aber andererseits werden die erkundeten Möglichkeiten der Natur dadurch gleichzeitig zur Grundlage für menschliche Praxis.
  • Experiment:

Diese Möglichkeitsräume werden erfaßt in Aussagen der Form: "Wenn diese Bedingungen gegeben sind, dann existieren jene Verhaltensmöglichkeiten." Die oben gebildeten wissenschaftlichen Größen stehen nicht für Objekte, sondern für Verhältnisbestimmungen. Es sind Relationen, im weiteren Sinne Zusammenhänge gesucht, was sich in einem Wechselspiel von Größenarten im Experiment zeigt. Im allgemeinen wird dabei das Verhalten einer Größenart bei definierter Variation einer anderen Größenart untersucht. Bereits damit findet eine Konkretisierung der vorher unabhängig voneinander gebildeten Größen statt, indem sie konkret aufeinander bezogen werden. Diese Konkretion beruht auf dem Einschluß des Widerstreits in seinem Tun, bei dem theoretische Annahmen nun mit der realen Natur in Verbindung gebracht werden (s.o.). Die idealisierten Objekte und die die Eigenschaften beschreibenden Größenarten werden dadurch im Erfolgsfall bestätigt, gleichzeitig auch relativiert - durch die Ermittlung der Gültigkeitsbedingungen.
Es entsteht eine Aufeinanderfolge der Erkenntnis (vgl. Ruben 1969c, S. 197):
  1. abstrakte Begriffe werden gebildet (z.B.: Körper sind Träger der - als invariant angenommenen - Geschwindigkeit v), wobei noch (in 2.) untersucht werden muß, ob es überhaupt sinnvoll ist, eine konstante Relativgeschwindigkeit anzunehmen.
  2. Im Experiment führen Bedingungsanalysen ("wenn...") zu folgernden Aussagen (z.B.: Immer wenn ein Körper kräftefrei wird, dann erlangt er eine konstante Relativgeschwindigkeit)
  3. Die Theorie wird weitergeführt und der "wenn...dann"-Satz zu einem theoretischen Satz verschärft (z.B. F = const <- -> v = const. ).
  • Größengleichungen

Das Ziel der physikalischen Erkenntnis ist die Erkenntnis von physikalischen Wechselwirkungen. Sie werden i.a. in Form von Größengleichungen erfaßt. Bei ihnen werden nicht einfach Werter qualitativ verschiedener Größenarten mathematisch kombiniert (wie sollte bpw. die Teilung des Raumes durch eine Zeit sinnvoll sein?), sondern es werden stets äquivalente Wertepaare (0m...3m, 0s...5s) verschiedener Größenarten (vgl. Ruben 1969c, S. 183) verbunden. Es geht jeweils nicht um Längen und Zeiten an sich, sondern um Längenabstände und Zeitabstände. Dabei entstehen abgeleitete Größenarten. Aus den äquivalenten Wertepaaren (si,ti) wird dann erst eine neue Abstraktionsklasse (vi) gebildet.
"Eine Größengleichung ist... mithin die Darstellung einer Gleichheitsrelation, die eine neu abgeleitete Größenart mit gegebenen Größenarten dadurch verknüpft, daß sie Größenabstände der neuen Art durch mathematische Operationen mit Größenabständen gegebener Arten ausdrückt" (Ruben 1969c, S. 189).

3.4. Die Grenzen des Abstrakten - die Realität, die Entwicklung und die Bedingungsveränderung

Physikalische Abstraktionen sind im Unterschied zu den mathematischen an die reale Welt durch die praktisches Handeln gebunden. Zwar erscheinen ihre Ergebnisse ebenfalls in geronnener Form - aber sie sind nur dann gültige Ergebnisse, wenn sie durch die praktische Bedingungsanalyse im messenden Experiment gegangen sind. Das Reale wird sich auch in die allerletzten Weltformel - sollte sie jemals aufstellbar sein - als physikalische Konstanten einschreiben und sich nicht in einer platonischen Formelwelt auflösen lassen.
Bei der Abstraktion wird gerade von jenen Aspekten abgesehen, die entwicklungsbedeutsame Unterschiede ausmachen. Der Widerspruch wird methodisch ausgeschlossen. Rein theoretisch, d.h. abstrakt wäre es auf Grundlage der herausgearbeiteten Identitätsbeziehungen möglich, jeweils "bald ...diese, bald jene Seite fallen (zu) gelassen, um die Identität nach dieser, bald nach jener Seite herauszubringen" (Marx 1983, S. 175). Der Forschungsprozeß ist aber immer konkret, keine Spielerei, sondern zweckbestimmt. Diese Zwecke bestimmen, welche Seiten fallen oder nicht fallen gelassen werden - der Wissenschaftsprozeß als Ganzes ist in jedem Ergebnis - obzwar in geronnener Form - weiter enthalten.
In den Naturwissenschaften ist es üblich, daß besonders im praktischen Experiment Bedingungen variiert werden. Beim Erkennen gesellschaftlicher Zusammenhänge bestehen bezüglich des Umgangs mit der Bedingtheit der Abstraktion größere Differenzierungen:
  1. Im lediglich anschaulichen Denken wird Unbekanntes mit Bekanntem verglichen und in deren Äuqivalenzklassen eingeordnet. Das Besondere wird als Element eines bereits Bekannten gedeutet. Holzkamp (1985) spricht auch vom "deutenden Denken".
  2. Die nächste Stufe des Denkens erkennt die Bedingtheit aller Zusammenhänge. "wenn dies... dann jenes". Dies ermöglicht einen instrumentellen Umgang damit. Allerdings werden auf dieser Stufe die Bedingungen nur als gesetzt anerkannt.
  3. Erst auf einer weiteren Stufe können Bedingungen als hervorgebrachte und veränderbare erkannt werden. Dies wird das "begreifende" oder auch "kritisches" Denken genannt.

Naturwissenschaft ist daher praktisch immer bereits "kritisch", d.h. die Bedingungen der Möglichkeiten als ihr Thema begreifend.
 
Die in der Wissenschaftskritik oft angebrachte Kritik am entqualifizierenden Verallgemeinern bezieht sich pimär auf das Abstrakt-Allgemeine. Dieses ist eine notwendige Zwischenstufe der Erkenntnis. Geht man diesen "Umweg" nicht, bliebe die Welt für uns ein großer, grauer Einheitsbrei, bzw. ein Sammelsurium unzusammenhängender einzelner Dinge. Schelling - der große Einheitsdenker - betonte ebenfalls, daß nicht die Trennung der Momente an sich Disharmonie wäre, sondern eher die falsche Einheit derselben (wie bei einer musikalischen Disharmonie). Trotzdem hat die angestrebte Einheit bei Schelling eine andere Tönung als bei Hegel. Hegel kritisiert, daß die Differenziertheit in Schellings Absolutem wieder verschwunden ist. Er kennzeichnet es als "Nacht... , worin, wie man zu sagen pflegt, alle Kühe schwarz sind" (Hegel 1807/1988, S. 13). Schellings kritisiert auch die Art und Weise wie Schelling und seine Nachfolger Denkformen als leere Schemata für allerlei Spekulationen verwenden. Hegel kritisiert in einem Schreiben an Schelling die "Plattheit, die besonders mit Deinen Formen soviel Unfug und Deine Wissenschaft zu einem kahlen Formalismus herabtreibt." Wenn das Abstrakt-Allgemeine zur Grundlage für Formalismus wird, ist der Wissenschaftlichkeit nicht Genüge getan.
Erst dadurch, daß das (verständige) Abstrakte nur ein Durchgangsstadium zur (vernünftigen) Erkenntnis des Ganzen mit seinen wesentlichen Widersprüchen ist, findet es auch seinen berechtigten Platz innerhalb der Erkenntnis- und Praxisformen der Menschen. Gegen-aufklärerische antirationale Kampagnen sind zwar modern geworden und auch ich kritisiere viele der herrschenden "Wissenschafts"-Inhalte und -methoden, aber eine weitergehende Kritik muß selbst die Vernunft gebrauchen. Das heißt: die moderne "ganzheitliche" Rationalitätskritik trifft nur den isolierenden, abstrahierenden Verstand, aber nicht die synthetisierende Vernunft.
Wird das Abstrakte jedoch für das Wahre genommen, entstehen weltanschaulich kurzschlüssige Ansichten: "Der Mechanizismus... ist nichts weiter als Abstraktion unter der Voraussetzung einer erkannten Gleichheit gewisser Art mit dem zusätzlichen weltanschaulichen Unternehmen, die abstrahierte Art nach dieser Gleichheit für die "wahrhaft wirkliche Art" zu halten und die konkrete Art, die die genetische Voraussetzung der Abstraktion ist, für jenen "sinnlichen Schein", vor dem man sich in der Erkenntnis hüten müsse" (Ruben 1977, S. 100).
Dies geschieht, wenn das Ergebnis der Wissenschaft vom seinem Prozeß getrennt wird, wenn in den verwendeten Größen nicht mehr die jeweils zweckmäßige Abstraktion als Tätigkeit verstanden, sondern sie als "Ding" in die Wirklichkeit gesetzt werden: "Die Deprivation der Abstraktion setzt dieses Allgemeine selbst mit der Natur identisch, womit die Trennung von Mensch und Natur für das Bewußtsein erst vollzogen wird." (Ruben 1969d, S. 14) - jene Abstraktion, welche die Abstrakte hypostasiert, also ihre "wahre Wirklichkeit " behauptet (ebd.)
 
Die Einzelwissenschaften scheinen oft auf dem Stadium des Abstrakten stehen zu bleiben. Vor allem, wenn man sie nicht in ihrer Prozessualität, als Tätigkeit beschreibt, erscheinen ihre Ergebnisse formal und abstrakt. Allerdings sind ihren Grundbegriffen und -größen die Tätigkeiten "geronnen", in denen das Konkrete – die konkrete historische Situation und die historisch bestimmten typischen Denkmuster, die konkrete Fragestellung und Gegenstandsbestimmung – enthalten ist. Diese muß erst oft wieder "entziffert" werden und darf nicht für absolut und unantastbar gehalten werden. Auch "Rationalität" hat verschiedene Ebenen (eben: abstrakte und konkret-allgemeine) und unterliegt wie alles Konkrete einer widersprüchlichen Entwicklung. Wenn zu Aristoteles Zeiten Substanzqualitäten und Gattungsordnungen Inhalt der Rationalität war und es in der neuzeitlichen Wissenschaft funktionale Abhängigkeiten und Gesetze sind, können in Zukunft durchaus andere Faktoren entstehen und Einfluß gewinnen. Noch ist allerdings keine die neuzeitliche Form ablösende Form von Vernunft in Sicht, die nicht lediglich regressiv auf Altes, Vergangenes verwiese, sondern alle Formen dialektisch in sich aufhebt.

 
4. Das Abstrakte und das Konkrete im Allgemeinen der Wissenschaften

4.1. Die Abstraktion in den Gesellschaftswissenschaften

In den Gesellschaftswissenschaften wurde i.a. das Modell der Wissenschaftlichkeit von den Naturwissenschaften übernommen. Dadurch wird jedoch ihr Gegenstand wesentlich verfehlt. Bereist in der Untersuchung des individuell-Menschlichen, das sich als wesentlich gesellschaftlich bestimmt erweist, wird bei einem "kontrollwissenschaftlichen" Vorgehen die Versuchsperson als natürliches Objekt fixiert, sie wird vorgegebenen Bedingungen unterworfen und kann nur noch als natürliches, nicht spezifisch menschliches Wesen reagieren. Spezifisch menschlich ist gerade die Fähigkeit zur Veränderung der Bedingungen, denen der Mensch unterworfen ist.
Auch die Gesellschaft als Ganzes wird mit den üblichen wissenschaftlichen Kriterien lediglich in den Funktionen erfaßt, die es als quasinatürliche Selbstreproduktionsmaschine erfassen, aber nicht die Spezifik seiner Entwicklungstriebkräfte und -widersprüche. Für die Gesellschaftstheorie ist deshalb die Ebene des Abstrakten nicht unnötig, aber auch nicht hinreichend zur Erkenntnis des Wesens des Gesellschaftlichen und konkreter Fragestellungen. Es ist damit möglich, zu erkennen, warum sich eine Gesellschaft wie relativ stabil reproduziert. Z. B. erscheint die kapitalistische Gesellschaft auf der Ebene der Zirkulation als ein ewiges wechselseitiges Nehmen und Geben (äquivalenter Austausch) - nicht erklärt werden kann die Herkunft der genommenen und gegebenen Werte. Es ist nicht möglich zu erkennen, wie sich Gesellschaft qualitativ wesentlich verändern kann. Hierzu müßten Nichtäquivalenz und wesentliche Unterschiede gesucht werden. Im Kapitalismus zeigen sich diese erst auf der Ebene der Produktion, in der Spezifik der Ware Arbeitskraft, mehr Wert zu erzeugen, als sie zu ihrer Reproduktion bedarf.
Erfahrungen über den wissenschaftlichen Umgang mit dem konkret-Allgemeinen stammen vorwiegend aus der Gesellschaftswissenschaft. Zwar kamen die Impulse dafür von Karl Marx, sie schlugen sich jedoch nicht im Mainstream des "Marxismus-Leninismus" nieder, sondern sind lediglich in Schriften der Arbeitsgruppe von Camilla Warnke (und tlw. Peter Ruben) in dieser Form entwickelt worden, bis diese AutorInnen 1982 kalt gestellt wurden.

 
4.2. Die Abstraktion in den Naturwissenschaften

Für die Naturwissenschaften liegt das abstraktive Vorgehen sehr nahe und es prägt ihre Ergebnisform - soweit man Theorien als wissenschaftliche Ergebnisse betrachtet. Faßt man Wissenschaft in einem weiteren Sinne - als menschliche Praxis, sieht das schon anders aus.
Im Jahr 1982 fand in einer Deutschen Zeitschrift für Philosophie der DDR ein kleines Streitgefecht statt zwischen Renate Wahsner / Horst-Heino v. Borzeskowski und Nina Hager / Fritz Gehlhar.
Während erstere aufgrund des Ausschlusses des Widerspruchs aus den Größen der Physik gegen die Annahme der Dialektik in der Wissenschaft plädierten, sprachen sich letztere vor allem aufgrund der Möglichkeit der wissenschaftlichen Untersuchung von Evolutionsprozessen für die Anerkennung der Dialektik in der Wissenschaft aus.
Die Frage ist im Kontext der oben besprochenen Formen der Abstraktion neu zu stellen: Ist die Naturwissenschaft rein abstrakt-allgemein, oder enthält sie auch konkret-Allgemeines?
 
Eine Antwort können wir schnell geben: Betrachtet man Wissenschaft in Form ihrer Ergebnisse, als Gesetze und Theorien, so hat sie eine abstrakt-allgemeine Form - mit versteckt konkretem Inhalt (was man schon an der historischen Aufeinanderfolge und Korrespondenz von Theorien mit unterschiedlichen Gültigkeitsbereichen sieht). Betrachtet man sie als Prozeß, als Tätigkeit, so beinhaltet sie auch das praktische Verhalten der forschenden Menschen - und ist damit konkret-allgemein bestimmt. Es ist nun die Frage, ob die Reflexion dieses Konkreten mit zur Naturwissenschaft gehört, oder nicht. Steht sie außerhalb dieser, ist sie lediglich Gegenstand der von außen hinzutretenden Wissenschaftstheorie oder Philosophie, wie Renate Wahsner meint? Man könnte die verstandesmäßige, abstrakt-allgemeine Erkenntnis der Naturwissenschaft zuschreiben und die Vernunft, die Erkenntnis des konkret-Allgemeinem der Philosophie vorbehalten. Allerdings beruhten gerade die Ergebnisse der kreativsten Physiker, der Schöpfer neuer Theorien wesentlich auf solchen prinzipiellen Überlegungen. Man kann nicht behaupten, dies hätte nicht zu ihrer physikalischen Arbeit gehört, oder wäre eben einem Einsprengsel von Philosophie in der Physik zuzuordnen. Peter Ruben bestimmt die Stellung zumindest des Widerstreits etwas differenzierter: "Das besagt aber, daß wir den Ausschluß des Widerstreits unseres gewählten Standards mit seiner Umwelt dadurch betreiben, daß wir den Widerstreit genau dieser Umwelt mit uns einschließen" (Ruben 1977, S. 112). In diesem Sinne ist Wissenschaft als - den Widerstreit zwischen uns und der Umwelt einschließender - Prozeß durchaus konkret-allgemein, d.h. u.U. auch dialektisch. Mit dem Menschlichen kommt auf jeden Fall Dialektisches in die Wissenschaft: "Solches Allgemeine, welches nur subsumierend ist, ist ein Abstraktes, welches erst an einem Anderen, am Besonderen, konkret wird. Der Zweck dagegen ist das konkrete Allgemeine, das in ihm selbst das Moment der Besonderheit und Äußerlichkeit hat, daher tätig und der Trieb ist, sich von sich selbst abzustoßen." (Hegel 1813-1816/1986, S. 443)
Diese Dialektik bezieht sich aber nur auf den Forschungsprozeß, die Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur, nicht die "Natur an sich"! Ob die Natur dialektisch ist, kann dadurch nicht beantwortet werden.
Die Physik jedenfalls konstituiert ihre Objekte und Größen gerade so, daß sie die dialektischen Widersprüche ausschließt. Ihr Objekt ist nicht die "Natur an sich", sondern die meß- und berechenbaren Naturaspekte. Es gibt nun zwei Alternativen:
  1. Man akzeptiert, daß "die Physik" abstrakt und undialektisch ist und bleibt. Negativ wäre, daß dann das die Dialektik erfordernde Verständnis der objektiven Entwicklung beispielsweise über sie hinausgeht. Positiv ist die Aufrechterhaltung des Möglichen, das mit der Abstraktheit verbunden ist, als Erkenntnisziel.
  • Die Selbstorganisationsphysik unterscheidet sich - entgegen der Meinung von Hager und Gehlhar - nicht prinzipiell von den oben beschriebenen abstrakten Vorgehensweisen. Sie kann zwar Momente von Evolutionsprozessen beschreiben - aber keine vollständigen Entwicklungszyklen theoretisch begründen. Sie begründet viel eher die Tatsache, daß es - vor allem an den sog. Bifurkationsstellen - keine Möglichkeit gibt, das Geschehen theoretisch zu bestimmen, sondern konkrete Einflüsse ausschlaggebend für den weiteren Evolutionsverlauf sind.
  1. Man sucht nach Momenten der Dialektik in den Gegenständen der Physik. Schelling würde eine solche Physik fordern und auch für die Praxis der Menschen kann es nicht uninteressant sein, welche Impulse unserem Wirken von der Natur her entgegenwirken, ob die Natur schöpferisch-produktiv ist, oder so "tot", wie wir sie in der Physik abbilden.

Eine vorschnelle Identifikation verschiedener Dualismen oder auch Gegensätze (wie actio = reactio) als "dialektische Widersprüche" - wie in den früheren sozialistischen Ländern vorherrschend - wäre nicht hilfreich.
  • Trotzdem könnte es gerade für kosmologische Fragestellungen unabdingbar sein, zu verstehen, welche konkreten Widersprüche jeweils für die weitere Ausdifferenzierung der physikalischen Wechselwirkungen und der mannigfaltigen physikalischen Prozesse eine Rolle spielten.

 

4.3. Konkret-Allgemeines in der Physik?

Nur thesenhaft möchte ich diese Überlegungen damit abschließen, nach Entsprechungen des konkret-Allgemeinen in der Physik als wissenschaftliche Arbeit zu suchen:
  • Konkret-Allgemeines in der Physik als wissenschaftliche Arbeit
    • Die Erzeugung der physikalischen Objekte und Größen gehört zur wissenschaftlichen Arbeit. Sie realisieren die (historisch) konkrete Einheit von menschlichem Interesse und außermenschlicher Natur. Ihre Form ist zwar abstrakt - sie enthält jedoch das Konkrete implizit. Dies zeigt sich auch daran, daß wissenschaftlicher Fortschritt auch dadurch gekennzeichnet ist, daß wichtige Apriori verändert werden.
    • Der experimentelle Charakter der Wissenschaft bindet sie an die konkreten Entwicklungsstufen der menschlichen Gesellschaft (technische Möglichkeiten z.B. der Meßbarkeit).
    • Das Experiment sichert auch die Bindung an die konkrete, wirkliche, widersprüchliche Welt. Gerade der maximale Ausschluß der Widersprüche erfordert ihre implizite Anerkennung. Sonst wäre kein Experiment nötig, sondern Beobachtung würde ausreichen.

     
  • Konkret-Allgemeines in den Inhalten physikalischer Erkenntnisse
    • In der Bedingtheit aller Gesetze (wesentlicher Zusammenhänge) zeigt sich die Konkretheit der Physik. Die Grenzen der Gültigkeitsbereiche für eine Theorie werden zwar erst von einer umfassenderen begründet, aber es gibt keine "unbedingten" Gesetze.
    • In physikalischen Evolutionstheorien sollte nach jenen "Elementarformen" gesucht werden, die nicht nur einfach Bestandteile des Systems sind, sondern "jene elementare Einheit der Gegensätze, jener Widerspruch, auf dessen Entfaltung und "Verallgemeinerung" die Entwicklung des Systems beruht" (Warnke 1977b, S. 62).

     
     

    Literatur:

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    Bönisch, S. (1991), Stichwort "Abstraktion". In: Philosophie und Naturwissenschaften, Wörterbuch (Hrsg.: Hörz u.a.), Bonn, S. 29-30
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    Hegel, G., W., F. (1813-1816/1986) Wissenschaft der Logik II, Frankfurt am Main, entspricht Werke 6
    Hegel, G., W., F. (1817/1986) Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften I, Frankfurt am Main, entspricht Werke 8
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    Hörz, H., Wessel, K.-F., Philosophische Entwicklungstheorie, Berlin 1983
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    Schelling, F., W., J. (1800/1979), System des transzendentalen Idealismus, Leipzig (entspr. Werke Bd. 2)
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    Siegwart, G. (1999), Stichwort "Abstraktion". In: Sandkühler, H., (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie, Hamburg 1999, S. 23-28
    Warnke, C., (1974) Die "abstrakte" Gesellschaft. Systemwissenschaften als Heilsbotschaft in den Gesellschaftsmodellen Parsons, Dahrendorfs und Luhmanns, Berlin
    Warnke C., (1977b), Gesellschaftsdialektik und Systemtheorie der Gesellschaft im Lichte der Kategorien der Erscheinung und des Wesens. In: Heidtmann, B., Richter, C., Schnauß, G., Warnke, C., Marxistische Gesellschaftsdialektik oder "Systemtheorie der Gesellschaft"? Berlin, S. 25-68

     



  • Das Problem des Allgemeinen
  • Zum Projekt "Gesetze in Natur und Gesellschaft"



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