Umfassende Bereiche:


 

 

Der Teufelskreis von Erwerbsarbeit und Ökologie

- Gedanken beim Lesen von
Harald Werner: Mythos und Realität der Erwerbsarbeit, Mainz 1992 -

Realistische Situationsbetrachtung:

Der Gesellschaft geht die bezahlbare Arbeit aus.
Was heißt das??

  • bisher wird nur das als "Arbeit" gewertet, was sich im Zyklus Geld-Ware-Geld' verwerten läßt.Nur die Arbeit wird bezahlt, die Profit/Mehrwert bringt. Geld gibt es nicht für das Verausgaben der Arbeitskraft,sondern für den Verkauf der Ware Arbeitskraft zum Wert dieser Ware Arbeitskraft : d.i. Reproduktionskosten dieser Ware Arbeitskraft (dieser Wert wird in Tarifkämpfen vereinbart).
    Auch diesen "Lohn" gibts nur, wenn die Arbeitskraft so eingesetzt wird, daß sie mehr erzeugt, als dafür bezahlt wird.
    Ist sie nicht mehr profitträchtig einsetzbar (G'> G) - besteht kein Interesse daran.
  • Steigerung der Produktivität der eingesetzten Arbeit --> immer weniger Arbeitskräfte stellen immer mehr Waren her.
    --> Ausweitung der Märkte notwendig:
  • Kolonialismus/Neokolonialismus
  • Massenproduktion-Massenkonsum in fordistischer Etappe des Kapitalismus
    Diese Ausweitung gerät heute für materielle Produkte an Grenzen. (Verbrauch von Autos,Betten,Kleidung trotz Wegwerfgesellschaft nicht beliebig zu erhöhen).
    Deshalb werden immer mehr nichtmaterielle Bereiche kommerzialisiert (Dienstleistungsgesellschaft) - Bereiche werden in die Zwänge der profitablen (!) Verwertbarkeit einbezogen, die vorher in Form von Selbstversorgung erledigt wurden.(gut bei Haushaltstechnik, schlecht beim Abwürgen sozialer Nähe und Ersatz dieser Gemeinschaftsaufgaben durch mit Geld bezahlte strukturell anonyme "Dienste"- Pflegeversicherung)
    Hier kommt aber das Problem, daß diese "Arbeit" zwar "gesellschaftlich notwendig" sein kann - aber innerhalb der Profitlo gik nur dann organisiert wird, wenn für den "Kapitalgeber" ein Mehrwert rausspringt. (Dadurch explodieren Gesundheitswesenkosten; Technikeinsatz, wo medizinisch gar nicht nötig...).

prinzipielle Situation: Die Produktivkraft der Arbeit ist so hoch, daß nicht mehr die Mehrheit der Menschen ihre Lebenszeit "auf Arbeit" verbringen müßte. (Daß also auch Zeit für häusliche Pflege wäre - wenn eine materielle Absicherung gegeben wäre).
Jetzt Situation so, daß die Alten ins Pflegeheim gegeben werden müssen, damit die junge Familie 12-14 Stunden täglich arbeiten,2 Stunden im Stau stehen kann - um Produkte herzustellen, die niemand braucht, sondern die man per Werbung versucht, den Leuten aufzuschwatzen.

1. These: Das Maß an Erwerbsarbeit reicht aus, um die nur mit organisierter Arbeit produzierbaren Güter in ausreichender Menge herstellen zu können.

d.h. Es sind genug materielle Existenzmittel da für das Leben aller Menschen auf der Erde. (Wenn die derzeitige Verschwendung in Rüstung,Werbung,Kapitalzinsbedienung... wegfällt).
z.b. dient mindestens jeder 10. Arbeitsplatz eigentlich der Wertvernichtung statt der Wertschöfpung (Stau-Autos,Verpackung,Werbung...)

Dies ist eine Realität und als solche setzt sie sich bekanntermaßen auch spontan durch, auch wenn wir das nicht kapieren wollen.

Es ergibt sich der Widerspruch, daß die alte Ethik "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" sich so durchsetzt, daß der Zugang zu allen Existenzmitteln abhängig gemacht ist von der Arbeitsleistung (Anwartschaftszeiten für Arbeitslosengeld, Abhängigkeit von Einzahlungen aus Lebensarbeitszeit...) - daß aber die Möglichkeit, sich durch Arbeit solche Leistungen "zu verdienen", rapide abnimmt : 25% der europ. Jugendlichen sind arbeitslos !!!

Dieser Widerspuch muß gelöst werden.

a) Schaffung von mehr Erwerbsarbeitsplätzen?

  1. Gegenargument: verträgt die Erde so viel Arbeit???
    Grundthese H.Werner:
    Erwerbsarbeit trägt im wesentlichen dazu bei, daß sich die Menschheit in einer selbstvernichtenden Reproduktionskrise befindet (13).
    (Arbeit= Stoffwechsel mit der Natur )
    "Ein Recht auf diese Arbeit zu fordern, heißt nichts anderes als um die Teilnahme an einem zerstörerischen Vorhaben zu streiten." (45)
  2. Gegenargument: auch wenn das niemand versteht, wird es keine Ausweitung der Erwerbsarbeit (über die "Beruhigung"der sozialen Lage hinaus) geben: Lohnarbeit wird nun mal nur bezahlt, wenn ihre Produkte profitträchtig zu verkaufen sind- und da ist der Bedarf gesättigt (weltweit).
    Bei uns wird nicht investiert - weil unsere materiellen Bedürfnisse mit den Kapazitäten des Westens befriedigt werden können.
    Und es wäre auch sehr egoistisch, wenn ich fordern würde, bei uns zu investieren, um den weiteren Osten zu versorgen - dann ist das Problem nur mal wieder territorial verschoben...

Was ist wahrscheinlicher:

b) Polarisierung: ein kleiner Teil der Menschen wird als hochqualifizierte, motivierte, kreative Arbeitskräfte für die moderne Technologie gebraucht und "gepflegt" - der größere Teil der Menschen rutscht ab in ungesicherte,"flexible" Arbeitsverhältnisse und die Arbeitslosigkeit, aus der heraus er im Dienstleistungsgewerbe helfen soll, die Schäden der modernen Gesellschaft wieder zu beheben.
Dies ist bereits Wirklichkeit in den USA. Die aktuelle Deregulierungsstategie, die zu befürchtende Nivellierung der Sozialleistungen in der EG nach unten,das Ende des "Sozialstaats" ...ist auch bei uns die konservative Antwort auf diesen Widerspruch.

Wenn man das verhindern will - muß man nach vorn sehen, einen Ausweg vorn suchen, nicht ein Zurück zu sozialstaatlicher Versorgung, die nur bei Aufteilung eines wachsenden Kuchens möglich war.

Der Kuchen wächst aber nicht mehr.

Weiteres Wirtschaftswachstum sollte man auch gar nicht mehr wollen, denn es wäre ökologisch verheerend!

c) Durchbrechen des fehlerhaften Kreislaufs :

Arbeit, die eigentlich nur noch zur Kapitalvermehrung gemacht wird im Tausch gegen Existenzmittel -->

Entkopplung Erwerbsarbeit - Zugang zu wichtigsten Existenzmitteln
(die materiell da sind - nur von den meisten Menschen nicht bezahlt werden können!!!)

Das Grundproblem ist als nicht: Wer bezahlt das Existenzgeld - sondern: Wie werden die Reichtümer dieser Erde verteilt?

--> die Menschen könnten also mit viel weniger Erwerbsarbeit (oder gar keiner) ausreichend mit Gebrauchsgütern versorgt werden (Arbeitsproduktivität ist so hoch). - können sie leben ohne Erwerbsarbeit?

Wozu könnte der Mensch die Arbeit noch brauchen außer zur Erzeugung notwendiger Güter?

übliche Antwort: zur Emanzipation des Menschen, ohne Arbeit ist der Mensch kein Mensch - siehe menschlich verfallende Arbeitslose, Umfragen etc.

Wer kann so reden? Wer selber das außergewöhnliche Glück hat, eine bezahlte Arbeit zu haben, in der er sich wirklich emanzipieren kann, wie z.B. Gesellschaftswissenschaftler o.ä.

Dies trifft aber nicht für die Massen der Menschen zu !!

  • ehrliche Selbstbefragung
  • Erfahrung Umschulung DDR: viele Frauen "qualifizieren" sich runter -
    geben zu, daß sie zwar für sich hoffen, mit Glück eine befriedigende Arbeit zu finden, aber kaum daran zu glauben.
  • würden gern zu Hause bleiben, wenn der Lohn vom Mann reichen würde - zumindest würden sie gern abwarten wollen bis sie eine befriedigende Arbeit finden; aber genau das können sie sich nicht leisten
    --> inneres Verdrängen dieses Wunsches :"Man muß eben nehmen, was es gibt."
    Wird deutlich beim Neid auf Leute die hier ausbrechen, und dem Unverständnis, was denen entgegenschlägt...

2.These: Es ist gar nicht die Erwerbsarbeit, die der Mensch zur Emanzipation braucht, sondern eine für sich und die Gesellschaft sinnvolle Betätigung, in der er seine Fähigkeiten und Kräfte in und mit der Natur und der Gesellschaft entwickeln kann. Dies ist Arbeit im marxistischem Sinne. (siehe H.Werner S.14ff., und Prof.Eschke)

Einer solchen Tätigkeit kann sich der Mensch aber nur widmen, wenn er der Sorge um das tägliche Brot enthoben ist.

Dann erst besteht überhaupt die Chance, auszuprobieren, ob die Mehrheit der Menschen dann dauerhaft rumgammeln würde - oder ob (fast) jeder Mensch das Bedürfnis nach sinnvoller Selbstbetätigung hat.

Das Ganze kann man natürlich eigentlich nur "ausprobieren", wenn die Gesellschaft dabei nicht verhungert, weil vielleicht doch zu wenige arbeiten.

Deshalb besteht die Chance dazu erst, wenn "die Surplusarbeit der Masse (aufgehört hat), Bedingung für die Entwicklung des allgemeinen Reichtums zu sein..." (Marx in den "Grundrissen...").

Wenn man in einer Öko-Kommune auf das Produktivkraftniveau des Mittelalters zurückfätt, dann ist dem natürlich nicht Genüge getan.

Und wenn in einigen Kommunen heute die körperliche, handwerkliche Arbeit so verabsolutiert wird, daß in ihr wie in den mittelalter-lichen Klöstern ein "Gottesdienst" gesehen wird, dann hat das natürlich wenig mit dem zu tun, was Marx fordert: daß nämlich die "freie Entwicklung der Individualitäten jetzt das Ziel" sein kann und das Maß des Reichtums "keineswegs mehr die Arbeitszeit, sondern die disposible time" (ebenda).

Das verhindert doch aber nicht, daß es Synthese geben könnte von einer angepaßten Entwicklung moderner Produktivkräfte und neuer gesellschaftlicher Strukturen (dezentral-vernetzt). Z.B. sind Computer unabdingbar zur Gestaltung der notwendigen Vernetzung.

Dezentrale Energieversorgung geht auch nicht mit Holzöfen...

Damit hat sich aber der Kreis geschlossen zur ersten These.

Angesichts der objektiven Grenzen der Ausweitung produktiver Tätigkeit auf diesem Planeten (begrenzte materielle Bedürfnisse und Grenzen der Ausbeutbarkeit des Planeten) kann man heute mehr denn je auf eine Zukunft hinarbeiten, die eine historisch völlig neue Lösung des angesprochenen Widerspruchs bedeutet.

Und wir haben Ansätze dazu gefunden.

Daß wir bei uns selbst mehr Zweifel und Gegenargumente finden als Mut zum Anpacken dieser Visionen - hilft uns vielleicht auch zum Verständis,warum es bei der Mehrheit derMenschen linke Ausbruchsvorschläge aus den Widersprüchen so schwer haben.

 

 

Siehe auch:






[Homepage] [Gliederung]

Stübchen Gliederung

- Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" © 1996/98 - http://www.thur.de/philo/as2311.htm -