"Hat der Genossenschafts-Sozialismus wenigstens noch die emanzipatorische Kooperation eines sozialen Binnenraums im Auge und ist diese bei den Gesellianern auf einen kleinbürgerlichen Klitschen-Kapitalismus reduziert, so setzen die Tauschringe bereits völlig entsozialisierte abstrakte Individuen voraus, die untereinander Dienstleistungen austauschen und verrechnen, ohne überhaupt noch in eine kooperative Produktionstätigkeit einzutreten. Die sozialökonomische Beziehung beschränkt sich gänzlich auf die Organisation einer alternativen Verkehrsform von Leistungsverrechnungen, die parallel zum offiziellen Markt läuft. Auch hier wird das Privateigentum nicht aufgehoben, sondern schrumpft lediglich auf die individuelle Fähigkeit, irgendeine Leistung (Babysitten, Tapezieren usw.) mit anderen Individuen auszutauschen; die Reproduktion von "Leistungsschwachen" wie Behinderten oder Kranken kommt dabei gar nicht vor. Ein solcher Tauschring stellt keinerlei Alternative zur kapitalistischen Produktionsweise mehr dar. Er organisiert nur einen Notbehelf in nebensächlichen Dingen für "herausgefallene" monadisierte Individuen, die ihre produktive Kooperationsfähigkeit völlig an Kapital und Staat abgegeben haben. Insofern sind die Tauschringe kein Neuanfang einer sozialen Emanzipation, sondern nur die letzte Verfallsform der alten, gescheiterten Ansätze innerhalb der Wertform, die bei hilflos gewordenen sozialen Atomen angelangt ist."

Robert Kurz in: ANTIÖKONOMIE UND ANTIPOLITIK. Zur Reformulierung der sozialen Emanzipation nach dem Ende des "Marxismus"

siehe auch:
Politische Ökonomie des Antisemitismus - Die Verkleinbürgerung der Postmoderne und die Wiederkehr der Geldutopie von Silvio Gesell - von Robert Kurz:

"»Politische Ökonomie des Antisemitismus« meint, daß es einen strukturellen und historischen Zusammenhang zwischen der verkürzten Kritik des zinstragenden Kapitals und dem Antisemitismus gibt. ...
Der (z.B. gesellianische) Vulgärökonom spaltet den inneren Zusammenhang der kapitalistischen Produktionsweise auf in die »gute« Seite von »Arbeit« bzw. Ware und in die »schlechte« Seite von Geld bzw. zinstragendem Kapital....
»Jude« wird so zu einer ebenso phantastischen wie mörderischen Chiffre für den Selbsthaß des »geldverdienenden« Menschen, der sich von seiner eigenen strukturellen Schizophrenie »befreien« will, ohne jedoch die kapitalistische Produktionsweise und ohne sich selbst als Warensubjekt anzutasten und aufzuheben...
Der Haß gegen das zinstragende Kapital, der in der Krise des Geldes bei den Massen der Verlierer begriffslos und unreflektiert zu wuchern beginnt, bildet nicht nur den allgemeinen Nährboden, sondern direkt die »ökonomische Grundlage« von Antisemitismus und antisemitischen Pogromen."

Argumente für inhaltliche Kritik an Gesell & Co:

  • Gesell kritisiert lediglich die Verfälschung des Wettbewerbs durch die Vorteile des Geldes. Diese Kritik an der Verfälschung führt zu ungezügeltem ökonomischen Wettbewerb, auch gegen Schwache.
    Darauf bezieht man sich noch 1989 positiv: "Gesell möchte der natürlichen Auslese (!) freie Bahn schaffen. Nicht auf der Tierstufe, sondern als Ansporn zu immer besseren und höheren Leistungen (!), die den Tüchtigen nach oben bringen (!) und seine stärkere Fortpflanzung begünstigen (!)" (Bartsch 1989, zitiert in Kurz)
  • Zins wird besonders wegen seiner Eigenschaft kritisiert, das Wachstum zu BREMSEN! Die ersten freiwirtschaftlichen Konzepte sollten gerade dazu dienen, das Wachstum zu fördern. Die heute moderne Interpretation, Zins würde zu Wachstum führen, und deshalb sei die Abschaffung des Zinses ökologisch, ist dem widersprechend erdacht worden.
Deshalb:
"Alternative Tauschringe und lokale Geldsurrogate (»Talente« usw.) müssen zwar nicht in jedem Fall verteufelt werden, wenn sie in dieser oder jener Hinsicht zur lokalen, nachbarschaftlichen Selbsthilfe taugen; eine Orientierung auf die tatsächliche Entkoppelung von Ware-Geld-Beziehungen und im Sinne einer Transformation des bürgerlichen Tauschsubjekts bieten sie jedoch nicht. Im Gegenteil, auf diese Weise droht gerade im Mikrobereich der praktischen Alternativen das bürgerliche Wesen der vereinzelten Einzelnen sogar dort noch zementiert zu werden, wo es schon praktisch obsolet geworden ist. Und es bedarf keiner großen Vorstellungskraft, um zu erkennen, daß gerade solche Versuche grundsätzlich anfällig sein müssen für den Gesellianismus und die Politische Ökonomie des Antisemitismus." (ebd.)

Und trotzdem, unser Ziel besteht in

  • der Stärkung von Nachbarschaft, Selbsthilfe und Kommunikation,
  • der Chance für jeden Menschen, seine Fähigkeiten einzubringen,
  • der Verbesserung der Lebensqualität auch unabhängig von Erwerbsarbeit.

Als Lernfeld für andere Lebens- und Wirtschaftsformen fördern wir

  • die Möglichkeit und Ermutigung zum selbstbestimmten Handeln,
  • Selbstwertgefühl, Phantasie und Kreativität,
  • eine Neubewertung von Arbeit und Leben,
  • Kooperation statt Konkurrenz,
  • die gleiche Ebene zwischen Geben und Nehmen und
  • regionale Wirtschaftskreisläufe sowie
  • dezentrale Erzeuger- und Verbrauchergemeinschaften.

Termine für Treffen gibts in Jena nicht mehr...

 

 

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