Werner Braeuner:

WERTGESETZ und TENDENTIELLER FALL DER PROFITRATE
- Alles, was Sie schon immer über KAPITALISMUS wissen wollten und bisher nicht zu fragen wagten

Einleitung

Die Börsen steigen und steigen; dem Kapitalismus geht es gut.
FALSCH!
Der Einsatz immer höher entwickelter Technik verschafft den Unternehmen und Finanzinvestoren immer höhere Gewinne.
STIMMT NICHT!
Globalisierung, die Verlagerung von Produktionsstätten in Billiglohnländer, ist Ausdruck wachsender Raff- und Profitgier von Managern und Investoren. FALSCH! Wenn die Menschen menschlicher werden würden, würde der Kapitalismus sich zum besseren hin verändern.
STIMMT NICHT!

Das Wertgesetz

Obige Liste ließe sich verlängern! Die über den Kapitalismus allgemein verbreiteten Ansichten sind meist nicht sachgerecht, weil die meisten Menschen das so genannte Wertgesetz nicht vor Augen haben. Es wurde von Karl Marx, vorher bereits von David Ricardo beschrieben. Wenige wissen, welche höchst einfachen und leicht sichtbar zu machenden Gegebenheiten jenes ominös "Gesetz" zu seinem Inhalt hat. Zu Zeiten von Ricardo und Marx war der Kapitalismus im Vergleich zu heute noch geradezu unentwickelt, neu und erschien vielen daher mysteriös. Damals war es schwierig, das Wertgesetz allgemein verständlich darzustellen. Das ist heute anders. Das Wertgesetz gibt an, jeglicher kapitalistische Profit gehe letztlich ausschließlich und nur aus menschlicher Arbeit hervor - nicht aus Maschinen, nicht aus Finanz-, Spekulations-; Termin-, Waren- oder Aktienhandelsgeschäften (nicht einmal aus "Heuschreckenüberfällen").

Das Wertgesetz sagt nicht, wie hoch irgendein Profit im einzelnen ist, sein sollte, müßte, würde oder hätte, wenn..., es sagt vielmehr, woher der Kuchen kommt, den alle irgendwie unter sich verteilen. Der Profit des einen Schraubenherstellers kann weit über dem eines anderen liegen, auch wenn beide zu den selben Kosten produziert haben und auf den selben Märkten verkaufen: Der eine ist mit einem Einkaufsmanager von Daimler Chrysler befreundet, der andere ist dies nicht.... Und selbstverständlich läßt sich Geld mit Finanz-, Börsen- und Spekulationsgeschäften aller Art verdienen - das Wertgesetz zeigt, wo dieses Geld herkommt, daß es nicht auf Bäumen wächst oder auf Goldeselspfaden liegt, sondern unter Einsatz menschlicher Arbeit erzeugt worden ist. Für alle Profite muß jemand zahlen, jemand, der arbeitet oder gearbeitet hat.

Das Wertgesetz ist also nicht Profitgesetz, sondern sagt bloß, wo Wert und Geld herkommen, und daß beide dasselbe sind. Es ließe sich deshalb auch als ein Gesetz von der Entstehung des Geldes bezeichnen. Der "Wert" einer Ware entspricht all dem Geld, das ausgegeben werden mußte, um diese Ware herzustellen und zu verkaufen, entspricht so den Löhnen, Gehältern, Dienstbezügen und Salären aller an ihrer Produktion direkt und indirekt Beteiligten. Der Preis, zu dem eine Ware schließlich verkauft wird, muß selbstverständlich über ihrem Wert liegen, anderenfalls könnte ein Unternemer/Kapitalist/Investor/Aktionär nicht an ihrem Verkauf verdienen; so wird der entsprechende Mehrbetrag passend als "Mehrwert" bezeichnet. Einige meinen, der Mehrwert würde den ArbeiterInnen vorenthalten, und das sei ungerecht. Karl Marx hatte nie die Absicht, mit dem Wertgesetz zu beweisen, daß die Welt ungerecht sei; um das zu verstehen, reicht gesunder Menschenverstand. Das Wertgesetz ist der Kristall, aus dem sich die Zukunft des Kapitalismus vorhersagen läßt. Es zeigt uns, warum Kriege geführt werden, Diktaturen entstehen, die Entwicklung der einen Länder die Unterentwicklung der anderen erzwingt oder voraussetzt und vieles andere mehr. Mit dem Wertgesetz im Rücken, braucht es weder Nostradamus noch die Welterklärungs-TVProfessoren Hans-Werner Sinn und Meinhard Miegel. Wird auf Grundlage des Wertgesetzes diskutiert, lassen sich zutreffende Antworten auf die Fragen in Politik und Wirtschaft finden.

Entsprechende Diskussionen werden hier im Verlauf der Darstellung bereits angerissen werden, wobei der weithin geläufige aber selten verstandene Marxsche Terminus des "tendenciellen Falls der Profitrate" en passant klar werden wird. Jener Terminus beschreibt den dem Kapitalismus "eingebauten" Krisenerzwingungsmechanismus, aus dem das wirtschaftliche und politische Geschehen seine blinden und gewalttätigen Dynamiken gewinnen.

Am sinnvollsten läßt sich das Wertgesetz anhand der heutzutage allen Menschen wohlbekannten "Mehrwertsteuer" darstellen. Sie liefert den Faden, der aus dem Alltagsleben in die helle Welt der Theorie führt. JedeR hat auf Rechnungen schon einmal den Ausweis "plus 16% MWSt" gesehen. Wird diese Mehrwertsteuer auf Unternehmensrechnungen nicht ausgewiesen, ist das Steuerbetrug und ruft den Staatsanwalt auf den Plan. Wobei die Bezeichnung "Mehrwertsteuer" irreführend ist, denn mit Mehrwert hat diese Steuer nichts zu tun. Zutreffend müßte sie "Wertschöpfungssteuer" heißen; auch zutreffend der in der Umgangssprache gebräuchliche Begriff "Umsatzsteuer"; der hier im folgenden allein verwendet werden soll. Denn Berechnungsgrundlage dieser Steuer ist der Umsatz von Firmen, Unternehmen, Gewerbetreibenden oder Freiberuflern.

Der Wert von Waren (einschließlich ihres Mehrwerts) setzt sich aus der Addition der Umsätze aller an ihrer Herstellung beteiligten Unternehmen zusammen, denn der Umsatz eines Unternehmens gibt an, welchen Wert dieses Unternehmen erzeugt hat. Im Umsatz ist darüber hinaus der Mehrwert enthalten. Daß Wert und Mehrwert aus Arbeit stammen, ergibt sich, weil im Umsatz sämtliche von einem Unternehmen ausgezahlten Löhne und Gehälter sowie sämtliche vom Unternehmen und seinen Mitarbeitern/Beschäftigten zu zahlenden Steuern enthalten sind - mit Ausnahme der Umsatzsteuer selbst, denn diese wird auf Grundlage des Umsatzes errechnet.

Weist ein Unternehmen auf seinen Rechnungen Umsatzsteuer aus, nimmt es diese Steuer nicht etwa für sich selbst ein, sondern macht vielmehr Inkassodienst für den Staat, da es die eingenommene Umsatzsteuer direkt ans Finanzamt abführt. Es darf zuvor allerdings diejenige Umsatzsteuer abgezogen werden, die das Unternehmen selbst an andere Unternehmen (an seine Lieferanten) zahlen mußte. Schließlich haben die von Lieferanten bezogenen Waren ihren Wert ja dort, beim Lieferanten, gewonnen und sind daher dort zu versteuern. Auf diese Weise wird die Umsatzsteuer am Ende allein vom Endkunden/Endverbraucher/Konsumenten bezahlt. So ist der Umsatz eine wichtige Größe und muß exakt zu errechnen sein. Dazu werden alle Zahlungen, die an Lieferanten geflossen sind, von den Einnahmen des Unternehmens abgezogen. Von dem so ermittelten Umsatz bezahlt der Unternehmer sich selbst (Mehrwert), die Bruttolöhne und -gehälter sowie die Lohnnebenkosten für alle vom Unternehmen beschäftigten Arbeiter und Angestellten, sowie die vom Unternehmen an Bund, Land, Gemeinden zu zahlenden Steuern. Um eben genau den Betrag des Umsatzes hat ein Unternehmen Wert geschöpft, der sich im Preis seiner Waren ausweist. Gemeinsam mit den anderen an der Erzeugung einer bestimmten Ware beteiligten Unternehmen, bildet ein Unternehmen eine so genannte Wertschöpfungskette. Die als Wertschöpfungskette und aus Arbeit hervorgekommene Wertsteigerung, nährt Beschäftigte, Unternehmer und den Staat bzw. seine Bediensteten (Steuern).

Eine Diskussion dieses Befundes zeigt, daß die Steuern letztlich Arbeitslöhne für die Staatsbediensteten sind. Denn deren Arbeit dient der Sicherung des Mehrwerts; Gerichte, Behörden, Polizei sorgen dafür, daß ein Unternehmen in Rechnung gestelltes Geld tatsächlich erhält, falls ein Kunde einmal nicht zahlen wollen sollte.... Auch die Beschäftigten werden in ihren privaten Händeln oder bei der Abwehr krimineller Übergriffe vom Staat unterstützt. Auf einem anderen Blatt, daß der Staat sie meist jedoch mit Bußgeldbescheiden melkt,und Gefängnisse in Wahrheit Orte sind, wo Menschen erst den richtigen kriminellen Schliff erhalten und ins soziale Aus gedrängt werden.

Kapital = lebendige + tote Arbeit

Anhand des Umsatzes wird sichtbar, was "Kapital" im einzelnen ist; es setzt sich aus zwei Arten von Arbeit zusammen, aus "lebendiger" und "toter". Lebendige Arbeit wird von wirklichen, lebendigen Menschen geleistet, "tote" Arbeit von Maschinen. Zentrale Aussage des Wertgesetzes war ja, Wert und Mehrwert/Profit erwüchsen allein aus lebendiger Arbeit: Maschinen erzeugen keinen Wert! Der im Preis einer Maschine ausgewiesene Wert, ergibt sich allein aus der lebendigen Arbeit, die aufgewendet werden mußte, um die Maschine herzustellen und zu liefern. Dies gilt für selbst die trickreichste und leistungsfähigste Maschine, die vorstellbar ist. Kommt so eine Supermaschine neu auf den Markt, kann sie meist eine Zeitlang sehr teuer verkauft werden; nach und nach sinkt ihr Preis, weil auch andere Unternehmen ähnliche Maschinen anbieten und ihren Preis so drücken. Dies beweist die Gültigkeit des Wertgesetzes, denn in den ersten Exemplaren neuartiger Maschinen "stecken" deren Entwicklungskosten, also die Löhne und Gehälter u.s.w. derjenigen lebendigen Menschen, die diese Maschine erfunden bzw. entwickelt haben.
(Fußnote: In der Betriebswirtschaftslehre gibt es die Begriffe des "fixen" und des "variablen" Kapitals. Sie sind nur annähernd auf die Begriffe "lebendige" und "tote" Arbeit übertragbar, da sie lediglich erfassen, ob sich Produktionskosten zur produzierten Stückzahl unmittelbar proportional und also mit der Stückzahl variabel, oder ob sie fix und also von der Stückzahl unabhängig sind - z.B. durch Umlage eines feststehenden Kostenbetrags (z.B. für Gebäudemiete) auf die produzierten Stücke/Waren. So können die genannten betriebswirtschaftlichen Begriffe nichts zum Verständnis des Wertgesetzes beitragen. Ende Fußnote)

Umsatz ist die bestimmende Größe für vom Unternehmen geleistete Wertschöpfung, mithin auch für die "Schaffung" bzw. Erzeugung von Geld. Geld und Wert entsprechen sich unmittelbar, wenn auf die Produktion geschaut wird. Denn im Umsatz sind sämtliche Kosten für lebendige Arbeit festgehalten (der Mehrwert kommt hin= zu). Bei Lichte betrachtet, grenzt der Umsatz nämlich die Kosten für im Unternehmen geleistete und für das Unternehmen vom Staat aufgewandte lebendige Arbeit von jenen Kosten ab, die sieh auf den Rechnungen für den Zukauf toter Arbeit (Technik, Maschinerie) ausgewiesen haben. Die von Lieferanten, meist spezialisierten Unternehmen (des Maschinen- und Anlagenbaus) zugekaufte tote Arbeit, ist nicht im Umsatz enthalten, da die entsprechenden Kosten von den gesamten Einnahmen abgezogen werden, um den Umsatz zu ermitteln!

Wertzuwachs = Geldmengenwachstum

Wächst die Summe der Umsätze aller Unternehmen, Gewerbetreibenden und Freiberufler, sind entweder mehr Arbeitsstunden geleistet worden, oder die einzelnen Stunden sind wertvoller, sprich teurer geworden. Es wird mehr Geld benötigt, um die höheren Arbeitskosten zu bezahlen. Dies fehlende Geld wird tatsächlich erzeugt, sprich gedruckt und an die Unternehmen ausgegeben. Dies folgt einem gesetzlich festgeschriebenen Verfahren, dessen Kernelemente der Wechsel (ein Rückzahlungsversprechen an den Kreditgeber) und der Bundesbankkredit sind,dessen Zinshöhe über den Diskontsatz und dessen Volumen über den Lombardsatz gesamtwirtschaftlich steuerbar ist.

Arbeit, lebendige Arbeit, bestimmt den Wert einer Ware, deren Preis sich aus Wert + Mehrwert ergibt. Demnach ist Geld Äquivalent/Ausdruck lebendiger Arbeit und des über diese hinaus abgeschöpften Mehrwerts. Tatsächlich ist das Wertgesetz zugleich ein Gesetz über die Entstehung des Geldes.
(Fußnote: Wie diskutiert worden ist, sind Steuern letztlich wiederum Kosten für lebendige Arbeit, die von Parlamentariern, Beamten, Angestellten der öffentlichen Hände sowie von Politikern und Richtern geleistet wird. Hinzu die Kosten für die lebendige Arbeit, die in den von diesen Personen verwendeten Arbeitsmitteln steckt. Die Umsatzsteuer unterscheidet sich von sonstigen Steuern insbesondere darin, daß sie den Export subventioniert. Der deutsche Staat darf Steuern nur innerhalb seiner Staatsgrenzen erheben. Verläßt eine Ware/Dienstleistung das deutsche Staatsgebiet, erhält ihr Käufer die von ihm zunächst gezahlte Umsatzsteuer auf Antrag bei den deutschen Zollbehörden von diesen rückerstattet. Die Umsatzsteuer besitzt also keinen Sonderstatus, was sich im Warenpreis ausdrückt; der Preis und der Wert/Mehrwert von Waren sind keine voneinander grundsätzlich unabhängigen Größen! Ende Fußnote)

Das Wertgesetz ist nun vollständig beschrieben. Wieso eine nach diesem Gesetz ablaufende Produktionsweise Krisen, Not, Armut, Elend, Kriege, Bürgerkriege, Massenvernichtung, Mord und Totschlag hervorbringt, obwohl sie andererseits und nachweislich überaus leistungsfähig sein kann, wird erst deutlich, wenn eine Erscheinung untersucht wird, die Karl Marx als "tendentiellen Fall der Profitrate" bezeichnet hat und welche aus dem Wertgesetz hervorgeht.

Der tendentielle Fall der Profitrate

Das Wertgesetz macht den Widerspruch zwischen unternehmerischem Einzel- und Gesamtinteresse sichtbar, welcher den Kapitalismus zu einer letztlich unüberbietbar absurden Veranstaltung macht. Obwohl nur und allein lebendige Arbeit Wert und Mehrwert erzeugt, setzen Unternehmen in wachsendem Maße tote Arbeit, also zugekaufte Technik und Maschinerie ein. Für ein einzelnes Unternehmen ist dies sinnvoll, weil es auf diese Weise seine Produktionskosten senken und mehr Mehrwert erzielen oder unter dem Druck des Wettbewerbs billiger anbieten und damit seine Existenz sichern kann. Dieser kurzfristige Vorteil wird mit dem Nachteil erkauft, die Quelle zukünftigen Mehrwerts auszutrocknen; denn tote Arbeit wird nur zu dem einen Zweck eingekauft, lebendige zu ersetzen! Als würde jemand in Flugsand einsinken und mit jedem Versuch, sich herauszuwühlen, nur noch unrettbarer tiefer hineingeraten - eine Horrorvorstellung!

Dieser Widerspruch spitzt sich im Laufe der Jahre so sehr zu, daß er eine große Orgie der Zerstörung erzwingt. Zum Beispiel Krieg, der Produktion und Infrastrukturen vernichtet; der Stein des Sisyphos rollt zurück und ermöglicht, noch einmal "von vorn" anzufangen. Lassen sich Kriege aus unabwendbaren Gründen - atomare, biologische, chemische Verseuchung - nicht führen, müssen die immer zahlreicher "überflüssig" werdenden Menschen, deren lebendige Arbeit nun nicht mehr nachgefragt wird, vernichtet werden, um durch die Ersparnis von sozialen Kosten den mehr und mehr versiegenden Mehrwert irgendwie zu halten: Ohne Mehrwert kein Kapitalismus keine Produktion! Der Nationalsozialismus hat beide "Lösungen" kombiniert; und sie sind als Endsieg/Endlösung in die Geschichte eingegangen.
(Fußnote: Die rassistische Ideologie des Nationalsozialismus war erforderlich, um die Kampfmoral des Heeres zu erhalten. Denn - zwar ökonomisch überflüssig - waren Arier als solche vor Vernichtung geschützt. Da die militärtechnische Entwicklung Massenarmeen heute verzichtbar gemacht hat, werden heutzutage andere ausgrenzende Kriterien benötigt. Am funktionalsten ist hierbei die sozialdemokratische Variante, weil dort schlicht, plump und dumm "Faule" von "Fleißigen" getrennt werden. Auf ideologischen Aufwand wird beinahe vollständig verzichtet. Es reicht die protestantische Tugendpredigt, um nicht mehr verwertbare lebendige Arbeitskraft Schritt für Schritt zu entrechten, auszugrenzen und sich entgrenzendem psychischen und sozialen Druck (z.B. Obdachlosigkeit, Entzug medizinischer Versorgung) auszusetzen - das ist Vernichtungspolitik. Institutionelles Vernichtungshandeln vollzieht sich unter dem Vorwand vermeintlicher "sozialer Integration" - tatsächlich Psychoterror, der Fehlverhalten und damit Ausschluß provoziert - und wird von Arbeits- und Sozialbehörden sowie von deren beauftragten privaten Partnern (Träger) exekutiert. Ende Fußnote)

Wertgesetz und tendentieller Fall der Profitrate sind den in Wirtschaft und Politik handelnden Personen wohlbekannt. Wer bei Sabine Christiansen sitzt, weiß zumeist, welches Schicksal den "Überflüssigen" zugedacht ist. Die mit Vernunft und Aufklärung gleichgesetzte zeitgenössische moderne Kultur kann ihrem Anspruch offenbar nicht genügen: Menschen können vernünftig denken, aber nicht ihr Leben nach vernünftigen Überlegungen gestalten - sie sterben dann vor Langeweile. Mord und Totschlag, Zusammenbrüche und Untergänge scheinen Salz für die Seelensuppe. Die seelischen Motivationen für Handeln werden durch Vernunft offenbar geschädigt - Nietzsche sprach hier von "Dekadenz". Das alte Rom hatte seine Arena, die Gegenwart hat Hartz IV.

Wie bisher zu sehen war, sind die entsprechenden ökonomischen Zusammenhänge einfach zu durchschauen. Unter dem Druck marktlichen Wettbewerbs muß es zum Rückgang lebendiger Arbeit kommen. Ein einzelnes Unternehmen senkt seine Produktionskosten, wenn die Kosten für die eingekaufte Maschinerie unter den Kosten der lebendigen Arbeit liegen, welche von der Maschinerie ersetzt wird (Rationalisierung). Die Kosten für Maschinerie können allerdings nur dann niedriger liegen, wenn die in ihre Produktion investierte lebendige Arbeit ein geringeres Volumen als jene lebendige Arbeit aufweist, welche von der Maschinerie ersetzt wird: Das gesamtwirtschaftliche Volumen an lebendiger Arbeit sinkt!

Dieser Vorgang der gesamtwirtschaftlichen Schrumpfung der Profitquelle wird von einem zweiten den Mehrwert mindernden Effekt begleitet, den der britische Ökonom Adam Smith (1723-1790) mit Hilfe seiner "Grenzkostenrechnung" darstellte. Die Grenzkostenrechnung beschreibt den tendentiellen Fall der Profitrate aus allein betriebswirtschaftlicher Sicht, beinahe ließe sich sagen aus naturwissenschaftlicher Sicht, da allgemeine Phänomene vorliegen, wie sie bei der Steigerung von Wirkungsgraden überall in Technik und Natur zu beobachten sind. Maschinerie ist Technik, die den Naturgesetzen unterliegt. Der hier angesprochene Effekt läßt sich wie folgt beschreiben: In der Stanzerei eines Unternehmens arbeiten 100 Personen; ein Maschinenpark ist vorhanden (Stanzen). Etwa alle 10 Jahre muß der Maschinenpark wegen Abnutzung erneuert werden. Der Ersatz der Maschinerie wird genutzt, verbesserte Maschinen einzukaufen. Jeder dieser Einkäufe erlaubt, 20 Personen zu entlassen (Rationalisierung). Demnach müßte die Stanzerei nach 50 Jahren menschenleer sein. Das wird selbstverständlich nicht geschehen, es gibt einen Haken: Je technisch entwickelter eine Maschinerie bereits ist, um so aufwendiger und teurer wird es, sie immer noch weiter zu verbessern. Allgemeiner ist dies vom Autotuning her bekannt. Bis zu etwa 50 Mehr-PS halten Tuningkosten sich noch in Grenzen; darüber hinaus wird jedes Mehr-PS teuer bis immer teurer und schließlich unbezahlbar. Auf die Stanzerei übertragen, würden die Kosten für eine neue Maschinerie irgendwann höher liegen als die Kosten der von dieser neuen Maschinerie überflüssig gemachten lebendigen Arbeit. Profit/ Mehrwert läßt sich durch technische Verbesserungen also nicht unbegrenzt steigern oder erhalten. Dann ist das Ende der Fahnenstange erreicht; unter dem Druck des Wettbewerbs erreicht der Mehrwert den Wert Null. Die Krise des Profits ist da, die zugleich Krise der Arbeit ist: In der Zange aus betriebswirtschaftlichem und gesamtwirtschaftlichem Fall der Profitrate!

In solcher Krise muß unter dem Druck des Wettbewerbs begonnen werden, die Arbeitslöhne zu drücken: Globalisierung - Produktionen werden in Billiglohnländer verlegt. Nun wird die Kontrolle von Markt und Distribution/Absatz immer wichtiger, um den Mehrwert überhaupt halten zu können. Damit gewinnen Großunternehmen (global player) an Bedeutung, sie sind regelrechte Staubsauger für all das nicht mehr rentabel investierbare Anlegergeld, das nach Verwertungsmöglichkeiten sucht und ziehen enorme Kapitalmengen an: Die Börsenkurse steigen und steigen, und so müssen die global player immer mehr Rendite ausweisen, um dieses Kapital zu halten. Aktien sind Goldesel; es steigen also die Preise für Goldesel! Nein, dem Kapitalismus geht es nicht gut.

Da die Krisen von Mehrwert und Arbeit bzw. der tendentielle Fall der Profitrate den Kapitalismus permanent begleiten, wächst der Zwang, Ausbeutung zu verschärfen. Dies geschieht vor allem im Ausland, früher den Kolonien. Politische Rücksichten müssen dort kaum genommen werden, und es läßt sich hemmungslos wüten. Anders in den alten Nationalstaaten; diese waren immer riesige Waffenschmieden und Heerlager. Auf die Kampfmoral der Truppe mußte Rücksicht genommen werden, was die Ausbeutung begrenzte: Doch wird das im Zeitalter moderner Waffentechnik immer bedeutungsloser, weswegen nun auch in den Nationalstaaten mit verschärftem Sozialabbau begonnen werden konnte. Da in kapitalistischen Kulturen ethische Anschauungen fehlen, die Menschen ein Existenzrecht jenseits ihrer Verwertung als Arbeitskraft zugestehen würden, werden die Politiker - sei es von rechts oder links - offen faschistisch. Am 25. 07.2005, damals SPD-Vorsitzender, erklärte Franz Müntefering im TV-Gespräch mit dem Journalisten Joachim von Fallois: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen," dies sei immer schon "eherner sozialdemokratischer Grundsatz" gewesen!

Aus dem Wertgesetz und dem tendentiellen Fall der Profitrate/Rendite läßt sich erkennen, daß Kapitalismus früher oder später immer wieder in einen Faschismus übergehen muß. Wie dieser Übergang im einzelnen aussieht, ist von wechselnden politischen, sozialen und technologischen Randbedingungen abhängig. Das braune Element hat sich überlebt, dient allenfalls als Hilfspolizei des Innenministeriums und ansonsten als Karneval, der den derzeit faschistischen Kräften als agitatorische Deckung dient. SPD, B90/Die Grünen, Die Linke/PDS, WASG, DGB, CDU/CSU, FDP etc. gelingt es, sich durch Abgrenzung gegen die Karnevalsrechte als "links" bzw. als "rechtsstaatlich demokratisch" auszugeben.

Ohne Kenntnis des Wertgesetzes ließe sich vorstehende Analyse/Betrachtung nicht anstellen. Wertgesetz und tendentieller Fall der Profitrate/Rendite entlarven die moralisierenden Haltungen der Arbeiterbewegung als selbstschädigend. So wird die Arbeiterbewegung immer wieder zur Fahnenträgerin faschistischer Politiken, und es wundert so nicht, daß sie die Marxsche Wirtschaftsehre entweder nicht oder nur bis zur Verballhornung verkürzt kennt. Beim Anblick der aktuellen Arbeiterbewegung und deren moralisch-intellektueller Verkommenheit würden Marx, Ricardo und Smith ihren Augen nicht trauen wollen.

Oldenburg, den 08.11.2005
Verfasser: Werner Braeuner

P.S.: Der Verfasser hat den Text von sämtlichem Copyright freigestellt.


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