Stefan Otto:

Entwicklungsmuster in der Natur –
auf Basis von Autonomie und limitierter Aktivität

Die Tendenzen einer zweckmäßigen inneren Gestaltbildung sind neben zufälligen Veränderungen in der Natur erkennbar. In diesem Konzept werden Experimente der Naturwissenschaften mit dem Ziel hinterfragt, wie sich ein vielfältiges kausales Zusammenspiel von Ursache folgt Wirkung und umgekehrt rekonstruieren läßt. Dabei werden solche Wesenszüge gesucht, auf denen Entwicklung aufbaut.

Mit Hilfe der heute vorherrschenden deterministischen Denkweisen wird die Welt als Uhr beschrieben, deren Zahnräder als Symbole für viele Abhängigkeiten von äußeren Faktoren stehen. Es wird die absolute Vorhersagbarkeit von Ereignissen gefordert, obwohl mit Ergebnissen der Quantenphysik die Grenzen dieses Weltbildes deutlich wurden. Mit diesen deterministischen Denkweisen kann man deshalb das recht umfangreiche Wissen über kausale Zusammenhänge nicht aufnehmen.

Die Folge ist: "Die Wissenschaft leitete einen erfolgreichen Dialog mit der Natur ein, dessen Ergebnis jedoch recht überraschend war. Sie enthüllte dem Menschen eine tote, passive Natur, eine Natur, die sich wie ein Automat verhielt, der, wenn er einmal programmiert worden ist, in alle Ewigkeit den in seinem Programm niedergelegten Regeln folgt. In diesem Sinne hat der Dialog mit der Natur den Menschen von der Natur isoliert, statt ihn ihr näherzubringen."(Prigogine/Stengers 1981, S. 15)

Dagegen liegt den Selbstorganisationstheorien und teilweise der dialektischen Philosophie die Einsicht in die Aktivität und Entwicklungsfähigkeit der Natur aus sich selbst heraus zugrunde. Für die Beschreibung von Entwicklung wird eine Methode gesucht, die innere Widersprüche zuläßt und mit spontan entstehenden Alternativen "angereichert" ist. Diese Methode wird Koevolution genannt, wobei die Vorsilbe "ko" für komplex, komplementär oder konstruktiv steht.

Wiederkehrende und doch wandelnde Muster der Entwicklung wie Selbstreproduktion, Funktionswandel, Symmetriebruch, die sich in Anlehnung an die fraktale Geometrie in feinen oder in groben Strukturen ähnlich verändern, werden in Systemen zusammengefaßt und innerhalb des Konzepts der Koevolution ausgebaut. Die darin abgebildeten Erscheinungen verhalten sich widersprüchlich, indem sie sich einerseits einander ergänzen und andererseits nur einzeln in Erscheinung treten.

Die Systeme setzen u.a. ihre äußeren und inneren Ränder selbst. Damit werden Hierarchien, die z.B. die Selbstorganisationstheorien noch benötigen, auf hierarchielose Prozesse zurückgeführt. So entscheiden die organismischen Systeme wie in der kritischen Evolutionstheorie, welche Mutationen tolerabel sind und in welcher Weise evolutionärer Wandel möglich ist. Evolution ist nicht von der Umwelt her, sondern organismuszentriert zu verstehen. In diesem Konzept zerstört der Zufall und schafft damit indirekt Voraussetzung für die Reproduktion der Merkmale als auch für das Entstehen neuer Strukturen oder Organe.

Die Beschreibung der Systeme in der Natur bewegt sich viel mehr auf der ideellen als auf der Existenzebene. Mit diesem Konzept, das mit dem Untersuchen kausaler Zusammenspiele auf Basis der Rationalität beruht, läßt sich Welt u.a. als "lebendiges Kunstwerk des strukturbildenden Chaos" rekonstruieren.


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- Dieser Text ist zu Gast in "Annettes Philosophenstübchen" - 2000 - http://www.thur.de/philo/ke.htm -