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Friedensarbeit mit Doppelstrategie

Sobald die Bombardements auf Jugoslawien beendet waren, fanden sich nur noch wenige Menschen zusammen, als wie jeden Samstag zum Friedensgebet und Schweigemarsch in Jena aufgerufen wurde. Während nebenan auf dem Markt die Blasmusik aufspielte, interessierten sich nur wenige Menschen für unseren Infostand vor der Kirche. Dabei hatten wir die Gelegenheit ergriffen, die früher leider oft unbeantwortet gebliebene Frage nach den Alternativen zum militärischen Eingreifen wenigstens ansatzweise zu beantworten. Wir hatten erste Informationen zu Methoden der Zivilen Konfliktbearbeitung gesammelt und bereitgestellt. Bei einer Demo einige Tage vorher wurde primär die NATO als Kriegstreiber entlarvt - und im kleinen Kreis wurde etwas abfällig von "weichen Pazifisten" gesprochen.

Es zeigt sich, daß es ganze fünf Wochen dauerte, ehe die ersten Kriegsgegner sich überhaupt gefunden hatten - nach weiteren fünf Wochen differenzierten sie sich bereits wieder in voneinander stark isolierte Grüppchen auseinander. Radikale NATO-Gegnerschaft oder weicher Pazifismus - wer hat Recht?

Wenn man danach fragt, wer warum ein Interesse daran hatte, nicht die zivilen Vermittlungsstrukturen der UNO, OSZE oder des eher basisorientierten Balkan-Peace-Teams und anderer ziviler Konfliktinterventionen zu stärken, sondern die militärische Logik als alternativlos darzustellen, kommt man natürlich zu den weltpolitischen, machtstrategischen und politökonomischen Hintergründen und Interessen. Sie sind diesmal nicht eindeutig auf Raub und Territorialausdehnung aus, sondern verfolgen ihre vielschichtigen Interessen über komplexe Mechanismen. Diese zu verstehen, erfordert schon viel Analyse und einfache Losungen reichen zum Verständnis nicht aus. Leider ist die unmittelbare Situation des Krieges sehr dazu angetan, die Komplexität auf kurze Losungen zu reduzieren und dann mit dem Nachdenken bereits aufzuhören. Die erreichte Politisierung sollte weitergetrieben werden um Sachkenntnis über die Zusammenhänge und Vernunft zu entwickeln.

Aus einem umfassenden Verständnis heraus wird auch klar, daß es nicht ausreicht, nur losungshaft "Recht haben" zu wollen. Radikalität allein ist nicht hilfreich, sondern muß sich immer noch entscheiden, WIE sie als notwendig erkannte gesellschaftliche Veränderungen ("NATO-abschaffen") erreichen will. Werden hier gewaltsame Mittel von vornherein akzeptiert - ist die Haltung in sich widersprüchlich und kontraproduktiv.

Gerade links-alternative Bewegungen haben sich oft gescheut, die Mittel der Zivilen Konfliktbearbeitung und Krisenintervention ernst zu nehmen, weil dadurch die strukturellen Ursachen für Gewalt und Kriege nicht beseitigt werden. Andererseits haben wir ohne diese Mittel tatsächlich keine Antwort auf die Frage nach Alternativen zur Logik des Militärischen. Auch scheinbare oder echte "Friedenslösungen" werden allzuoft auf den "Schutz und die Trennung der Gegner durch Truppen" reduziert, wie jetzt im Kosovo. Das Militärische hält aber allenfalls den Deckel zu - und schafft keine Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben der Menschen. Dies muß wohl oder übel, mit oder ohne grundlegende Veränderung der Gesellschaftsstrukturen, auf zivilem und gewaltfreien Wege entwickelt werden.

Wichtig ist es auch, nicht lediglich UNO, OSZE und Balkan-Konferenzen zu fordern. Diese müssen und können nur die grundlegenden Rahmenbedingungen für das konfliktschlichtende, das gemeinsame Leben aufbauende Prozesse "vor Ort" sein. Hier sind wir selbst gefragt - es gibt schon viele Anknüpfungspunkte:

  • Eine "Plattform Ziviler Konfliktbearbeitung" wurde 1998 gegründet (Kontakt: Dr. Barbare Müller), mit dem die Zusammenarbeit der zivilgesellschaftlichen Akteure systematisch gefördert wird und konkrete Projekte organisiert werden.
  • Der Bund für soziale Verteidigung organisiert Trainings in Gewaltfreier Konfliktaustragung und Mediation
  • Die Helsinki Citizens Assembly (HCA) unterstützt den Aufbau einer zivilen Gesellschaft im Bereich von Jugoslawien.
  • Auch die Vereinigung War Resisters´ International stärkt die gewaltfreien Methoden des Umgangs mit Konflikten und entwickelt Gewaltfreiheit als Mittel, soziale Kämpfe zu führen.
  • Das Balkan-Peace-Team arbeitet seit einigen Jahren verstärkt im Bereich Ziviler Konfliktbearbeitung in Jugoslawien.

  • Unterstützung sollte nicht auf eine Gruppe orientiert sein, wenn sie als Gruppe (Ethnie, Nation) gegen andere definiert wird - auch nicht unbedingt die "Opfer". Gerade multiethnische Nischen (wie es sie in Tuzla gab oder gibt) sollten bevorzugt unterstützt werden.
  • Die unmittelbare Bewältigung der problematischen Situation kann mit strategischen, gar visionären Zukunftsplanungen verbunden werden. Ein Beispiel ist die in München gemeinsam mit Kosovo-Albanern durchgeführte Zukunftswerkstatt.

Natürlich finden all diese Vorhaben nicht im luftleeren Raum statt. Sie brauchen geeignete Rahmenbedingungen, die gegebenfalls erkämpft werden müssen:

"Wenn wir die Weichen zu effektiver Ziviler Konfliktbearbeitung stellen wollen, müssen wir dem Militär die Mittel zum Kriegführen in aller Welt wegnehmen." (Netzwerk Friedenskooperative)

Kampf jedoch muß nicht mit Gewalt verbunden sein, sondern gerade hier liegt ein weites Anwendungsfeld des Gewaltfreien zivilen Widerstands. Natürlich ist es schwerer, sich hierfür Strategien und Aktionen auszudenken, alle Beteiligten zu vernetzten, als einfach "loszuschlagen". Aber ohne diese Mühe werden auch wir langfristig keinen Erfolg haben mit unseren Friedensbemühungen. Das Zivil-Gewaltfreie muß sich mit dem Kampf um geeignete Rahmenbedingungen verbinden, beide der oben genannten Tendenzen beinhalten wichtige Aspekte. Die NATO-Strategie darf bei der Zivilen Konfliktbearbeitung nicht außen vor gelassen werden - und der Kampf um andere Rahmenbedingungen braucht zivile und gewaltfreie Methoden.

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Mehr zum Krieg in Jugoslawien

Ein weiterer Text von mir, der die Erfahrungen dieses Krieges auswertet, ist zu finden in:
Stoppt die Nato - Hände weg von Jugoslawien!
68 Seiten A4, 350,000 Zeichen! 7,- Mark
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