Appellhaltige Begriffe

 
Eine besondere Form des Zusammenhangs von verschiedenen Aspekten von Mitteilungen ist die Appellhaltigkeit von Begriffen.

Oft wird angenommen, die verwendeten Worte seien sprachliche Zeichen, denen beliebig eine Bedeutung beigelegt werden kann. Dies stimmt aber nicht. Denn wir erzeugen die Zeichenbedeutungen nicht direkt in jedem Gespräch neu, sondern die mit bestimmten Worten verbundene Bedeutung gilt jeweils für eine bestimmte Sprachgruppe, die historisch entstanden ist, sich auch verändert, aber letztlich für alle konkreten Sprechakte ein Netzwerk doch relativ festgelegter Bedeutungen vorgibt.


Wie ich die Welt sprachlich darstelle, hängt von meiner (interessengeleiteten) Brille ab. Umgekehrt nimmt die mir zur Verfügung stehende Sprache Einfluß auf meine "Brille". (aus Schulz von Thun MR 1: 236)

Bei bestimmten Worten ist die Bedeutung besonders eng mit dem verwendeten Begriff verbunden; Schulz von Thun (MR 1: 234) nennt sie "appellhaltige Begriffe". Wenn beispielsweise eine Mutter mit ihrem Kind einen Bogen um einen um Geld bittenden Menschen macht und zu dem Kind sagt: "Das ist ein Bettler", so lernt das Kind nicht nur das Wort "Bettler" wie eine Vokabel, sondern ebenfalls die damit verbundene Ablehnung. Mit dem Wort "Bettler" ist auf der Appellseite die Aufforderung verbunden: "Verabscheue ihn, mach einen Bogen darum!".
Ein anderes Beispiel ist die unterschiedliche Bezeichnung für RAF-Angehörige. Wenn sie bspw. "Baader-Meinhof-Gruppe" genannt wird, ist das relativ neutral, läßt es auch zu, dass man sie gewähren lassen oder gar unterstützen könne. Die Bezeichnung "Baader-Meinhof-Bande" jedoch fordert die Verabscheuung und Bekämpfung heraus.

"Wie jemand die Sachverhalte dieser Welt sprachlich darstellt, dies ist abhängig von seiner "Brille", mit der er die Welt sieht; und diese Brille ist wiederum abhängig von seinen Interessen. Jede sprachliche Darstellung enthält nun den Versuch, auch dem Empfänger diese Brille aufzusetzen. Denn umgekehrt ist die Brille auch Resultat der sprachlichen Darstellung - die Begriffe und Kategorien nämlich, die mir zur Verfügung stehen und meine Wahrnehmung ausrichten. Die Begriffe und Kategorien werden mir aber zur Verfügung gestellt von denen, die vor mir da sind und von denen, die sprachlich "am Drücker" sind (Inhaber der Medien und der Bildungsinstitutionen)." (Schulz von Thun MR 1: 235) Ein weiteres Beispiel ist das Wort "Arbeitgeber", das auf der Appellseite Dankbarkeit erfordert im Unterschied zur Bezeichnung "Ausbeuter", die dazu herausfordert, sich die Ausbeutung nicht gefallen zu lassen, sich zu wehren.
Literatur:
Schulz von Thun, Friedemann (MR 1): Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag (1981). 2004.

 
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