Gesellschaftliche SelbstorganisierungSelbstorganisation verweist darauf, dass komplexe Strukturen und Beziehungen nicht durch äußerliche Ordnungsvorgaben entstehen können, aber auch nicht unmittelbar durch die direkten Kontakte der Elemente der Struktur. In Strukturen und Prozessen der Selbstorganisation führt unter bestimmten Umständen (Zufuhr freier Energie, Existenz von Fluktuationen) das "kooperative Wirken von Teilsystemen zu komplexen Strukturen des Gesamtsystems" (Ebeling, Feistel 1986). Die komplexen Strukturen sind mehr als die Summe der direkten Beeinflussungen der Elemente. Die Elemente sind nicht mehr nur unmittelbar in Kontakt, sondern es entstehen übergreifende, langreichweitige Kohärenzen. Dabei würde es die beteiligten Elemente ohne den gemeinsam gebildeten Prozess gar nicht geben - sie können voneinander isoliert gar nicht entstehen (Das gilt z. B. für Nukleinsäuren und Proteine im Hyperzyklus nach Eigen und Schuster 1977/78 ebenso wie für Menschen als gesellschaftliche Individuen). Früher verlief die Organisierung in der Gesellschaft maßgeblich über persönliche Machtstrukturen, wie Gefolgschaften (die Max Weber auch im modernen Parteienwesen erkennt) und Lehnsverhältnissen. Heute setzen sich inzwischen weltweit jene Form durch, bei der die Personifizierung weitgehend durch ein eher abstraktes Vermittlungsmedium, das Kapital, ersetzt wurde. Beide Formen sind herrschaftsförmig, sie beruhen auf der Herrschaft von Menschen bzw. auf dem Selbstzweck der Kapitalverwertung über andere Menschen. Gefragt ist jetzt eine neue Form von Selbstorganisierung, bei der die Macht in den Händen der Individuen selbst bleibt, in der diese sich selbstbestimmt "von unten" her ihren Bedürfnissen gemäß organisieren. Das widerspricht der alten Vorstellung von isolierten Elementen, die ohne äußeren ordnenden Einfluss in chaotischer Unordnung versinken würden. Hier kann demgegenüber eine neue Art "Ordnung ohne Herrschaft" [1] entstehen.
[1] Ein "Staat" wird dann nicht mehr als Institution gebraucht, die quasi "von außen" bzw. "von oben herab" die Organisierung gewährleistet. Manche Menschen denken, nur ein Staat könne eine gewisse Vernünftigkeit der Organisationsleistung absichern. Aber diese kann nicht von außen in die freien Vereinbarungen der Individuen gebracht werden, sondern muss im Prozess selbst entstehen. (aus: Schlemm, Annette (2006): Selbstentfaltungs-Gesellschaft als konkrete Utopie. Osnabrück: Packpapierverlag. Siehe auch Internet http://www.thur.de/philo/SEG.htm) |