Computer im Kapitalismus II

Vorher: Computer im Kapitalismus I

Benni B., (09.12.99):

> Früher waren beide Aspekte _in_ der
> Maschinerie quasi "analog" zusammengeschlossen, heute sind sie Teile von
> Spezial- und Universalmaschine, wobei letztere durch die Digitalisierung
> ungeheuer "flexibel" und damit "produktiv" geworden ist.

Ich denke, man kann diesen Prozess eigentlich sogar fuer die ganze Mechanisierung verallgemeinern, so dass der Computer wirklich nur der letzte Schritt in einer langen Kette ist.
Es fing alles im neunzehnten Jahrhundert mit den mechanischen Webstuehlen an. Und die waren schon digital und haben Software und Hardware getrennt.

Stefan Mz. (11.12.99):
Ja, korrekt, und wie die Vorläufer der Computer (wie die Analytical Engine von Babbage) zeigen, waren alle Elemente des "Computers" vorhanden. Es fehlte "nur noch" eine hinreichende Verallgemeinerung der ansatzweise schon geleisteten Trennung von algorithmischem und gegenständlichem Produktionsaspekt. Warum der Computer real erst später "erfunden" wurde (darf man Zuse inzwischen als ersten nennen?), wäre eine gesonderte Untersuchung wert.

Die ersten beiden industriellen Revolutionen (Dampf und Elektrizitaet) beruhen auch auf diesem Prinzip. Die Energieerzeugung wird von ihrem konkreten Zweck entbunden. Zunaechst nur lokal, durch die Elektrizitaet auch nicht-lokal.

Stefan Mz. (11.12.99):
Ja, wobei der energetische Produktionsaspekt (Nr. 3 sozusagen) nicht das revolutionierende Element in der Industriellen Revolution bildete, sondern der gegenständlich-prozessuale (konkret: die Werkzeugmaschine wie Marx schon wußte). Nebensache, siehe auch
http://www.kritische-informatik.de/algorevl.htm.

.

> Entwickler/innen freier Software erleben dies schon ansatzweise. Dem
> Durchbruch stehen jetzt "nur noch" die Verwertungszwänge entgegen...

Es gibt durchaus auch nicht-programmiertaetigkeit, die den Computer kreativ nutzt. Das gilt eigentlich fuer alle "Kunst" und aehnliches. Eben fuer alles, wobei es sich um Symbolmanipulation handelt (also auch emails schreiben!), da dort der Computer sein Heimspiel hat. Ich denke Beispiele gibt es zu Hauf in der Musik, in der bildenden Kunst, bei Computerspielen, etc...

> Insofern ist das Internet in die
> Verwertungsmaschine integriert.

Das Linuxbeispiel zeigt doch aber seiner Meinung nach, dass es eben nicht so ist. Bestimmte Formen der Wertschaffung sind nur durch bestimmte Formen der Distribution moeglich geworden. Es gibt ja eine Geschichte der Spezialisierung und Expertisierung. Die hat dahin gefuehrt, dass fuer konkrete Aufgaben oftmals auf der ganzen Welt nur noch ganz wenige Leute verfuegbar sind. Diese muessen aber im Gegensatz zu den mittelalterlichen Baumeistern auch noch zusammenarbeiten, so dass eine Reisetaetigkeit nicht reicht. Das fuehrt zu zwei Dingen. Einmal einer raeumlichen Konzentration in wenigen Metropolen (Silicon Valley, Bangalore, ...) und andererseits einer zunehmenden Vernetzung um die Kommunikation auch zwischen diesen Metropolen moeglich zu machen. Linus T. selbst ist ein gutes Beipiel. Angefangen hat er in Finnland. Inzwischen ist er auch ins Silicon Valley gezogen.

...

> > lebendige, genauer eine neue Qualität der Produktivkraftentwicklung, in
> > der der Mensch sich als Hauptproduktivkraft selbst entfaltet.
> Da kann ich Dir nicht ganz folgen. Wie soll es Rationalisierung ohne
> Produktivitaetssteigerung geben? Was genau meinst Du mit "toter
> Arbeit"? Die Arbeit von Maschienen?

Stefan Mz. (11.12.99):
Tote Arbeit ist die vergegenständlichte Arbeit, also das Resultat von Arbeit "in" einem Produkt, z.B. einer Maschine. Tote Arbeit schafft im Unterschied zu ledendiger Arbeit keinen neuen Wert, sie kann bestenfalls bereits vorhandenen Wert auf ein Produkt übertragen. Ersetzt der Kapitalist lebendige durch tote Arbeit (Maschine statt Mensch = Rationalisierung), dann kauft dieser mit der Maschine eine Menge x bereits vorhandenen Werts ein, den die Maschine im Laufe ihres Einsatzes an die Produkte abgibt. Das tut er dann, wenn die Maschine "billiger" ist, "produktiver" muß sie gar nicht sein! Für den Gesamtprozess des Kapitalismus sind solche Ersatz-Rationalisierungen fatal, denn die Wertproduktion, die ja nur aus lebendiger Arbeit kommt, nimmt ab.

 

> Gibt es denn wirklich einen Unterschied zwischen der Schaffung von

> Scheinwerten, wie immer wieder neuen Konsumguetern, die keiner

> wirklich braucht und der Schaffung von Fantasie-Aktienkursen?

Ob ein Konsumgut "Wert hat" und ob es jemand "wirklich braucht" sind zwei verschiedene Fragen. Das durchschnittliche Konsumgut, das verkauft wird, hat ökonomisch gesehen "Wert", denn es "enthält Arbeitszeit". Scheinwerte gibt es also nicht. Und was jemand kauft, braucht er/sie Augenscheinlich auch - ob "wirklich", kann ich nicht beurteilen (_warum_ Menschen Warenmüll kaufen, was sie davon "haben", was sie damit "verbinden", was sie damit "ersetzen" etc. wären psychologische Fragen, die man letztlich nur mit den Betroffenen klären kann). Die Aktienkurse sind gleichfalls insofern "real", als sie den Erwartungen der Anleger auf zukünftige Wertrealisierungen entspringen. Gefährlich wird es nur dann, wenn (wie massenhaft in den USA) diese "erwarteten Werte der Zukunft" _heute_ beliehen werden und die Werterwartung dann aber nicht erfüllt: Dann fallen nicht nur die Aktienkurse in sich zusammen, sondern auch die Wirtschaften, die die "Zukunft beliehen" haben. Deswegen sind auch "Aktiensteuern" (wie die Tobinsteuer) obgleich nett gemeint zusätzlich gefährlich: Sie schöpfen zukünftigen Wert ab, der ggf. nie realisiert wird.

 

Benni B., (12.12.99):
>
Warum der Computer real erst später
> "erfunden" wurde (darf man Zuse inzwischen als ersten nennen?), wäre
> eine gesonderte Untersuchung wert.

Der Fordismus brachte es mit sich, dass es eine grosse Buerokratie und grosse logistische Aufgaben gab, fuer die Computer wie gemacht waren. Die ersten Lochkartenzaehler wurden Anfang des Jhdts in Amerika bei der Volkszaehlung eingesetzt. Natuerlich brachte der 2. Weltkrieg dann zusaetzliche militaerische Anwendungen.

> Tote Arbeit ist die vergegenständlichte Arbeit, also das Resultat von
> Arbeit "in" einem Produkt, z.B. einer Maschine. Tote Arbeit schafft im
> Unterschied zu ledendiger Arbeit keinen neuen Wert, sie kann bestenfalls
> bereits vorhandenen Wert auf ein Produkt übertragen. Ersetzt der
> Kapitalist lebendige durch tote Arbeit (Maschine statt Mensch =
> Rationalisierung), dann kauft dieser mit der Maschine eine Menge x
> bereits vorhandenen Werts ein, den die Maschine im Laufe ihres Einsatzes
> an die Produkte abgibt.

Ohne mich mit der (marxistischen?) Theorie genauer auszukennen, wirkt zumindestens diese Zusammenfassung auf mich als nicht mehr auf Computer anwendbar. Obige Wertverwurstung in der Maschiene funktioniert ja nur dann, wenn man einen festen Wert in die Maschine steckt, der dann wieder "herausfliesst" mit der Zeit.
Genau das geht aber mit einer universellen Maschine nicht. Der Computer kann im Laufe seines Lebens fuer Dinge eingesetzt werden, fuer die seine Erfinder ihn nie gedacht haben. Das ist seine grosse Staerke. Und das ist uebrigens auch der grosse Vorteil von OSS, weil nur das OS-Entwicklungsmodell diese Evolution des Zweckes voll unterstuetzt.
vielleicht hab ich Dich aber auch schlicht falsch verstanden.

Ich kenne mich zuwenig mit diesen Dingen aus.


Weiter geht’s mit Raymonds Reichtum

Zu Oekonux