Psychologie des
Selbst-Organisations-Managements

Im Mittelpunkt des Selbst-Organisations-Managements steht der kreative und flexible Mensch. Er soll nicht lediglich einen vorgegebenen Soll-Zustand herstellen, sondern ständige marktgerechte Veränderungen bewältigen. Er wird dabei weder als Kraftprotz benötigt, noch als Knöpfchendrücker.

Siehe auch Menschen im Zentrum

Es wird davon gesprochen, daß es nicht mehr ausreicht, "Miet-Arbeiter" zu beschäftigen, sondern Mitarbeiter, sogar Mit-Unternehmer. Es wird dabei immer wichtiger, daß Arbeit insgesamt in einem soziotechnischen Rahmen verstanden wird. Technisches und Soziales unterliegt dabei unterschiedlichen Gesetzen: Soziales beinhaltet zusätzlich Ziel- und Bedürfnisorientiertheit sowie die Komplexität menschlichen Verhaltens (Frei, Hugentobler u.a., S. 150)

Zur Bewältigung der unternehmerischen Aufgaben ist nicht nur Fachwissen und Fleiß notwendig. Neue Fähigkeitsmerkmale rücken in den Vordergrund, wie Teamfähigkeit, Kreativität, "emotionale Intelligenz". "Führung durch Vertrauen" auf Grundlage gemeinsamer Werte soll standardisierte Koordinationsinstrumente ersetzen (Q-Magazin 2-99, S. 16).

Da die Arbeitsteilung und die gegenseitigen Beziehungen nicht mehr überwiegend in einem formalen Regelwerk vorgegeben sind, sondern sich aus den sich selbst regelnden Beziehungen der Menschen ergeben, wird z.B. Vertrauen immer wichtiger.

Ganz abgesehen von diesen prinzipiell neuen Erfordernissen an arbeitende Menschen zur Selbst-Organisation begegnen uns in komplexer werdenden Systemen zusätzliche typische Schwierigkeiten (auch bei Unternehmern selbst), die z.B. Dörner aufzählt:

Fähigkeitsdefizite beim Umgang mit Komplexitä:

  • mangelhafte Berücksichtigung von zeitlichen Abläufen,
  • Schwierigkeiten beim Umgang mit exponentiellen Entwicklungen
  • Denken in Kausalketten statt Kausalnetzen
  • Springen zwischen den Themen
  • Detail"verliebtheit"
  • Entscheidungsverschiebung
  • Schuldbefreiungsversuche ...

Wenn man davon ausgeht, daß in der entsprechenden Umwelt jeder Mensch einen engagierten Beitrag leistet (Senge, Kleiner u.a, S. 232), so gibt es Ansatzpunkte für eine Aktivierung und Motivierung von Mitarbeitern:

  • Aufzeigen von Widersprüchen, ohne Schuldvorwürfe!
  • Verlockende Alternativen gegenüber dem Bestehenden (Frei, Hugentobler, S. 142)
  • Kreative Spannung zwischen Vision und Realität (Senge, Kleiner u.a, S. 225) - für Individuen und Organisationen (letzteres durch Coaching begleiten).

Das Erkennen von Widersprüchen wird z.B. dadurch erleichtert, daß man Arbeitssituation ganzheitlich und aus verschiedenen Perspektiven betrachtet (Frei, Hugentobler u.a., S. 141).

Andere Aspekte werden genannt:

  • Entfremdende Effekte der Arbeitsteilung aufheben (durch vertikale und horizontale umfassende Information und Kommunikation)
  • Gemeinsame Zielfindung (Idee: Zukunftswerkstatt/ Zukunftskonferenz...)
  • Mechanismus für ständigen (!) Dialog über Problemanalyse, Ziele, Maßnahmerealisierung und Bewertung der Ergebnisse

Die Form des "Coachings" der Mitarbeiter muß berücksichtigen, wie Gruppenprozesse typischerweise funktionieren. Jedes Projekt hat unterschiedliche "Lebensphasen" und verschieden Typen von Menschen werden dazu gebraucht. Dies ist psychologisch sorgfältig zu koordinieren.

 

Kreislauf (nach Senge, Kleiner u.a., S. 72):
einzelne Menschen fühlen sich typischerweise zu ein oder zwei der Phasen besonders hingezogen...

Die Fähigkeiten der Menschen für solche Prozesse haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. Zusätzlich können hier Einflüsse positiv wirken, die die Menschen aus ihrem Freizeit- und Hobby-Bereich mitbringen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit wären deshalb Modelle wie das Konzept "New Work", das Job und die sogenannte "Berufungsarbeit" (Calling) verbindet, auch inhaltlich sehr effektiv.

Motivation als Grundlage des Engagements der "Mit-Unternehmer" beruht, wie jede Motivation, auf Voraussetzungen: Es muß erstens ein Zusammenhang zwischen dem einzelnen Beitrag und der gelingenden vorsorgenden Sicherung der eigenen Existenz existieren, zweitens muß dieser Zusammenhang von den (gesellschaftlichen) Denkformen adäquat abgebildet werden und drittens muß das einzelne Individuum fähig zu dieser Abbildung sein (Holzkamp, S. 299f.). Leider ist bereits der erste Punkt in der Realität angesichts von Massenentlassungen, Outsourcing etc. nicht gegeben und der Versuch, lediglich über Denkformmanipulationen kurzzeitige Effekte zu erringen, kann nicht ausreichen.

Der entstehende und immer weiter auseinanderklaffende Widerspruch zwischen den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen in Hinsicht ihrer Selbstentfaltung und ihres Einzwängens in die profitable Verwertung der eigenen Arbeitskraft (Meretz) kann einzelbetrieblich oder psychologisch jedoch nicht gelöst werden.

 

Literatur (mit externen Links):
Dörner, D., Die Logik des Mißlingens
Frei, F., Hugentobler, M., Alioth, A., Duell, W., Ruch, L., Die kompetente Organisation. Qualifizierende Arbeitsgestaltung - die europäische Alternative, Zürich-Stuttgart, 1993
Holzkamp, K., Grundlegung der Psychologie, Frankfurt/Main, New York 1985
Meretz, S., Produktivkraftentwicklung und Subjektivität. Vom eindimensionalen Menschen zur unbeschränkt entfalteten Individualität. Vortrag am 22.10.1999 in Berlin, in Internet: Originalquelle: http://www.kritische-informatik.de/pksubjl.htm (1999)
Senge, P., M., Kleiner, A., Smith, B., Roberts, C., Ross, R., Das Fieldbook zur Fünften Disziplin, Stuttgart 1997

Menschen im Mittelpunkt

Unternehmens-Organisations-Modelle

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© Annette Schlemm 1999