Ein Desaster: Umweltverbände & Krieg

Eine Nachlese von Otto Busse (JungdemokratInnen / Junge Linke)

Es bleibt einem/-r wohl nicht viel erspart in der letzten Zeit: »Neue Mitte« (Schröder) wie "Linke" versuchten sich gegenseitig darin zu überbieten, ihr Handeln - bomben oder der Protest dagegen - mit den Geschehnissen im Dritten Reich zu legitimieren, um dann dort zu landen, wo die politische Rechte seit Mitte der 80er Jahre hin will: den Nationalsozialismus als »Epoche« (E. Nolte), als Geschichte, die vorbei ist, abzuhaken. Nur so ist ein positiver Bezug auf die deutsche Geschichte möglich. Durch den permanenten Vergleich mit Auschwitz wird dessen Einzigartigkeit relativiert und erscheint als ein Ereignis, das immer und überall auftrat, auftritt und auftreten wird. Die Stilisierung von Milosevic zum »Balkan-Hitler« erfüllt die gleiche Funktion, die Saddam Hussein als »Wiedergänger Hitlers« (H.-M. Enzensberger) Anfang der 90er erfüllte: der Mythos des antifaschistischen Widerstands in Deutschland bekommt neue Nahrung bei gleichzeitiger Militarisierung der Außenpolitik. »Nie wieder Auschwitz« ist jetzt von denen zu vernehmen, die noch vor einem halben Jahr begeistert der antisemitischen »Friedenspreisrede« von Martin Walser - in selbiger wendet sich Walser gegen eine Instrumentalisierung von Auschwitz (allerdings nicht für, sondern gegen deutsche Interessen) - stehende Ovationen bereitet haben.

Der Stoiber-Biedenkopf-Freund Ulrich Beck lieferte neben dem rot-grünen Kriegssoziologen Jürgen Habermas den notwendigen Analyse-Cocktail für die freiwillige Selbstgleichschaltung der bürgerlichen Presse: Der »militärische Humanismus der NATO« lasse den Nordatlantikpakt »sozusagen als militärischen Arm von amnesty international« handeln. Aber das »Vernunftbomben gegen Milosevic« (U. Beck) ist genauso "human", wie die Festung Europa und das Abschieben von Flüchtlingen (u.a. in genau diese Region: Mit der Zerstörung von Menschenleben soll also eine vorher geleugnete Katastrophe verhindert werden).

Bei so viel breiter Zustimmung zum NATO-Einsatz in der Bevölkerung muß man/frau wohl froh sein um jede Stimme, die sich dagegen richtete. Jedoch ist das Ziel der GegnerInnen nicht grundsätzlich die individuelle und gesellschaftliche Emanzipation von Menschen, und genau da liegt dann auch das Dilemma.

Der etablierten Umweltbewegung geht es seit jeher so viel um Menschenrechte, wie es der jetzigen Bundesregierung darum ging und geht: überhaupt nicht. Alleiniges Ziel und Interesse der Betrachtungen ist eine wie auch immer geartete "saubere Umwelt" und ein Naturschutz, der nicht Menschen in den Mittelpunkt stellt, sondern eine "intakte Natur".

Folglich heißt es in einer Presseerklärung des Deutschen Naturschutzring (DNR), dem Dachverband des BUND, Naturschutzbund, BBU (Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz) und anderen Verbänden, daß man sich »angesichts der zunehmenden Umweltzerstörungen [sic!] für einen Stop der NATO-Luftangriffe in Jugoslawien« ausspreche. Das von der BRD unterzeichnete »Umwelt-Kriegs-Übereinkommen« verbiete »eine Kriegführung, die ausgedehnte, langanhaltende und schwere Schäden der natürlichen Umwelt verursacht und dadurch [sic!] die Gesundheit und das Überleben der Bevölkerung gefährdet.«. Der indirekte Bezug auf das Überleben von Menschen durch eine »natürliche Umwelt« ist zynisch angesichts der Bombardierung (!) von Menschen.

Die neue BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt hat schon angekündigt, »Kooperation, wo immer es möglich ist«, und so hat der BUND-Bundesvorstand beschlossen, sich zum derzeitigen Kriegskurs der Bundesregierung nicht zu äußern. Auch Schweigen kann ein Verbrechen sein.

Die Gruppen TUN und RAGE aus der "radikalen" Tierrechtsszene, die stetig daran arbeitet, Tierunterdrückung zum Hauptwiderspruch - aus denen sich alle anderen Herrschaftsverhältnisse ableiten - zu machen, und nur noch Tiere wahrnimmt, bedauern, daß »Wild und "Haustiere" [...] von Bombensplittern getroffen [werden] und niemand [...] ihnen angesichts des großen Leids, das dieser Krieg auch [sic!] den Menschen zufügt« hilft. Aber Rettung naht: »Eine Schweizer Stiftung hat nun 8 Mutige gefunden, die vor Ort nach dem Rechten sehen wollen und insbesondere auch den geschundenen Tieren helfen wollen.« Menschen mit einem Herz für Tiere, ein Glück. Die von der Szene hochgehaltene Phrase »Für die Befreiung von Mensch und Tier« erscheint hier einmal mehr als Farce: um Menschen geht es nicht. Je mehr die (vermeintlichen) Interessen von Tieren ins Blickfeld rücken, umso mehr werden die Interessen von Menschen vernachlässigt.

Es gibt aber auch Umweltschutzgruppen, die sich angesichts der aggressiven Hegemonialpolitik der westlichen Welt von ihrer bornierten Fixiertheit auf Naturschutz gelöst haben und den NATO-Einsatz kritisieren, ohne über die dabei entstehenden Umweltschäden zu lamentieren. Die Grüne Liga Berlin und die Bundeskoordination Studentischer Ökologiearbeit (BSÖ) lehnen den NATO-Einsatz klar ab und - welch Lichtblick - Robin Wood hat in Berlin sogar eine öffentlichkeitswirksame Aktion gegen den Einsatz gemacht. Die Gruppe Landfriedensbruch, ein bundesweiter Zusammenschluß aktiver UmweltschüzerInnen, forderte alle UmweltschützerInnen auf, »sich diesem Krieg zu widersetzen« und nicht mit dieser Kriegsregierung zu kooperieren: »Mit dem Krieg sollen Mensch und Natur dem Einflußkreis der NATO-Staaten zugeführt werden, um beide für eigene Zwecke verwerten zu können.«. Greenpeace hält die Begründung des NATO-Einsatzes für unglaubwürdig wegen der anderen Krisengebiete und Menschenrechtsverletzungen, in die die NATO nicht interveniert, wie z.B. Kurdistan.

Diese Argumentation eignet sich zwar, um aufzuzeigen, daß es der NATO nicht um Humanität geht, ist aber ein Einfallstor für weitere Einsätze. "Da würden wir ja auch gerne..." würde jeder NATO-Scherge darauf antworten. Die Logik der Militarisierung und die Abschottung Europas - das Aufnehmen von Flüchtlingen ist das allererste, wenn es um "Humanität" geht - wird nicht kritisiert.

Die wenigen tausend AlbanerInnen, die bislang in die BRD eingeflogen wurden, sind angesichts der gesamten Flüchtlingszahl dagegen nicht mehr als eine Beruhigung fürs soziale Gewissen, das von Kirchengruppen mit Decken und Gartenmöbeln versorgt werden darf. Um so zynischer erscheint da Fischer, der medienwirksam durch ein albanisches Flüchtlingscamp in einem Nachbarstaat läuft und sich für »offene Grenzen« ausspricht - dort, nicht in der BRD!

Während die einen bei den Grünen nicht schnell genug ihre angeblichen Ziele über Bord schmeißen können, sorgen die anderen für Integration. Angelika Beer heult von schlaflosen Nächten und die Kriegsgegner Simmert, Buntenbach und Ströbele brechen nicht etwa mit dem Parlamentarismus, sondern rufen auch noch dazu auf, in der Partei zu bleiben. Arbeitsteilung in grün, für (fast) jeden etwas dabei.

Und die Anthros? Wenn sie nicht gerade wieder mal damit beschäftigt sind, ihnen unliebsame Bücher vorm Erscheinen zu verhindern, wird in ihrem Hausblatt »Info 3. Monatsmagazin für Spiritualität und Zeitfragen« in klassisch esoterischer Manier verklärt: Es fände »keine wirkliche militärische Konfrontation« statt, solange nicht die Apaches (amerikanische Kampfhubschrauber, die vom Autor als »fliegende Vernichtungsmaschinen« bezeichnet werden) zum Einsatz kommen. Erst dann hätte man »zum ersten Mal von einem wirklichen Krieg sprechen können«. Das Geschwätz von »Kollateralschäden« und »präzisen Waffen« scheint hier nachhaltig gewirkt zu haben. Rudelführer Rudolf diktierte schon 1924 in einem Vortrag, daß »die Weissen [...] eigentlich diejenigen [sind], die das Menschliche in sich entwickeln«, und da die EuropäerInnen ja ohnehin zu einer »höheren Kulturstufe« (Rudolf Steiner) hinaufgestiegen seien, sind die Anthros zum Schluß natürlich doch für die NATO-Aggression: »Die Frage ist jetzt, ob das Vermeiden einer direkten Konfrontation mit der serbischen Armee nicht zu noch viel schlimmeren Szenarien führen wird.«. Apaches marsch!

Noch durchgeknallter in Sachen Spiritualität ist die Naturgesetzpartei. Als wirksame Strategie für »Frieden, Harmonie und Wohlstand« wird die »Transzendentale Meditation und das yogische Fliegen« empfohlen. Das Erlernen dieser »Technologien des Bewußtseins« sei die »wirksamste Hilfe für den Frieden«. Außerdem wird vorgeschlagen, sich an seinen Bundestagsabgeordneten zu wenden und ihn zu fragen »warum die Regierung diese hervorragenden Techniken nicht einsetzt«.

Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung - die jeden kritischen Kopf in einen permanenten Ausnahmezustand versetzen müßte - offenbart sich das Desaster, das wahlweise »Berliner Republik« oder rotzfrech »Normalisierung Deutschlands« genannt wird: Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg auf einen souveränen Staat, eine freiwillig gleichgeschaltete Presse, die, wie der Großteil der hiesigen Bevölkerung, dazu applaudiert und GegnerInnen des NATO-Einsatzes - von rechtsextrem bis umweltfreundlich -, die größtenteils antiemanzipatorisch argumentieren. Die Bundeswehr, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in eine Legitimationskrise kam, arbeitete seitdem an ihrem Imagegewinn. Mit Erfolg: Der nächste Krieg kommt bestimmt, wenn einer dieser Untermenschen es wagt, »die Unversehrtheit und Stabilität Deutschlands [zu] beeinträchtigen« (Verteidigungspolitische Richtlinien) oder die »Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des Zugangs zu strategischen Rohstoffen« (ebd.) zu gefährden.

h0444xb2@student.hu-berlin.de

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