"Sind wir noch zu retten?"

"Sind wir noch zu retten?" fragt Franz Alt in Publik-Forum Nr.5/1999, der "Zeitschrift kritischer Christen", und behauptet weiter: "Wir leben auf Kosten künftiger Generationen". Daß "wir" alle gleichermaßen Schuld an Umweltzerstörung sind, steht für Alt völlig außer Frage. Da schwimmt der Yuppie neben der Obdachlosen und der Siemens-Manager, der gerade ein neues umweltschädigendes Großprojekt beschlossen hat, schwimmt neben dem Siemens-Arbeiter, der aufgrund seiner Lohnabhängigkeit umweltschädlich hergestellte Produkte kaufen muß. Solche harmoniesüchtigen, gesellschaftsverklärenden Ansätze finden sich üblicherweise in Esoterik-Kreisen, und so ist es auch kein Wunder, daß Alt eine "jesuanische Öko-Ethik" und eine "spirituelle Ökologie" predigt, die die "ökologische Krise" überwinden sollen.

"Heilung und Rettung kann nur von innen kommen" so Alt, nicht etwa durch die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise.

Er verklärt Jesus zum Tiefenökologen, dieser menschenverachtenden Vorstellung, die davon ausgeht, daß die Erde beseelt ist und Menschen als eine "Spezies" neben allen anderen sieht und so als Biomasse einstampft. Die Tiefenökologie soll laut Alt helfen, "heute endlich die vielen technischen Umweltfortschritte mit einer zeitgemäßen Überlebensethik [zu] verbinden". Gentechnik? Atomforschung? Hauptsache spirituell ("Es geht um die Integration von Ethik und Technik"), dann - und nur dann - schaffen "wir" den "Durchbruch zu einer ökologischen Wirtschaft".

Der Titel seines Aufsatzes, der Werbung für sein im März erschienenes Buch "Der ökologische Jesus - Vertrauen in die Schöpfung", ist "Macht Euch der Erde untertan". Menschen sollen sich nach Alt also nicht von Naturzwängen emanzipieren - also das tun, was Menschen zu Menschen macht -, sondern sich eben irdischen Naturgesetzen unterwerfen. Dieser biologistische Ansatz wird konsequent fortgesetzt: "Wir (!) benehmen uns (...) gegen die Gesetze der Natur"; "materielle, psychische und geistige Naturgesetze" sind nach Alt heute "Überlebensgesetze"! Alt schwärmt weiter von Naturvorgängen: "Hier herrscht göttliche Souveränität und nicht menschlicher Wille". 1993 schrieb Alt in der Tageszeitung TAZ: "Die Naturgesetze stehen noch über dem Grundgesetz."

Naturgesetze selbst müssen jedoch als soziales Konstrukt betrachtet werden. Es geht also nicht darum zu erkennen, was die Natur in Hinblick auf menschliches Verhalten erklären kann und was nicht. Wesentlich ist vielmehr, daß die Natur selbst gesellschaftlich vermittelt ist. Sie ist ein Klassifikationssystem, das Menschen erfinden, um ihre Erfahrungen zu ordnen und zu organisieren. Die Natur selbst drängt uns keine Kategorien oder Verhaltensweisen auf.

Selbstredend, daß jemand, der so vehement gegen gesellschaftliche und individuelle Emanzipation und Selbstbestimmung schreibt, auch gegen Abtreibung ist.

Nach Alt läßt sich Jesus’ ganzes Wollen so zusammenfassen: "Liebe das Leben und lebe die Liebe, dann erfährst du die Fülle des Lebens. Wenn bisher galt: Macht euch die Erde untertan, so soll jetzt gelten: Macht euch der Erde untertan!" Ob Alt sich von Liebe ernährt? Eine solche Kampfansage ist der reinste Zynismus gegenüber hungernden Menschen.

Alt verdreht: "Kein Frieden unter den Menschen ohne Frieden mit der Natur". Als Strategie gegen Kriege wird hier nicht für einen konsequenten Antimilitarismus eingetreten, sondern für (spirituellen) Naturschutz! Dadurch wird Ursache (Krieg) und Wirkung (Umweltzerstörung) vertauscht und die Motivation (Warum gibt es Kriege?) ausgeblendet. Dies führt zu einer Entpolitisierung sozialer Verhältnisse.

Daß Alt in anderen Schriften von ihm Abtreibungen - den NS-Opfern zum Hohn - als "Holocaust" bezeichnet und einen christlichen Antijudaismus verbreitet, sei hier nur noch als Zusatzinformation erwähnt.

Otto Busse (JungdemokratInnen / Junge Linke)

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