TransFair goes Agenda und alle gehen mit?

Agenda 21 Aktion:
"Von Küste zu Küste handeln wir fair!"

Nachdem nahezu die gesamte Umweltbewegung der Agenda 21 (dem Abschlußdokument der Rio Umweltkonferenz 1992) bereits auf dem Leim gegangen ist, scheinen sich jetzt auch die Eine-Welt und entwicklungspolitischen Initiativen nicht mehr für dieses neoliberale, atom- und gentechnikfreundliche Kampfblatt zu schade zu sein. So wurde vor kurzem die Aktion "Von Küste zu Küste handeln wir fair!" als Agenda 21-Aktion gestartet. Neben allen größeren Supermarktketten (außer ALDI) wird diese von TransFair e.V. initiierte Aktion von zahlreichen Gemeinden, dem Land Schleswig-Holstein sowie den Eine-Welt-Läden und deren Organisationen (Bündnis Entwicklungspolitischer Initiativen, FairHandeln e.V) unterstützt. Um es gleich vorwegzunehmen, den Fairen Handel zu unterstützen ist unbestritten sinnvoll, aber dies im Namen der Agenda 21 zu tun ist so wie sich für Pazifismus mit der NATO einzusetzen (ist aber leider auch schon passiert).

Agenda 21 und Fairer Handel ein Widerspruch?

Die Agenda 21 wird von vielen 3. Welt Initiativen sehr unkritisch als Begründung für den "Fairen Handel" herangezogen, dabei meint z.B. Gertrud Selzer von der "Aktion 3. Welt Saar" zur Agenda 21:

"Sie befürwortet ohne wenn und aber Atomenergie und den weiteren Ausbau der Gentechnik. Im Vorbeigehen wird auch noch Menschen in der sogenannten 3. Welt das europäische Entwicklungsmodell als das Alleinseligmachende präsentiert. Und weil die Menschen dort angeblich nicht fähig, zu einer ökologischen Entwicklung sind, muß ihnen dies nun vom weißen Mann und der weißen Frau diktiert werden. Das ist Kolonialismus im Ökogewand!".

Tatsächlich gibt es in der Agenda 21 ein ganzes Kapitel, welches zur Öffnung aller Märkte insbesondere in den Entwicklungsländern aufruft, aber auch in anderen Kapiteln läßt die Agenda kein Zweifel daran, daß die Wirtschaftsinteressen vor denen der Menschen und der Natur zu berücksichtigen sind. Hier einige Kostproben was wörtlich in der Agenda steht:

"Sowohl binnenwirtschaftliche als auch internationale wirtschaftliche Bedingungen, die den Freihandel und den Zugang zu den Märkten unterstützen, tragen dazu bei, daß sich Wirtschaftswachstum und Umweltschutz in allen Ländern - insbesondere in den Entwicklungsländern und in Ländern, die sich im Stadium des Übergangs zur Marktwirtschaft befinden - wechselseitig unterstützen ..."

"Umwelt- und Handelspolitik sollen sich gegenseitig unterstützen. Ein offenes multilaterales Handelssystem ermöglicht eine effizientere Allokation und Nutzung der vorhandenen Ressourcen und trägt damit zu einer Steigerung von Produktion und Einkommen und einer geringeren Inanspruchnahme der Umwelt bei ..."

Das ist Neoliberalismus pur! Als wenn nicht der jetzige Zustand der Globalisierung schon zu massiven negativen Auswirkungen gerade in der Dritten Welt geführt hätte (Verfall der Weltmarktpreise für Kaffee und andere Produkte, was ja eigentlich mal zu Fairem Handel geführt hatte). Da ist es schon fast grotesk, daß 3.-Welt-Gruppen für die Agenda 21 Werbung machen.

Der 3.-Welt-Handel scheint mittlerweile mehr am Absatz der eigenen Produkte interessiert zu sein, als wirklich politische Veränderungen herbeizuführen. Die Akteure in der Eine-Welt-Szene scheinen die Machthaber aus Politik und Wirtschaft näher zu stehen, als die Menschen aus der Dritten Welt, die meist erkannt haben, daß ihr größter Gegner die Globalisierung und der Neoliberalismus ist. So begehen Indische Bauern Selbstmord, weil in Indien Erdnüsse aus Kalifornien verkauft werden, weil sie billiger als heimische Nüsse sind. Oder in Mexiko versuchen sich die "Zapatisten" mit Waffengewalt gegen die skrupellosen Großgrundbesitzer und internationalen Konzerne ihre kleinbäuerliche Struktur zu erhalten. In Nicaragua hat sich aus den Sandinisten, die früher gegen die Diktatur kämpften, eine sogenannte "Bewaffnete ökologische Front" (FEA) entwickelt. Sie gehen vor allem gegen skrupellose Holzfäller an. Oder in Nigeria versuchten sich die Einheimischen vergeblich gegen internationale Großkonzerne wie "Shell" zur Wehr zu setzen. Auch Naturschutzverbände wie der WWF bedienen sich immer häufiger imperialistischer Methoden, wie dieses Beispiel aus Indien zeigt:

"In Indien sollen 25 Dörfer der Ureinwohner "Adivasis" für ein Naturschutzprojekt zum Schutze von Tigern weichen. Nach Plänen der Regierung in Neu-Dehli befinden sich die 25 Dörfer in einem Gebiet, das dem Bori-Reservat und dem Satura-Nationalpark angegliedert werden soll. Für die UreinwohnerInnen bedeutet dies, daß sie sich bis zum Jahr 2000 eine neue Bleibe suchen müssen – für die meisten bedeutet dies Armut. Denn für die indigenen Gemeinschaften sind die Wälder des Schutzgebietes lebensnotwendig. In letzter Zeit werden allerdings auch kritische Stimmen zu dieser Form von Naturschutzprojekten laut. In den letzten 30 Jahren mußten in Indien tausende von Menschen wegen Entwicklungs- und Naturschutzprojekten umsiedeln. Die wenigsten wurden angemessen entschädigt, sie wurden stattdessen arbeitslos. ... Kritiker der indischen Umweltpolitik fordern nun, daß bei zukünftigen Planungen die Belange der Menschen vor Ort mehr berücksichtigt werden."

Noch krasser wird dieser Gegensatz von Globalisierung und Lösung der "sozialen Frage" bei der Weltausstellung EXPO, wo die Indigene Bevölkerung des Regenwaldes einfach ausgeladen wurde und statt dessen einer der größten Regenwaldzerstörer "VW do Brasil" als Hauptsponsor gewonnen wurde. Hierzu schreibt der Verein "Freunde der Naturvölker" (http://www.fpcn-global.org):

"Dreißig Millionen DM soll das geplante Regenwaldhaus kosten, das für die EXPO 2000 in Hannover gebaut werden soll. Hauptfinancier wird mit 20 Millionen DM VW do Brasil sein. VW do Brasil lieferte vor Jahren Schlagzeilen, als es im Amazonas-Urwald ein Gebiet von einem Drittel der Größe Niedersachsens für Viehweiden zum Exportgeschäft hatte abholzen lassen.....Bei der Vorbereitung mit dabei sind der WWF und der Verlag Gruner&Jahr mit seiner GEO-Regenwaldstiftung. Nicht präsent werden sein die Menschen des Waldes, die Pygmäen Negritos, Waldindianer und andere. Nach Mitteilung von Hartmut Heller, Freunde der Naturvölker e.V., sind sie sogar ausdrücklich ausgeladen worden. Eine der Begründungen lautete seitens des WWF, die Indianer hätten weder zum Schutz der Regenwälder beigetragen noch täten sie es derzeit, dahingegen nähmen sie an der Zerstörung teil."

Eines der renommiertesten entwicklungspolitischen Projekte, "artefact", ist nun selber EXPO Projekt und unterstützt damit diese technikgläubige Zukunftsschau.

Anstatt die Menschen in der 3.Welt in ihrem Kampf gegen die Globalisierung und Neoliberalismus zu unterstützen, machen 3.Welt und entwicklungspolitische Initiativen hierzulande gemeinsame Sache mit denen, die Globalisierung und Neoliberalismus und damit die Zerstörung jeglicher gewachsener regionalen und für die jeweilige Region angepaßte Strukturen fordern (verpackt als Agenda 21, EXPO oder offener als "Multilateralen Investionsabkommen – MAI).

Den Bluff beenden

Der Verweis von Agenda 21-BefürworterInnen, es komme nicht darauf an, was in dem Dokument steht, sondern was man daraus macht, halten wir für Unsinn. Denn wer hielte es schon für sinnvoll, einen Ortsverband der CDU oder der Republikaner zu gründen mit dem Verweis: was die in Bonn oder Berlin machen, geht uns nichts an, wir machen unsere eigene Politik. Wer sich regional in der lokalen Agenda engagiert oder sein Projekt als Agenda 21- Projekt durchführt, macht, auch wenn das einzelne Projekt isoliert betrachtet noch so toll sein mag, immer auch Werbung für das industriefreundliche Dokument Agenda 21, das unter anderem auch die Atomkraft bejaht. Kein ernstzunehmender Gewerkschaftler würde je auf die Idee kommen, in einer Verhandlungsrunde die Zahlen, Inhalte und Sprachregelungen der Kapitalseite zu übernehmen. Grüne, die meisten Umweltverbände und 3.Welt-Organisationen dagegen entwickeln ihre Politik mit einem Dokument der Atomindustrie und des Neoliberalismus – der Agenda 21. Letztlich wird damit die Politik der eigentlichen GegnerInnen unterstützt.

Selber Maßstäbe setzen!

Wer die Agenda als letzten Strohhalm oder auch als gute Zukunftsperspektive akzeptiert, hat letztlich die Macht durch Staat und Wirtschaft hingenommen und jegliche Perspektive für eine Politik "von unten" für die sozialen und ökologischen Bedürfnisse der Menschen aufgegeben.

Agenda 21 ist aber nicht die letzte Perspektive, die die Umweltverbände und Eine-Welt-Gruppen haben. Auch auf die positiven Dinge in der Agenda ist die Umwelt- und Eine-Welt-Bewegung schon vorher gekommen.

Ziel von politischer Bewegung muß es sein, echte Mitbestimmung zu fordern (z.B. Selbstverwaltung, Direkte Demokratie), klare politische Positionen zu erarbeiten und diese auch öffentlich zu vertreten oder sinnvolle Lobbyarbeit und Dialog durch Druckpotential von der Straße zu unterstützen. Dem Hauptgegner jeglicher sozialer- und ökologischer Bewegung, die Monopolisierung und Globalisierung, muß entschiedener entgegengetreten werden.

Konkret bedeutet das:

  • Sein eigenes Projekt nicht aus finanziellen oder sonstigen Gründen zum Agenda Projekt machen lassen
  • Sich öffentlich von vorhandenen Agenda-Projekten distanzieren
  • Unterstützung der nebenstehenden Resolution "Gegen die Agenda 21!"
  • "TransFair" und andere Agenda-Produkte boykottieren, bis sie nicht mehr Werbung für die atom- und gentechnikfreundliche Agenda 21 machen
  • Die wahren Inhalte der Agenda immer wieder öffentlich machen (Infomaterial siehe unten)
  • Aktionen gegen Agenda 21- und EXPO-Projekte (Listen mit den Projekten in Schleswig-Holstein können in der JUP abgefordert werden)
  • wirkliche Alternativen, z.B. einen Umwelt- und Naturschutz "von unten" fordern und voranbringen
  • Unterstützung der Menschenrechtsgruppen in der 3.Welt, nicht durch Almosen und dem Konsum unseres neoliberalen Europas, sondern direkte Hilfen zur Selbsthilfe und Gleichberechtigung auf allen Ebenen

Laßt uns endlich wieder Umweltschutz und Entwicklungspolitik selbst in die Hand nehmen und nicht von den Atom- und Gentechnik-BefürworterInnen und Neoliberalen aller Parteien und vieler Verbände die Agenda 21 aufdrängen. TransFair goes Agenda, hoffentlich gehen nicht alle mit – boykottiert "TransFair", solange es Agenda Projekt ist!

Materialien zur Kritik an der Agenda 21:

Zitatesammlung Agenda 21....3,- DM

Ö-Punkte Schwerpunkt: "Agenda 21"

Verschiedene Pro und Contra Artikel im Diskurs um die Agenda 21. Vor allem wird hier auch der Begriff der Nachhaltigkeit in einem ausführlichen Artikel demaskiert.......5,- DM

Reader des Instituts für Ökologie: "Agenda 21 – Chance oder Mythos?"

In diesem Reader sind verschiedene Texte rund um die Kritik an der Agenda auf ca. 70 Seiten zusammengefaßt: z.B. Geschichte des Nachhaltigkeitskonzepts, beispiele für Agendaarbeit, Definitionsversuche für Agenda, Pressetexte zu Rio oder feministische Kritik an der Nachhaltigkeit. Mit einer umfassenden Bibliographie mit zahlreichen Büchern der Agenda- BefürworterInnen und auch der GegnerInnen wird der Reader vervollständigt......12.- DM

Jörg Bergstedt: "Agenda, Expo, Sponsoring – Band I: Recherchen im Naturschutzfilz"

Infos zum Filz zwischen Umweltschutz, Wirtschaft und Staat. Beschreibung der Umweltverbände und –einrichtungen, Rechte Ökologie, Esoterik, Agenda/Nachhaltigkeit, Anbiederung, Umweltparteien und vieles mehr.....39,80 DM

Die zugrundeliegenden Dokumente gibt es auf CDRom (nutzbar für alle gängigen Systeme).....49,80 DM

Jörg Bergstedt, Jörn Hartje, Thomas Schmidt: "Agenda, Expo, Sponsoring – Band II: Perspektiven radikaler, emanzipatorischer Umweltschutzarbeit"

Das Buch entwirft einen Umweltschutz "von unten" als Gegenmodell zu den zur Zeit praktizierten Konzepten wie Agenda 21, Öko Steuern, Öko-Audit usw. mit Kapiteln zu Strukturen, Naturschutz, Ökonomie, Umweltbildung und vielem mehr....39,80 DM

TippEx: "EXPO NO" Reader zur Weltausstellung

Das Agendaprojekt EXPO wird hier demontiert und Alternativen aufgezeigt.....8,- DM

Rundbrief emanzipatorischer Umweltschutzarbeit.....2,- DM

Alle Materialien können zu den angegebenen Preisen zuzüglich 6,- DM für Porto und Verpackung bestellt werden bei:

Institut für Ökologie, Steinfeld 61, 23858 Feldhorst, 04533/792259, Fax: 04531/7116, eMail: joern_hartje@public.uni-hamburg.de

oder

JUP!, Turmstr. 14a, 23853 Bad Oldesloe, Tel.: 04531/4512, Fax: 04531/7116, eMail: jup-od@lynet.de

 

Einzelne Texte und Infos zur Agendakritik (Faltblätter, Bibliographie, Resolution und Zitatesammlung) verschicken wir gegen 3,- DM in Briefmarken. MitarbeiterInnen des Institut für Ökologie stehen auch für Vorträge, Infoveranstaltungen und Podiumsdiskussionen zur Verfügung.

 

Orginaltext der Agenda 21 (empfiehlt sich wirklich zum Lesen und Staunen) Bestelladresse:

BMU; Ref. Öffentlichkeitsarbeit; Postfach 120629; 53048 Bonn

Oder im Internet: http://195.80.205.111/infos/download/ag21_txt.exe....beides kostenlos

von Jörn Hartje

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