Kritische Gedanken zu "Earth Charter", "sozialer Permakultur" und mehr
Was ist Emanzipation? Und warum stehen ihr alle Fremdbestimmungen entgehen?

Fuer den BOeT-Reader
von Jörg Bergstedt

 

Auf dem BOeT in Iffens wurde viel ueber emanzipatorische Oekologie geredet. Dahinter verbringt sich die Kombination des "Was" (Projekte, Ziele, Forderungen usw. zum Erhalt der Natur und auch der menschlichen Lebensgrundlagen) mit dem "Wer" (Wer entscheidet? Wer sind die AkteurInnen? Beteiligung, Selbstbestimmung usw. als integrierte Ziele).
Gleichzeitig habe ich auf dem BOeT positive Bezuege auf meines Erachtens antiemanzipatorische Positionen wahrgenommen. Darauf moechte ich hinweisen. Ich tue das, in dem ich zunaechst versuche, Emanzipation als Begriff und Ziel zu klaeren, daraus die Ziele eines emanzipatorischen Umweltschutzes abzuleiten und dann fremdbestimmte Umweltschutzansaetze davon abzugrenzen und zu kritisieren.

Das Ganze ist von mir ein Beitrag zur Debatte sowie eine persoenliche Distanzierung speziell von dem Begriff der "sozialen Permakultur" und der auf dem BOeT ausgehaengten "Earth Charter". Es waere nett, wenn die auch abgedruckt werden koennte.

Also los ...

Emanzipation ist ...

Im Rueckgriff auf die Aufklaerung liesse sich fast die gleiche Formulierung waehlen: Emanzipation ist der Ausgang des Menschen aus der selbstverursachten, sozial konstruierten und/oder repressiven Fremdbestimmung. Emanzipation ist damit also ein Prozess. Dieser geht davon aus, dass es in dieser Gesellschaft neben den selbstgeschaffenen Abhaengigkeiten und Fremdbestimmungen zwei weitere gibt:

  1. die sozial konstruierten, d.h. verinnerlichten Fremdbestimmungen, die nicht mehr als staendige Unterdrueckung empfunden werden, sondern "automatisiert" sind. In "modernen" Gesellschaften nehmen diese Arten von Fremdbestimmungen den wesentlichen Teil ein - unter anderem die Geschlechterrollen, die Rollenverteilungen zwischen Jung und Alt, den Nationalitaeten usw. Sie beduerfen keines repressiven Apparates mehr, um zu funktionieren. Sie funktionieren alscSelbstlaeufer und reproduzieren die gesellschaftlichen Bedingungen selbst, die die Fremdbestimmung schaffen.
  2. die repressive Fremdbestimmung z.B. durch ArbeitgeberInnen, direkte Unterdrueckung und Gewalt in zwischenmenschlichen Beziehungen, Polizei, Justiz, Bau- oder Finanzverwaltung, Militaer, finanzielle Zwaenge usw.

Emanzipation bedeutet nun, diese Fremdbestimmung kontinuierlich abzubauen und als Vision zu ueberwinden. Dann entstuende eine Gesellschaft der "freien Menschen in freien Vereinbarungen" ohne repressive und sozial konstruierte Fremdbestimmung.

Emanzipatorischer Umweltschutz ...

ist die Integration von oekologischen Zielen und denen der Emanzipation. Repressive und sozial konstruierte Fremdbestimmung wird dabei kritisch betrachtet und am besten in der Praxis der emanzipatorischen Umweltschutzarbeit genauso angegriffen wie die Zerstoerung der Umwelt. Zumindest aber werden die Systeme der Fremdbestimmung nicht positiv ausgenutzt, d.h. das kapitalistische Markt, Polizei oder Justiz, Medienmacht usw. werden nicht als Mechanismus fuer die eigene Arbeit anerkannt. Es ist nicht das Ziel eines emanzipatorischen Umweltschutz, oekologische Ziele als Inhalt einer Fremdbestimmung umzusetzen. Das aber ist bei den aktuellen Konzepten, seien es Oekosteuern (finanzielle Repression), Schutzgebiete, Umweltpolizei oder anderes, der Fall.

Antiemanzipatorische Ansaetze in der Umweltbewegung

Nicht nur die repressiven Mittel von Staat und Markt sind eine Form von "Umweltschutz von oben", daher also niemals kompatibel mit einer emanzipatorischen Oekologie. Ebenso fremdbestimmend sind Heilslehren und soziale Konstruktionen, die Gesellschaftsformen nicht als frei auszuhandeln zwischen freien Menschen ansehen, sondern aeussere Modelle auf Gesellschaften uebertragen. In diesem Sinne kritisiere ich die Begrifflichkeit und Idee der "sozialen Permakultur". Unabhaengig von der Frage des Sinns und Unsinns von Permakultur und den damit sehr offensichtlich verbundenen esoterischen Ideen ueberhaupt kann es niemals emanzipatorisch sein, Beobachtungen aus der Natur auf die menschliche Gesellschaft zu uebertragen. Das zu tun, wird mit dem Begriff des Biologismus treffend umschrieben. "Soziale Permakultur" ist biologistisch. Denn: Menschliche Gesellschaft entwickelt sich nicht nach dem Prinzip natuerlich vorgegebener Naturgesetze, Kreislaeufe usw. Zwar ist und bleibt der Mensch Teil der Natur, er kann und sollte dafuer auch hinsichtlich seiner Verbundenheit mit der Natur (Ernaehrung, Fortpflanzung, Atmen, Fuehlen und viel, viel mehr) selbige schuetzen, aber die zwischenmenschlichen Beziehungen, die "Rollen" bzw. die Selbstbestimmung der Menschen innerhalb der menschlichen Gesellschaft (also nicht im Bezug auf die Natur) sind Gegenstand eines sozialen Prozesses. Sie aus der Natur abzuleiten, verneint den Menschen als soziales Wesen und unterwirft ihn der Definitionsgewalt Einzelner, die von sich behaupten, begriffen zu haben, was die Natur fuer uns fuer richtig haelt. Die Prinzipien der Permakultur als Form der Bewirtschaftung natuerlicher Ressourcen sind diskutabel (auch wenn ich persoenlich vieles obskur finde), nicht aber ihre Uebertragung auf das menschliche Zusammenleben. Daher moechte ich der Idee der "sozialen Permakultur" meinen Widerstand entgegensetzen. Da ich ein Gegner von Ausgrenzungen bin, fordere ich nicht die Ausgrenzung, wohl aber die offensive Auseinandersetzung mit dieser antiemanzipatorischen Idee.

Aehnliches gilt fuer die auf dem BOeT ausgehaengte "Earth Charter". Zum einen ist sie dumpf und platt. Sie reduziert die Frage des Mensch-Natur-Verhaeltnisses auf das Verhalten einzelner Menschen, als waeren nur diese Schuld an der Umweltzerstoerung. Die wirtschaftlichen, staatlichen und sonstigen Herrschaftsstrukturen werden gar nicht problematisiert, als koennten wir sie mit netten Gedanken und ein bisschen Oeko-Gartenbau aus der Welt schaffen. Schlimm aber finde ich den sogar positiven Bezug auf die Nationen. Wir werden in dem Pamphlet aufgefordert, unseren Nationen zu "helfen" bei der Aufgabe einer nachhaltigen Veraenderungen. Das verklaert die Verhaeltnisse. Die Nationen gehoeren zu den Taetern. Ihnen zu helfen, kann nicht unser Ziel sein. Sie abzuschaffen, waere richtig. Nationen sind eine Herrschaftsstruktur, die nur ueber Gewaltverhaeltnisse erhalten bleiben - denn gesellschaftlich sind sie nicht legitimiert. Es gibt keiner demokratischen Prozess und auch z.B. von mir keinerlei Zustimmung dazu, Deutscher zu sein. Das geschieht ohne Zustimmung. Solche Herrschaftsstrukturen als Partner bei der Umsetzung unserer Ziele zu begreifen, ist dumpf. Diese "Earth Charter" sollte meines Erachtens auf unsere entschiedene Ablehnung treffen.

 

 

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