Von: Daniel Kreutz [mailto:daniel.kreutz@bigfoot.de] Gesendet: Mittwoch, 20. Dezember 2000 12:38 An: presse@oeko-steuer.de Betreff: BUNT

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe KollegInnen,

zu den politischen Botschaften Ihrer BILD-Persiflage (BUNT) möchte ich zwei kritische Anmerkungen grundsätzlicher Art zu bedenken geben:

1. Wie auch die rot-grüne Bundesregierung stellen Sie mehrfach positiv heraus, dass durch die Ökosteuer Arbeit billiger werde und sinkende Lohnnebenkosten steigende Chancen für zusätzliche Arbeitsplätze brächten. Nun bildet aber die These, dass "zu hohe" Arbeitskosten (hier: Lohnnebenkosten) wesentliche Ursache der Massenerwerbslosigkeit seien und eine Verbilligung von Erwerbsarbeit zu mehr Beschäftigung führe, das Kernstück des angebotspolitischen (neoliberalen) Angriffs auf den Sozialstaat und die sozialen Rechte der ArbeitnehmerInnen. Diese These ist weder empirisch noch wirtschaftstheoretisch belegbar. Es sollte Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass der Mechanismus "die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen" im neuen shareholder-Kapitalismus keine Gültigkeit mehr hat. Statt dessen spricht man von der "Entkoppelung von Wachstum und Beschäftigung". Steigende Unternehmensgewinne beschleunigen die Geldvermögensbildung der Unternehmen und ihrer Aktionäre. Die dynamische Entwicklung der Geldvermögen der Produktionsunternehmen belegt, dass es der Wirtschaft seit Jahrzehnten nicht an Finanzmitteln zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze mangelt. Die These, dass eine Verbilligung von Erwerbsarbeit zusätzliche Beschäftigung ermögliche, dient tatsächlich allein der Legitimierung einer fortgesetzten Umverteilung zugunsten der Kapitalseite. Der Einsatz des Ökosteueraufkommens zur Umfinanzierung von Beiträgen zur Rentenversicherung hat daher keine erkennbaren positiven Beschäftigungseffekte, sondern dient vor allem der Entlastung der Arbeitgeber. Da das Ökosteueraufkommen überwiegend von den VerbraucherInnen aufgebracht wird (darunter auch von solchen, die keine "Kompensation" über stabilere Rentenversicherungsbeiträge erhalten - Sozialhilfeberechtigte, RentnerInnen, Erwerbslose) und verteilungspolitisch ähnlich wie eine Mehrwertsteuererhöhung wirkt, wirkt die rot-grüne Ökosteuer auf der Verwendungsseite als Instrument der Umverteilung von unten nach oben.

Indem Sie sich mit der These dass "Arbeit billiger" werden müsse, positiv identifizieren, bringen sie die mit der Ökosteuer verbundenen berechtigten Anliegen in Gegensatz zu den gleichfalls brennenden Zielen sozialer Gerechtigkeit und damit in Gegensatz zu Lebensinteressen breiter Bevölkerungsschichten. Dies muss um so mehr verwundern, als es aus ökologischer Perspektive doch eher darum gehen muss, das Ökosteueraufkommen der Finanzierung notwendiger Investitionen für den ökologischen Strukturwandel (Energie-, Verkehrs- und Chemiewende) vorzubehalten, um die Realisierung eines nachhaltigen Wirtschaftens in Reichweite bringen zu können.

Eine Anpassung an den angebotspolitischen Zeitgeist bei "Arbeit muss billiger werden" ist nicht zuletzt auch für Ihre ökologischen Ziele höchst riskant: Aus sicht der Wirtschaft geht es dabei um Kostensenkungen schlechthin. So weit ökologische Lenkungsinstrumente hier zu Zusatzkosten führen, schlägt der ganze Ideologiekomplex der "Standortsicherung" und "Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit" durch Kostenentlastung voll gegen notwendige ökologische Bestrebungen zurück. Eine offensive Zurückweisung der modischen angebotspolitischen Doktrinen, insbesondere der "Senkung der Lohnnebenkosten" erscheint daher weitaus zielführender.

 

2. Ich teile Ihre Absicht, den Gedanken der Ökosteuer gegen die eher rechtspopulistischen Angriffe zu verteidigen. Dies ist nach meinem Dafürhalten aber nur dann überzeugend möglich, wenn (1.) das gegenwärtige Ökosteuer-Konzept im Sinne einer Optimierung der ökologischen Lenkungswirkung auf der Einnahmeseite (z.B. Belastung energieintensiver Industrien; deutlich stärkere Progression z.B. der Mineralölsteuer als bisher) wie auf der Ausgabeseite (Infrastrukturinvestitionen für den ökologischen Strukturwandel, die dann auch tatsächlich beschäftigungswirksam sind) grundlegend reformiert wird. Vor allem aber muss (2.) sichergestellt werden, dass die Ökosteuer dennoch nicht zur weiteren Verschärfung der ohnehin erschreckenden sozialen Ungleichheit beiträgt. Sozial ungerechte Belastungswirkungen müssen durch gezielte Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden. Darüberhinaus wäre es enorm akzeptanzfördernd, wenn Sie sich als ökologische Kräfte dazu entschließen würden, flankierend die Bestrebungen für soziale Gerechtigkeit (Abbau der Erwerbslosigkeit durch rasche Arbeitszeitverkürzungen, Ausbau des Sozialstaats durch Revitalisierung des Verfassungsgrundsatzes von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums) zu unterstützen. Immerhin hat ein Forschungsverbund mehrerer Institute unter Federführung der Hans-Böckler-Stiftung mit einem ökologisch-sozialen Entwicklungsszenario gezeigt, dass die gekoppelte Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, Beschäftigungsaufbau durch Arbeitszeitverkürzung und Steigerung des allgemeinen Wohlstands möglich und notwendig ist.

Die rot-grüne Ökosteuer gegenwärtigen Zuschnitts wird gegenüber Angriffen von rechts nicht zu verteidigen sein, weil ihre reale ökologische Lenkungswirkung zweifelhaft bleibt und sie weiterhin dem Vorwurf einer sozial ungerechten Verteilungswirkung ausgesetzt bleibt. Die Idee der Ökosteuer zu verteidigen, kann daher m.E. nur heißen, die ökologische und soziale Schieflage der rot-grünen Ökosteuer offen zu kritisieren und für ein vernünftiges ökologisch-soziales Alternativkonzept zu werben. Dazu leistet Ihre BUNT-Zeitung aber keinen Beitrag. Stattdessen erscheint sie als werbliche Unterstützung einer Neuen-Mitte-Regierung, von der sich viele ökologisch orientierte WählerInnen bereits abgewendet haben und zu der eine Alternative zukunftsfähiger Politik dringlich formuliert werden muss.

Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Einwände erwägen und mir zu gegebener Zeit eine inhaltliche Antwort zukommen ließen.

Mit solidarischen Grüßen, Daniel Kreutz (von 1990-2000 sozialpolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion in NRW, als ex-Grüner u.a. mitwirkend bei BasisGrün)

Brüsseler Str. 12 50674 Köln fon: 0221 2830372 fax: 0221 2830372 mailto:daniel.kreutz@bigfoot.de

 


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