umfassende Ebene:


"Daß nichts bleibt, wie es ist..."

- Gesprächsrunde am 25.10.1996 im Klubraum des Café Wagner -

Umfrage: Was stellt ihr euch vor unter "Daß nichts bleibt, wie es ist...", Was denkt ihr darüber?

  • Es wäre schlimm, wenn alles so bliebe, wie es ist...
  • denke mir nix weiter dabei
  • Vieles ändert sich, zum Teil ist das schön, zum Teil lieber nicht
  • daß nichts bleibt, wie es ist... muß ergänzt werden durch: daß nichts bleibt, wie es war...
  • Man soll sich nicht aus der Gegenwart in die Vergangenheit orientieren, sondern von der Gegenwart auf die Zukunft
  • nach vorn ist alles offen, nach hinten bekannt
  • manchmal ist es auch traurig, daß nichts bleibt, wie es ist... Es sollte auch andere Qualitäten in demselben alten Zustand geben, nicht immer wieder völlig Anderes/Neues
  • bedeutet eine gerichtete Bewegung. Man kann etwas erklären und auf Folgen abzielen.
  • es ist positiv: Möglichkeiten sind offen. Es gibt immer Möglichkeiten alles zu verändern.
  • es zeigt Unzufriedenheit mit dem Zustand.

Ich erzähle über:

1. Buchentstehung

  • 1989: Wettstreit junger Philosophen, Teilnahme Philosophenkongreß, Bekanntschaft mit Prof. Hörz
  • 1990-1992: verschiedene Manuskripte (einfach so), u.a. an Prof. Hörz geschickt
  • 1992: Vorschlag von Prof. Hörz , ein Buch für die von ihm herausgegebene Reihe "Selbstorganisation sozialer Prozesse" zu schreiben
  • 1993 Vertrag mit LIT-Verlag
  • Druckkostenzuschuß - wird i.a. von der Deutschen Forschergesellschaft erstattet , bei mir nicht, weil ich nicht promoviert bin!

2. Persönliches und Inhaltliches



3. Entwicklung der Welt und Gliederung des Buches


reale Entwicklung, beschrieben durch Wissenschaften,
deren Wissen sich auch in der Philosophie auswirkt...

Gliederung folgt realer Entwicklung...

4. Zu Einzelwissenschaften, Allgemeinwissenschaften und Philosophie

(wurde nicht an dieser Stelle diskutiert, gehört aber hierher)

Dazu führten wir einen kurzen Meinungsaustausch durch. Während zuerst die Meinung vertreten wurde, daß Philosophie die allgemeinsten Gesetze beinhalte, fragte Katja nach, daß Philosophie doch eher auch etwas mit dem Geist und dem Denken zu tun habe. In der Diskussion wurde noch ergänzt, daß es in der Philosophie nicht um mathematische Strukturen ginge, sondern um qualitative Dinge (Bemerkung von mir: genau dort liegt der Knackpunkt: dialektische Philosophie schwebt nie im Abstrakten, sondern findet die Widersprüche im konkret Qualitativen. Aber das haben wir im ML nicht gelernt).

Wir stellten fest, daß sich die Begriffsbestimmung, was Philosophie sei, um die beiden Extreme bewegt: a) Philosophie sind die allgemeingültigen Gesetze und b) Philosophie hat als Weltanschauung vor allem mit mir zu tun.

Die Verwendung einer Methode aus der Zukunftswerkstatt (jede/r darf drei Punkte so auf den Seiten verteilen, wie er das Schwergewicht legen würde) ergab eine Ausgewogenheit: 18 Punkte jeweils auf beiden Seiten! (Zwei Teilnehmer legten alle drei Punkte auf die a)-Seite, während fast (?) alle anderen zwei Punkte auf b) und einen auf a) legten. )

1. Näherung: Philosophie ist das Allgemeinste,
zwischen Einzelwissenschaften und Philosophie stehen noch
die Allgemeinwissenschaften (wie Kybernetik, Selbstorganisationstheorie...):

(Pfeile auch immer: und zurück!)

2. Genauer: siehe Buch "Daß nichts bleibt..." S.12:

Allgemeinwissenschaften beschreiben gemeinsame Strukturen vieler Bereiche der Welt - die Philosophie ist nicht etwa "noch allgemeiner" (sie ist nämlich genaugenommen im Gegenteil: "allgemein-konkret"!), sondern sie befaßt sich mit den Aspekten aller Weltbereiche, die sich auf uns Menschen beziehen (z.B. Sinnfrage).

Ich verwies noch auf die zur Zeit laufende Diskussion in einem Internetprojekt:

http://www.snafu.de/~klinger/missing.htm

5. Zum Selbstorganisationskonzept

5a) Fraktale

Wetterberechnungen 1962: kleine Änderung des Anfangswertes führt trotz deterministischer Gleichungen große Änderungen im Verlauf der Kurve


Die berühmten Fraktalberechnungen basieren auf der Gleichung:

D.h.: das Ergebnis der ersten Rechnung wird wieder in die nächste eingesetzt und so weiter (Iteration).

Wie man aus der Zweideutigkeit der Lösung aus sieht (+2 und -2), ergeben sich bei quadratischen (nichtlinearen) Gleichungen Mehrdeutigkeiten, die dann wieder weiterverrechnet werden...

Das ergibt, wenn man das den Computer lange genug machen läßt, folgendes Bild:


Nimmt man statt der reellen x imaginäre Zahlen z, so ergeben sich die faszinierenden Fraktaldarstellungen wie das Apfelmännchen.

Zusammenfassung:

Fraktale setzen voraus:

  • Nichtlinearität
  • großer Parameter (Entfernung vom Gleichgewicht bei r = 0)

Sie sind gekennzeichnet durch:

  • Es gibt sogenannte "Bifurkationsstellen", an denen die Anzahl möglicher Lösungen sprunghaft steigt.
  • Die Muster innerhalb der sich ergebenden turbulent-chaotischen Struktur im hohen Nichtgleichgewicht sind einander "selbstähnlich" (im reellen: immer wieder die gleichen Gabelungen treten auf, im Komplexen: das Apfelmännchen erscheint als Struktur immer wieder).

5.b) Selbstorganisation

Reale (physikalische, chemische, biologische, gesellschaftliche) Strukturen verhalten sich unter den Voraussetzungen

  • Rückkopplung (Nichtlinearität)
  • Offenheit und Energiezufuhr bzw. Entropieexport (Nichtgleichgewicht)

selbst-organisierend, d.h.:

  • sie verändern ihre Eigenschaften sprunghaft an bestimmten "sensiblen" Stellen.
  • die neuen Strukturen sind in ihrer Organisation "selbst-ähnlich".

Wir wissen über reale Strukturen noch einiges mehr:

  • Sie bilden die Struktur der großen Systeme durch die Kooperation (oder "Versklavung") ihrer Einzelteile.

Vorsicht! Weil es so viele Analogien auf gesellschaftlichem Gebiet gibt (z.B. scheinen einige Lasermoden andere zu "versklaven", weil die anderen sich nur nach den "Ordnern" richten), werden nun oft gesellschaftliche Phänomene "erklärt", indem etikettenartig gesagt wird "Dies oder das ist halt ein Fraktal, oder ist halt ein "Attraktor" - auch ein Begriff aus diesem Theoriefeld - oder ist halt die "Versklavung", um "Ordnung" reinzubringen.

So faszinierend die Analogien sind, sie ERKLÄREN nichts! Sie ersetzen nicht die Gesellschaftstheorie !!! (das ist für meinen zweiten Band wichtig!)

Heuristisch (erkenntnisleitend) können aber ein paar daraus deutlich gewordene Merkmale sein:

  • Es gibt im Nichtgleichgewicht (und alle kosmische und lebende Materie ist nicht im Gleichgewicht!) Prozesse, bei denen das Maß früherer Qualitäten aufgebrochen wird ("Der Sprung wird kommen...", ist nicht zu verhindern).
  • Im Sprung gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie der spätere Zustand aussieht (nicht nur eine, wie wir bisher als Dialektik oft gelehrt bekamen).
  • günstige neue Zustände sind gekennzeichnet durch neuartige Kooperationen neuartiger Bestandteile der neuen Systeme. Es geht nicht um den "Sieg" einer früheren (unveränderten) Komponente.
  • Auch die Gesetzmäßigkeiten verändern sich mit ("Evolution der Evolution").
  • die Möglichkeitsfelder verändern sich.
  • von den "alten" Zuständen bleiben aber auch genügend vorhanden (die Mehrheit), da nur auf ihrer Grundlage (Planeten im Kosmos, Biosphäre auf der Erde) sich die späteren ("höheren") Prozesse entwickeln können.

...

siehe "Daß nichts bleibt..."

- erste Zusammenfassung der Evolutionsprinzipien aus Kosmologie: S. 61f.

- zweite Zusammenfassung aus Biologie: S. 180

- letzte Zusammenfassung: S. S. 197ff.

6. Beispiele:

Beispiele konnte ich nur noch kurz andeuten:

6.1. Die Entstehung der physikalischen Kräfte folgt auch dem Prinzip der Bifurkation (Eine nach der anderen "brach heraus").

Ich berichtete noch von dem Fakt, daß in der Kosmologie erstaunlicherweise fast nur mit linearen Gleichungen gearbeitet wird und sich der Selbstorganisationsgedanke hier noch nicht systematisch durchgesetzt hat (hier kann der kosmologiekundige Philosoph durchaus Hinweise geben und Erwartungen äußern...) siehe "Daß nichts bleibt..." S. 48ff.

6.2.a: In der Biologie zerfällt ein Gewebe bei Volumenzunahme in mehrere Teile (so daß in jedem Teil die Sauerstoffversorgung ausreichend ist): die mangelnde Sauerstoffversorgung bei größerwerdendem Volumen führt zu einem Bifurkationspunkt...

6.2.b: Zu Prokaryoten und Eukaryoten bin ich gar nicht mehr gekommen. Ich empfehle "Daß nichts bleibt..." S. 113ff.

7. Vorschläge für weitere Diskussion:

- Biologie

- gemeinsame Ansatzpunkte


weitere Planung siehe Termine


siehe auch:

[Homepage] [Gliederung]

- Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" 1996/98 - http://www.thur.de/philo/251096.htm -