Andere Arbeit für alle!!!

siehe auch hier

Arbeiten heißt seine (potentiell lebendige) Zeit verkaufen die Zeit wird zum Wert

  Arbeit
noch sieben
Stunden
Arbeit
noch sechs Stunden
Arbeit
noch 5 Stunden
 

Träume von der Zukunft
Feierabend
Ruhestand
Erfolg - in Ruhe genießen -
konsumieren --- Dinge

 

die geopferte Zeit zurückholen - aber sie ist tot & bleibt es.

 

Vergangenheit und Zukunft beherrschen die Gegenwart

  Dinge ersetzen Leben Wert ist die verkaufte Zeit
  Arbeit
noch vier Stunden
Arbeit
noch drei Stunden
  quantifiziert genormt wiederholt
  (Aslan V. Grimson: Einleitung zu Lafargue (1978))
"Eine gute Arbeiterin verfertigt auf dem Handklöppel fünf Maschen in der Minute; gewisse Klöppelmaschinen fertigen in derselben Zeit dreißigtausend Maschen an. Jede Minute der Maschine ist somit gleich hundert Arbeitsstunden der Arbeiterin, oder vielmehr, jede Minute Maschinenarbeit ermöglicht der Arbeiterin zehn Tage Ruhe." (Lafargue: Das Recht auf Faulheit)

Auch ich gehe (manchmal) zur Demo, wenn es um die Forderung nach Arbeitsplätzen geht. Ich brauche, wie alle anderen, auch Arbeit. Aber ich gebe auch zu, daß ich eigentlich überhaupt nicht gerne 40 Stunden in der Woche irgendwo am Fließband oder am Computer oder wo auch immer irgendwas machen möchte - ohne daß ich einen wichtigen Sinn darin sehe.

Manches, was wir mit dem Bedürfnis nach ARBEIT umschreiben, können wir mit vielerlei Tätigkeiten realisieren, die nicht unbedingt mit Erwerbsarbeit zu tun haben müßten. Erwerbsarbeit ist eher zufällig wirklich interessant und sinnvoll. Spätestens bei den Bewerbungsseminaren und auf dem Arbeitsamt müssen wir erkennen, daß wir nicht das Recht haben, Sinn und Art und Weise der Erwerbsarbeit zu hinterfragen. Wir haben uns allem anzupassen, unterzuordnen - und nur wenige Chefs wissen mitdenkendes Engagement überhaupt zu schätzen.

Ich möchte schon dafür plädieren, diese Situation zu verändern, wo es nur irgend geht. In der Wirtschaft mag das von uns aus nur eingeschränkt möglich sein. Gewerkschaften waren (sind?) Interessenvertreter hierfür.

Aber spätestens wir leben in einer Zeit, wie sie Lafargue schon vor Jahrzehnten begrüßte: Uns nehmen die Maschinen so viel Arbeit ab, daß wir längst nicht mehr die meiste Lebenszeit auf dem Arbeitsplatz verbringen müßten.

Angesichts der ökologischen Krise variiert dies in beide Richtungen: Einerseits sollten wir auf übermäßige Industrialisierung verzichten oder sie sogar "zurückbauen" (was sicher wieder mehr direkten Arbeitseinsatz erfordert), aber andererseits brauchen wir eigentlich gar nicht so viele Güter zu produzieren, wenn wir sie langlebiger und den Bedürfnissen, nicht den Werbe- und Marketinganstrengungen entsprechend herstellen würden.

Im Dienstleistungssektor sind noch Rationalisierungsreserven von bis zu 74% möglich (Prof. Bonß nach Liebers 1997). Unternehmensberater setzen voraus: "Wenn Sie die Produktion auf schlanke Techniken umstellen, können Sie die menschliche Arbeit um die Hälfte reduzieren. Eliminieren Sie gleich am Anfang diejenigen Jobs, die nicht erhalten werden können." (Womack und Jones nach Hoch, 1997)

In gewissem Sinne endet damit die Arbeitsgesellschaft, die die moderne bürgerliche Gesellschaft seit Jahrzehnten prägte. J. Rifkin beschreibt "Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft" auf der Grundlage der dramatischen Entwicklung der technischen Produktionsmittel, die zu massenhafter Arbeitsplatzvernichtung führt.

D. Dante hat mit Zahlen von 1988 nachgewiesen, daß wir mit dem gleichen Luxus und Lebensstandard wie 1989 nur 5 Stunden Arbeit pro Woche leisten brauchen:

jetzt:

40 Stunden pro Woche

Abzug aller geldwirtschaftlichen Tätigkeiten (- 12,43 h)
Abzug geldwirtsch. Tät. in anderen Bereichen (- 8,97 h)
Arbeitseinsparung durch langlebige Güter (- 6,2 h)
Einsparung durch andere Strukturen
Beenden der Energieverschwendung
Einbeziehen aller Arbeitswilligen
Vollautomatisierung
27,57 h bleiben
18,6 h bleiben
12,4 h bleiben
10,08 h
9,78 h
6,89 h
4,91 h
  Angesichts der Produktionsüberkapazitäten könnte auf die gesamte europäische Autoindustrie verzichtet werden (Rother 1997, S. 51). Wenn sich die notwendige Arbeit zur Produktion der wichtigsten Güter endlich reduziert, gewinnen wir Lebenszeit für andere Tätigkeiten. Muße und Faulheit allein würde unserer Lebendigkeit bald zum "Halse heraushängen". Es gibt einen sinnvollen Vorschlag, die Lebenstätigkeiten neu einzuordnen. Es zeigt sich dabei, daß verschiedene Tätigkeiten auch ARBEIT sein können, wenn dieser Begriff endlich wieder weiter gefaßt wird. In diesem Konzept NEW WORK (v. F. Bergmann) werden verschiedene Arbeitsformen kombiniert:

entlohnte "Jobarbeit"

"High-Tech-Self-Providing"

 

Calling (dt. Berufung)

weiterhin im Zentrum

(aber in Bedeutung und Beitrag zur Versorgung reduziert)

Selbstversorgung mit moderner Technologie

"tun, was ich wirklich will"

positive Tendenz: Unabhängigmachen von der Lohnarbeit

Gefahr: Wirtschaft wird alle soziale Verantwortung los (!)

Reichtum: Zeit für Selbstbestimmung und -verwirklichung außerhalb des Bereichs des Notwendigen


Dabei gibt diese Dreiteilung nur einen groben Rahmen - die konkrete Umsetzung erfordert , von den von den realen Gegebenheiten und Interessen der beteiligten Menschen auszugehen. Ob wirklich High-Tech oder lieber Ökohof, ob Calling nur Sozialarbeit sein darf oder auch Buch-schreiben... das alles ist im Konzept nicht vorgeschrieben. Auch für die Finanzierung gibt’s keine Vorschrift. In den USA wird diskutiert (und realisiert), daß die Finanzierung der Nicht-Job-Arbeiten über innerbetriebliche Stiftungen oder Firmenverbunde erfolgt, wobei die Geldgeber als Vorteil einen "loyality effect", also den eigennützigen Zugriff auf qualifiziertes und motiviertes Personal zurückbekommen sollen. In den USA läuft ein Versuch eines "Centers of New Work" in Flint.
Auch in der BRD wird das Konzept der "Neuen Arbeit" von Frithjof Bergmann vom Forum des Bauhaus Dessau zur nachhaltigen Regionalentwicklung aufgegriffen und erfährt im Kreativ-Zentrum Wolfen in Deutschland einen ersten Realisierungsversuch. Die Sozialistische Selbsthilfe Mühlheim (SSM) greift bei der Initiative zur Wiederbelebung einer Industriebrache im Stadtteil dieses Konzept auf.
Diese Vorstellungen mögen utopisch und idealistisch erscheinen. Das Problem besteht aber darin, daß mit Sicherheit nie wieder eine Art Vollbeschäftigung wie während der 50er bis 70er Jahre mit entsprechender Lebensplanung und -sicherung realisiert werden wird. Setzen wir uns nicht für eine sozial und ökologisch von uns gewünschten Variante ein, sondern warten ab, so wird das Problem nicht etwa für uns, sondern mit Sicherheit "gegen uns" gelöst.
Es ist ja nicht etwa die Erfüllung von Bedürfnissen das Ziel aller Produktion, sondern die des nachfragefähigen "Bedarfs" - die den Wirtschaftskreislauf nicht um die Bedürfnisse, sondern den mehrwertheckenden Wert zentriert. Deshalb werden die überreich produzierten Güter (Milchseen, vernichtete Computer...) nicht einfach verteilt (oder weniger produziert) und auf diese Weise die Menschen vom Zwang zur lebenslangen 40-Stundenwoche befreit - sondern der Mythos "Wer nicht (genug) arbeitet, darf nicht essen" wird aufrecht erhalten und statt der Erwerbslosigkeit werden die Erwerbslosen bekämpft.
Anstatt daß die Staaten angesichts der ökonomischen "Globalisierung" bedeutungslos werden, erhalten sie verstärkt die Hauptaufgabe der "Regulierung , Disziplinierung, Schikanierung der Armen." (Veerkamp 1997, S. 26). Das funktioniert in der bürgerlichen Demokratie zumindest so lange, wie die Menschen diese Arbeitszentriertheit akzeptieren und die Arbeitenden gegen die Erwerbslosen und die Erwerbslosen gegen sich selbst aufgebracht werden.
Auch im Bereich der Arbeit selbst steigt das Maß der Selbstausbeutung.
In der 1/5-Gesellschaft haben 10 bis 20% aller Arbeitskräfte einigermaßen langfristige Arbeitsverträge -immer öfter aber nur als als "Just-in-time-Beschäftigte" (Rifkin). Alle müssen zu "Unternehmern ihrer eigenen Arbeitskraft" werden. Ständiger Streß und Selbstausbeutung widersprechen den gesellschaftlichen Möglichkeiten ( nur 5 Stunden wären nötig!) eklatant. Es werden ca. 750 000 Scheinselbständigkeiten geschätzt. Insbesondere im Bereich der modernen Medien- und Kommunikationsindustrie verschwimmen Arbeit und Freizeit. Die 80 Stunden behaupteter "Fun-Arbeit" fressen die gesamten Kräfte (Terkessidis 1997). Wer sich als "Unternehmer seiner Arbeitskraft" nicht bewährt, wird bestenfalls im "ABM-Kaninchenstallprogramm" (Grottian 1997) aufbewahrt oder zu Zwangsarbeit verpflichtet (sog. "gemeinnützige Arbeit", die für alle Sozialhilfeempfänger gegen ein Almosen "zumutbar" ist).
Gegen diese Realitäten anzukämpfen erfordert aber neue zeitgemäße Ansätze, von denen das Konzept NEW WORK eins der fundiertesten und praktikabelsten ist... Literatur:
Bergmann, F., "New Work" - wider den arbeitspolitischen Fatalismus. in Jena 28./29. November 1997 in Jena, in: Wirtschaft im Umbruch - Zukunft der Arbeit, taz-Sonderbeilage der Heinrich Böll Stiftung 1997
Dante, D., 5 - Stunden sind genug, Marne 1992
Grottian, P., (1997) Für eine solidarische Arbeitsumverteilung, in Jena 28./29. November 1997 in Jena, in: Wirtschaft im Umbruch - Zukunft der Arbeit, taz-Sonderbeilage der Heinrich Böll Stiftung 1997
Hoch, M., Immer mehr mit immer weniger produzieren. Doch wo bleiben die Beschäftigten? Das neue Buch von James Womack und Daniel Jones, in: Süddeutsche Zeitung 29.1.1997
Koch, H., Veredelte Almosen, in: taz 22.1.1998
Papke, G., Dauerhafte Arbeit. Neue Arbeit durch Selbstversorgung. New Work For A Sustainable Planet, Witzenhausen, 1997
Rifkin, J., Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft, Frankfurt am Main 1997
Rother, F.W., Soll und Haben, in: WirtschaftsWoche Nr. 26, 19.6.1997, S. 50-57
Scurrell, B., Protokoll: 1. Expertenkolloquium des Bauhaus-Forums: Nachhaltige Regionalentwicklung, in: Nursery, April 1997
Terkessidis, M., Arbeit in den Zeiten des Konsumismus, in: taz 9.12.1997
Veerkamp, T., Arum in einem Ozean von Reichtum, Weißenseer Blätter 4/1997
Weinhausen, H., VHS Mühlheim: New Work in Köln-Mühleim, Artikelvorlage, in: Internet (krisis e.V.) 1996
Weinhausen, H., Business as usual oder mit Volldampf in den Kollaps?, in: Contraste Januar 1997

Frithjof Bergmann:
Neue Arbeit, Neue Kultur
440 Seiten, geb., 24,80 Euro, Arbor-Verlag
Portofrei zu beziehen über INA
P.S.:
"Zur Zuspitzung ... läßt sich der berühmte Marxsche Satz von der Arbeit als 'erste(s) Lebensbe-dürfnis' (MEW 19, S. 21) durch folgenden Kommentar aller Mißdeutungen entheben: Nicht die 'Arbeit' als solche ist erstes Lebensbedürfnis, sondern 'Arbeit' nur soweit, wie sie dem Einzelnen die Teilhabe an der Verfügung über den gesellschaftlichen Prozeß erlaubt, ihn also 'handlungsfä-hig' macht. Mithin ist nicht 'Arbeit', sondern 'Handlungsfähigkeit' das erste menschliche Lebensbedürfnis - dies deswegen, weil Handlungsfähigkeit die allgemeinste Rahmenqualität eines menschlichen und menschenwürdigen Daseins ist, und Handlungsunfähigkeit die allgemeinste Qualität menschlichen Elends der Ausgeliefertheit an die Verhältnisse, Angst, Unfreiheit und Erniedrigung." (Klaus Holzkamp, Grundlegung der Psychologie, S. 243)


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Quelle

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- Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" 1998 - http://www.thur.de/philo/arbeit2.htm
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