Utopie der Arbeit
von Ulrich Sigor

siehe auch hier

Zur Aufhebung des inszenierten Wachstumsdilemmas der Wirtschaft - zur "Verteilung" von Arbeit (verstanden als Metapher für die Entstehung von Ansprüchen auf ein Gesamtprodukt) - zur Versorgung der Menschen -- bedarf es zuallererst einer Erneuerung des Produktivitätsbegriffs, der sich nicht allein an der Fertigung, sondern sogar vorrangig am realen Effekt der Güter für den Gebraucher orientiert. Hier ist auch ein Zuwachs an Arbeit zu entbergen, der nicht bloße Banderole für einen faulen Kompromiß aus Investitionsförderung und Sozialpolitik ist.

Produktiv ist Arbeit dann, wenn sie eine nachhaltige Erhöhung der Handlungsspielräume für den Menschen mit sich bringt. Darin liegt auch eine Erinnerung des sehr naheliegenden Begriffs von Arbeit, als einer selbstvermindernden Tätigkeit.

Das schließt die Effektivität der Fertigung der Dinge ein, "Effektivität" nach betriebsübergreifenden Kriterien, welche insbesondere auch die infrastrukturelle Sinnhaftigkeit der benötigten Produktionsmittel erfassen. Unter dem Gesichtspunkt "ganzheitlicher" Sinnhaftigkeit wird Arbeit zur Arbeit am Begriff, am Konzept der Dinge. Erleichterungen des Lebens gehen auf verbesserte Konzepte der Mittel und des Rahmens zurück. Feinabstimmung, Standards der Baukästen, aber auch Entkopplung sollen eine Reduktion der Komplexität bewerkstelligen. Die substantielle Definition der Dinge und Sachverhalte geht mit wachsender Komplexität in die Definition der Schnittstellen innerhalb der Gesamtheit der beteiligten Prozesse über.

Der richtige Ansatz ist im Gegensatz zu dem der Wirtschaft weder ressourcenbelastend noch technikfeindlich noch bringt er Verteilungsprobleme von Arbeit und der Güter mit sich: Lebendige menschliche Arbeit einzubringen in einen Prozeß gemeinsamer Gestaltung der Güter, bevor sie (unter Beteiligung von immer weniger menschlicher Arbeit) erzeugt werden, ist nahezu unbegrenzt sinnvoll, und hat nahezu immer den Effekt eines Zugewinns an Spielräumen, im Vergleich zum Fortbestehen weniger feiner Abstimmung der Qualitäten im System. In einer Metapher kann man sagen, "Ordnung rentiert sich" - was richtig verstanden werden muß: auch Entkopplung ist eine Dimension von Ordnung, die aber ebensolche Abstimmung erfordert, wie die Vernetzung. Bewußte Vernetzung ist immer zugleich Entflechtung gewachsener Vernetzung.

Die zukünftige Arbeit (im Idealbild) erzeugte nicht mehr aufwandsabhängig-knappe Güter, sondern aufwandsunabhängig - unknappe Güter. Höchstens die einmalige Verteilung der einmaligen Lasten wäre angemessen. Danach existiert (resultiert) immer ein als solches öffentliches Gut. Der künftig noch wünschbare Nutzen ist zwar ggf. (im Konfliktfall) noch kooperativ gerecht zu organisieren, aber nicht mehr als marktfähiges Gut verwertbar. Die Anlässe konzeptioneller Tätigkeit schwinden nie; für den immer denkbaren Zugewinn konkreter lebensweltlicher Spielräume ist sie die typischste und effektivste der beteiligten Quellen.

Konzeptionelle Arbeit bringt ein Vielfaches der Spielräume, die sie in Anspruch nimmt; Aufwand und Vergesellschaftung der Fertigung der die Konzepte verkörpernden Dinge und Sachverhalte könnte weiter dramatisch verringert werden und ist idealerweise auch geringer als der konzeptionelle Aufwand - d.h. Fertigung fällt dem Konzept gegenüber nicht ins Gewicht. Und dies gilt, bei hinreichendem Organisationsgrad für die gesamte Kette der Arbeitsmittel bzw. Wirtschaftsgüter.

Initiative und konzeptioneller(=hauptsächlicher) Aufwand für eine Sache kommen rationalerweise (rentabel) beim Gebraucher auf oder sinnvoll kooperativ bei einer Gebrauchergemeinschaft. Die Fertigung dazu ist als Solidarsystem der Konzipierergemeinschaft organisiert.

Diese Dominanz des nicht-verwertenden Prosumenten als einzig sinnvolles und einzig praktikables Prinzip für jede künftige Produktionsorganisation darzustellen, muß Ziel des Projektes sein. Man sollte sich auch vor Augen führen, daß dieses Prinzip mitnichten ein Abkömmling oder eine Variation von Planwirtschaft ist.

(aus "Arbeit und Wissenschaft" von Ulrich Sigor)

 


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