Philosophisches Leben online - ein Tagebuch



27.11.96

Mit dem neuen Monat beginne ich eine neue Datei. Sicher werdens nicht mehr so viele aktuelle Texte wie bisher und es soll sich ja nicht jede/r durch die alten Sachen wühlen müssen!

Termine für Jena sind: (Aktuelle Termine!!!)

  • 31.01.97 19.30 Uhr: "Ich und die Anderen" (dritte Gesprächsrunde, ausgehend von Aussagen der Jenenser "alten" Philosophen, diesmal aber noch mehr auf UNS SELBST bezogen), bei E.s: (bei mir telefonisch: 82 79 38) zu erfragen
  • 14.3.1997 ab 20.30 Uhr im Klubraum des Café Wagner (Wagnergasse):
    Gaia - Wechselwirkungen zwischen Lebewesen und Atmosphäre... (Gesprächsrunde mit Bezug auf mein Buch)
  • 14.02.1997 im Frauenzentrum Jena
    Frauen und Entwicklung (Gesprächsrunde: Ist "Entwicklung" für Frauen überhaupt gut? )
  • Tauschring "Saaletaler": 27.1.1997 ab 19.00 Uhr im Gewerkschaftshaus (Bachstraße) Raum 18: Vorbereitung einer größeren Präsentationsveranstaltung am 20.2.1997
    und am 17.2.1997 ab 19.30 im Klubraum des Café Wagner (Wagnergasse)
  • Gemeinschaftswohnverein "Lebens(t)räume" am 13.1.1997 ab 19.30 Uhr im Klubraum des Café Wagner (Wagnergasse) (Thema: Erfahrungen auf einer Alpwirtschaft - Bericht von B. Kühn)

Einladungen woandershin folge ich auch gern, wenn mir die Fahrtkosten irgendwie erstattet werde können und Übernachtung irgendwie funktioniert...

Im Mai würde ich z.B. gerne mal wieder nach BREMEN kommen - suche bloß noch den Sponsor...

05.12.96

Diese Wochen sind gar nicht so produktiv. Es wird Zeit, daß ich mit der Arbeit am Buch beginne. Die Zeitschriften- und Bücherstapel nehmen nicht so besonders schnell ab, die Tage vergehen... einfach so. Ein bißschen Korrespondenz ist da grad richtig. Leider funktioniert das Gästebuch noch immer nicht (Server-Script), von neuen Lesern kommen im Moment auch keine Mails. Es wird wohl auch Zeit, meine Seiten bei Suchmaschinen anzumelden. Das mach ich dann mit, wenn ich die Firmenseiten von meinem Mann anmelde. Ansonsten ist wohl die potentielle Lesernzahl für deutschsprachige Philosophie sowieso auch begrenzt... Und das Internet eben nicht geeignet für tiefgründiges Nachdenken. Das Offline-Angebot wird auch wenig genutzt.

Ich habe schon wieder Ideen, wie man eventuell laufende Diskussionen über Ökonomie parallel im Internet vorstellen könnte, aber da muß ich warten, ob es jemand anders macht. Ich schaff es nicht mehr.

In der Philosophie-Mailinglist ist es auch ruhig geworden. Einer der aktivsten Teilnehmer bringt keine provokativen Themen mehr ein und nun ist Ruhe... Früher mußte er öfters mal Nachfragen hinnehmen, ob seine Themen denn die geeignetsten für eine Philosophiemailinglist wären. Jetzt, wo er sie nicht bringt, sind die anderen aber auch ruhig. Also lebt auch das Web vorwiegend von einigen besonders aktiven Leuten...

07.12.96

Von wegen "Ruhe in der Mailinglist"! Es geht so seit 6.12. wieder rund. Da beteiligen sich pro Tag schon mal sechs oder sieben Leute. Ich habe mich auch mit eingebracht und dabei gemerkt, daß das eine eigene "Logik" hat. Schon beim Schreiben hatte ich ein ungutes Gefühl: Ich rede mit vielen Leuten auf einmal, ohne ihre Befindlickeiten zu kennen, ohne beim Sprechen eine optische Rückmeldung zu haben. Bei der eMail kann man sich noch gut aufeinander einstellen. Bei der Mailinglist geht die nonverbale Kommunikation verloren - daran merke ich erst einmal, wie wichtig sie mir ist.

Mißverständnisse sind dann natürlich vorprogrammiert und ein Zurechtrücken interessiert wieder nicht alle... Es ist schon nicht einfach.

10.12.96

Heute hatte ich 20 Mails im Briefkasten, fünf habe ich auch gleich beantwortet. Zwischendrin läutete noch das Telefon und ein guter Bekannter brauchte eine halbe Stunde Zuwendung. Trotzdem sind diese Kontakte sehr interessant. Im Bereich der Papierpost hatte ich niemals die Gelegenheit, mich mit so verschiedenartigen Menschen auszutauschen, auf so viel Neues gestoßen zu werden. Das Menschliche geht meiner Erfahrung nach nicht etwa verloren, sondern durch die Lockerheit der eMail-Sprache im Gegensatz zur oft verschnörkelten Papiersprache ("ordentliche Anrede" und andere Regeln, die man doch immer irgendwie einhält) fällt mir das Kontakthalten leichter. Durch die Ergänzung durch mitgeteilte Homepages lernt man viele Menschen, Gedanken und Projekte kennen...

11.12.96

Die Computerei frißt mir schon seit zwei Wochen alle inhaltliche Konzentration weg. Am Schlimmsten sind die Zeitschriften mit CD-ROMs. Irgendeine Kleinigkeit ist da zwar nützlich - aber der dabei versessene Tag ists meistens nicht wert.

Heute habe ich mich in den freien Stunden mal über das neue Heft der Philosophiezeitschrift "der blaue reiter" gesetzt. Ich nutze die Tagebuchaufzeichnungen für einige Bemerkungen, die mir so beim Lesen einfallen, weil ich für gründliche Konspekte keine Zeit habe und sie mir auch nicht mehr bringen würden, als das, was so wichtig für mich ist, das es im Kopf hängenbleibt.

Zum Themenschwerpunkt: Grenzpunkt Mensch

  • Mystik: vom grch. Terminus myein = (Augen und Ohren ) schließen, sich innerlich sammeln,
    -Abgrenzung von Spirituellem dadurch, daß die mystische Erfahrung nie einem praktischen Zweck dient!
    (vgl. in meinem Text "Ich und die Welt": Yoga darf im günstigsten Falle nichts erreichen, gar "erzwingen" wollen, sonst ist es kein Yoga!)
    - interessant: erste literatische Texte aus Europa stammen von Frauen (Beginen, Hildegard v. Bingen, Beatrix von Nazareth, Mechthild von Magedburg, Marguerite Porete...)
  • Über Borderline-Menschen: frühkindliches Fehlen von Urvertrauen - keine ungestörte Identitätsbildung (durch Koordination von Verhaltensschemata" (Piaget)). Es enstehen fragmentierte, instabile Persönlichkeiten innerhalb eines Menschen, die ihre Existenz einerseits aggressiv verteidigen, andererseits ständig untereinander austauschen ("grenzenlose Dividualität" statt Individualität, wie der Titel des Artikels heißt).
    - Ursache (kein Urvertrauen) kann aber zu anderer Wirkung führen: Starke, unabhängige Identität durch Finden eines geeigneten Krisallisationspunktes; selber daran wachsen, ohne von Anerkennung durch andere abhängig zu sein. (Die anderen müssen Angst haben vor Verlust dieses Vertrauens; wer es nie hatte, hat nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen!)
    - interessant für "Philosophie des Ich" - hier individualpsychologisch ... - ist verbunden mit gesamtgesellschaftlicher Tendenz zur Multi-Persönlichkeit (Fragmentierung, postmoderne Zersplitterung...)
  • Über den Tod:
    Seit ich dem Thema in der philosophischen Literatur immer mal wieder begegne, frage ich mich, warum es in "meiner" Philosophie gar nicht auftaucht, bzw. ob es das denn müsse...
    - diesmal sind interessante Hinweise in dem Artikel:
    "Wir können etwas in seinem Sein ergreifen, wenn wir es vor dem erscheinen lassen, was seine Grenze bildet."
    "Tod bedeutet... meine Abwesenheit.... schwächt die Absolutheitsansprüche von Subjektivität ab."
    Heidegger: "Solange wir sind, ist der Tod; sind wir nicht mehr, so ist der Tod nicht mehr."
    Bestärkt meinen Unwillen gegen die Unsterblichkeitshoffnung, die mir in der Science-Fiction-Diskussion begegnet ist. In der Mitte meines Lebens gebe ich mich jetzt zufrieden mit dem, was mir nur erreichbar ist (aber auch noch erreichbar sein wird)- akzeptiere aber auch, daß das genügen muß als mein Anteil an der Menschheitskultur (d.h: brauche mir nicht mehr abfordern) .
  • Interview mit R. Messner zu Grenzgängen:
    "Wenn ich völlig in der Sache aufgehe, wie ein Kind beim Spielen, dann meditiere ich. Wenn ich aber bewußt und gewollt dasitze und meditiere, ist es schon nicht mehr Meditation."
    Zur Informationsüberflutung: "Ich habe angefangen, mich einzugrenzen." - Er hat aber eine Sekretärin, an die er den Organisationskram abschieben kann...
    -in Todesgefahr sieht man das Leben, wie es wirklich ist - man ist dann im wirklichen Leben mutiger! (Yoga: wenn nichts mehr bleibt von der konstruierten Identität - dann wird das Wesen offenbar)
  • zum Selbstmord: "Nicht die Quantität, sondern die Qualität des Lebens entscheidet, und sieht der Mensch sich in einer Situation der Ausweglosigkeit gefangen, so ist die Selbsttötumng das gebotene Verhalten" und Seneca:"Tadellos zu sterben aber heißt der Gefahr entgehen, schlecht zu leben."
    - Selbstmord stellt die unhinterfragte Ordnung der Lebenden in Frage!
    "Selbstmord" - Wertung als Verbrechen. "Suizid" - als psychiatrisches Problem genommen.
    - reale Entwicklung tendiert eh zu "Omnizid" - der Selbstzerstörung aller: "Die Rede von de Risikogesellschaft ist nur eine verharmlosende Umschreibung für eine Gesellschaft, die es nicht beim Selbstzerstörungsversuch belassen will, sondern es auf ein hunderprozentiges Gelingen anlegt." Ich will es nicht akzeptieren, daß ich es akzeptieren soll...
    "Man muß doch was dagegen tun!" steht im Kopf. Die Angst vor dem Schuldgefühl ist vielleicht oft größer als die Sorge um den anderen Menschen...
  • Jaspers: "Es liegt am Geiste selber, daß er die Macht nicht erringt, weil er nur Geist ist."
    - entspricht aktueller Erfahrung in Politik und sogar Vereinen und so: die eher praktisch-organisatorisch Veranlagten setzen sich durch, eben weil sie es sind, die organisieren. Die mehr Denkenden rutschen an den Rand oder/und raus.
    Tendenziell ergibt sich aber trotzdem weltgeschichtlich eine Steigerung der Komplexität des Gestalteten und Gedachten... auch der Problemlagen, denen die Praktisch-Organisatorischen dann erst mal nur kontraproduktiv begegnen können...
  • "Konfuzius starb in tiefer Resignation ob seiner Wirkungslosigkeit. Er wurde trotzdem der wirkungsmächtigste Philosoph der Chinesen."
  • Schopenhauer: Die Beschäftigung mit Philosophie hat ihm nichts gebracht, aber viel erspart.

Insgesamt fällt wieder das wieder sehr ansprechendes Layout auf !!! (Schrifteinfügungen..."sprechende und klingende" Grafikelemente im Seitenlayout...)

12.12.96

Das Online-Leben verändert die Zeitbilanz doch ganz schön. Ich bin ca. zweimal in der Woche abends zu Veranstaltungen (phil. Gespräche, Zukunftswerkstatt, Vereine...). Ein oder zwei Abende verbringen wir in der Familie gemeinsam (Musik machen, Video- oder Fernsehen). Dann sitze ich einen Abend über der Briefpost und meistens kostet auch die Telefoniererei einen ganzen Abend, weil ich meine Anrufe auf einen Tag aufspare und dann auch mal länger mit jemandem schwätze. Dann bleiben noch zwei Abende: einer für eMails (meistens sind es zwei, die gehen dann woanders ab) und einer für Internet-Recherchen. Bei den Recherchen arbeite ich alle URLs ab, die ich mir im Laufe der Woche notiert habe, verfolge höchstens 2 bis 3 Links weiter, um Zeit und damit Geld zu sparen. Was interessanter ist, schreibe ich mir auf. Insgesamt fehlt dann aber die Zeit, alles inhaltlich aufzuarbeiten. Ich habe seit einer Woche ca. 20 htm-Seiten im Computer, die auf eine genauere Durchsicht warten. Neuerdings spare ich mir (und dem Drucker) auch das Ausdrucken der damit verbundenen 100 Seiten - es zeigt sich aber, daß ich eigentlich doch lieber Druckerschwärze lesen würde als Bildschirmpixel...

Wann ich dann ab Jahresanfang an meinem Buch schreiben will, ist mir noch unklar (tagsüber sitze ich für meine ABM, nachmittags ist Familie da...)...

13.12.96

Ich lese weiter Philosophie, lasse die CD-ROMs voller Programme einfach mal eine Weile liegen. Während dem Lesen fällt mir auf, daß ich schon gar keine wirklich neuen Gedanken mehr zu lesen erwarte. Im besten Fall werden die Probleme nur immer mit neuen Worten (manchmal auch immer denselben) genannt. Im schlechteren Fall "schichtet die Philosophie... die second-hands-problems übereinander" (G.Irrlitz, N. Lobkowicz zitierend.)

16.12.96

Noch ist es nichts mit Weihnachtsruhe. Meinen Jahresplan habe ich nicht geschafft. Die Bücher und Zeitschriften liegen immer noch ungelesen herum - und zu Weihnachten ist wieder ein Bücherstapel zu erwarten. Vielleicht ist es auch besser, ich lese das immer in Bezug zu den Themen, die ich für das zweite Buch dann gerade bearbeite...

Internetmäßig versuche ich, bei einem Bekannten ftp hinzubekommen. Der erste Versuch heute hat erst mal nicht geklappt.

18.12.96

Inzwischen haben wirs geschafft. Die Seiten von der Firma meines Mannes sind jetzt auf dem Server des Thüringer Wirtschaftsministeriums. Ein Dauerzustand ist es aber nicht, damit jedes Mal zu dem Bekannten an der Fachhochschule laufen zu müssen...

Gestern abend habe ich begonnen (!!!) das Material des letzten Internet-Surfens aufzuarbeiten. Ich habe den Texthaufen erst mal ausgedruckt. Das werde ich mir auf die Dauer verkneifen müssen. Das wird zuviel. Da ich bis jetzt erst mal froh war, überhaupt was Philosophieähnliches im Internet zu finden, habe ich fast alles rausgezogen. In einer Bibliothek schreibe ich doch aber auch nicht alles raus! Ich muß es lernen, mir auf der Festplatte tatsächlich fachlich-inhaltlich sortierte Ordner anzulegen und die Dateien dann auch da drauf zu lassen und am Monitor zu lesen.

So langsam bekomme ich ein Gefühl dafür, was Informationsüberflutung ist. Ich muß selektieren, enge mich damit aber immer mehr ein. Einige Homepages von interessanten Teilnehmer(inne)n einer Diskussion erwiesen sich aber auch als ausgesprochene Zeitverschwendung... (z.B. eine Grafikspielerei mit einer ehrlichen lakonischen Bemerkungen zu den "an die Wand geschissenen" Pages)

Dies betrifft erst mal nur die Quantität der Information. Zur Qualität erhoffe ich mir vom Medium WWW noch mehr (bisher sind eh nur üblich geschriebene Texte elektronisch verfügbar gemacht, noch nicht von der Struktur her "verhypert").

P.S.dazu:

In einem (in der Tabula rasa total verrissenen) Buch (Imagologies, Media Philosophy v. Taylor and Saarinen) wird gut formuliert: all production is reproductive coproduction.


Weiter gehts auch noch...

 

 Ahoi

Annette


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