Ist die Perry-Rhodan-Zukunft eine Hoffnung?

Im Heft 1859 der PR-Serie wurde ein Leserbrief von J.S. veröffentlicht, in dem er begründet, warum er in der PR-Serie keinen "Banner der Hoffnung" sieht, wie ein Leser vorher geschrieben hatte.

Zwietracht unter den Völkern, Kriege und schreckliche Unfälle, das Fehlen ernsthafter Philosophie und Religion kennzeichnen für ihn eine "Welt, die ich "unseren Kindern" wahrlich nicht als Erbe wünsche." ...

"Ihr Bewußtsein stammt ja auch noch unverkennbar aus dem 20. Jahrhundert, wenn es auch inzwischen etwas "kosmisch angehaucht" ist. So bedauerlich es auch vielleicht für Euch ist, dies zu hören: Eine Hoffnung für die Zukunft ist die PR-Serie für mich wahrlich nicht. Eher schon eine Ablenkung von der Gegenwart."

Da auch noch ausdrücklich zur Diskussion dieser Meinung aufgefordert wurde, konnte ich mich nicht halten und schrieb meinen Senf dazu:

--- schnibbel ---

Hallo,

im Heft 1859 wird zur Diskussion der Hoffnungs-Haltigkeit von PR aufgefordert. Der Brief von J. Schwarz trifft meiner Meinung nach ziemlich ins Schwarze. Utopie bedeutete für mich früher auch immer das Austesten neuer Möglichkeiten gesellschaftlichen Zusammenlebens. Die gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftsform wird jedoch bei PR einfach in die Zukunft weiterverlängert, als wäre unsere (auf Warenaustausch und Kapitalvermehrung beruhende) Wirtschafts- und Lebensweise auf diesem Gebiet tatsächlich das "Ende der Geschichte".

Für mich ist PR deshalb keine utopische Literatur, sondern tatsächlich NUR Science Fiction. Wenn ich nicht mehr von ihr verlange, als sie geben kann, hat sie doch ein ganz gutes Niveau und zeigt bezüglich der Einheit der Menschheit und so doch gute Bemühungen. Angesichts des anderen Horror- und Fantasy-Schwachsinns, der in den Buchhandlungen unter "SF" verkauft wird, ist PR noch eine große Erholung. Die Umwidmung der schrecklichen Atombombenabwürfe über Japan zum mutantenerzeugenden Glücksfall ganz am Anfang ist für mich aber immer noch ein konzeptioneller Geburtsfehler (kann dies doch dazu führen, alles Schreckliche zu entschuldigen...).

Es ist ja ansonsten nicht nur die SF, der die gesellschaftlichen Utopien ausgegangen sind. Utopien scheinen die Gefahr in sich zu bergen, anderen etwas anderes aufzwingen zu wollen. Nun ja, warten wirs ab. So, wie es läuft, wird es jedenfalls nicht noch einige Jahrhunderte lang weitergehen. (Dafür sorgen schon die ökologischen Grenzen).

Die alten Römer konnten sich die Zukunft sicher auch nur auf der Grundlage von Sklavenarbeit und expansionistischen Kriegen vorstellen. Als sie dann jahrhundertelang so langsam untergingen, sahen sie nur den Niedergang ihrer Zivilisation und konnten die Keime des Neuen in der scheinbaren "Barbarei" nicht erkennen.

Genauso geht es uns heutzutage auch wieder. Ob das Neue allerdings angesichts der ökologischen Misere noch eine Chance hat, ist ungewiß.

Ich selber bin inzwischen der Meinung, daß die Raumfahrt hoffentlich erst dann die in PR angedeuteten Ausmaße bekommt, wenn wir auf der Erde andere, aus heutiger Sicht wirklich utopische Verhältnisse geschaffen haben (keine Ausbeutung einer Erdregion durch anderer, vieler Menschen durch wenige, der Natur durch unsere überflußlebensweise usw.). Sollte die jetzige Lebens- und Wirtschaftsform in das Weltall exportiert werden, führt das wieder nur zu erneuten Ausbeutungsverhältnissen. (Schaut mal in die sog. Dritte Welt, wie die an der von uns aufgezwungen "Grünen Revolution", unseren Dammbauten, unseren Lebensmittelexporten zu überteuerten Preisen usw. leidet. Die meisten Unternehmungen scheinbaren Modernisierung / Entwicklung führen dort zur Zerstörung vorheriger Selbständigkeit auf Grundlage der Subsistenzwirtschaft. Wir erzeugen mit einem Staudammbau für 70 000 Inder (die sich dort für unsere billigen Kleider kaputtschuften) 3 bis 4 Millionen neue Slumbewohner, denen wir mit dem Dammbau ihren natürlichen Lebensraum rauben!). Bei PR bemüht man sich zwar, die normale (kapitalistische) Wirtschaft human und ökologisch funktionieren zu lassen, auf der Erde hat sie das aber nur für wenige privilegierte Menschen auf relativ kleinen Gebieten getan. Insofern ist das schon utopisch. Das ist so, als würde man sich eine ideale Sklavenhaltergesellschaft, in der alle Herren die Freunde ihrer Sklaven sind, vorstellen. Daß das nicht funktioniert, hat aber Gründe. Über die denkt man dann nicht mehr nach. Insofern ist das Ganze schon eine "Ablenkung von der Gegenwart", wie J.Schwarz schreibt. Trotzdem, auch ich werde PR sicher noch eine ganze Weile lesen. Ab und an muß man sich mal vor Augen führen, wie das ganze Desaster weitergehen könnte - wenn wir uns nicht selber was anderes einfallen lassen. Das können uns eh keine SF-Autoren abnehmen. (Mehr dazu u.a. unter http://www.thur.de/philo/as24.htm)

Viele Grüße

--- Ende schnibbel ---

 

 

...mal sehen, ob und was es für Reaktionen darauf gibt.

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