Technikwissenschaft als Modell für einen neuen Wissenschaftsbegriff?!

Frank Richter, Freiberg


 

 
 
 

Nicht zuletzt die aktuellen Diskussionen um die Gentechnik und deren Anwendbarkeit auf den Menschen haben die Frage nach der Beziehung von Wissenschaft und Ethik erneut und mit vielleicht bisher noch nie erreichter Dringlichkeit auf die Tagesordnung gesetzt. 
Wissenschaft und Technik geraten dabei erneut unter Beschuß, u. a. mit dem Argument, die sich zu Göttern selbsternennenden Wissenschaftler, Ärzte, Ingenieure wollten in den Gang der Schöpfung eingreifen. 

Aber auch für einen Atheisten und Materialisten läßt sich diese Problematik nicht einfach als Ausdruck gesellschaftlichen und technischen Fortschritts, der dann natürlich auch bestimmte Riskiken in sich trägt, deuten, zumal das Prinzip „Es wird alles gemacht, was sich technisch machen läßt“ schon längst durch das andere Prinzip überwuchert ist, das da lautet: „Es wird gemacht, was Profit bringt“. 

Nun hatte sich nicht zu Unrecht neuzeitliche Naturwissenschaft von Ethik, Theologie und Philosophie weitgehend freigemacht, um den Naturgesetzen unabhängig und jenseits von ideologischen Schranken auf die Spur kommen zu können – mit der Konsequenz, daß Antworten auf die Frage nach der Verantwortung des Wissenschaftlers, nach Zielen, Kriterien und Wegen technisch-wissenschaftlichen Fortschritts von „außerhalb“ kommen mußten. Und tatsächlich: je objektivistischer sich eine Wissenschaft gibt, um so eher bedarf sie solcher Führung und Orientierung. 

Es ist jedoch als (relative) Alternative zu einem solchen Denkmodell auch vorstellbar, daß Wissenschaft die in ihr enthaltenen vielfältigen gesellschaftlichen Bezüge ausbaut und so näher an ein ganzheitliches Betrachten von Mensch und Natur, an ethische Wertungen und weltanschauliche Betrachtungen herankommt. Interessanterweise ist selbst die vielfach inkriminierte Technikwissenschaft geeignet, für solche Überlegungen als Modell zu dienen. Schon die gegenwärtige Technikwissenschaft unterscheidet sich von klassisch-objektivistischer Naturwissenschaft dadurch, daß sie 

-den Menschen mit seinen vielfältigen Bedürfnissen und Interessen, und nicht einfach die Natur an sich zu ihrem Gegenstand hat 

-als methodischen Hauptweg die Konkretisierung von Wissen auf Komplexität hin, auf Gestaltbarkeit und Beherrschbarkeit von Wirklichkeitsbereichen besitzt 

-nicht Wissen über an sich seiende Wirklichkeitsbereiche schlechthin anstrebt, sondern Anwendungen von Wissen

Eine Analyse der Technikwissenschaften, interessanterweise sogar der sog. Monantwissenschaften, zeigt, daß technikwissenschaftliches Wissen eine Vielzahl von Wissensebenen enthält – mit ihren jeweiligen Tätigkeits- und Wissensformen, so daß es durchaus denkmöglich ist, hier bei den Überlegungen zu einem neuen Wissenschaftsverständnis anzusetzen. Die Suche nach sog. alternativen Wissenschaftsbegriffen, etwa bei Weingart, Capra u.a. wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit dagegen als ein Weg herausstellten, der Wissenschaft einseitig negiert und damit keine produktiven neuen Möglichkeiten zeigen kann. 

Auf meiner Seite zum Freiberger Modell habe ich den Modellgedanken, wie er in den Technikwissenschaften verwendet wird, auf Möglichkeiten philosophischen Denkens übertragen. Wer sich für Modelldenken und die Spezifik des Gesetzeswissenschaften in den Technikwissenschaften selber interessiert, kann sich die gepackte Datei tw.zip herunterladen. 

Seite erstellt: März 2001 
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