2. Der wissenschaftliche Anstrich von "Global Scaling"®

2.1. Warum überhaupt ernst nehmen?

Wie wir an dem Ausspruch auf dem Festival gesehen haben, legt das GS®-Konzept an die Wissenschaftlichkeit durchaus verschiedene Maßstäbe an.

Einerseits behauptet es steif und fest, auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse begründet zu sein, andererseits denunziert es die Wissenschaft sofort, wenn die Ergebnisse der Wissenschaft nicht ins Bild passen.
Man nennt das einen "doppelten Standard" zu verwenden.

Der wissenschaftliche Anspruch wird offensichtlich auch konterkariert durch den markenrechtlichen Schutz der GS®-Methoden (siehe z.B. Kompendium: 23; zu den Patenten wird weiter unten noch etwas zu sagen sein). Für unabhängige Prüfer ist es letztlich gar nicht mehr möglich, die Forschungen nachzuvollziehen, ohne zumindest diese Rechte zu verletzen. Dies widerspricht den grundlegenden Gepflogenheiten wissenschaftlicher Kommunikation und Kritik.
Folgerichtig wurde auch ein kritischer Vortrag über das GS®-Konzept in Erfurt versucht zu behindern durch die Nachfrage, ob der Referent auch vom Raum-Energie-Institut zertifiziert sei. Dem entspricht es auch, dass es zu dieser Theorie keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen in ernst zu nehmenden Fachzeitschriften gibt. Es wird zwar einige Fachliteratur (vor allem russische) zitiert, aber deren Inhalte werden oft nicht im Sinne dieser Autoren, sondern völlig anders dargestellt als dort. So suchen A. und L. Chislenko (1989) in den von ihnen gesammelten Daten aus Fauna und Flora nach dem Auftreten der Zahl Pi, und dies gehört durchaus in die Rubrik pseudowissenschaftlicher Numerologie, der Autor wird aber von Hartmut Müller als Beweis für seine Theorie interpretiert.

Aber vergessen wir das doch alles einfach einmal und tun so, als wäre das Ganze wirklich eine ernst zu nehmende wissenschaftliche Theorie. Da sie mit diesem Anspruch auftritt, können wir uns auch den Spaß machen, sie aus dieser Sicht zu bewerten und zu kritisieren. Ein Spaß kann es insofern werden, als es Freude macht, sich selbst zu testen, wie man den scheinwissenschaftlichen Behauptungen auf die Schliche kommen kann. Bei GS® ist das oft nicht ganz so einfach wie bei anderen Konzepten. Ich muss zugeben, dass ich bei meinen Recherchen viel gelernt habe über wirkliche Zusammenhänge, die mit Komplexität, Evolution und Selbstorganisation in den verschiedensten Bereichen der Welt zu tun haben. [2] Dieses Lernen bezieht sich darauf, dass GS® sich durchaus auf interessante Problemstellungen bezieht und ich nicht bei allen vorher wusste, was dazu der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Forschung ist. Zusammenfassend kann vorweg genommen werden, dass einige GS®-Behauptungen schlicht getrickst sind, andere falsch und täuschend dargestellt. Aber sogar richtige Angaben gibt es - diese sind jedoch entstellend und verfälschend interpretiert. Ziemlich offensichtlich sind jedoch auch fragwürdige und überholte Methoden und Behauptungen.

Warum jedoch hat Hartmut Müller mit seinen Vorträgen (anscheinend?) solchen Erfolg? Warum sind es nicht vorwiegend ungebildete Menschen, die ihm glauben, sondern eher gut ausgebildete, wie Ingenieure? Sehr oft gibt Hartmut Müller für bestimmte Phänomene Begründungen an, die weit hergeholt sind und verschweigt das (kennt es vielleicht gar nicht), was in der Wissenschaft als angemessene Begründung diskutiert wird. Er kann anscheinend darauf bauen, dass der tatsächliche Stand der wissenschaftlichen Arbeiten zu wenig bekannt ist, so dass er sich als der große Guru darstellen kann. Vielleicht hatten gerade sowjetische Wissenschaftler hinter ihrem "Eisernen Vorhang", ohne die Möglichkeit, internationale Fachkonferenzen zu besuchen und alle Fachliteratur zu lesen, wirklich objektive Schwierigkeiten. Doch heute würde bei vielen Themen schon ein Blick in Wikipedia genügen, um die Grenzen der GS®- Erklärungen zu erkennen.


 



 
Fußnote:
[2] Leider konnte ich bisher (Anfang Februar 2009) nicht alles davon aufschreiben und verweise auf spätere Veröffentlichungen und meine Webseiten.


 
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