Dialektik der Gesellschaft als System

Vortrag auf dem Kongress
„Kybernetik – evolutionäre Systemtheorie – Dialektik“
 am 7. November 2007 in Berlin

von Annette Schlemm

 

Gesellschaft 1

Gesellschaft als System... 1

Kapitalismus als spezifisches gesellschaftliches System... 2

Individuen und Gesellschaft 3

Systeme. 4

Ganzheiten und Systeme. 4

Hegels System der Wissenschaft 4

Ganzes und Totalität 8

Totalität Gesellschaft 10

Das Verhältnis Gesellschaft-Individuum... 10

Gesellschaftlichkeit bei Hegel und Marx. 15

Gesellschaft

Gesellschaft als System 

Menschliche Individuen wachsen in ihr gesellschaftliches Umfeld hinein. Das einzelne Individuum kann in seinem sozialen Umfeld viel selbst bestimmen und auch verändern. Dies läuft aber unter Rahmenbedingungen und Regeln ab, auf die es keinen direkten Zugriff hat. Solche Rahmenbedingungen und Regeln verändern sich im Zeitverlauf. Was sich nicht verändert, ist das, was das menschliche Leben vom Leben anderer Lebewesen unterscheidet, was seine besondere Qualität ausmacht: Menschen stellen nicht nur Dinge zur Befriedigung unmittelbarer Bedürfnisse her, sondern sie reproduzieren die Produktionsbedingungen selbst in bewusster Weise. Ein menschliches Individuum befriedigt die eigenen Bedürfnisse über seine Teilhabe an der gesellschaftlichen Produktion. Diese Produktion erfolgt nicht nur in einem sozialen, gemeinschaftlichen Rahmen als unmittelbare Folge von Interaktion und Kooperation[1] zwischen den Individuen, sondern vermittelt über die „bewußte, vorsorgende Verfügung über gemeinsame Lebensbedingungen durch kollektive Arbeit [...]“[2].

Der wesentliche Unterschied zwischen gesellschaftlichen und personal kooperativen (gemeinschaftlichen) Beziehungen besteht darin, dass personal kooperatives Tun die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unverändert lässt, während gesellschaftliches Handeln die Gesellschaft immer als veränderbar und gestaltbar voraussetzt. Die Variabilität der Rahmenbedingungen für gesellschaftliches Handeln zeigt sich in geschichtlichen Umwälzungen ebenso wie in gleichzeitig existierenden unterschiedlichen Kulturkreisen und Gesellschaftsformationen. Der Horizont typisch menschlichen Handelns, im Unterschied zu allen tierischen Aktivitäten, umfasst immer die Veränderbarkeit der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, was allerdings unter bestimmten einschränkenden Bedingungen nicht offensichtlich ist. Die im Kapitalismus vorliegenden gesellschaftlichen Strukturen und Verhältnisse erschweren es, die Veränderbarkeit der Rahmenbedingungen zu erkennen. Das menschliche Miteinander erscheint auf Interaktivität und Kooperation beschränkt und der gesamtgesellschaftliche Horizont wird ausgeblendet. Gesellschaftlichkeit beruht auf überindividuellen Verhältnissen, die als gemeinsame Infrastruktur, als gemeinsames Medium[3] erscheinen. Gesellschaft ist nichts außerhalb des menschlichen Handelns, sie entsteht durch menschliches Handeln und wird täglich und stündlich nur dadurch hergestellt. Trotzdem setzt sie dem Handeln der Individuen auch Bedingungen, so dass die Individuen tendenziell so handeln, dass die vorliegende Form der Gesellschaftlichkeit wieder reproduziert wird. Menschen produzieren ihre gesellschaftlichen Lebensverhältnisse und existieren gleichzeitig unter ihnen. Diese Dialektik ist unaufhebbar und kann nicht nach einer Seite hin vereinfacht werden; weder durch Ansichten, die annehmen, die Menschen wären durch ihre Gesellschaft unaufhebbar „geprägt“; noch durch voluntaristische Meinungen, die den rahmendurchbrechenden Willen von Menschen überbetonen. Dabei hat jede Gesellschaftsform, im Unterschied zu Gemeinschaften oder einer Menge von Gemeinschaften, eine eigenständige Dynamik, sie verselbständigt sich gegenüber den unmittelbaren Einwirkungen von Menschen und erfordert zu ihrer bewussten Revolutionierung bzw. Umgestaltung spezifische Anstrengungen, die diese Eigendynamik beeinflussen. Diese Eigendynamik rechtfertigt die Betrachtung der Gesellschaft als eine Einheit, d.h. ein Ganzes, das auch als System bezeichnet werden kann.

Kapitalismus als spezifisches gesellschaftliches System

Im Verlaufe der Geschichte der Menschheit gab es unterschiedliche Formen von Gesellschaftlichkeit. Diese Gesellschaftsformen existieren relativ stabil über längere Zeiten und werden dann immer wieder innerhalb relativ kurzer Zeit tiefgreifend umgeformt. In Europa begann seit dem 16. Jahrhundert die Entwicklung einer Gesellschaftsform, die eine besondere Eigendynamik entfaltet. Marx bezeichnete die Entfernung der Eigendynamik der kapitalistischen Gesellschaft von dem, was die Individuen bewusst anstreben, als „Entfremdung“ bzw. als Wirkung eines gesellschaftlichen „Fetischs“[4]. In den vorkapitalistischen Gesellschaftsformen wird der gesellschaftliche Zusammenhalt durch familiäre Strukturen, durch kooperative Zusammenarbeit sowie durch unmittelbar ausgeübten Zwang und Unterwerfung hergestellt. Im Kapitalismus wird die Über- und Unterlegenheit weniger durch direkte Gewalt- und Zwangsmittel hergestellt und stabilisiert, als darüber, dass die Menschen, die Lebensmittel und Produkte herstellen, dies nur insoweit tun können, als die Besitzer der Produktionsmittel Profit erwirtschaften können. Die Trennung zwischen Produktionsmittelbesitz und Arbeitskraft erzeugt eine „Realabstraktion“[5], die den gesellschaftlichen Zusammenhang von Produktion, Konsumtion, Distribution und Austausch auf eine ganz spezifische Weise organisiert, nämlich auf eine Weise, bei der die Akteure sich als isolierte gegenüber stehen müssen und sich ihre Gesellschaftlichkeit erst über den markförmigen Austausch ihrer Produkte – auf indirekte Weise – herstellt. Diese ungesellschaftliche Gesellschaftlichkeit bietet das Bild eines abstrakt Allgemeinen: Alle Marktakteure sind gleichberechtigt auf dem Markt, sie gelten aus juristisch gleichgestellt, sie sind austauschbar und ihre Besonderheiten interessieren nur insoweit, als dass sich ihre Produkte auf dem Markt als wertförmige Äquivalente austauschen lassen. Diese gesellschaftliche Isoliertheit der Einzelnen und der Verlust ihrer Besonderheit, die über die Äquivalenz des Warentausches hinausgeht, erzeugt notwendigerweise den Schein, als seien die einzelnen Individuen von Natur aus isolierte, vereinzelte Wesen, die quasi erst sekundär „sozialisiert“ würden. „Das Verhältnis der Menschen zueinander als Warenbesitzer [ist] das herrschende gesellschaftliche Verhältnis.“[6] Diese spezifische Form der Gesellschaftlichkeit scheint die „natürliche“ zu sein. Die bürgerliche Wirtschaftstheorie beschreibt ihr Funktionieren. A. Smith schreibt beispielsweise: Nach der Einführung der Teilung der Arbeit „lebt jeder durch Tausch oder wird gewissermaßen ein Kaufmann, und die Nation selbst wird zu einer richtigen Handelsgesellschaft.“[7] Im Kapitalismus verkehren sich Wesen und Erscheinung: Von ihrem Wesen her sind menschliche Individuen immer gesellschaftlich (es kann auch gesagt werden: Menschen sind „natürlich gesellschaftlich“[8]). Die kapitalistischen gesellschaftlichen Verhältnisse führen zur Vereinzelung und es erscheint naheliegend, diese Vereinzelung als „natürlich“ zu ontologisieren und zu verewigen. Es ist aber notwendig, diese Vereinzelung als Folge der konkreten Gesellschaftsform zu begreifen, den notwendigerweise erzeugten Schein nicht nur einfach gedanklich zu wiederholen, zu verdoppeln und damit zu verstärken, sondern aufzuheben.

Individuen und Gesellschaft

Die Interpretation der Gesellschaft auf der Basis von einzelnen Menschen basiert auf einem nominalistischen[9] Denken, was bedeutet, dass die Existenz der Einzelnen als gegeben angenommen wird und dann die Vergesellschaftung als sekundärer Prozess hinzu gedacht wird.

Davon unterscheidet sich eine dialektische Sichtweise. Hier wird die Vereinzelung selbst als Folge des gesellschaftlichen Verhältnisses betrachtet. Es gibt keine Menschen ohne oder vor oder außerhalb einer Vergesellschaftung; aber die Vergesellschaftung kann Formen annehmen, in denen die Individuen sich in wesentlichen Lebensbereichen (wie der Erarbeitung der Grundlagen ihrer Bedürfnisbefriedigung, der Wirtschaft) als Vereinzelte zueinander verhalten (müssen). Karl Marx ging deshalb davon aus, dass auch die einzelne Person, auch der besondere Mensch durch seine Gesellschaftlichkeit Mensch ist und Individuum und Gesellschaft keine einander äußerlichen Sachen sind. „Es ist vor allem zu vermeiden, die „Gesellschaft“ wieder als Abstraktion dem Individuum gegenüber zu fixieren.“[10] Die Gesellschaft ist keine Menge ununterscheidbarer Elemente, sondern sie beruht auf Differenzen: „Die Einheit der Menschen mit den Menschen, die auf dem realen Unterschied der Menschen begründet ist, der Begriff der Menschengattung aus dem Himmel der Abstraktion auf die wirkliche Erde herabgezogen, was ist er anders als der Begriff der Gesellschaft!“[11]. Die Art und Weise, wie diese Unterschiedlichkeit sich für die Individuen und als gesellschaftliches Verhältnis auswirkt, ist in unterschiedlichen Gesellschaftsformen sehr unterschiedlich. Mit Beginn patriarchaler und anderer Herrschaftsformen, besonders der Klassengesellschaften, wurde aus der Unterschiedlichkeit eine hierarchische Über- und Unterlegenheit.

Für das Denken der Einheitlichkeit der Gesellschaft finden wir also verschiedene Vorstellungen von Ganzheit und von Systemhaftigkeit vor. Diese gehen von einer zentralen Steuerung (Hobbes) über die selbst organisierte Vereinigung der einzelnen Teile (Locke) hin zur dialektischen Sicht der Einheit, die selbst eine Einheit von Einheit und Differenz ist (Hegel, Marx).

Systeme

Ganzheiten und Systeme

Der Begriff eines „Systems“ oder einer Ganzheit ist mindestens dadurch bestimmt, dass das System bzw. das Ganze nicht nur die Summe seiner Teile ausdrückt, sondern dass eine eigenständige Eigendynamik entsteht (was auch Emergenz genannt wird) und dass es nicht auf die in ihm enthaltenen Dinge, sondern mehr (manchmal nur) auf deren Beziehungen ankommt. Dadurch unterscheidet sich ein „System“ und ein „Ganzes“ von einer „Menge“ oder auch einem eher beziehungslosen „Aggregat“ von Teilen.

Eine weitere Unterscheidung ist die Differenzierung der Systeme und Ganzheiten in „schwache“ und „starke“: In einer „schwachen“ Ganzheit sind die Teile voneinander abhängig, können aber auch für sich verstanden und abgeleitet werden; in der „starken“ Ganzheit ist ein Teil nur aus dem Ganzen heraus zu verstehen. Diese Unterscheidungen sind in der Hegelschen Philosophie näher bestimmt. Hegel unterscheidet Einheiten, die ein „Ganzes“ sind, von den Einheiten, die eine „Totalität“ bilden. Für das Allgemeine verwendet er die Kategorien „abstrakt allgemein“ und „konkret allgemein“. Diese Kategorien sind nicht nur eine andere Bezeichnung für das in der Systemtheorie Unterschiedene, sondern erhalten eine tiefere Bedeutung.

Hegels System der Wissenschaft

In Hegels System der Wissenschaft[12] gewinnt jede Kategorie ihre inhaltliche Bedeutung aus ihrer Stellung im Gesamtsystem, und sie entsteht aus der Bewegung der Inhalte, d.h. der „Sache“[13] selbst. Das Gesamtsystem teilt sich in seine Momente Logik, Naturphilosophie und Geistphilosophie (letzteres entspricht inhaltlich der Philosophie des Sozialen bzw. der Gesellschaft). Die Logik gliedert sich selbst auch in drei Momente: die Seinslogik („Logik der Unmittelbarkeit“), die Wesenslogik („Logik der Vermittlungen“) und die Begriffslogik („Logik der Freiheit“)[14]. In der Logik geht es um das Begreifen eines Gegenstandes in seiner Totalität, als Gesamtheit seiner Beziehungen, wobei er „zuerst genommen wie er ist, dann wie er sich widerspricht, endlich wie der die concrete Identität der Entgegengesetzten ist.“[15]

 

Abb. 1: Grundstruktur der Hegelschen Logik (unter Berücksichtigung einer Bemerkung von Marx)

 

1. Der Ausgangspunkt ist der jeweilige Gegenstand ohne die Vielfalt seiner Bestimmungen, d.h. in abstrakter Weise. Dieser Ausgangspunkt wird vom Verstand bereit gestellt, der die „unmittelbar vereinten abstrakten Bestimmungen auseinanderreißt und vom Gegenstande abtrennt“[16].

2. Nun werden wir bei jedem der möglichen sinnvollen Gegenstände (die nicht selbst abstrakte Objekte sind) feststellen, dass das Erfassen des Abstrakten nicht befriedigt. Wir erkennen, dass Faktoren, die vorerst als Unvermittelte isoliert (d.h. von ihren Zusammenhängen abstrahiert) wahrgenommen oder gedacht wurden, letztlich doch in einem Zusammenhang stehen, miteinander vermittelt sind. Sie haben eine unterscheidende, eine negierende Beziehung zu einem Anderen. Das Andere ist eine Negation des Etwas. Es ist sein Anderes und damit sein Gegensatz. Eine Formel für das Auffinden der „Negierung“ kann dabei nicht angegeben werden, diese lässt sich nur aus dem konkreten Inhalt der Ausgangskategorie selbst ableiten.

3. Die Vermittlung, d.h. der Zusammenhang zwischen den gegensätzlichen Momenten, stellt selbst wieder eine Einheit dar, diesmal aber nicht mehr eine abstrakte, sondern eine konkrete, die ihre Momente enthält. Es wird ergründet, welcher Zusammenhang das Andere zum Anderen des Etwas macht. Dieser Zusammenhang beinhaltet dann das Etwas und seine Negation, er ist selbst widersprüchlich. In der dialektischen Logik soll die Welt bzw. jeder Gegenstand als Einheit all ihrer widersprüchlichen Momente begriffen werden. Dabei entsprechen den in Tabelle 1 dargestellten drei Momenten der Logik auch unterschiedliche Momente der begreifenden Vernunft.

Seinslogik
(Sphäre der abstrakten
Unmittelbarkeit)

Wesenslogik
(Sphäre der
Vermittlungen“)

Begriffslogik
(Sphäre der konkreten
Freiheit)

Die unmittelbare Identität des Gegenstands mit sich selbst. Abstrahiert von allen inneren und äußeren Beziehungen.

Innere und äußere Beziehungen, Vermittlungen, Beziehung Wesen-Erscheinung

Der Gegenstand in seiner Totalität, erfasst im Begriff

Verstand (auch: sinnliche Wahrnehmung)

Negative Vernunft[17], auch Verstand 

Positive Vernunft[18]

Tab. 1: Die drei Momente der Logik

Sinnlich-Einzelnes kann durch die sinnliche Gewissheit als Vorstufe der Wahrnehmung festgestellt werden.[19]. Diese Gewissheit wird gewöhnlich als Verweis auf das Sinnlich-Konkrete genommen, aber Hegel zeigt, dass die sinnliche Gewissheit, weil inhaltlich noch unterbestimmt, abstrakt ist[20]. Ein wichtiger Ausgangspunkt aller Dialektik ist die nicht nominalistische Annahme, dass die Welt, das Konkrete, kein Konglomerat von isolierten Dingen ist, denen quasi nachträglich Beziehungen hinzugefügt werden, sondern dass das Konkrete selbst eine in sich gegliederte Mannigfaltigkeit widersprüchlicher Beziehungen ist, die es zu begreifen gilt.

Die Unterscheidung von Abstraktem und Konkretem weicht hier vom gewöhnlichen Sprachgebrauch ab. Dieser würde im Konkreten das sinnlich Wahrnehmbare sehen und im Abstrakten deren möglicherweise mathematisierbare Beziehungen. Philosophisch ist jedoch folgende Bestimmung angemessener: Abstrakt ist etwas, von dessen inhaltlichen Bestimmungen abstrahiert wird und dies betrifft die sinnliche Gewissheit ebenso wie solche Ganzheiten, die als abstrakte Gemeinsamkeiten gebildet werden. Gegenüber den konkreten Totalitäten, die im Begriff erfasst werden, unterscheiden sich jene Ganzheiten dadurch, dass in ihnen noch von ihren widersprüchlichen Momenten abstrahiert wird.

Der Weg der Erkenntnis ist deshalb ein Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten. Das sinnlich oder gedanklich Einzelne wird in seinen Beziehungen und inhaltlichen Bestimmungen erkannt, Abstraktionen werden dabei mehr und mehr aufgehoben. Alles vorher isoliert und vereinzelt Erscheinende wird in seinen Zusammenhängen genommen. Alles Dingliche wird „verflüssigt“. Dies ist es auch, was Marx als dialektische Methode für seine Kritik der politischen Ökonomie von Hegel übernimmt: die „Methode, vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen [...] die Art für das Denken [...], sich das Konkrete anzueignen, es als ein geistig Konkretes zu reproduzieren.“[21]

Dabei sind auch die Abstraktionen notwendige Schritte im Erkenntnisprozess. Denn natürlich ist es notwendig, einzelne Gegenstände aus der Fülle der Erscheinungen als mit sich identisch und von anderen verschieden zu erfassen (Abstraktion: Vereinzelung) und es macht auch Sinn, Gemeinsamkeiten der einzelnen Gegenstände zu erfassen, wobei von den Unterschieden der Gegenstände auch abstrahiert werden kann (Abstraktion: Verallgemeinerung). Beide Abstraktionen sind Ergebnisse der Tätigkeit des Verstandes, im Unterschied zur Tätigkeit der Vernunft.

Der Verstand erfüllt die Aufgabe der Differenzierung, indem er die „unmittelbar vereinten abstrakten Bestimmungen auseinanderreißt und vom Gegenstande abtrennt“[22]. Wenn der Verstand das Getrennte wieder in eine Einheit überführt, so ist das Ergebnis ebenfalls nur abstrakt: „Die Tätigkeit des Verstandes besteht überhaupt darin, ihrem Inhalt die Form der Allgemeinheit zu erteilen, und zwar ist das durch den Verstand gesetzte Allgemeine ein abstrakt Allgemeines, welches als solches dem Besonderen gegenüber festgehalten [...] wird.“[23] Wie Karl Marx betont, bleibt vor allem der „gesunde Menschenverstand“ gefangen in einem unentschlossenen Entweder - Oder dieser beiden Sichtweisen, weil er „da, wo es ihm gelingt, den Unterschied zu sehen, die Einheit nicht sieht, und [...] da, wo er die Einheit sieht, den Unterschied nicht sieht“[24]. Als Vergleich sind hier vielleicht die bekannten „Kippbilder“ angebracht: Man sieht einen Umriss entweder als Darstellung einer Ente oder eines Hasen, niemals beides zusammen.[25] Ebenso kann man die Gesellschaft einerseits als Summe der Handlungen seiner Akteure sehen und andererseits als netzwerkartiges System, die sich gegenseitig erzeugen, hervorbringen und einschränken bzw. ermöglichen. Der Blick kippt dann ständig zwischen der Erzeugung des Ganzen durch die Akteure und der Strukturierung des Handelns durch das Ganze hin und her.

 

 

Abb. 2: Der „Entenhase“ als Kippbild

Abb. 3: Gesellschaft als Tätigkeit von Akteuren oder als vorausgesetzte Strukturen. 

Eine solche Differenzierung und Abstraktion ist also nicht grundsätzlich falsch, sondern „ein notwendiges Moment des vernünftigen Denkens“[26]. Falsch wird es nur dann, wenn beim Ergebnis des Verstandes stehen geblieben wird, wenn dies als vollständige Erkenntnis verabsolutiert wird, d.h. wenn „Verstandes-Borniertheit“[27] entsteht. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn bei jener Ganzheit, in der das Gemeinsame seiner Teile hervorgehoben wird – also dem Abstrakt-Allgemeinen, stehen geblieben wird.

Ganzes und Totalität

Aus systemischer Sicht sind nun zwei Systemtypen zu unterscheiden:

  1. Systeme, die das abstrakt Allgemeine (das Gemeinsame unter Abstraktion von den Besonderheiten) erfassen und
  2. Systeme, welche das konkret Allgemeine, d.h. die Gesamtheit aller besonderen, d.h. unterschiedlichen und gegensätzlichen Momente in ihrer widersprüchlichen Bewegung erfassen.

Die traditionelle Systemtheorie tendiert dazu, sich auf abstrakte Allgemeinheiten zu beschränken.[28] Auch eine Einbeziehung von Evolutions- und Emergenzphänomenen wird versucht.[29]

Was unterscheidet nun die abstrakte Form der Erfassung der Allgemeinheit (als Ganzes) von der konkreten (als Totalität)?[30] Schauen wir zuerst, was das Verhältnis von Ganzen und Teilen ausmacht: Teile sind selbständig gegeneinander und gegen das Ganze, sie können auch einzeln und ohne das Ganze existieren. Als Teile eines Ganzen werden sie als in Wechselwirkung miteinander stehend betrachtet, sie unterhalten Beziehungen, sie sind durchaus auch unterschiedlich bis gegensätzlich, aber ihre Einheit im Ganzen ist nur ein äußerliches Aufeinandertreffen. Die Teile gehen nur insoweit in das Ganze ein, als sie zur Identität des Ganzen beitragen. Sie werden vom Ganzen subsumiert, so dass andere Besonderheiten außer jenen Bestimmungen, die sie als Teile des Ganzen ausweisen, verschwinden (nicht aufbewahrt/aufgehoben werden). Das Ganze und die Teile können auseinander abgeleitet werden, aber jeweils nur in einer Richtung. Das heißt: Wir können das Ganze als vorausgesetzt annehmen, dann lassen sich die Teile aus dem Ganzen ableiten bzw. erklären. Oder wir können die Teile als vorausgesetzt annehmen und das Ganze aus ihnen ableiten.

Wir kommen damit zu keiner wirklichen Einheit von Ganzem und seinen Teilen, sondern verbleiben in einer „Tätigkeit, die Gegensätze festzustellen und von dem einen zum anderen zu gehen, ohne aber ihre Verbindung und durchdringende Einheit zustande zu bringen“[31], wie Hegel diese einseitigen Reflexionen bestimmt.

Welche Art andere Einheit, welche „durchdringende Einheit“, wäre möglich? Wenn Ganzes und Teile nicht mehr ohne das jeweils andere denkbar sind, wenn sie ihre Selbständigkeit voneinander verlieren. Dann sind wir in die Begriffslogik übergegangen und sprechen jetzt von Momenten in einer Totalität. Die Momente existieren nicht mehr außerhalb der Totalität, sie werden von der Totalität in ihrer Entwicklung gebildet und sich untergeordnet. Kein Moment existiert ohne die anderen und die Totalität und ihre Momente setzen einander jeweils voraus, keins kann ohne das andere existieren. Die Momente sind nicht mehr nur als unterschiedliche, bzw. gegensätzliche – aber einander äußerliche – bestimmt, sondern sie sind widersprüchlich, denn sie enthalten „die ihr andere Bestimmung in sich“[32]. Das bedeutet für die Momente, dass nicht nur die jeweilige Identität dem Ganzen subsumiert wird, sondern dass auch die Unterschiede, die Besonderungen erhalten bleiben. In der Totalität werden die Unterschiede nicht auf das Identische reduziert, wie im Ganzen, sondern die mannigfaltigen Besonderheiten bleiben erhalten. Nicht alle Teile in einem Ganzen sind Momente der Totalität. Für eine als Totalität genommene systematische Einheit die bestimmenden Momente zu finden, ist das Ergebnis harter wissenschaftlicher Arbeit. Die Momente sind nicht, wie eventuell noch die Teile, empirisch als Dinge vorfindbar.

Zusammenfassend zeigt die folgende Tabelle die wesentlichen Unterschiede von Totalität und Ganzem.

Totalität

Ganzes

Jene Einheit, bei der von nichts abstrahiert wird:

-          begründet ihre Momente;

-          ist Einheit des sich bewegenden Widerspruchs (widersprüchlicher Entwicklungszusammenhang);

-          die Momente gehen in ihrer individuellen Besonderheit ein.

Abstraktion von:

-          Herkunft/Begründung der Teile;

-          gegenseitigem Enthaltensein der Teile und dem Ganzen (sie sind einander äußerlich angenommen);

-          anderen Besonderheiten der Teile, die für das Ganze unwesentlich sind (Subsumtionsverhältnis).

Tab. 2: Der Unterschied zwischen einem System als Totalität und einem System als Ganzes

Wenn wir davon ausgehen, dass alles Konkrete eine dialektische Einheit mannigfaltiger und widersprüchlicher Momente darstellt, so besteht die Aufgabe im erkennenden Begreifen darin, von den Abstraktionen jeweils zu angemessenen Konkretionen zu kommen, die Abstraktionen aufzuheben, so dass der konkrete Gegenstand als geistig Konkretes reproduziert wird.[33] Begreifende Erkenntnis bedeutet deshalb ein Zur-Vernunft-Kommen des Verstandes. Während der Verstand die Beziehungen zwischen Teilen und Ganzem erkennen kann, zielt die Vernunft auf das Begreifen der Bewegung der Totalität ab. Ein Gegenstand ist eine Totalität, insofern von keinen Zusammenhängen und Beziehungen abstrahiert wird.[34] Diese Beziehungen beinhalten nicht nur beliebige Unterschiede, sondern gegensätzliche Bestimmungen. Die Einheit von Gegensatz und Einheit bildet den bewegungsbestimmenden Widerspruch. Eine Systemform, die diese Dialektik enthält, müsste ein dialektisches System als Bewegungsform wesentlicher Widersprüche begreifen. 

Totalität Gesellschaft

Das Verhältnis Gesellschaft-Individuum[35]

Auch für den Gegenstand Gesellschaft (der die Spezifik der menschlichen Lebensweise im Unterschied zu tierischen Sozialformen enthält) und den Gegenstand Gesellschaftsform (der zusätzlich die innere Differenzierung verschiedener Gesellschaftsformen erfasst) gibt es die beiden Systemauffassungen: die wesenslogische Ganzheit und die begriffslogische Totalität. Die Gesellschaft/Gesellschaftsformation als Ganzheit zu erfassen ist eine Voraussetzung, die später aufgehoben wird. Auf dem Weg des Begreifens der Gesellschaft als Totalität (3.) werden die Stufen der Unmittelbarkeit (1..) und der Vermittlung (2.) durchlaufen.[36]

1. Nehmen wir also zunächst die Gesellschaft als Ganzes, dessen Teile die Individuen darstellen. Teile und Ganzes bilden dann ein „unmittelbares Verhältnis“[37]. Es gilt: „Die Teile sind voneinander verschieden und sind Selbständige“[38]. Solange wir Individuen als Teile des Ganzen Gesellschaft verstehen, betrachten wir sie so, als könnten sie auch ohne das Ganze existieren. Dies entspricht der Vorstellung des isolierten Individuums (Hobbes, Locke, Sozialisationskonzepte). Auch die Vorstellung der Gesellschaft als „Infrastruktur/Medium“[39] denkt die Vermittlung in unmittelbarer Weise noch so, als wäre das Medium eine Art Brei, in den die Menschen wie Rosinen eingebettet sind. Im unmittelbaren Verhältnis sind die Teile noch beliebig, nicht durch das Ganze gesetzt. Johann Erdmann kennzeichnet diese einfachste Vorstellung eines Verhältnisses als Ganzes und Teile als atomistische Vorstellung[40] und für sie gilt: „Das Ganze und die Teile ist das gedankenlose Verhältnis, auf welches die Vorstellung zunächst verfällt; oder objektiv ist es das tote, mechanische Aggregat, das zwar Formbestimmungen hat, wodurch die Mannigfaltigkeit seiner selbständigen Materie in einer Einheit bezogen wird, welche aber derselben äußerlich ist.“[41] Das bedeutet, dass zwei Betrachtungsformen möglich sind, die durch ein „Auch“ verbunden werden können: A) Die Existenz der Teile (Individuen) wird angenommen und ihr Allgemeines wird in einer ihnen äußerlichen Gemeinsamkeit (Gesellschaftlichkeit) gesehen. B) Die Gesellschaft, das Allgemeine wird als das real Existierende angenommen, welches die Teile (Individuen) aus sich heraus setzt. Dem entspricht die Vorstellung der sozialen Prägung, bei der die menschlichen Individuen ausweglos ihrer Gesellschaftsform unterworfen sind. Für die erste Deutung (A) steht beispielsweise das neoliberale Modell von Individualität und Gesellschaft (Margaret Thatcher: „Ich kenne keine Gesellschaft, sondern nur Individuen“), bei der in der Gesellschaft nicht mal ein Kooperationszusammenhang gesehen wird, sondern lediglich eine Ansammlung von Menschen. Das Individuum wird dann wiederum reduziert auf seine Anpassungsleistung an vorgegebene Regeln.[42]

2. Tiefer verstanden wird ein Verhältnis als ein dynamisches, wenn das gegenseitige Aufeinanderwirken der Momente in die Überlegung einbezogen wird. Weder die Teile, noch das Ganze sind dann wirklich selbständig. Beispielsweise sind die Glieder eines lebendigen Leibes das, was sie sind, nur in ihrer Einheit und verhalten sich gegen dieselbe keineswegs als gleichgültig[43]. Menschliche Individuen sind das, was sie sind, nur als gesellschaftliche Individuen. „Das Existierende ist [...] nur in einem Anderen, aber in diesem Anderen ist es die Beziehung auf sich“[44] Ein menschliches Individuum ist ein Individuum (Beziehung auf sich) nur in der Gesellschaft (Beziehung auf Anderes). Während die vorher vorgestellte Trennung und Selbständigkeit von Teilen und Ganzem nur in der Vorstellung existiert (abstrahiert von den wirklichen Zusammenhängen), ist das, was sich in seiner Beziehung auf Anderes bestimmt, wirklich, es ist Wirklichkeit. Nicht alles, was existiert, wird bei Hegel als „wirklich“ bezeichnet, sondern nur Erscheinungen, die Erscheinungen ihres Wesens sind. Alles Wirkliche ist Beziehung auf sich selbst durch das Andere hindurch. Wirkliches ist niemals isoliert. Wir haben vorhin davon gesprochen, dass in der abstrahierenden Vorstellung entweder die Individuen oder die Gesellschaft als existierend angenommen wurden und das jeweils Andere als ihr Äußerliches hinzugedacht werden. Als Wirkliches können beide Faktoren nicht mehr als einander Äußerliche genommen werden, sondern eins enthält die Bestimmungen des Anderen. „Es ist nichts im Ganzen, was nicht in den Teilen, und nichts in den Teilen, was nicht im Ganzen ist. Das Ganze ist dann nicht mehr abstrakte Einheit, sondern die Einheit als einer verschiedenen Mannigfaltigkeit; diese Einheit aber als das, worin das Mannigfaltige sich aufeinander bezieht, ist die Bestimmtheit desselben, wodurch es Teil ist.“[45]

In der Gesellschaftlichkeit beziehen sich die Individuen aufeinander, sie ist die Bestimmtheit der Individuen. Die Beziehungen zwischen Individualität und Gesellschaftlichkeit sind keine äußerlichen Beziehungen zwischen statischen Dingen, sondern die Momente Individualität und Gesellschaftlichkeit sind jeweils ein dynamisches Verhältnis zwischen sich selbst und dem jeweiligen Anderen.

3. Bisher wurde die Dynamik strukturell betrachtet. Die Wirklichkeit als wesentliche Erscheinung ist ein dynamisches strukturelles Verhältnis seiner Momente. Es wir deutlich, „dass die aneinander Gebundenen in der Tat einander nicht fremd, sondern nur Momente eines Ganzen sind, deren jedes in der Beziehung auf das andere bei sich selbst ist und mit sich selbst zusammengeht.“[46] Dieses In-Sich-Zurückgehen aus dem Anderen zeigt, dass die Vermittlung sich aufhebt in eine Einheit, die nun die Mannigfaltigkeit ihrer Beziehungen zum Anderen selbst enthält. Diese Einheit wird als „Totalität“ bezeichnet, sie ist von nichts ihr Äußerlichem mehr abhängig. Erst ein Gegenstand, der als Totalität begriffen ist, kann als frei verstanden werden, weil er „durch sich selbst ist“, bzw. „von selbst ist“; d.h. nicht verursacht bzw. abhängig von Anderem.[47]. Etwas als Totalität zu begreifen bedeutet dann, es aus seinen eigenen Bestimmungen und Zusammenhängen zu erklären, als etwas, was sich selbst bedingt.[48] Mit diesem Schritt geht Hegel über das hinaus, was häufig als „Dialektik“ betrachtet wird wird. Es geht nicht mehr nur um „Relatives, bedingt durch Anderes und Anderes bedingend“[49], sondern das „Bedürfnis der begreifenden Vernunft schreitet über diesen Standpunkt der bloßen Relativität hinaus“ [50].

Hegel nennt „das eigene Selbst des Gegenstandes [...], das sich als sein Werden darstellt“[51], den Begriff und die Sphäre der Begriffslogik ist deshalb auch die „Sphäre der Freiheit“[52]. Es geht darum, dass die Totalität ihre Bestimmungen aus sich selbst heraus setzt, aus dem inneren Zusammenhang, der inneren Struktur. Indem etwas nur noch seiner inneren Notwendigkeit folgt, ist es frei von einer Abhängigkeit von Anderem. Es setzt alle Veränderungen aus sich selbst heraus und ist somit Subjekt. Dabei bleibt es bei sich selbst[53]; es wird nichts Anderes, was noch außerhalb seiner wäre. „Entwicklung“ ist für Hegel kein zeitlicher Begriff einer Zustandsveränderung, sondern der (logische) Prozess, bei dem eine innere Bestimmung, eine an sich vorhandene Voraussetzung sich zur Existenz bringt.[54] Eine Totalität ist also nichts statisch-Identisches, sondern die widersprüchliche Bewegung des Verhältnisses ihrer selbst mit der widersprüchlichen Bewegung ihrer Momente.

Die Entwicklung eines Begriffs in seiner inneren Notwendigkeit kann in der Dialektik von Allgemeinem, Einzelnen und Besonderen erfasst werden, denn der Begriff der Sache ist „das in ihr selbst Allgemeine“[55]. Das Allgemeine steht den Besonderen nicht als äußerliches und unveränderliches System gegenüber, sondern das Allgemeine besondert sich selbst und da die Besonderungen durch es selbst gesetzt sind, ist die Beziehung zu seinen Besonderen auch die Beziehung auf sich selbst. Diese Art Verhältnis ist insbesondere bei Menschen gegeben: Die allgemeine Natur eines Menschen (die Erdmann wie Hegel in der Vernunft sieht) betätigt sich vermittels seiner besondern Art (seines „Naturells“) in ihm; „deshalb ist er ein bestimmter concreter Character und darin gerade bei sich“[56]. Jeder Einzelne hat das Allgemeine in sich, und das Allgemeine besondert sich in den Einzelnen. Für den Einzelnen gilt, dass er umso einzigartiger wird, je mehr er sich mit dem allgemeinen Inhalt erfüllt. [57] Jedes Individuum ist umso mehr individuell als es das Gesellschaftliche in seiner spezifischen Weise ausdrückt. Für die Gesellschaft lassen sich die Unterschiede zwischen Totalität und Ganzem, wie in der Tabelle 3 gezeigt, konkretisieren.

Gesellschaft als Totalität

Gesellschaft als Ganzes

Gesellschaft und Individuum sind Resultat und Ausgangspunkt von Entwicklung – selbst immer historisch konkret.

Gesellschaft bzw. Individuum existieren, sind aber unabhängig voneinander gesetzt. (Woher, bleibt unklar).

Individuen sind gesellschaftliche Individuen.

Individuen haben die Gesellschaftlichkeit als etwas Äußerliches gegen/neben sich.

Gesellschaftlichkeit und Individualität sind Momente, die einander entgegengesetzt sind, von denen gleichzeitig jedes das andere enthält.

zwei Sichtweisen: A) Individuum existiert, die Gesellschaft ist nur gedanklich erzeugt, oder sekundär erzeugt. B) Gesellschaft existiert, das Individuelle ist davon abgeleitet.

Zweigleisige Vermittlung: Die Individuen konstituieren die Gesellschaft – die Gesellschaft prägt die Individuen. Eventuell durch ein „auch“ verbunden. („Einerseits“-„Andererseits“)

Individuen wie auch Gesellschaft werden als in sich widersprüchlich bestimmt genommen.

Individuen wie auch Gesellschaft werden als abstrakte Identität genommen.

Gesellschaftlichkeit und Individualität sind nicht nur „für-andere“, sondern Einheit des „An- und für-sich“. Wechselseitige Vermittlung in ihrem jeweiligen Werden.

Das Gesellschaftliche ist, was es ist, durch die Individuen (nicht durch sich selbst) und die Individuen sind, was sie sind, durch das Gesellschaftliche (nicht durch sich selbst).

Aus innerer Notwendigkeit getriebene Entwicklung, bei der die Totalität bei sich bleibt (nicht außer sich gerät), und ihre innere Bestimmung zur Existenz bringt. Dabei ist jedes Individuum eine Totalität, ebenfalls die Gesellschaft.

Identische Selbstreproduktion des Individuums, und identische Selbstreproduktion der Gesellschaft.

Zusammenhänge und Beziehungen werden als notwendige und wesentliche Beziehungen charakterisiert, die sich auf die Selbstbewegung des Gegenstands gründen. Der Gegenstand wird erklärt aus seinen eigenen Bestimmungen und Zusammenhängen, als sich selbst bedingend.

Zusammenhänge und Beziehungen werden als geltend hingenommen.

Tab. 3: Der Unterschied zwischen Gesellschaft, begriffen als Totalität, und Gesellschaft, erfasst als Ganzes

Der Totalitätsgedanke überwindet damit die Vorstellung des Neben- oder Nacheinander von Gesellschaftlichkeit und Individualität. Gesellschaftlichkeit ist nur wirklich als Gesellschaftlichkeit menschlicher Individuen und Menschen sind wirklich gesellschaftliche Individuen. Die beiden Momente, die erst neben- oder gar gegeneinander vorgestellt wurden, sind nun so ineinander verwoben, dass jedes das andere enthält. Dieses Ineinanderverwobensein ist kein ununterscheidbarer Brei, sondern eine in sich differenzierte Mannigfaltigkeit, die sich zeigt als Bewegung, bei der die Totalität ihre eigenen (ihr wesenslogisch entgegenstehenden) Momente aus sich heraus setzt. Gesellschaft ist kein statisch-Gegebenes, sondern der Prozess der Herausentwicklung ihrer Besonderungen. Gesellschaft wird – wie wir es oben für die dialektische Systemsicht allgemein forderten – als Bewegungsform ihrer wesentlichen widersprüchlichen Momente begriffen.

Die Systemhaftigkeit des konkret-Allgemeinen ist als Verhältnis zu fassen. Es geht nicht mehr um Dinge, auch nicht nur um Prozesse und Bewegungen („Verflüssigung“), sondern um Verhältnisse, wobei die Beziehung auf sich und die Beziehung auf Anderes als Einheit gefasst wird. [58]

Die wirkliche Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die durch das Handeln menschlicher Individuen gebildet wird – wirkliche Individuen sind gesellschaftliche Individuen. Als Selbständige, voneinander Getrennte erscheinen diese beiden Sphären (das Individuelle und das Gesellschaftliche) nur in der abstrahierenden Vorstellung und der abstrahierenden Wahrnehmung. Eine Gesellschaftstheorie, die diese abstrahierte Getrenntheit abbildet, „verdoppelt“ diese Geschiedenheit. Eine kritische Gesellschaftstheorie dagegen sucht nach jenen „inneren Mechanismen“, über die individuelles Handeln gesamtgesellschaftlich wirksam werden kann, sie hinterfragt die Getrenntheit und findet und erklärt die Zusammenhänge zwischen den Individuen und zwischen Individuen und Gesellschaft in der Struktur, dem Wesen der Gesellschaft, wie sie sich über die das Handeln der Individuen auf sich selbst bezieht und wie die Individuen sich durch ihr gesellschaftliches Handeln selbst erzeugen.

Abb. 4: Besonderung der menschlichen Gesellschaftlichkeit

Gesellschaftlichkeit bei Hegel und Marx

Selbstverständlich haben Hegel und auch Marx die Gesellschaft als konkret Allgemeines betrachtet.

Hegel bearbeitete dieses Thema unter dem Titel des „Objektiven Geistes[59]“ in der „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil“[60] und es ist auch Gegenstand der „Grundlinien der Philosophie des Rechts“[61]. Geschichtliche Aussagen trifft er in den „Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte“[62]. Viele Aussagen über Hegels Denken zeugen von Unkenntnis  dieser Schriften[63]. Über seine Intensionen mag hier in aller Kürze der Teil eines Gedichts zeugen, das er kurz vor seinem Tod schrieb[64]:

Und käm’s, wie’s längst mich drängt, doch loszuschlagen,

So wär’ Dein Ruf ein Pfand, es noch zu wagen,

Mit Hoffnung, dass noch Geister ihm entgegenschlagen,

Und dass es nicht verhall’ in leere Klagen,

Dass sie's zum Volk, zum Werke tragen!

In der Gesellschaftstheorie von Hegel zeigt sich eine differenzierte Sicht, die in der Betrachtung des Verhältnisses der Individuen untereinander und zur Gesellschaft dem Weg „vom Abstrakten zum Konkreten“ folgt. Während im Bereich des Rechts (1. Sphäre entsprechend Abb. 1) die Individuen nur als einander gleichartige, vor dem Recht gleiche „Personen“ ohne individuelle Besonderheiten vorkommen (was die Grundlage ihrer Rechte und Freiheiten ist), werden sie in der Welt der Moralität zu „Subjekten“, deren Differenz das Wesentliche ist[65] (2. Sphäre). In der dadurch gegebenen Möglichkeit der individuellen Selbstbestimmung liegt dann ihre Gemeinsamkeit. Den höchsten Zustand der Menschlichkeit, die Sittlichkeit (3. Sphäre) ist dann begriffen, wenn wir sehen, dass die individuelle Selbstbestimmung nicht willkürlich und beliebig ist, sondern sich begründet aus den Vermittlungen mit den anderen und der gesellschaftlichen Totalität. Im sittlichen Staat sieht Hegel eine „einz[elne] Gesellschaft von Freien“[66], wobei Hegel selbstverständlich anerkennt, dass es existierende Staatsgebilde gibt, die diesem Begriff nicht entsprechen – und dass er dies für seine Gegenwart auch annimmt, zeigt sich deutlich in dem Gedicht.

Zeitlich verändern sich die „Gestalten“ des Geistes, d.h. der wirklichen Welt „in welcher der Riss zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven aufgehoben ist“[67]. In der gesellschaftlichen Entwicklung gibt es, im Unterschied zu den zeitlichen Veränderungen in der Natur, besondere Widersprüche durch die Wirkung von Bewusstsein und Willen.[68] Und obwohl nach Hegel der tendenzieller Geschichtsverlauf ein „Stufengang der Entwicklung des Prinzips, dessen Gehalt das Bewußtsein der Freiheit ist“[69], gibt es bei ihm explizit die Unterscheidung zwischen dieser Tendenz und dem realen Verlauf der Geschichte, die nicht rein logisch vorherbestimmt ist, sondern von historischen Voraussetzungen abhängt.

Der junge Karl Marx fand seine Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen ebenfalls getragen vom Hegelschen Werk, besonders in der Möglichkeit, Kritik zu begründen: „Das Beschränkte kann durch seine eigene Wahrheit die in ihm liegt, angegriffen und mit dieser in Widerspruch gebracht werden; es gründet seine Herrschaft nicht auf Gewalt Besonderer gegen Besondere, sondern auf Allgemeinheit; diese Wahrheit, das Recht, die es sich vindiziert, muß ihm genommen und demjenigen Teile des Lebens, das gefordert wird, gegeben werden.[70] Wie Sahra Wagenknecht analysiert[71], entwickelte Marx in seinen Frühschriften das abstrakte Menschenbild von Feuerbach weiter (ihm Sinnlichkeit und Gegenständlichkeit gab), und verwendete dieses als überhistorisches „Gattungswesen“ als Maßstab der Kritik der ihn umgebenden Gesellschaftlichkeit: „Wir müssen also das Maß des Wesens der inneren Idee an die Existenz der Dinge legen [...]“. [72] Nach dem Maßstab eines unentfremdeten Gattungswesen zeigt sich die existierende Gesellschaftsform für ihn als „entfremdet“. Diese Form der Kritik verließ Marx später; der Maßstab der Gesellschaftlichkeit „muß aus der Natur der jeder Produktionsweise eigenthümlichen Verhältnisse, nicht aus ihr fremden Vorstellungen entlehnt werden.“[73] Die Analyse des „Kapital“ als wesentlichem Verhältnis seiner und unserer Zeit orientiert nun auf die inneren Widersprüche der gegebenen Gesellschaftsform, aber durchaus mit der Absicht, über diese hinaus zu einem „foreshadowing der Zukunft[74] zu gelangen. Es geht darum, „die jetzigen Bedingungen der Produktion als sich selbst aufhebende und daher als historische Voraussetzungen für einen neuen Gesellschaftszustand setzende“ [75]zu begreifen.

Diese Arbeit bleibt uns weiterhin aufgegeben.

 

 



[1] „Wir müssen unterscheiden zwischen gesamtgesellschaftlicher Kooperation als Wesensbestimmung der menschlichen Lebensgewinnungsform überhaupt und Kooperationen auf Handlungsebene als interpersonalem Prozess zwischen Individuen.“ (Klaus Holzkamp: Grundlegung der Psychologie. Campus, Frankfurt am Main, New York, 1985, S. 325, kursiv von A.S.) Zur näheren Bestimmung von Interaktion und personaler Kooperation in ihrer Differenz gegenüber der Gesellschaftlichkeit siehe auch Annette Schlemm: Jeder Mensch ist natürlich gesellschaftlich. 2001. Internet: http://www.thur.de/ philo/kp/naturmensch.htm (2008-02-30) und Stefan Meretz: Der wilde Dschungel der Kooperation. In: Christoph Spehr (Hrsg.): Gleicher als andere. Eine Grundlegung der freien Kooperation. Karl Dietz Verlag, Berlin, 2003, S. 144-152.

[2] Klaus Holzkamp: Grundlegung der Psychologie. A.a.O., S. 184.

[3] Hans-Gert Gräbe, Stefan Meretz: Debatte. In Meretz, Stefan: Der wilde Dschungel der Kooperation. Internet http://http://www.opentheory.org/dschungel/text.phtml (2008-02-11) 2002.

[4] Karl Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. Dietz-Verlag Berlin, 1988, S. 86.

[5] „Die Warenproduzenten produzieren gegenseitig füreinander, also gesellschaftlich, aber sie produzieren nicht miteinander, sondern privat. Jeder Produzent arbeitet „für sich“ in einem rein technischen Sinne, jedoch gleichzeitig nicht „für sich“ im Sinne des herzustellenden Gebrauchswerts. Daß er technisch für sich (privat) arbeitet, jedoch sozial-ökonomisch für andere (gesellschaftlich), schlägt sich für ihn als --- Abstraktionsprozeß seiner eigenen Arbeit nieder, der sich auf das Produkt überträgt.“ (Robert Kurz: Abstrakte Arbeit und Sozialismus. Zur Marx'schen Werttheorie und ihrer Geschichte. Marxistische Kritik Nr. 4, Dez. 1987, S. 99 f.)) Marx fasste die Folgen dieses Zustands unter dem Begriff der Entfremdung zusammen: „Der Gegenstand, den die Arbeit produziert, ihr Produkt, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine von dem Produzenten unabhängige Macht gegenüber.“ (Karl Marx: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke Band 40, Dietz-Verlag, Berlin, 1990, S. 511) Dies führt zur Entfremdung des Individuums von sich selbst, zur Entfremdung gegenüber anderen Menschen, gegenüber der gesamten Menschheit und gegenüber seiner inneren und äußeren Natur.

[6] Karl Marx: Das Kapital. A.a.O., S. 74.

[7] Adam Smith: Reichtum der Nationen. Voltmedia, Paderborn, S. 26.

[8] vgl. auch Annette Schlemm: Jeder Mensch ist natürlich gesellschaftlich. A.a.O.

[9] Nominalismus: Denkströmung, bei der nur die Existenz des Einzelnen anerkannt wird und alles Allgemeine und alle Zusammenhänge als sekundäre, nachträgliche Erscheinungen angesehen werden. Die Annahme, dass die Welt auf eine solche Weise strukturiert sei, ist die Grundlage für analytische Konzepte wie jenes von Bertrand Russell (Bertrand Russell: Philosophie. Die Entwicklung meines Denkens. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1992, S. 13, 72) und der im 20. Jahrhundert sehr starken Analytischen Philosophie. Auch die Postmoderne beruht auf einer weitgehenden Ablehnung von realen und übergreifenden Zusammenhängen.

[10] Karl Marx: Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. A.a.O., S. 538.

[11] Ebd., S. 425.

[12] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik I. Auf d. Grdl. der Werke von 1832-1845 neu ed. Ausg., Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., S. 18.

[13] Ebd., S. 25, 74.

[14] Ebd., S. 56, vgl. auch Annette Schlemm: Seins-, Wesens- und Begriffslogik bei Hegel. 2002. http://www.thur.de/philo/hegel/hegel3.htm. (2007-10-16) und Annette Schlemm: Wie wirklich sind Naturgesetze? Auf Grundlage einer an Hegel orientierten Wissenschaftsphilosophie. LIT-Verlag, Münster, 2005, S. 133 ff.; Bezeichnungen. Bezeichnungen in Anführungsstrichen nach Johann Eduard Erdmann: Grundriss der Logik und Metaphysik. Verlag von H.W. Schmidt, Halle, 1864.

[15] Johann Eduard Erdmann. Grundriss der Logik und Metaphysik. A.a.O., S. 8-9.

[16] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 1986, S.286.

[17] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Nürnberger und Heidelberger Schriften. Werke in 20 Bänden; Band 4. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1970, S. 413. Schon in einer frühen Schrift benennt Hegel primär diese zweite Sphäre der Vermittlung als Dialektik: „Das Dialektische ist die Bewegung und Verwirrung jener festen Bestimmtheiten, - die negative Vernunft Das Spekulative ist das positiv Vernünftige, das Geistige, erst eigentlich Philosophische.“ (Ebd., S. 413; vgl. auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1986, S. 176) Dies könnte als Rechtfertigung dafür gelten, bei diesem zweiten Schritt des logischen Fortgangs bei Hegel stehen zu bleiben und die dritte Sphäre als nicht mehr zur Dialektik gehörende abzuwerten (als „idealistische Spekulation“ oder „Totalitarismus“) und beim eigenen Bezug auf Dialektik unberücksichtigt zu lassen. Hegel betont allerdings berechtigterweise, dass die Vermittlungen und dialektischen Beziehungen und Wechselwirkungen in der zweiten Sphäre ihren Grund in der dritten Sphäre, der Selbstbewegung des Begriffs, d.h. der Totalität des Ausgangsgegenstands, haben (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik II. Auf d. Grdl. der Werke von 1832-1845 neu ed. Ausg., Suhrkamp Verlag, Frankfurt a.M., 1990, S. 557 ff.), so dass in der zweiten Sphäre nicht stehen geblieben werden kann.

[18] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Nürnberger und Heidelberger Schriften. A.a.O., S. 413.

[19] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. Werke in 20 Bänden; Band 3. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1970, S. 82 ff..

[20] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wer denkt abstrakt. Werke in 20 Bänden; Band 2. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1970, S. 575 ff..

[21] Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Band 42. Dietz Verlag, Berlin, 1983, S. 35. Marx fügt hinzu, dass diese Methode „keinesfalls aber der Entstehungsprozeß des Konkreten selbst“ ist. Dies würde auch Hegel so sehen. Hegels „Entäußerung“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Nürnberger und Heidelberger Schriften. A.a.O., S. 11, Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. A.a.O., S. 575) ist an keiner Stelle als „reales Entstehen“ misszuverstehen. Hegel spricht auch selbstverständlich vom „Voraussetzen der Welt als selbständiger Natur“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. A.a.O., S. 29). Aber von dieser Natur, wie sie ohne das menschliche Erkennen wäre, können wir nicht sprechen. Ob wir es wollen oder nicht: Begreifende Wesen finden die Welt als eine vorausgesetzte ebenso vor, wie sie ihr „geistig Konkretes“ im Erkenntnisprozess tatsächlich erzeugen und von daher dann wieder die vorausgesetzte Welt zu erkennen suchen. (vgl. Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. A.a.O., S. 34). Diese ständige Doppelläufigkeit wird bei Hegel immer mit gedacht, und seine Formulierungen sind leider sehr missverständlich. Es gibt aber auch deutliche Anmerkungen, die zeigen, dass es Hegel in durchaus materialistischer Weise darum geht, „die Natur zu erkennen, wie sie ist“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesung über Naturphilosophie 1821/22. Nachschrift von Boris von Uexküll. Peter Lang. Europäischer Verlag der Wissenschaften, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien,  2002, S. 9; :9, vgl. dazu auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Religion. In: G.W.F. Hegel Werke in 20 Bänden. Band 16. Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag 1970, S. 17 f.).

[22] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. A.a.O., S. 286.

[23] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. A.a.O., S. 169.

[24] Karl Marx: Die moralisierende Kritik und die kritisierende Moral. In: Karl Marx, Friedrich Engels. Werke Band 4. Dietz-Verlag, Berlin, 1959, S. 339.

[25] Dabei ist die Präferenz der Gestaltbildung kontextabhängig: zu Ostern sehen 77% der Menschen in diesem Bild einen Hasen, im Herbst sehen dagegen 88% einen Vogel (Ente, Gans, Storch).

[26] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. A.a.O., S. 286.

[27] Karl Marx: Zur Judenfrage. In: Karl Marx, Friedrich Engels. Werke Band 1. Dietz-Verlag, Berlin, 1961. S. 361.

[28] Zur Kritik dazu siehe Camilla Warnke: Die “abstrakte” Gesellschaft. Berlin: Akademie-Verlag, Berlin, 1974 und Annette Schlemm: Ersetzt Selbstorganisationsdenken die Dialektik? In: Vorschein Nr. 25/26. Jahrbuch 2004/2005 der Ernst-Bloch-Assoziation (Hrsg.: Doris Zeilinger). ANTOGO-Verlag, Nürnberg, 2006, S. 127-158. (Internet: http://www.thur.de/philo/project/salecina/salecina.htm) (2008-02-05).

[29] Klaus Eder (1973): Einleitung. In: Seminar: Die Entstehung von Klassengesellschaften. Hrg. von Klaus Eder. Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1973. S. 7-11; Klaus Eder: Komplexität, Evolution und Geschichte. In: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Beiträge zur Habermas-Luhmann-Diskussion. Suhrkamp, Frankfurt am Main,. 1975, S. 9-43; Wolfgang Hofkirchner: Information und Selbstorganisation – Zwei Seiten einer Medaille. In: Fenzl, N., G. Stockinger (Hg.): Information und Selbstorganisation. Annäherungen an eine vereinheitliche Theorie der Information. Studienverlag, Innsbruck, 1998, S. 69-102.

[30] Vgl. auch Annette Schlemm: Typen von Systemen: Ganzheit und Totalität. (2002). Internet: http://www.thur.de/philo/hegel/hegel6.htm. (2008-02-05), Annette Schlemm: Verhältnis Teile-Ganzes. (2003) Internet: http://www.thur.de/philo/project/salecina/ganzes.htm. (2008-02-05).

[31] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Werke in 20 Bänden; Band 3. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1970, S. 197.

[32] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik II. A.a.O., S. 65.

[33] Vgl. Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. A.a.O., S. 35.

[34] Auf jeder empirisch-historischen Stufe der Entwicklung und Erkenntnisfähigkeit der Menschen wird das Ausmaß der erkannten Beziehungen begrenzt sein. Ebenfalls gilt es, die Wirkung der begrenzten maximalen Wirkungsausbreitungsgeschwindigkeit im Universum zu berücksichtigen, worauf Herbert Hörz hinweist. Trotzdem behauptet die Annahme der Totalität, dass es keine grundsätzlichen „Trennwände“ oder unüberwindbare  Klüfte zwischen verschiedenen Gegenständen gibt. Inzwischen gelingt es z. B. bereits, Wissen über die eventuelle Existenz von anderen Universen zu gewinnen, die keine direkte physikalische Verbindung mit unserem haben. Allein dass wir aus der Erkundung unseres Universums indirekt ernsthaft auf ihre mögliche Existenz hingewiesen werden, zeigt die Nichtisolierbarkeit wirklicher Seinsbereiche.

[35] Explizit behandelt Hegel das Verhältnis des Individuellen zum menschlich Allgemeinen vor allem in der „Phänomenologie“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. A.a.O.), die hier aus systematischen Gründen nicht berücksichtigt wurde. Mehr hierzu siehe z.B. in Sahra Wagenknecht: Vom Kopf auf die Füße? Zur Hegelkritik des jungen Marx oder das Problem einer dialektisch-materialistischen Wissenschaftstheorie. Pahl-Rugenstein, Bonn, 1997, S. 56 ff..

[36] Wir müssen dabei berücksichtigen, dass Hegel keinesfalls Aussagen über reale empirische gesellschaftliche Zustände macht, sondern sein Thema ist die Philosophie der Gesellschaft (bei ihm genannt: „des Geistes“), der es um das konkret allgemeine Verständnis der gesellschaftlichen Prinzipien geht. Dass in empirisch vorfindbaren gesellschaftlichen Zuständen diese Prinzipien mehr oder weniger erfüllt sein können, thematisiert Hegel z.B. in seiner „Weltgeschichte“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. In: G.W.F. Hegel: Werke in 20 Bänden. Band 12.. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1970.).

[37] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. A.a.O., S. 267.

[38] Ebd..

[39] Hans-Gert Gräbe, Stefan Meretz: Debatte. A.a.O.

[40] Johann Eduard Erdmann: Grundriss der Logik und Metaphysik. A.a.O. S. 92.

[41] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik II. A.a.O. S. 172.

[42] Vgl. Heribert Zingel: Die Sozialphilosophie des Neoliberalismus. Einige Anmerkungen. In: Bildungsmaterial „Neoliberalismus und Wirtschaftstheorien – „Vom wirtschaftlichen Glücksversprechen“. Bildungszentrum Sprockhövel. O.J.

[43] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. A.a.O., S. 268.

[44] Ebd., S. 267.

[45] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik II. A.a.O., S. 169.

[46] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. A.a.O., S. 303.

[47] Vgl. Johann Eduard Erdmann: Grundriss der Logik und Metaphysik. A.a.O., S. 110, Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. A.a.O., S. 26.

[48] Camilla Warnke: Gesellschaftsdialektik und Systemtheorie der Gesellschaft im Lichte der Kategorien der Erscheinung und des Wesens. In: Heidtmann, B., Richter, C., Schnauß, G., Warnke, C.:Marxistische Gesellschaftsdialektik oder „Systemtheorie der Gesellschaft“? Akademie-Verlag, Berlin, S. 39.

[49] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. A.a.O., S. 254.

[50] Ebd..

[51] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. A.a.O., S. 57.

[52] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik II. A.a.O., S. 240. Freiheit besteht nicht in Willkürlichkeit und Unabhängigkeit von anderen, sondern: „Die Freiheit des Geistes ist aber nicht bloß eine außerhalb des Anderen, sondern eine im Anderen errungene Unabhängigkeit vom Anderen, kommt nicht durch die Flucht vor dem Anderen, sondern durch dessen Überwindung zur Wirklichkeit.“ (Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. A.a.O., S. 26)

[53] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. A.a.O., S. 309.

[54] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. A.a.O., S. 309; vgl. auch Annette Schlemm: Dass nichts bleibt, wie es ist…Die Dialektik der Entwicklung bei Hegel. Vortrag auf der Tagung der Tagung der Ernst-Bloch-Assoziation in Berlin im November 2007. Erscheint in der Zeitschrift VorSchein Nr. 30. Jahrbuch 2008 der Ernst-Bloch-Assoziation (Hrsg.: Doris Zeilinger). Nürnberg: ANTOGO Verlag 2008. Internet: (Internet: http://www.thur.de/philo/hegel/hegelvortrag2.htm) (2008-02-25)

[55] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Wissenschaft der Logik I. A.a.O., S. 26.

[56] Johann Eduard Erdmann: Grundriss der Logik und Metaphysik. A.a.O., S. 123.

[57] Ebd., S. 124.

[58] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. A.a.O., S. 267.

[59] Geist ist für Hegel kein subjektiver bzw. ideeller Begriff. Den Begriff des Geistes verwendet Hegel an einer Stelle seiner Ausführungen, an der die Unterscheidung von subjektiv und objektiv bereits überwunden ist, an der davon ausgegangen werden kann, dass die Welt selbst vernünftig ist und sich im Geist deshalb die Vernünftigkeit der Welteinrichtung und damit im unlöslichen Zusammenhang auch deren Erkenntnis im Bewusstsein der Menschen zeigt.

[60] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil. A.a.O..

[61] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. Werke in 20 Bänden; Band 7. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1970.

[62] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. In: G.W.F. Hegel: Werke in 20 Bänden. Band 12. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1970.

[63] Zu großen Missverständnissen kommt es vor allem, wenn die Hegelschen Begriffe und Kategorien einfach mit unserer umgangssprachliche Verwendung der Worte verwechselt wird. So ist Hegels „bürgerliche Gesellschaft“ nur jener Teil dessen, was wir heute „Gesellschaft“ nennen, der sich Wirtschaft im weitesten Sinne, also die Tätigkeiten zur Bedürfnisbefriedigung dreht; was für ihn der wahre „Staat“ ist, hat nur wenig mit dem politischen Gebilde zu tun, den wir „Staat“ nennen und „Sittlichkeit“ ist gerade die Überschreitung des bloß-Moralischen. Es ist auch zu bedenken, dass es Hegel nicht um eine reine Beschreibung des Existierenden geht, sondern um eine (philosophische) Begründung von Grundprinzipien (Wesenszügen, dem Begriff als Darstellung der Totalität), die sich immer nur beschränkt in den existierende Erscheinungen zeigen.

[64] Nach Wilhelm Raimund Beyer: Hegel und das Kreuzberger Völklein. In: Hegel: Natur und Geist. Ausstellungsführer der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin 14. Red. Andreas Arndt u. Wolfgang Virmond. Germinal, Bochum, S. 77-87, 1988. S. 77. Ich danke Eckhard Siepmann für den Hinweis auf dieses Gedicht und den Quellennachweis.

[65] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. A.a.O., S. 204.

[66] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts. A.a.O., 109.

[67] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. A.a.O., S. 145, 325.

[68] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. A.a.O., S. 75.

[69] Ebd..

[70] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Frühe Schriften. Die Verfassung Deutschlands. Werke in 20 Bänden; Band 1. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1970, S. 459.

[71] Sahra Wagenknecht: Vom Kopf auf die Füße? Zur Hegelkritik des jungen Marx oder das Problem einer dialektisch-materialistischen Wissenschaftstheorie. A.a.O.

[72] Karl Marx: Debatten über die Preßfreiheit. In: Karl Marx, Friedrich Engels. Werke Band 1. Dietz-Verlag, Berlin, 1961, S. 49.

[73] Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. Erste Ausgabe (1867). Gesamtausgabe. Zweite Abteilung. Band 5. Berlin: Dietz Verlag 1983.

[74] Karl Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. A.a.O., S. 373.

[75] Ebd..

 

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