Hegels Naturphilosophie

1. Hegelsche Naturphilosophie

1.1 Einleitung

Auch Hegels Naturphilosophie ist vor allem aus ihrer Stellung im Gesamtsystem heraus verständlich. Sie dient hier als „Vermittlung  zwischen der Wissenschaft der Logik und der Philosophie des (subjektiven) Geistes“ (Meyer 1989, S. 18). Naturphilosophie soll Natur nicht empirisch, wie die Physik oder Naturgeschichte erkennen, sondern aus dem Gedanken ableiten, womit auch unterstellt ist, dass Vernunft in der Natur ist[1], nicht nur im Geist.

In der Einleitung zur Naturphilosophie trägt Hegel Standpunkte vor, die sich erst aus dem Gesamtsystem ergeben (siehe auch Abschnitt zur Philosophie des Geistes). Nicht Natur ist demnach das Höchste, Umfassendste der Welt – sondern Geist.[2] Diesem gegenüber, bzw. seinem endlichen Moment, der Idee, ist Natur lediglich ein Anderes[3] (Enz.II, S. 24). Trotzdem ist es dem erkennenden Geist bereits möglich, nicht nur das Andere, sondern sich selbst in der Natur zu erkennen – in der Naturphilosophie (ebd.). „Die denkende Naturbetrachtung muß betrachten, wie die Natur an ihr selbst dieser Prozeß ist, zum Geiste zu werden, ihr Anderssein aufzuheben.“ (ebd., S. 25). Bereits die verschiedenen Stufen der Natur lassen eine Entwicklung[4] hin zum Geiste ausmachen. „Als Natur als solche kommt in ihrer Selbstverinnerlichung nicht [...] zum Bewußtsein ihrer selbst. [...]erst der Mensch erhebt sich über die Einzelheit der Empfindung zur Allgemeinheit des Gedankens, zum Wissen von sich selbst, zum Erfassen seiner Subjektivität, seines Ichs, - mit einem Worte: erst der Mensch ist der denkende Geist und dadurch, und zwar allein dadurch, wesentlich von der Natur unterschieden.“ (Enz. III, S. 25).

Diese philosophische Betrachtung setzt die empirische Naturwissenschaft bereits voraus. Sie übernimmt beispielsweise das aus der Physik „überlieferte verständige Allgemeine“ und übersetzt es in Begriffe, „indem sie zeigt, wie es als ein sich selbst notwendiges Ganzes aus dem Begriff hervorgeht“ (Enz. II, S. 20). Vom umfassenden Horizont des Begriffs bzw. des Geistes aus lässt sich die Natur noch einmal charakterisieren. Während im Geist Begriff und Wirklichkeit übereinstimmt, fallen sie in der Natur noch auseinander. Während im Geist die Freiheit herrscht, so in der Natur die Notwendigkeit und Zufälligkeit (Enz. III, S. 19, 27). Während im Geist die Äußerlichkeit und Endlichkeit des Daseins überwunden ist, ist es dies für die Natur noch nicht.

Die Erkenntnisweisen, wenn sie nur auf diese Natur gerichtet sind, will Hegel überwinden. Wissenschaftskritik mündet bei ihm nicht in der Forderung einer anderen Wissenschaft über Natur, die nicht Philosophie wäre, sondern im Fortgang des Systems selbst, der sich zeigt in der „Übersetzung“ des von der empirischen Wissenschaft gelieferten verständig Allgemeinen in der Naturphilosophie und darüber hinaus noch im Fortgang zur Philosophie des Geistes.

Natur ist selbst an sich Geist. An dem, was eventuell ontologisch als Natur existiert, hat Hegel keine Kritik, er betont eher ihre Potenzen, das Enthaltensein des „An sich“ des Geistes in ihr. Als ungenügend kennzeichnet er allerdings die physikalischen Denkbestimmungen. „α) Das Allgemeine der Physik ist abstrakt oder nur formell; es hat seine Bestimmung nicht an ihm selbst oder geht nicht zur Besonderheit über. β) Der bestimmte Inhalt ist eben deswegen außer dem Allgemeinen, damit zersplittert, zerstückelt, vereinzelt, abgesondert, ohne den notwendigen Zusammenhang in ihm selbst, eben darum nur als endlicher.“ (Enz. II, S. 21). Diese Verstandesreflexion wird von Hegel ausdrücklich als einseitig kritisiert und im Unterschied dazu eine „Befreiung der Natur“ (ebd., S. 23) angestrebt.

Dazu muss allerdings das theoretische Verhalten, bei dem die Allgemeinheit ohne Bestimmtheit wäre und das praktische Verhalten, bei dem die Einzelheit ohne Allgemeines bestünde, durch das begreifende Erkennen vermittelt werden. Die Allgemeinheit soll nicht ein Diesseits gegen die Einzelheit der Gegenstände bleiben, sondern es soll sich negativ gegen die Dinge verhalten, in dem es dieselben assimiliert, in ihnen die Einzelheit findet und darin die Dinge gewähren und frei in sich bestimmen lässt (ebd.).

Auch dieser Prozess erfolgt in mehreren Stufen., der Mechanik, der Physik und der Organik.[5] In dieser Stufenfolge lässt sich auch die „Abfolge zunehmender Annäherung an die >wahre< Form des Gesetzes“ (Kalenberg 1997, S. 36) finden.

1.2 Inhalt der Naturphilosophie

1.2.1 Mechanik

In der Mechanik der Naturphilosophie entwickelt Hegel wie üblich aus den unmittelbarsten und abstraktesten Bestimmungen ein Konkretes – hier „die sich selbst bewegende Materie“ (Enz. II, S. 41).

Nach der Entwicklung der Kategorien des Orts und der Bewegung aus jenen von Raum und Zeit entwickelt Hegel jene Mechanik, die ihrem Begriff entspricht. Deren Entwicklungsstufen sind träge Materie, Stoß (als nicht frei und abhängig von äußeren Einwirkungen, vgl. Enz. II, S. 66f.), Fall (relativ frei: die Bewegung selbst ist durch den Begriff gesetzt, nur die Entfernung ist zufällig, vgl. Enz. II, S. 75ff.) und schließlich die absolute (Himmels-) Mechanik (als absolut frei, weil ihrem Begriff entsprechend, vgl. Enz. II, S. 82f.)

Das Anliegen von Hegel dabei ist es, von der mechanizistischen Vorstellung isolierter, toter Einzeldinge wegzukommen in Richtung von inneren Beziehung und Lebendigkeit. Jede Äußerlichkeit wird von ihm kritisiert und aufgehoben – Kräfte[6] sind nicht von außen eingepflanzt, sondern sie machen „in Wahrheit das Wesen der Materie“ aus (ebd., S. 58). Was zuerst einander äußerlich ist, zeigt nach und nach seine impliziten Wirkungszusammenhänge. Der Fortgang dieser Entwicklung ist auch als „Übergang von der Idealität zur Realität, von der Abstraktion zum konkreten Dasein,  hier von Raum und Zeit zu der Realität, welche als Materie erscheint“ (ebd. II, S. 56) zu verstehen. Materie und Bewegung werden als einander zugehörig erkannt (ebd., S. 60) und finden sich in der Einheit des Begriffs Schwere wieder (ebd., S. 106).

Hegel erwähnt, dass für diese mechanischen Bewegungen Gesetze als „Verknüpftsein zweier einfacher Bestimmungen, so daß nur ihre einfache Beziehung aufeinander das ganze Verhältnis ausmacht, die beiden aber den Schein der Freiheit gegeneinander haben müssen“ (Enz. II, S. 93) vorhanden sind. Schon für den Magnetismus gelten keine Gesetze mehr, weil in ihm „die Untrennbarkeit der beiden Bestimmungen schon gesetzt“ (ebd.)  ist. Hegel stellt die Aufgabe, „diese aus dem Begriffe zu entwickeln“ (ebd., S. 94).[7]

1.2.2 Physik

Die Mechanik hatte Materie und Bewegung im Begriff der Schwere zusammen geführt. Damit werden Bestimmung (als Schwere bestimmte Materie) und Sein (in der Bewegung) identisch (vgl. Enz. II, S. 108). Diese Identität kennzeichnet qualifizierte Materie und diese ist Gegenstand der Physik.

Hier wird das vorher schon betrachtete Sonnensystem nun sogar teilweise bereits als Organismus (an sich, vgl. ebenda, S. 339) betrachtet; die Planeten verhalten sich gegenüber den Kometen „als notwendige organische Momente“ (ebd., S. 127). Hegel versucht hier die vorher als Zufälligkeiten betrachteten Naturerscheinungen in einem vom Begriff bestimmten notwendigen Zusammenhang zu sehen.

Das führt u.a. auch dazu, die „Verwandlung der Elemente ineinander“ gegenüber einer „endlichen Physik“ (ebd., S. 146) zu betonen, wobei sich Zustände nicht nur quantitativ ändern, sondern „aus als innerliche Bestimmtheit“ (ebd., S. 150). Physik nach Hegel muss auch die qualitativen Veränderungen nicht  nur als quantitative Veränderung der Zustandsgrößen erfassen. Von Physik ist  nach Hegel durchaus mehr zu erwarten als die von ihm zuerst geschilderte Mechanik, die er in der real existierenden „endlichen“ Physik allerorten am Werk sieht.

Hegel verfolgt nun die „Stufen der Bestimmungen“ (Enz.II, S. 290) im Einzelnen weiter  über das Chemische bis hin zum Organischen. In diese Qualitätsstufe des Seins gehört nach den heute üblichen Einteilungen eigentlich noch das Gesetz der Folge von geologischen Formationen, das Hegel erst innerhalb der Organik beschreibt.

1.2.3 Organik

Im organischen Leben sieht Hegel einen „perennierend gemachte[n] Prozeß“ (ebd., S. 333). Der Prozess wird zu einer Einheit, die sich selbst anfacht und unterhält (ebd., S. 334). Daraus ergibt es sich, dass die Darstellung eines Organismus nicht mittels eventuell linear veränderlicher Zustände möglich ist, sondern sie ist „nur in diesem Kreislauf von Zuständen erschöpft und dargestellt“ (ebd., S. 335). Dieser andere Charakter der Zustandsbeschreibung im Organischen führt auch dazu, dass für Hegel die Gesetzesform aus der Mechanik nicht mehr anwendbar ist. Das Organische ist „sich sein Allgemeines, das sich in seine Teile entzweit, welche sich aufheben, indem sie das Ganze hervorbringen“ (Enz. II, S. 368). Inneres ist Äußeres geworden, Äußeres Inneres; Ursache und Wirkung, Zweck und Mittel, Subjektivität und Objektivität sind Eins geworden (ebd., S. 339). Leben ist als Selbstzweck bestimmt (ebd.).

Wie schon erwähnt, diskutiert Hegel das Geologische als „Grund und Boden des Lebens“ (ebd., S. 340) im Rahmen der Organik, weil systematisch das Geologische zum Moment der Tätigkeit des Lebendigen als Objektives unbedingt dazugehört. Zur Einheit des Lebens gehört die Erde– der moderne Gaia-Gedanke ist bei Hegel enthalten: „Die Erde erscheint als das tote Produkt; sie wird aber durch alle diese Bedingungen erhalten, die eine Kette, ein Ganzes ausmachen.“ (ebd., S. 344).

Auffallend ist, dass Hegel hier zwar geschichtliche Prozesse der Bildung von geologischen Formen voraussetzt – aber er explizit erläutert, dass dieser vergangene Bildungsprozess nicht sein Thema ist (ebd., S. 343, 347,348). Gerade in der Unabhängigkeit vom geschichtlichen Bildungsprozess will Hegel „das allgemeine Gesetz dieser Folge von Formationen“ (ebd., S. 348) erkennen, rein „abhängig von der Beschaffenheit, vom Inhalt dieser Gebilde selbst“ (ebd.).

2. Kritik der Hegelschen Naturphilosophie und Gesetzesauffassung

 „Alle Kritik an Hegel ist kein Vorwurf gegen ihn,
sondern Kritik an heutigen Denkern.“
 (Renate Wahsner 2002a, S. 141)

2.1 Zur Hegelschen Naturphilosophie allgemein

Renate Wahsner geht in ihrer Hegelkritik davon aus, dass in einem Ansatz, der versucht „das Werden der völligen Übereinstimmung von Gewissheit und Wahrheit darzustellen“ (Wahsner 2000a, S. 1), wie es in der „Phänomenologie des Geistes“ angestrebt war, eine angemessene Charakterisierung der neuzeitlichen Naturwissenschaft zu erwarten ist. Auch wenn es nicht das Ziel Hegels war, eine umfassende Wissenschaftsphilosophie auszuarbeiten, so bezieht er sich doch recht häufig beispielsweise auf die empirische Physik als „Voraussetzung und Bedingung“ (Enz.I, S. 15) der philosophischen Wissenschaft. Ob seine Ansichten über diese Voraussetzung und Bedingung angemessen sind, ist also wichtig für das Gesamtsystem. Wir werden sehen, dass Hegel viele Bestimmungen der neuzeitlichen Naturwissenschaft auf eine Weise erfasst, die weit über vieles hinausgeht, was später dazu erarbeitet worden ist. An anderen Stellen müssen seine Ansichten korrigiert bzw. präzisiert werden.

Besonders positiv hervorzuheben ist nach Wahsners Einschätzung die Tatsache, dass Hegel ausarbeitet, inwiefern der Gegenstand der Naturwissenschaften nicht in Dingen und ihren Eigenschaften zu sehen ist, sondern in Verhaltensweisen, die durch den Übergang zum Reich der Kräfte angezeigt werden (Wahsner 2000a, S. 2f.). Indem er die Bewegung und nicht ein Ding zum Gegenstand macht, reflektiert Hegel die epistemologische Verfasstheit der Naturwissenschaft in angemessener Weise (Wahsner 1996a, S. 57)[8].

Hegel hatte gefordert, deren Grundlagen auch vernünftig zu betrachten. „Männer vom Fach reflektieren nicht darauf. Aber es wird eine Zeit kommen, wo man für diese Wissenschaft nach dem Vernunftbegriffe verlangen wird!“ (Enz. II, S. 106). Newton stellte seinem Hauptwerk Definitionen voran, die sich durch die gültige Anwendbarkeit des gesamten Theoriesystems rechtfertigen. Einstein macht seine kategorialen Neubestimmungen mittels Gedankenexperimenten plausibel. Hegel vermutet, die Wissenschaft werde dazu kommen, jene jeweiligen kategorialen Grundlagen in der Wissenschaft selbst besser vernünftig zu begründen. [9]

Renate Wahsner erfüllt in diesem Sinne Hegels Forderung, denn auch sie betont es als Aufgabe der Philosophie, „die Notwendigkeit der messtheoretisch bzw. naturwissenschaftlich bedingten Trennungen zu begründen und zu bestimmen; sie insofern aufzuheben. Somit wäre auch gezeigt, dass die Natur nicht an sich so beschaffen ist, wie die Naturwissenschaft sie denkt.“ (Wahsner 1996a, S. 117)

2.1.1 Natur und mechanizistische Mechanik

Hegel verdeutlicht die Unterscheidung zwischen Mechanischem und Organischem beispielsweise in der „Phänomenologie“, wenn er darlegt, wieso „im Organischen die Vorstellung eines Gesetzes überhaupt verloren“ (Phän., S. 187)  gehe. Wo das Gesetz denkbar ist, also im Mechanischen, nimmt Hegel an, die im Gesetz als ruhend erfassten Seiten wären auseinandergehalten – dies sei im Organischen nicht mehr möglich. Dem widerspricht Renate Wahsner, indem sie zeigt, dass die von Hegel verwendete mechanizistische Sichtweise (für den Mechanismus) nicht selbst identisch ist mit einer naturwissenschaftlichen Sichtweise.

Keine Naturwissenschaft, auch nicht die Newtonsche, ist in ihrer wissenschaftlichen Methode so mechanizistisch, wie Weltanschauungsinterpreten (wie beispielsweise Voltaire) es von ihr annehmen. Wenn sie es wäre, würde sie nicht als Naturwissenschaft funktionieren. „Der Witz einer physikalischen Theorie – auch der klassischen Mechanik – liegt daher gerade darin, das gegenseitige Aufeinandereinwirken der Körper zu beschreiben und eben dadurch den Begriff des physikalischen Körpers zu bestimmen. Genau hierdurch unterscheidet er sich von einem geometrischen Körper. Die Physik selbst liefert also die Argumente gegen den Mechanizismus, für die Selbständigkeit der Natur oder der Materie.“. (Wahsner 1981a, S. 196).

In einer Diskussion erklärte R. Wahsner ausführlicher, dass Newtons Kraftbegriff nicht wie jener von Kant und Hegel „Stoß“ (oder dasselbe in der Gegenrichtung, als „Zug“) oder „Impuls“ meint und dass besonders die Gravitation nicht als eine einseitig gerichtete Kraft verstanden werden kann, sondern dass sie als Gegeneinander zu verstehen ist (Wahsner 2002b, S. 35f.). Körper sind nur gegeneinander schwer (vgl. Newton, in Borzeszkowski,Wahsner 1980b, S. 126). Die physikalische Größe „Masse“ ist nicht eine Eigenschaft eines isolierten Dinges, sondern beschreibt ein spezifisches Verhalten von Körpern, nämlich gegen die Änderung des Bewegungszustandes Widerstand zu leisten.

Recht unbekannt ist leider auch, dass Newton selbst sich ausdrücklich dagegen aussprach, dass Körpern nicht nur Trägheit zukommt und sie bewegenden Einflüssen quasi „von außen“ (z.B. durch äußere Naturgesetze) unterliegen, sondern dass hier sog. „aktive Prinzipien“ vorliegen, von denen er neben der Gravitation noch Gärung und Kohäsion nannte (Newton 1717, S.167). Diese Prinzipien kommen nicht den Dingen als Isolierte zu (als verborgene Qualitäten)[10], sondern „als allgemeine Naturgesetze, durch die die Dinge gebildet sind“ (ebd., S. 31). Das Gravitationsgesetz wird so zur Darstellung von bestimmten realen Wirkungen zwischen Körpern, die keiner weiteren Hypothesen über ihre Verursachung benötigen.

Natürlich ist die klassische Mechanik eingeschränkt auf wenige der möglichen Bewegungsformen der Materie in der Welt.[11] Aber jene, die sie erfasst, erfasst sie nicht lediglich abstrakt als äußerlich den (qualitätslos gedachten) Dingen hinzukommende Beziehung, sondern sie sind begründet in den Verhaltensweisen der sie verwirklichenden Gegenstände. Auch die Gravitation ist – wie Newton nach langem Nachdenken erkannte - keine den Körpern inhärente Eigenschaft, sondern die Beschreibung eines gegenseitigen Verhaltens von Körpern. Diese Spezifik des Newtonschen Kraftbegriffs wird meist unterschlagen, wenn die „Newtonsche Welt“ als Billardtisch-Welt vorgestellt wird.

2.1.2 Spezifik des naturwissenschaftlichen Erkennens

Zu präzisieren bleibt nach Wahsner jedoch grundsätzlich, dass auch bei Hegel die Spezifik des naturwissenschaftlichen Erkennens nicht genügend ausgearbeitet worden ist. Naturwissenschaft befindet sich nicht nur „auf der Linie“ zwischen Verstand und Vernunft, sondern unterliegt epistemologischen Voraussetzungen („neben“ philosophischer Kategorienentwicklung), die innerhalb der diesbezüglichen Analysen überhaupt nicht erwähnt werden, wie der Erarbeitung von Erkenntnismitteln zum Zwecke der Ermöglichung der Messbarkeit.

Während Hegel davon ausgeht die  Naturwissenschaft als analytisch zu kennzeichnen und dies als Mangel per Philosophie aufzuheben, betont Renate Wahsner die Notwendigkeit und Berechtigung des speziellen naturwissenschaftlichen Vorgehens (Wahsner 1996a, S. 110). Vor allem die Bedeutung der messtheoretischen Bestimmtheit fehlt in der Hegelschen Wissenschaftsvorstellung.

Auf diese Weise reflektiert Hegel nicht die realen Naturwissenschaften, sondern vereinfachten Vorstellungen über Naturwissenschaft, die – wenn sie wahr wären – nicht einmal das Funktionieren der Wissenschaft gewährleisten könnten. "Da Hegel die mechanizistische philosophische Reflexion der Naturwissenschaft seiner Zeit mit dieser Naturwissenschaft selbst identifizierte, ist ihm die Kritik der Metaphysik durch die Erhebung der Bewegung zum Subjekt als Subjekt zugleich Kritik der Naturwissenschaft..." (Wahsner 1996a, S. 59)

Bei seiner Kennzeichnung des Unterschieds der Philosophie gegenüber den „anderen Wissenschaften“ nimmt Hegel an, die Gegenstände der letzteren „als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben sowie die Methode des Erkennens für Anfang und Fortgang als bereits angenommen voraussetzen zu können“ (Enz.I, S. 41). Gegenstände wie auch Methode sollen also vorausgesetzt werden und ihre Konstitution nicht selbst zur Wissenschaft gehören. Allerdings – und dafür stehen ausführliche Analysen u.a. von R. Wahsner – sind gerade die Gegenstände der Naturwissenschaft (speziell der Physik) ihr eben nicht bereits gegeben, sondern werden „durch das System der jeweiligen naturwissenschaftlichen Theorie“ (Wahsner 2002a, S. 105,) bestimmt.

Die maßgebliche Rolle einer Theorie für die Naturwissenschaft wird von Hegel gar nicht gesehen, seine Versuche der „Begriffsbestimmung in dem philosophischen Gange“ (WdL II, S. 15) setzen an der einzelnen naturwissenschaftlichen Größen an und können deren Bestimmung innerhalb der wissenschaftlichen Theorie nicht begreifen. Deshalb verwendet er oft die Bezeichnung „empirische“ Naturbetrachtung, obwohl die von ihm gemeinte neuzeitliche Naturwissenschaft selbst gar nicht so empiristisch funktioniert.[12] Wissenschaftliche Erfahrung ist dabei nicht zu verwechseln mit Alltagserfahrung.

Bei der Beschreibung, wie Naturwissenschaft vorgeht, betont Hegel die analytische Methode (Enz.I, S. 379). Er beschreibt, inwiefern tatsächlich das gegebene Konkrete (die widersprüchliche Totalität) vereinzelt wird und auf diese Weise erst eine messende und rechnende Wissenschaft entstehen kann. Wie jedoch die entstehenden Größenmomente selbst wieder in einen Zusammenhang kommen, der einerseits durchaus qualitativ unterschiedliche Aspekte enthält und andererseits auch reale Wechselwirkungsformen zur Erscheinung gelangen lässt, nämlich im Experiment, wird von Hegel nicht mehr untersucht. Wie Hegel richtig sieht, ist Naturwissenschaft selbst auch „denkende Erkenntnis der Natur“ (ebd., S. 11), ihre spezifische Weise, Denken (Theorie) und Praxis (Experiment) zu verbinden, wird von Hegel aber nicht ausreichend erfasst. Das in der Naturwissenschaft erfasste besondere Allgemeine, z.B. das „Physikalisch-Allgemeine“ (als nicht nur abstrakt Allgemeines, aber auch nicht vollständig konkret Allgemeines) kann deshalb nicht innerhalb des Hegelschen Kategoriensystems gefunden werden.

Letztlich ist naturwissenschaftliches Erkennen nicht nur als verständiges Denken im Hegelschen Sinne zu verstehen, sondern es unterscheidet sich von diesem durch zusätzliche wesentliche Elemente, die bei Hegel nicht erfasst sind. Denn obwohl Hegel die menschliche Arbeit durchaus thematisiert, fällt sie aus der naturphilosophischen Betrachtung heraus – er kann nicht nachvollziehen, inwieweit die Gegenstände, sogar das Sinnlich-Konkrete der Naturwissenschaft Ergebnis menschlicher Tätigkeit sind (vgl. Wahsner 2002a, S. 132).

2.1.3 Natur bei Hegel

Hegel versteht die Naturwissenschaft Mechanik mechanizistisch und ontologisiert dann deren Gegenstände, als „mechanische Objekte“. Als solche bilden sie natürlich nur einen „tote[n] Mechanismus“ (WdL II, S. 427). Zwar erweist sich diese Naturform als mangelhaft und wird deshalb von Hegel aufgehoben in Richtung organischer und zweckmäßiger Lebendigkeit, aber als Natur ist und bleibt der Geist sich selbst noch äußerlich. Dass die Natur „an sich“ bereits Geist ist, belegt, dass Hegel sich ebenso wenig mit der toten Natur zufrieden gibt, wie beispielsweise Schelling. Die Vermittlung zum Absoluten wird von Hegel ebenfalls – wie auch von Schelling – auf dem weiteren Wege der Entwicklung der Kategorien unternommen, allerdings im Einzelnen auf unterschiedliche Weise gegenüber Schelling. (vgl. Fußnote 2)

2.2 Zur Kategorie Gesetz bei Hegel

2.2.1 Zum Verhältnis naturwissenschaftliches Gesetz und Philosophie

Hegel konstatiert den Mangel der Gesetzeserkenntnis deutlich: Das Gesetz ist nie mit der Erscheinung identisch. Für Einzelnes gibt es kein Gesetz und ein Gesetz beschreibt noch kein System, solange nicht Rand- und Anfangsbedingungen hinzugefügt werden. Dies ist aber kein Mangel, der wissenschaftlich durch die Entwicklung hin zum Begriff zu beheben wäre – sondern diese Differenz beruht auf der spezifischen naturwissenschaftlichen Methode (Experiment), deren Aufhebung Naturwissenschaft (speziell) Physik beseitigen würde.

Hegel stellt richtig fest, dass „das naturwissenschaftliche Gesetz das philosophische Bedürfnis noch nicht befriedigt“ (Wahsner 2000a, S. 6, kursiv von A.S.). Die Frage ist aber, ob es das soll, d.h. ob Physik als Naturwissenschaft in Philosophie übergehen und in ihr aufgehen soll – oder ob sie ihre epistemologische Eigenständigkeit bewahren muss, um überhaupt ihre Ergebnisse erhalten zu können; die dann für philosophische Untersuchungen relevant werden können.

2.2.2 Zu Gesetzen in der Physik

2.2.2.1 Zur Bestimmung der Größen

Hegel konstatiert, dass die in das Gesetz eingehenden Bestimmungen sich zueinander als rein äußerliche verhalten (vgl. WdL I, S. 392), aber sie sich aufeinander beziehen. Darauf bezieht sich auch Hegels Kritik am Gesetz. Er fordert, dass die Größen sich auseinander herleiten lassen, wie er es auch schon ansatzweise in der gegenseitigen Abhängigkeit von verflossener Zeit und durchlaufenem Raum im Fallgesetz sieht (Phän., S. 123). Dieser Forderung muss aber entgegen gehalten werden, dass die Größen innerhalb einer naturwissenschaftlichen Theorie durchaus fest gegeneinander sein müssen, um Messbarkeit zu ermöglichen (vgl. Wahsner 2002c, S. 110). Sie waren ja genau zu diesem Zwecke aus der konkreten widersprüchlichen Welttotalität herausgezogen worden. (vgl. Schlemm 2003)

 

2.2.2.2 Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem im Gesetz

Hegels Kritik am Gesetz bezieht sich auch darauf, dass er annimmt, im Gesetz sei „das Allgemeine nur identisch mit sich und ebenso das Besondere nur identisch mit sich“ (Hegel 1823/1824, zit. nach Wahsner 2003, S. 11). Erst im (philosophischen) Begreifen würde „das Allgemeine durch das Besondere, das Besondere durch das Allgemeine“ (Wahsner 2003, S. 11) existieren. Diese Auffassung beruht auf der Voraussetzung, in den verschiedenen Formen des Allgemeinen nur je verschiedene Stufen der Begriffsentwicklung zu sehen. In diese Form presst er dann auch seine Vorstellung vom Naturgesetz.

Hegel irrt aber in seiner Bestimmung des Naturgesetzes. Allgemeines und Besonders sind schon hier nicht so getrennt, wie er annimmt. Das Allgemeine der Naturwissenschaft betrifft tatsächlich nicht die Totalität der Welt – jedoch eines mit einer Theorie erfassten Weltbereiches. Durch das Allgemeine der Theorie werden einzelne Messgrößen (als Substantivierung bestimmter Verhaltensweisen der Naturgegenstände; vgl. Schlemm 2003) bestimmt. Diese Einzelnen sind deshalb nichts Zufälliges für das Allgemeine. Wenn das Allgemeine als funktionale Abhängigkeitsfunktion dargestellt (z.B. als Kegelschnittformel) ist, so enthält es als Besonderes verschiedene Lösungen (z.B. Kreis, Ellipse, Parabel oder Hyperbel) in Abhängigkeit von bestimmten Verhältnissen der in der Formel enthaltenen Konstanten (Wahsner 2003, S. 12).

 

2.2.2.3 Verhältnis – Funktion:

Auf dem Weg hin zum Begreifen nimmt Hegel das Verhältnis im Infinitesimalkalkül als Fortschritt. Er sieht im Verhältnis dx/dy „zwei veränderliche Größen, die in einer Gleichung verbunden sind, deren die eine als eine Funktion der anderen angesehen wird“ (WdL I, S. 313). Welche als Funktion der anderen angesehen wird, lässt Hegel offen, denn dies folgt nicht aus dem Kalkül selbst. Als naturwissenschaftliches Gesetz ist in einem solchen Verhältnis jedoch immer festgelegt, welche Variable die Abhängige ist.[13] Diese Festlegung, diese Bestimmung unterscheidet das naturwissenschaftliche Gesetz von lediglich abstrakten Verhältnisrelationen. Diese Bestimmung erfolgt jeweils innerhalb der naturwissenschaftlichen Theorie.

Der naturwissenschaftliche Funktionsbegriff geht über den des Verhältnisses bei Hegel hinaus. Hegels System fußt auf Dualitäten, wobei Entzweiung und deren Aufhebung thematisiert werden. Einem Etwas wird immer nur ein einziges  Anderes entgegengesetzt. In der Physik wird mit der Bildung einer Messgröße je eine Verhaltensweise aus einer Totalität möglicher Verhaltensweisen eines Gegenstands substantiviert. Allerdings stecken im Funktionsbegriff mehr Möglichkeiten, die Vielfalt der Verhaltensweisen zu erfassen.

Hegel tendiert dazu, das den Gegenstand mit einer Verhaltensweise zu identifizieren (Sonne als Mittelpunkt des Planetensystems). Allerdings ist dies eine Reduktion (vgl. Wahsner 1996a, S. 107).

 

2.2.2.4 Physikalische Verallgemeinerung: Newtons Gravitationsgesetz und die Keplerschen Gesetze bzw. das Galileische Fallgesetz

Hegel nimmt an, dass die Planetengesetze Keplers und Galileis Fallgesetz Sonderfälle des Newtonschen Gravitationsgesetzes seien und deren Vereinigung zu letzterem führten: „Die vielen Gesetze muß er darum vielmehr in ein Gesetz zusammenfallen lassen, wie z.B. das Gesetz, nach welchem der Stein fällt, und das Gesetz, nach welchem die himmlischen Sphären sich bewegen, als ein Gesetz begriffen worden ist.“ (Phän., S. 105). Bei diesem Zusammenfallen entsteht jedoch nicht nur etwas Abstrakteres, wie Hegel annahm. Newton synthetisierte nicht nur formal eine  Identität zwischen Keplerschen und Galileischen Gesetzen, sondern begründete „eine neue Art von Gesetz, eine neue Art von Allgemeinem, charakterisierbar als Physikalisch-Allgemeines“ (Wahsner 2000a, S. 5). Der Übergang von Kepler/Galilei zu Newton ist vielleicht am besten charakterisierbar dadurch, dass Kepler und Galilei noch durchaus kinematisch[14] aufzufassen sind, während erst Newton eine Dynamik begründete. Dazu reichte es nicht aus, die Keplerschen und das Galileische Gesetz mathematisch zu vereinen. Die formale Idee einer Einheit dieser Bewegungen durch die Schwere hatten vor Newton schon andere Wissenschaftler. Mach nennt beispielsweise Kopernikus, Kepler, Hooke, Gilbert und Borelli (Mach 1921, S. 182). Newton zeichnete sich ihnen gegenüber dann dadurch aus, dass er ein System von Größenbestimmungen und Gleichungen aufstellte, das insbesondere physikalische Größen eindeutig und in angemessenem gegenseitigen Bezug definierte. Diese Größenbestimmungen sind nicht nur mathematische Abstrakta, sondern ermöglichen praktische Messungen. Sein Kraftbegriff ist „an die Materie gebunden“ (ebd., S. 189), genauer gesagt: an die Bewegung und das Gegeneinander der Körper. Das Newtonsche Gravitationsgesetz setzt also Bestimmungen voraus, die in den vorherigen Gesetzen noch nicht enthalten waren. Auch die Bestimmung der Gravitationskonstante gehört dazu (vgl. Wahsner 2003, S. 9).

 

2.2.2.4 Kraft gegen Impulsmechanik

Hegels Kategorie des Gesetzes ist eng verbunden mit jener der Kraft. Das Problem eines angemessenen Verständnisses von Kraft im Unterschied vom Impuls ist dabei nicht vollständig durchdrungen. Hegel hat sich bei der Beschreibung von Kräften wohl eher Impulswirkungen vorgestellt, denn mit der Kraft hätte die gegenseitige Wirkfähigkeit auch der Gegenstände der Mechanik klarer herausgearbeitet werden können (vgl. Wahsner 1996a, S. 39).

„Was bei Kant und auch bei Hegel unter der Überschrift „Kraft“ oder „mechanische Kraft“ diskutiert wird, ist eigentlich Stoß oder Impuls. In der Tat aber ist das, was in der Mechanik Kraft heißt, das, was im zweiten Newtonschen Axiom auf der rechten Seite steht, was wiederum mitbestimmt wird durch das, was im ersten und dritten Axiom gesagt wird. Oder, etwas verständlicher formuliert, Kraft ist eine dynamische Wechselwirkung, die durch die drei Newtonschen Axiome in ihrem Charakter determiniert ist.“ (Wahsner 2002b, S. 35f.)

 

2.2.2.5 Gesetze nur im Mechanischen?

Hegels Kennzeichnung des Gesetzes, besonders die Unterschiedenheit der im Gesetz verknüpften Bestimmungen, führt zur Ablehnung des Gesetzlichen im Organischen. Hier muss die von Hegel vorgenommene Unterscheidung zwischen Mechanischem und Organischen hinterfragt werden (siehe oben, Abschnitt 3.1.1). Wenn Gesetze wirklich an das, was Hegel „mechanisch“ kennzeichnet, gebunden sind, so dürften sie in der Naturwissenschaft, deren Gegenstand von vornherein Bewegungen sind, gar nicht auftauchen. Renate Wahsner betonte in einer Diskussion: „Hegel sagte ja: „Das Wesentliche des Organischen ist, seine Momente als durchlaufende Prozesse zu haben, nicht aber an einem isolierten Dinge ein Bild des Allgemeinen zu geben.“ Aber das macht das Mechanische auch nicht! Insofern ist das kein Argument gegen die Möglichkeit organischer Gesetze.“ (Wahsner 2002c, S. 119).

Wenn man an der Kategorie des Gesetzes festhalten will, muss man dazu übergehen, das Gesetz zwar als ruhiges Abbild im Wechsel der Erscheinung zu verstehen, es aber „als Darstellung von Bewegung, von Bewegung des betrachteten Gegenstandes“ (Wahsner 2000a, S. 9) zu begreifen. Gesetze, die „auf einem Gegeneinander“ beruhen (ebd.), können dann auch für das Organische angenommen werden. Für solche Gesetze müssen jedoch die wissenschaftliche Methoden selbst noch einmal neu thematisiert werden.

 

Literatur

Bonsiepen, Wolfgang (1988): Einleitung zu Hegel „Phänomenologie des Geistes“. Hamburg: Meiner.

Borzeszkowski, Horst-Heino von; Wahsner, Renate (1980b): Newton und Voltaire. Zur Begründung und Interpretation der klassischen Mechanik. Berlin: Akademie-Verlag.

Borzeszkowski, Horst-Heino von; Wahsner, Renate (1982/1996): Monismus unter Ausschluß der Natur? Anmerkungen zu einer Dialektikdiskussion. In: Wahsner, Renate: Zur Kritik der Hegelschen Naturphilosophie. Über ihren Sinn im Lichte der heutigen Naturerkenntnis. In: HEGELIANA. Band 7. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien. Peter Lang, 1996. S. 135-140.

Dehnel, Piotr (1989): Der Begriff der Natur bei Hegel und Schelling. Hegel-Jahrbuch 1989. S. 143-146.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Phän): Phänomenologie des Geistes. Hamburg: Meiner. 1988.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (WdL I): Wissenschaft der Logik I. Auf d. Grdl. der Werke von 1832-1845 neu ed. Ausg. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag, 1990.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (WdL II): Wissenschaft der Logik II. Auf d. Grdl. der Werke von 1832-1845 neu ed. Ausg. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag, 1990.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Enz.II): Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Zweiter Teil. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Enz.III): Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Dritter Teil.  Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag.

Kalenberg,  Thomas (1997): Die Befreiung der Natur. Natur und Selbstbewusstsein in der Philosophie Hegels. Hamburg: Felix Meiner Verlag.

Kimmerle, Heinz (1969): Zum Verhältnis von Geschichte und Philosophie im Denken Hegels. Vortrag auf dem VII. Internationalen Kongreß der Hegel-Gesellschaft e.V. in Paris. In: Hegel-Studien, Beiheft 8. S. 301-312.

Mach, Ernst (1921): Die Mechanik in ihrer Entwicklung. Historisch-kritisch dargestellt. Leipzig: Brockhaus.

Meyer, Rudolf W. (1989): Hegels Idee der Naturphilosophie. Hegel-Jahrbuch 1989. S. 17-26.

Neuser, Wolfgang (1989): Von Newton zu Hegel. Hegel-Jahrbuch 1989. S. 27-39.

Newton, Isaac  (1717): Optik oder Abhandlung von den Spiegelungen, Brechungen, Beugungen und den Farben des Lichts. In: Borzeszkowski, Horst-Heino von; Wahsner, Renate: Newton und Voltaire. Zur Begründung und Interpretation der klassischen Mechanik. Berlin: Akademie-Verlag. 1980. S. 135-172.

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph, von (1804/1985): System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere. In: F.W.J.Schelling. Ausgewählte Schriften in 6 Bänden. Band I. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 141-588.

Schlemm, Annette (2002): Naturwissenschaftliches Denken neben Verstand und Vernunft – oder –
Die Wissenschaft ist besser, als Wissenschaftskritik oft annimmt...
- Vortrag auf der Öffentlichen Tagung der Ernst-Bloch-Assoziation 3.-5. Oktober 2003 in Göttingen – http://www.thur.de/philo/project/goettingen.htm.

Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich (1989b): Verbindendes und Trennendes in der Naturphilosophie Schellings und Hegels. Hegel-Jahrbuch 1989. S. 119-126.

Wahsner, Renate (1981a): Naturerkenntnis zwischen Verstand und Vernunft. In: Vom Mute des Erkennens. Beiträge zur Philosophie G.W.F. Hegels. Hrg.v. M. Buhr und T.I. Oiserman. Berlin 1981.

Wahsner, Renate ; Borzeszkowski, Horst-Heino von (1992): Die Wirklichkeit der Physik. Studien zu Idealität und Realität in einer messenden Wissenschaft. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Verlag Peter Lang.

Wahsner, Renate (1996a): Zur Kritik der Hegelschen Naturphilosophie. Über ihren Sinn im Lichte der heutigen Naturerkenntnis. In: HEGELIANA. Studien und Quellen zu Hegel und zum Hegelianismus. Herausgegeben von Helmut Schneider. Band 7. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien. Peter Lang.

Wahsner, Renate (2000a): Das naturwissenschaftliche Gesetz. Hegels Rezeption der neuzeitlichen Naturbetrachtung in der Phänomenologie des Geistes und sein Konzept von Philosophie als Wissenschaft. Preprint 148 des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte. Berlin. Auch: in Hegel-Jahrbuch 2001.

Wahsner, Renate (2002a): Die Macht des Begriffs als Tätigkeit (§ 208). Zu Hegels Bestimmung der Betrachtungsweisen der Natur. Wiener Jahrbuch für Philosophie XXXIV/2002, S. 101-142.

Wahsner, Renate (2000b): „Der Gedanke kann nicht richtiger bestimmt werden, als Newton ihn gegeben hat.“ Das mathematisch Unendliche und der Newtonsche Bewegungsbegriff im Lichte des begriffslogischen Zusammenhangs von Quantität und Qualität. In: Andreas Arndt, Christian Iber (Hrsg.): Hegels Seinslogik. Interpretationen und Perspektiven. Berlin: Akademie Verlag. 2000. S. 271-299.

Wahsner, Renate (2002b): Ist die Naturphilosophie eine abgelegte Gestalt des modernen Geistes?. In: Die Natur muß beweisen werden. Zu Grundfragen der Hegelschen Naturphilosophie. Hrsg. von Renate Wahsner und Thomas Posch. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien. Peter Lang, 2002. S. 9-40.

Wahsner, Renate (2002c): Mechanismus und Organismus als Thema von Hegels Phänomenologie  und Philosophie der Natur. In: Die Natur muß beweisen werden. Zu Grundfragen der Hegelschen Naturphilosophie. Hrsg. von Renate Wahsner und Thomas Posch. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien. Peter Lang, 2002. S. 101-124.

Wahsner, Renate (2003): Formelle und konkrete Einheit. Hegels Begriff des physikalischen Gesetzes. Preprint 252 Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte.

 

 



[1] „Die Natur ist [...] die verkörperte Vernunft.“ (Hegel in der „Nachschrift Bernhardy“ 1819/1820, zit. in Meyer 1989, S. 20).

[2] Zur Geschichte dieser Konzeption, mit der sich Hegel ab 1803/04 von Schelling zu unterscheiden beginnt, siehe Kimmerle 1970, S. 292. Vgl. auch Kimmerle 1969, S. 308ff., Schmied-Kowarzik 1989, S. 120f. und Neuser 1989, S. 36f..

[3] Hegel selbst betrachtet die Natur keinesfalls nur als Negatives, die Sprechweise der Natur als ein „Abfall der Idee von sich selbst“ (Enz. II, S. 28) entspricht nicht Hegels Ansicht, sondern sie wird von Hegel zitiert als Beispiel für nur-negative Betrachtungen, die er keinesfalls teilt. Die ganze Naturphilosophie ist eben die positive Selbsterkenntnis des Geistes in der Natur (wobei sie diese Sphäre dann allerdings auch wieder verlässt, wie Schmied-Kowarzik 1989, S. 125 betont).

[4] Bei Hegel meint Entwicklung eine logische, nicht die zeitlich-historische: „Aus unserer bisherigen Auseinandersetzung erhellt aber schon, daß das Hervorgehen des Geistes aus der Natur nicht so gefaßt werden darf, als ob die Natur das absolut Unmittelbare, Erste, ursprünglich Setzende, der Geist dagegen nur ein von ihr Gesetztes wäre; vielmehr ist die Natur vom Geiste gesetzt und dieser das absolut Erste.“ (Enz. III, S. 24; vgl. S. 31f)

Zu berücksichtigen bleibt, dass auch Schelling durchaus Abstriche an der Bedeutung zeitlicher Entwicklung für die natura naturata macht: „.Die Zeit ist nur die ewige Offenbarung dessen, was vor Gott nichtig ist.“ (Schelling 1804/1985, S. 579). Zur Feststellung, dass auch bei Schelling die Natur – die zeitlich evolvierende natura naturata – wieder zum Teil des Systems wird, siehe auch Dehnel 1989, S. 146.)

[5] Zum Zusammenhang von Naturphilosophie und Logik siehe ausführlicher Meyer 1989, S. 23ff..

[6] In der konkreten Ausführung verwechselt Hegel die „Größe der Bewegung“, die er auf S. 57 als Impuls (p = mv) beschreibt, später (auf S. 58) mit der Kraft ( F= ma).

[7] Hegel teilt an dieser Stelle seine Auffassung zum Verhältnis von Einzelwissenschaft und Philosophie deutlich mit: „Die Philosophie hat vom Begriffe auszugehen. [...] Was aber durch den Begriff erkannt ist, ist für sich klar und steht fest, und die Philosophie braucht keine Unruhe darüber zu haben, wenn auch noch nicht alle Phänomene erklärt sind.“ (Enz.II, S. 106)

[8] Wobei der Verlust der Gegenständlichkeit, das „Auflösen“ der Gegenstände innerhalb der Beziehungen,  zu kritisieren bleibt.

[9] Dabei ist noch nicht gesagt, ob die bisherige Naturwissenschaft selbst „philosophischer“ wird, oder gar selbst zur Philosophie werden muss. „Unseres Erachtens verweist die Notwendigkeit, die Herkunft der vorausgesetzten Kategorien aufzuzeigen, auf die Notwendigkeit der Philosophie für die Naturwissenschaft, nicht aber auf die Notwendigkeit ihres Aufgehens in die Philosophie.“ (Borzeszkowski, Wahsner 1982/1996, S. 1367)

[10] Borzeszkowski und Wahsner weisen auch auf die wichtige Wortbedeutung bei Newton hin, der das Wort „Materie“ verwendet, wenn von einzelnen Atomen mit ihren passiven Eigenschaften spricht – jedoch von „Natur“, wenn er sich auf aktive Prinzipien und Wechselwirkungen bezieht (Borzeszkowski, Wahsner 1981b, S. 37).

[11] V.Weizsäcker beschreibt eindrücklich, wie ihn ein doppelbrechender Kalkspat auf seinem Schreibtisch daran erinnert, von einem Lehrer in die Besonderheit der physikalischen Betrachtungsweise eingeführt worden zu sein: "Es ist also klar, dass das physikalische Weltbild nicht alle wesentlichen Eigenschaften der Gegenstände umfasst. Es ist noch nicht ebenso klar, wieweit es sie mit Notwendigkeit ausschließt." (v. Weizsäcker 1941, S. 17)

[12] Hegel identifiziert häufig die empirischen Wissenschaften mit Empirismus (vgl. Wahsner, Borzeszkowski 1992, S.281; Wahsner 1996, S. 83)

[13] Zur Kritik der Interpretation des Differentialquotienten durch Hegel siehe auch Wahsner 2000b, S. 278ff..

[14] Die kinematische Betrachtung bezieht sich nur auf nur Längen und Dauern (ohne Masse) und kennzeichnet deshalb nur abstrakt-Mögliches und erfasst nicht Bewegung als reale.


 

 
Zurück zur Startseite meines Hegelprojekts

[Homepage] [Gliederung]

Stübchen Gliederung


- Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" 2004 - http://www.thur.de/philo/hegel/hegel21.htm -