Neue Arbeit für Mühlheim

Institut für Neue Arbeit

Wege aus der Krise der Arbeit

... und anderswo

 

 

Die Mülheimer Erklärung


aus Kölner Volksblatt 8/97

Seit 1994 ist Mülheim-Nord Sanierungsgebiet. Die Sanierung hat eine Verbesserung des Wohnens und des Wohnumfeldes gebracht. In Teilen Mülheims, da wo die Sanierung gegriffen hat, hat sich das Leben für die Mülheimer gebessert. Im Bereich Arbeit war die Sanierung bisher eher kontraproduktiv. Neue Arbeitsplätze sind nicht entstanden, bestehende Arbeitsplätze sind abgebaut worden. Durch die unsinnige Innenhofentkernung sind vor allem kleine Betriebe geschlossen worden. Diese waren oft aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage, auf der grünen Wiese ihre Betriebe neu entstehen zu lassen. Dazu kommt, daß auch die Großindustrie massenweise Arbeitsplätze wegrationalisiert hat. Mülheim ist einer der Stadtteile mit der höchsten Arbeitslosenrate in Köln, gleichzeitig sind keine neuen Arbeitsplätze in Sicht. Wir sind der Auffassung, daß die Sanierung hier noch eine Pflicht zu erfüllen hat: z.B. in Bezug auf das Gelände des Mülheimer Güterbahnhofs. Dieses Gelände eignet sich vorzüglich, die genannten Sanierungsmängel wenigstens teilweise wieder auszugleichen. Durch die beschriebene Entwicklung des Arbeitsmarktes in Mülheim und insbesondere im Sanierungsgebiet gleiten immer mehr Menschen in Sozialhilfe ab. Die Stadt ist nicht mehr in der Lage, die dadurch entstehenden Kosten zu tragen. An dieser Stelle ruft die Verwaltung »ProVeedel« ins Leben, welches die Ziele propagiert: - Förderung der Selbsthilfe - beruflich soziale Integration - Unabhängigkeit von Sozialhilfe - Stärkung der sozialen Infrastruktur im Stadtteil - Wohnumfeldverbesserung Diese Ziele können die Mülheimer Bürgerdienste und Iniativen nur unterschreiben. Leider hat diese Aktion einen Pferdefuß. Die Verwaltung will damit 15 Millionen DM einsparen. Die Mülheimer Iniativen und Bürgerdienste wollen auch Geld einsparen, aber wir sind der Meinung, daß das nur langfristig möglich ist. Voraussetzung für Einsparungen ist nämlich, daß die Entstehung einer Struktur des Zusammenlebens gefördert wird, in der die Menschen wieder für sich selber sorgen können, und so die öffentliche Unterstützung abbauen helfen. Diese sozialpolitische Maßnahme, die wir als »Eigenarbeit« bezeichnen wollen, stellt eine Ergänzung dar zu bestehenden Maßnahmen der Arbeitsförderung und benutzt so weit wie möglich deren Instrumente. Sie setzt sich ab von einer Poitik der reinen Leistungskürzungen, die zur Ausweitung der direkten Armut, zur Ghettobildung und Verelendung der Bevölkerung führt (Politik der Polarisierung) Sie unterscheidet sich auch von der Umwidmung von individuellen Sozialleistungen hin zu einer subventionierten, untertariflich bezahlten Beschäftigung. Diese schafft eine kurzfristige Entlastung des städtischen Haushalts zumeist auf Kosten von Bundesmitteln (Karussell-Politik). Der Einsatz solcher Mittel wie Arbeit statt Sozialhilfe scheint uns nur gerechtfertigt, wenn dadurch eine langfristige Besserung erreicht wird. Ausgaben können aber ebenso vermindert werden, wenn politische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensqualität in den von Erwerbslosigkeit besonders betroffenen Stadtteilen führen. Hierbei wird auf selbstbestimmtes Leben und auf Eigenarbeit der dort lebenden Leute gesetzt. Diese Politik setzt auf langfristige Kostenentlastung bei gleichzeitig steigender Lebensqualität (Quartier-Politik). Quartier-Politik heißt: - Bereitstellung von Grund und Boden (z.B. Industriebrache) in Erbpacht - Überlassen von sanierungsbedürftigen Gebäuden für preiswertes Wohnen und für handwerkliche Arbeiten, für Selbsthilfeprojekte, für Kultur und Info - nutzbarer Boden für Gemüseanbau.
Für das Projekt NEUE ARBEIT FÜR MÜLHEIM eignet sich die Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs Mülheim vorzüglich, weil sie als Ersatz- und Ergänzungsgebiet zur Sanierung gehört und damit originäre Ziele der Stadtsanierung verfolgt werden. Dies eröffnet u.a. den Zugriff auf Fördermittel. Da sich bereits abzeichnet, daß weitere Industriegebäude und -flächen in diesem Bereich frei werden, stellt sich damit zugleich die Aufgabe, diese Bereiche wieder an die Wohnbebauung Mülheims heranzuführen und die längst überholte Trennung von Wohnen und Arbeiten rückgängig zu machen. Damit lassen sich auch Ziele der Ressourcenschonung erreichen, wie sie u.a. in der Agenda 21 formuliert worden sind. Die Umwidmung eines solchen Areals nach langfristigen und nachhaltigen Maßstäben kann nicht von einzelnen und schon gar nicht Hals über Kopf erreicht werden; Sie fordert ausführliche Planungen und Mitbeteiligung aller Mülheimer BürgerInnen und Bürgerdienste. Die Erhaltung gelungener »alter« und das Initiieren »neuer« Strukturen tragen zur Emanzipation und Weiterentwicklung der Eigen- und Gruppenkompetenz in der »alten« Umgebung und dem »neuen« Quartier gleichermaßen bei. Sie fördern die Integration von Vorgefundenem und Neugeschaffenenm, von »alter« und »neuer« Nachbarschaft.
Um die Diskussion anzuregen, erlauben wir uns hier schon einige Projekte vorzuschlagen, für deren Realisierung bereits Erfahrungen von Gruppen oder Einzelnen zur Verfügung stehen. - Solarschule - Baurecyclinghof - Eigenarbeitshaus (Eigenarbeit unter Anleitung des Handwerkers) - Bau- und Gartenkollektiv - Müllemer Wäschwiever un Jonge - Möbel- und Kleider: Aufarbeiten und Verkaufen - Reparaturdienste - Bau von Werkstattgebäuden und Wohnungen - Sozialstation und Hospiz Für den kulturellen Bereich bietet sich das Einbeziehen des »Kulturbunkers« und der MüTZe an. Auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände kann ein neues Viertel mit hoher Lebensqualität, mit neuen Arbeits- und Existenzmöglichkieten, ein Stadtteil »zum Anfassen«, ein »sinnliches Quartier« entstehen: Wohnen im Grünen mit dem Garten zur Selbstversorgung - Arbeiten gleich um die Ecke- Spielen im Blickkontakt der Eltern - Feiern mit den Nachbarn, statt sich zu stören - Sich als Jugendliche in »Nischen« (auch mal unbobachtet) zurückziehen zu können - Sich gegenseitig Versorgen: Einkaufen, Pflegen, Beraten, Helfen, Besuchen, Begleiten - Leben auf der Straße könnte wieder möglich sein - eine Streitkultur entwickeln - Mitentscheiden, was in meiner Nachbarschaft passiert und was passieren soll.
Dieses neue Veedel ist ein offenes, es bietet Arbeiten, Lernen und Genießen auch für die Menschen aus der »weiteren« Nachbarschaft: Komm und tu , was Du wirklich machen willst: an einem regulären Arbeitsplatz oder im Rahmen des Konzeptes »Lokale Ökonomie«. Die Vision auch der Menschen in Mülheim ist: wir leben sozial - ökologisch - ökonomisch gesichert (ohne Vorrang des einen oder anderen Aspektes).
Die Vision auch der Menschen in Mülheim ist: den Generationenvertrag zu erneuern, einen Nationalitätenvertrag zu schließen, die Integration aller Gruppierungen (jung oder alt, gehandikapt oder überdurchschnittlich oder zum Durchschnitt gehörend, Hand- oder Kopfarbeiter, krank oder gesund, ... oder ...) zu schaffen.
Die Mülheimer Bürgerdienste (Mülheimer Institutionen und Iniativen) wollen diese Prozesse begleiten und voranbringen, sie wollen neue Ideen aufgreifen und werden diejenigen unterstützen und Mut machen, die sie umsetzen wollen.

Köln-Mülheim
Bürgerdienste Mülheim

Wir unterstützen die Mülheimer Erklärung in ihrer Fassung vom 12.06.97:

Arbeitskreis"Lokale Ökonomie"
Bauen WohnenArbeiten e.V.
Böcking Treff e.V.
Kulturbunker Mülheim e.V.
Kunstverein Köln rechtsrheinisch e.V.
Mach mit e.V.
Marciniak, Bodo; Architekt
MitarbeiterInnen der Familienberatung der Christlichen Sozialhilfe e.V.
MitarbeiterInnen der Familienberatung der Stadt Köln, Bezirk Mülheim
MitarbeiterInnen der Kölner Selbsthilfe e.V.
MitarbeiterInnen der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung ausländischer
Kinder und Jugendlicher (RAA)
MitarbeiterInnen der Volkshochschule, Zweigstelle Mülheim
MitarbeitereInnen des Arbeitslosen Bürger Centrum (ABC), Köln Höhenhaus
MitarbeiterInnen des Don-Bosco-Club e.V.
MitarbeiterInnen des Interkulturellen Dienstes der Stadt köln,
Stadtbezirk Mülheim
MitarbeiterInnen des Internationalen Bundes-Arbeitsprojekt Mülheim
MitarbeiterInnen des Kolpinghaus Köln-Mülheim, Jugendwohnheim
MitarbeiterInnen des Mülheimer Turnverein
Mitglieder der Aktionsgemeinschaft Bürger helfen Bürgern
Mülheimer Selbsthilfe, Teestube - MüTZe
Ohne festen Wohnsitz e.V.
Schäl Sick e.V.
Sozalistische Selbsthilfe Mülheim (SSM)
Zu Huss e.V.

Info und Kontakt:
Sozialistische Selbsthilfe Mülheim
Düsseldorfer Str. 74
51063 Köln
Tel.: 0221-6403152

 

 

weitere Texte:

 

Aus der Satzung von INA e.V.

 

Berichte

 

Grundlagentexte

 

Veranstaltungen

 

siehe auch:

 

 

Keime für Neues Arbeiten

 

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