Neue Arbeit für Mühlheim

Institut für Neue Arbeit

Wege aus der Krise der Arbeit

... und anderswo

 

 

Reflexionen zur Veranstaltungsreihe des INA


Heinz Weinhausen
"Neue Arbeit für Mülheim und anderswo",
die vom Okt. 98 bis Jan. 99 stattfand

Theoretischer Bezugsrahmen

Hintergrund ist die bestehende strukturelle Krise der Marktwirtschaft, welche die neuen Rationalisierungs-Potentiale der Computertechnik nur als Steigerung von Arbeitslosigkeit, Sozialstaatsabbau, generell als drastische Zunahme der Verlierer und Ausgegrenzten zu realisieren vermag.

Hier setzt das Konzept der Neuen Arbeit an. Treten die Anbieter von Arbeit und Waren im Marktsystem als Konkurrenten auf, hat das neue Konzept einen Schwerpunkt darin, in kooperativen, vernetzten Selbstversorgungsstrukturen einen gemeinschaftlichen stofflichen Reichtum zu erzeugen. Jeder hilft mit nach seinen Fähigkeiten, jeder bekommt einen Anteil unabhängig von seiner effektiven Arbeitsleistung. In den neuen Strukturen haben auch sozial Schwache und Ausgegrenzte ihren gleichberechtigten Platz. Weiter soll Platz und Raum geschaffen werden, individuellen Neigungen, einer inneren »Berufung« nachgehen zu können. Ein generelles Aussteigen aus den Konkurrenzbeziehungen wäre zwar wünschenswert, zeigt sich aber als nicht realitätstüchtig. Insofern bleibt den Teilnehmenden kein Ausweg, als auch sich selbst ein Stück weit den Markt-Strukturen in Form von Lohnarbeit oder eigenen Firmen auszuliefern.

»Arbeit« ist heute ein unhinterfragter Begriff geworden. Arbeiten für Geld gilt als einzige funktionierende und gesellschaftlich aufgewertete Existenzsicherung, die als mit religiösen Zügen versehenes "ewiges" Dogma in die Zukunft von Menschheit verlängert wird. Diese Sichtweise der Moderne ist wissenschaftlich nicht mehr haltbar. Eine Untersuchung vom Altertum und Mittelalter (ohne die heutige Arbeitsbrille) zeigt den damaligen marginalen und verachteten Stellenwert von sich zu verdingender Arbeit auf, welche ähnlich bewertet wurde wie Prostitution heute. Geschätzt waren das selbstbestimmte (auch künstlerische) Werken, gängig ein hoher Teil an Selbstversorgung. Muße wurde als Reichtum geschätzt. Anmerkung: Eine Kenntnisnehme dieser Aspekte soll nicht bedeuten, vorherige Gesellschaftsepochen zu idealisieren.

Im 17. und 18. Jahrhundert begann die Durchsetzung der Moderne. Uns heute paradox erscheinend mußten die Menschen damals erst massenhaft in die Arbeit gezwungen werden, weil ihnen ein festgefügtes Zeitkorsett unnatürlich war, dies fremdbestimmtes Tun bedeutete und nicht zuletzt, weil die Arbeitsbedingungen grausamste waren. So hat die entwickelte Geldgesellschaft ihren Ursprung in den Irrenhäusern und Gefängnisanstalten, wo ein abstraktes sinnentleertes, unmündiges Arbeiten unerbittlich eingeprügelt wurde. Nicht verwunderlich, daß sich auch Widerstandsbewegungen gegen die Orte des neuen Vergesellschaftungsprinzip, also die Fabrikhöllen, herausbildeten. Diese sind noch wenig beachtet und untersucht. Als letzte wurde die der Ludditen anfang des 19. Jahrhunderts regelrecht vernichtet.

Im Fordismus konnte die Arbeitsgesellschaft in den Metropolen die negativen Aspekte mildern. Lohnarbeit wurde als existenzsichernd und zukunftbeständig eingeschätzt. Gerungen wurde nur um bessere Arbeitsbedingungen und vor allem die Lohnhöhe. »Arbeit« setzte sich als unhinterfragte, positive Kategorie in Wissenschaft und Alltagsverstand fest. Strittig war nur noch das wie, nicht mehr das ob, zweitens die Verteilung des erzeugten abstrakten Reichtums, mit anderen Worten des Bruttosozialproduktes.

Seit Jahren zeigt sich unsere Gesellschaft des Geldverdienes in einer tiefen Krise und auch tiefen ideologischen Verunsicherung. Die alten marktwirtschaftlichen Rezepte, nach denen Arbeitsplatzabbau mittels Rationalisierung durch generelles Wachstum oder Wachstum in neuen Branchen kompensiert werden kann, oder nach denen die Gewinne von heute die Arbeitsplätze von morgen sein sollen, blamieren sich an der Realität. Eine breite Verunsicherung hat sich breit gemacht, welche sich auch an der verbreiteten Unglaubwürdigkeit von Politikern festmacht.

Heute ist demnach Neudenken und Umdenken angesagt. Gelingt es nicht, relevante Teile der Gesellschaft hierin einzubinden, etwa um neue Perspektiven zu entwickeln, Mut für Neues zu machen, unmittelbare Schritte in Form von Projekten zu entwickeln, besteht die beträchtliche Gefahr, daß sich die Krise in den üblichen reaktionären Mustern von dumpfem Rassismus, kleinkariertem Nationalismus, Verrohung bis hin zu perspektivlosen Bürgerkriegen wie in Jugoslawien entlädt.

 

 

 

weitere Texte:

 

Aus der Satzung von INA e.V.

 

Berichte

 

Grundlagentexte

 

Veranstaltungen

 

siehe auch:

 

 

Keime für Neues Arbeiten

 

e-Mail-Kontakt

Home-Page