Neue Arbeit für Mühlheim

Institut für Neue Arbeit

Wege aus der Krise der Arbeit

... und anderswo

 

 
Kölner Stadtanzeiger vom 28.3.01

Das Ende einer einstmals nützlichen Freundschaft
SSM will künftig ohne Mitbewohner wirtschaften

von Tobias Christ und Sebastian Züger

„Der Wohnraum war völlig verfallen, es gab weder einen Abfluss, noch Strom“. Frank Heimann erinnert sich noch genau an die baulichen Zustände, die vor rund zwanzig Jahren auf dem Grundstück an der Düsseldorfer Straße 74 herrschten. Diese Zeiten sind vorbei, genau so wie die Freundschaft zwischen Heimann und der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM), die sich auf dem Gelände seit Ende der 70er Jahren befindet. Der Verein hat sich zur Aufgabe gemacht, Hilfsbedürftigen unabhängig von staatlichen Geldern eine Existenz zu ermöglichen. Die Einnahmen werden mit der Organisation von Umzügen, Entrümpelungen, und Möbelverkauf erzielt. Seit 1982 wohnt auf dem einst besetzten Grundstück auch Heimann zusammen mit seiner Familie. Viele Jahre wurden die Heimanns sowie fünf weitere finanziell gut gestellte Familien vom SSM zur Deckung der laufenden Kosten, zur Renovierung der Bausubstanz sowie zur Betreuung der teils behinderten SSM Mitarbeiter benötigt. Nun hat der SSM den Heimanns als letzte noch verbliebene „Unterstützer" Partei die Wohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt. Heimann will sich das nicht bieten lassen: „Das ist unser Zuhause, wir haben da viel Arbeit reingesteckt, wir sind nicht bereit, da weg zu gehen“, sagt er empört.

Der Krankengymnast sieht sich vom SSM ausgenutzt. Bis 1993 - erst seit diesem Jahr besteht ein offizieller Mietvertrag zwischen dem SSM und der Stadt Köln - seien auf dem Gelände rund 400 000 Mark investiert worden. Davon hätten die Familien rund 50 Prozent getragen. “Nur deshalb waren wir dort gelitten“, sagt Heimann. Für Rainer Kippe vom SSM jedoch ging das soziale und finanzielle Engagement der Familie nicht weit genug: „Unser Konzept sah von Anfang an so aus, dass die besser Situierten hier wohnen können, wenn sie unsere Arbeit unterstützen und die Behinderten betreuen. Irgendwann hatten Heimann und seine Frau aber keine Zeit mehr, hier etwas zu tun,“ sagt er. Außerdem habe „keine Bereitschaft bestanden, Kosten in der Höhe zu übernehmen, die den wirtschaftlichen Umständen der Heimanns entsprechen".

Für Kippe stellen die Heimanns mittlerweile sogar eine finanzielle Belastung dar. Im Mietvertrag von 1993 wurde gegen den Willen der SSM ein Mietsatz von 50 Prozent des Mietspiegels festgelegt. Hätten die sogenannten Unterstützer-Familien nicht auf dem Gelände gewohnt., hätte der Verein aufgrund seiner sozialen Arbeit lediglich 20 Prozent zahlen müssen. Kippe rechnet so:“ Wir haben monatlich 500 Mark Vorteil, wenn die Heimanns hier sind, aber insgesamt zahlen wir 1080 Mark mehr, als wenn sie weg wären“. Kippe weiß: Wenn auch die letzte Unterstützer-Familie das Gelände verlassen sollte, könnte der Mietsatz wieder auf 20 Prozent abgesenkt werden. Die Kostenersparnis würde durch die Betreuung zusätzlicher Behinderter allerdings relativiert, so Kippe.

Mehr Geld gefordert

Die Heimanns hingegen wollen bewusst nicht mehr als den vereinbarten Anteil an den gemeinsamen Nebenkosten tragen. Schließlich sei es “bei einer Selbsthilfegruppe wichtig, dass die ihren Unterhalt selbst verdient“, sagt Gisela Heimann. Der SSM jedoch habe mit den Jahren immer mehr Geld gefordert. Nach 1997 seien die Differenzen um Geld und Betreuungsarbeit dann eskaliert: „Von da an wurden die Familien systematisch rausgemobbt“ so Gisela Heimann. Von Mobbing spricht auch Mülheims Bezirksvorsteher Norbert Fuchs (SPD): „Die Heimanns stehen dem SSM im Weg“.

Für Rainer Kippe ist das ursprüngliche Konzept des „Integrativen Wohnens“, das auch im Mitvertrag festgeschrieben wurde, endgültig "gestorben": "Wir wollen in Zukunft nicht, dass noch andere auf unserem Gelände wohnen.“ Die Betreuung der Behinderten werde mittlerweile durch andere gewährleistet: Alles das, was die Familien hätten machen sollen, wird jetzt von Leuten erledigt, die von außerhalb kommen", so Kippe.

Der SSM könnte derweil noch andere finanzielle Probleme ins Haus stehen: Das Finanzamt verlangt 41 577,46 Mark Grundsteuer-Nachzahlung für die Jahre zwischen 1994 bis 2000. Da diese Kosten den finanziellen Ruin der SSM bedeuten könnten, wird jedoch die Verwaltung dem Finanzausschuss voraussichtlich am 2. April den Erlass der Schulden nahelegen. Denn die Arbeit der SSM wird in der Beschluss-Vorlage als „positiv“ bewertet. Im Rat wird am 5. April darüber entschieden, ob die höher bewertete Grundsteuer von der SSM auch zukünftig gezahlt werden muss. Wie beides ausgeht, ist unklar. Laut Grünen-Ratsmitglied Jörg Frank steht die Ratsmehrheit aus CDU und FDP der SSM generell ablehnend gegenüber: “CDU und FDP würden das Gelände im Grunde lieber räumen“, sagt Frank. Aus diesem Grund wird die von der SSM gewünschte Mietsenkung auf 20 Prozent nicht in den Beschluss-Vorlagen auftauchen: “Ich habe Kippe im Gespräch eindringlich empfohlen, damit nicht in die Öffentlichkeit zu gehen, sonst könnte am Ende ein ganz anderer Mietvertrag entstehen“, sagt Frank: “Die schmutzige Wäsche vor dem CDU- und FDP-Vorstand zu waschen, das würde ich nicht machen.“


Zurück zu
Die Existenz des SSM ist bedroht!!!

 

 

weitere Texte:

 

Satzung

 

SPENDENAUFRUF

 

Berichte

 

Grundlagentexte

 

Veranstaltungen

 

Links

 

siehe auch:

 

Was ist "Neue Arbeit?"

 

Keime für Neues Arbeiten

 

 

e-Mail-Kontakt

Home-Page