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Information der »Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim« vom 1.2.02
Scheiden tut weh
Räumungsklage gegen die Familie Heimann
Am 5.2. wird am Amtsgericht Köln über die Räumungsklage der SSM gegen
die Familie Heimann, Mitwohner in der Düsseldorfer Straße 74,
verhandelt.
Wir haben uns zu diesem Schritt durchgerungen, weil Gisela und Frank
Heimann dauerhaft keine Miete zahlen und auch keine verbindliche
Unterstützungsleistung einbringen, zu der sie vertraglich verpflichtet
sind.
Wir wollen öffentlich unsere Sichtweise darlegen, weil unser
langjähriger Konflikt längst Stadtgespräch in Mülheim und gar in Köln
geworden ist.
Es war einmal ...
... eine tolle Aufbruchstimmung in den achtziger Jahren. Im Herbst
1979 besetzte die SSM die heruntergekommene Fabrik der Düsseldorfer
Str. 74. Alte und Junge, Kinder, Behinderte, Obdachlose und Studenten
begannen das Gelände wieder zu beleben und ganz anders miteinander zu
leben und zu arbeiten. Jede und jeder brachte seine Fähigkeiten in die
Gruppe ein; der eine hütete die Kinder, die andere fuhr LKW, der
dritte kochte und die vierte baute den Kamin. Das Geld kam in die
gemeinsame Kasse und alle bekamen nach Abzug der Ausgaben ein
Taschengeld in gleicher Höhe. Es war die Selbständigkeit, die
Freiheit, sein Leben nach eigenem Ermessen zu gestalten, die
Solidarität und Wertschätzung untereinander, die die Gruppe
zusammenwachsen ließen.
Es war noch Platz auf dem Gelände. Nach und nach zogen Familien dazu,
die eine eigene Existenz hatten oder staatliche Gelder bekamen. Sie
fanden das Projekt toll und wollten es unterstützen. Dies war eine
große Hilfe gegen die damaligen Versuche, die SSM zu isolieren und vom
Gelände zu vertreiben. So kam auch die Familie Heimann mit ihren 3
kleinen Kindern, damals selbst von Arbeitslosigkeit betroffen. Man
half sich gegenseitig beim Bauen der Wohnungen, stockte Häuser auf,
prüfte Waschmaschinen, paßte auf die Kinder auf. Und einige der
Unterstützer halfen auch bei den Wohnungsauflösungen der SSM. Unsere
Kinder wuchsen zusammen heran. Und auch für uns war es ein
Miteinander.
Juchu, ein Mietvertrag
Endlich konnte nach langen Verhandlungen 1993 der Mietvertrag mit der
Stadt Köln unterzeichnet werden. Hervorzuheben ist, daß dieser nur
gilt, solange die SSM ein soziales Projekt bleibt gemäß seiner
Satzung: » Die SSM hat sich zum Ziel gesetzt, auf dem Grundstück
Düsseldorfer Str. 74 Alten, Schwachen. Behinderten und sonst von der
Gesellschaft benachteiligten oder abgeschobenen Menschen ein Zuhause
zu schaffen, in dem sie ein menschenwürdiges und selbstbestimmtes
Leben führen können. Der Verein schafft dazu Wohraum und
Arbeitsstätten, in denen die Vereinsmitglieder ihren Lebensunterhalt
verdienen
nen.«
Zur Selbstbestimmung zählt auch, unabhängig von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld zu leben. Weil die SSM wichtige gesellschaftliche Aufgaben übernimmt, und so der öffentlichen Hand viele Kosten erspart, hat sie Vergünstigungen beim Mietpreis erhalten. Sie zahlt eine herabgesetzte Miete von 50% im Wohnbereich und 20% im Lagerbereich. Alle Ausbauleistungen wurden als Sanierungswert in Höhe von 380.000 DM anerkannt. Die SSM kann diese Summe 14 Jahre lang abwohnen.
Wie aber konnte gerechtfertigt werden, daß auch die Unterstützerfamilien weiterhin auf dem Gelände bleiben konnten, obwohl dies nur für soziale Zwecke genutzt werden sollte? Hier wurde ein Kompromiß geschlossen. Die Unterstützer müssen beständig einen sozialen Zweck erfüllen, also die SSM unterstützen beim Ausbau und der Unterhaltung des Geländes sowie bei der Integration hilfsbedürftiger Vereinsmitglieder. Die SSM erhält nur eine Mietminderung im Wohnbereich von 50% anstatt die wie bei anderen förderungswürdigen Vereinen üblichen 80 %.
Aus dem Miteinander wird ein Nebeneinander
Schon Anfang der neunziger Jahre beginnt ein schleichender Prozeß bei unseren Unterstützern, der sich nach Vertragsschluß noch beschleunigt. Ausbildungen waren begonnen worden, jetzt werden Praxen aufgemacht. Frank Heimann wird Miteigentümer und Geschäftsführer der Reha-Training GmbH in Leverkusen,
die heute zahlreiche Beschäftigte hat. Notgedrungen wird in der
Düsseldorfer 74 die eingebrachte Energie geringer.
Das führt dazu, daß die Mitarbeit seitens der Unterstützer - bei den
einen mehr, bei den anderen weniger - nachläßt. Schließlich werden die
Hausversammlungen zu unfruchtbaren Treffen. Wir werden unzufrieden.
Schließlich haben wir uns im Mietvertrag gegenüber der Stadt
verpflichtet, daß Nichtbedürftige nur hier wohnen dürfen, wenn sie
sich für das Projekt engagieren. Halten wir dies nicht ein, gefährden
wir unser ganzes Projekt, weil die Stadt Köln uns kündigen könnte.
Hier bleibt festzustellen: Die Lebenswelten der Unterstützer haben
sich geändert. Es ist nicht alles unter einen Hut zu bringen, Kinder,
Praxis, Unternehmen und tatkräftiges soziales Engagement. Dafür haben
wir Respekt und Verständnis. Alle Unterstützer haben daraus
Konsequenzen gezogen, wohnen nun woanders zur Miete oder haben ihr
Eigenheim. Nur die Familie Heimann beharrt auf der Quadratur des
Kreises.
Der Konflikt mit der Familie Heimann
Gisela und Frank Heimann wollen günstig wohnen, aber nicht den
vertraglich festgelegten »Preis« zahlen, nämlich Miete und
verbindliche Hilfe. Wir suchen das Gespräch und holen in
beiderseitigem Einverständnis eine neutrale Gesprächsleitung hinzu
(Supervision). Prinzipiell erkennen die Unterstützer zwar ihre Pflicht
zur Hilfeleistung an, aber es folgen keine Taten. Wir wechseln vom
Gespräch zum Schriftverkehr und bitten um Darlegung, was und wieviel
Gisela und Frank Heimann beizusteuern gedenken. Aber eine Ausführung
dazu haben wir nie erhalten. Einverständnis wird nur darin erzielt,
daß Gemeinschaftsarbeiten wie Hof kehren sowie die anteilsmäßige
Zahlung der Mietnebenkosten keine Unterstützung bedeuten.
Erst nachdem wir ihnen gekündigt haben, äußern sie sich zum ersten Mal
konkreter. Eine Zusammenarbeit sei ihnen nicht möglich, da wir nicht
mehr in der Hausversammlung zusammenkämen und ihnen diktieren wollten,
was sie zu tun hätten. Sie heben hervor, wie sie bestimmten einzelnen
Mitgliedern, insbesondere den behinderten Brüdern, gelegentlich
Vergünstigungen haben zukommen lassen. Massagen (obwohl alle
krankenversichert sind) oder das Mitnehmen zu Ausflügen oder Partys -
aber auch Geschenke, wie wir wissen. Nach Feierabend oder am
Wochenende können die Brüder zum Kaffee oder Frühstück kommen. Indem
die Heimanns aber einzelne nach eigenem Gutdünken herauspicken und
begünstigen, unterstützen sie nicht das Projekt. Im Gegenteil, sie
fördern nicht die Selbständigkeit, sondern verstehen Betreuung als
Verwöhnung. Eine Unterstützung für uns wäre es beispielsweise gewesen,
wenn sie die Brüder auch einmal mit in Urlaub genommen hätten. Alle
Absprachen in diese Richtung sind gescheitert. Die Früchte ihrer
Verwöhnung wollen sie allerdings nicht ernten. Als einer der Brüder
nicht mehr mitarbeiten wollte, weil er lieber bei der Familie Heimann
sein wollte, akzeptierten wir dies. Es waren Gisela und Frank Heimann,
die ihn schließlich abwiesen.
Null Miete für Familie Heimann?
Wir suchen einen Ausweg aus der verfahrenen Situation und bieten 1998
den Heimanns den Abschluß eines Untermietvertrages an. Damit wären für
beide Seiten ihre Rechte und die Unterstützungspflichten festgelegt
gewesen. Die Höhe der Miete kalkulieren wir besonders günstig nach dem
ortsüblichen Mietspiegel für Sozialwohnungen. Sie lehnen strikt ab.
Weder will Familie Heimann Miete zahlen noch akzeptiert sie uns als
Vertragspartner. Nach ihrer Auffassung hat sie ein eigenes
Vertragsverhältnis mit der Stadt Köln, nur weiß die Stadt nach eigenen
Worten nichts davon. So schrieb Dezernent Fruhner: »Vertragspartei des
1993 abgeschlossenen Mietvertrages für das Grundstück Düsseldorfer
Str. 74 ist die SSM e.V., nicht die Hausgemeinschaft und nicht die
Familie Heimann. (Brief vom 4.5.01)
Nachdem unser Friedensangebot ausgeschlagen worden war, wurde uns
klar, daß Familie Heimann weiterhin ohne Mietzahlung und ohne
Einbindung in Pflichten, aber mit allen Rechten auf unbestimmte Zeit
in der Düsseldorfer Straße 74 zu wohnen gedachte.
So meint sie wie die SSM das Recht zu haben, Sanierungsleistungen 14
Jahre lang, also bis zum Jahre 2007 abwohnen zu können. Bezogen auf
ihre Wohnung sind dies nach dem zugrunde liegenden Gutachten 70.000
DM. In den achtziger Jahren und auch bei Abschluß des Mietvertrages
sah sie dies noch als Unterstützung der SSM an; wie übrigens auch die
Stadt Köln, die alle Ausbauleistungen der SSM zugerechnet hat.
Schließlich hatten Heimanns ja auch mehr als zehn Besetzungsjahre lang
mietfrei gewohnt und sich von Anfang an entschieden, dem Projekt nicht
beizutreten. Nicht reden wollen wir davon, daß die SSM beim Ausbau
ihrer Wohnung gar noch mitgeholfen hat.
Heimanns sehen heute ihr eingebrachtes Geld als Privatinvestition an.
Trotzdem wollen sie es zu denselben Bedingungen wie die SSM abwohnen
dürfen. Wir fragen uns, wie Unterstützer gleichzeitig hilfsbedürftig
sein können?
Aber selbst wenn man Heimanns heutige Sichtweise teilen würde, daß sie
die 70.000 DM abwohnen können, so wäre nach dem Mietwert ihrer 170
qm-Wohnung, den sie in der Klageerwiderung selbst mit 7,20 DM qm
angeben, ihre Investition nach 5 Jahren, abgewohnt. Seit 1998 wohnen
sie demnach gratis. Für die letzten drei Jahre hätten sie tatsächlich
aber ca. 42.000 DM zahlen müssen. Bliebe Familie Heimann noch bis
2007, würde sie Miete in Höhe von 138.218 DM einsparen. Das ist
wahrlich kein Pappenstiel.
Familie Heimann nutzt die Meinungsfreiheit
Gisela Heimann hält es sogar für geradezu falsch, uns Miete zu zahlen.
Schließlich sei es »bei einer Selbsthilfegruppe wichtig, daß die ihren
Lebensunterhalt selbst verdient« (KStA vom 28.3.01). Und Frau Heimann
spricht dort wortwörtlich von »Mobbing« unsererseits.
Den Kölner Ratsfraktionen schreibt die Familie: »Die hauptsächlichen
Streitpunkte sind unserer Auffassung nach nicht vorrangig in
finanziellen Konflikten zu suchen. Sie entstanden aus einem
mangelhaften Demokratieverständnis bzw. der fehlenden Akzeptanz
anderer Lebensformen seitens der Führung der »Sozialistischen
Selbsthilfe Mülheim« (16.11.00). In ihrem offenen Brief vom 21.2.00
sagen sie uns »Diffamierung« nach. Wir wissen nicht, was sie sonst
noch alles in Gesprächen über uns erzählen.
Dies geschah alles im Wissen, daß wir als Selbsthilfegruppe am Markt
bestehen müssen und auf Unterstützung und Kooperation gerade im
Stadtteil angewiesen sind.
Maulkorb für die SSM?
Als wir uns öffentlich äußern wollten, sah Herr Heimann die »Gefahr
der nachteiligen Auswirkungen auf Geschäftsbetrieb, Kundenverhalten
und Geschäftsimage« (20.8.01) und meint die von ihm aufgebaute
Reha-Training GmbH. Deshalb wollte er uns verbieten, vor seinem
Betrieb Flugblätter zu verteilen, die sich »inhaltlich mit dem
Mietstreit Heimann-SSM befassen«. Insbesondere sollte uns untersagt
werden, zu behaupten, daß Frank Heimann »keine Miete zahlt, keine
Unterstützung leistet und keine Absprache mit uns trifft.« Dieser
Versuch, unsere Meinungsfreiheit einzuschränken, war Herrn Heimann
eine Kette von Prozessen und mehr als 10.000 DM an Anwalts- und
Gerichtskosten wert. Da die Richter ein anderes Verständnis von
Meinungsfreiheit haben, hat er alle Verfahren in erster Instanz oder
in Berufung verloren.
Wir wollen nicht an unsere Lage denken, wenn wir diese Summe hätten
zahlen müssen. Wir fragen uns auch schon beklommen, ob wir nach der
Verbreitung dieser Information wieder vor Gericht müssen.
Wir wissen nicht mehr weiter
Wir schätzen das soziale Engagement der Familie Heimann im Stadtteil
(Förderung von Trimmräumen, des Streetballplatzes im Böckingpark
u.a.). Nur in der Düsseldorfer Straße 74 verspüren wir nichts davon.
Im Gegenteil, dieser Konflikt raubt uns enorme Kräfte. Es kostet uns
eine große Anstrengung, uns monatelang und jahrelang besonnen zu
verhalten. Wer aus der Obdachlosigkeit zu uns kommt, für den ist
unbegreiflich, wie unsolidarisch sich die Familie Heimann verhält. Wir
müssen stetig klarmachen, daß wir nicht gewillt sind, Konflikte so zu
lösen, wie es auf der Straße üblich ist.
Neuaufnahmen können wir nicht aus der Sozialhilfe nehmen, weil wir
ihre Wohnung außerhalb nicht bezahlen können und uns auf dem Gelände
Wohnraum fehlt. Mehr als zwei bewohnte Bauwagen geht nicht. Es kann
auch kein Dauerzustand werden.
Als soziales Projekt können wir von der SSM nirgends anders hin. Die
Familie Heimann könnte sich ein neues Wohnen an anderer Stelle
leisten. In Heimanns Firma Reha-Training in Leverkusen steht seit 1994
das angrenzende Haus leer, obwohl es als Geschäftsraum deklariert
wurde. Dort hat Familie Heimann auch mehrere Monate gewohnt, als es in
ihrer Wohnung gebrannt hatte. Erst nachdem wir das jüngst aufgedeckt
haben, heißt es, daß die Räume dort umgebaut und genutzt werden
sollen. Solche Möglichkeiten zu haben, gehört nicht zu unserer
Lebenswelt. Wie gesagt, wir können nirgends anders hin.
Herausgeber und v.i.S.d.P.: Sozialistische Selbsthilfe Mülheim,
Düsseldorfer Str. 74, 51063 Köln, Tel. 0221-6403152, Fax 6403198,
e-mail: h.weinhausen@ina-koeln.org
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