Tauschwert

 
Die Spezifik der Ware (2: im Kapitalismus) gegenüber der Ware (1: getauschte Dinge auch vor und neben dem Kapitalismus) besteht darin, dass eine Ware hier neben einem Nutzen auch einen Tauschwert hat. Eine Ware (2) ist geradezu bestimmt als "Gebrauchswert, der einen bestimmten Tauschwert hat." (MEW 26.1: 375) Obwohl der "Gebrauchswert der Dinge sich für den Menschen ohne Austausch realisiert [1], also im unmittelbaren Verhältnis zwischen Ding und Mensch" (MEW 23: 98), ist diese Betrachtung nicht ausreichend, um die Funktion der Ware im Kapitalismus zu erfassen. "Denn die Ware als solche ist nie unmittelbar Gegenstand des Konsums, sondern Träger des Tauschwerts." (MEW 26.1: 122)

Um herauszubekommen, was der Tauschwert ist, wird er "dorthin verfolgt [...], wo er sich verwirklicht" (Haug 1989: 83). Wenn Waren getauscht werden, zeigt sich der Tauschwert im Verhältnis, in dem die Mengen der Waren gegeneinander getauscht werden.

"Der Tauschwert erscheint zunächst als das quantitative Verhältnis, die Proportion, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen." (MEW 23: 50) Das Charakteristische beim Austausch ist, dass es zwar irgendwie um Gebrauchswerte gehen muss (sonst hätte niemand von den Beteiligten Interesse daran), dass letztlich aber nur interessiert, wieviel von Etwas gegen wieviel vom Anderen getauscht werden kann. Im Austausch wird vom Gebrauchswert selbst völlig abstrahiert. (vgl. Engels in MEW 21: 233) Marx zitiert dazu den englischen Ökonomen Barbon: "Die eine Warensorte ist so gut wie die andre, wenn ihr Tauschwert gleich groß ist. Da existiert keine Verschiedenheit oder Unterscheidbarkeit zwischen Dingen von gleich großem Tauschwert." (MEW 23: 52)

Obwohl wir von der einzelnen Ware ausgegangen waren, zeigt sich jetzt, dass ihr ein Tauschwert nur im Verhältnis zu anderen Waren zukommt; dieser ändert sich, je nachdem, wogegen die Ware getauscht werden soll. Das bedeutet: "Nichts kann einen inneren Tauschwert haben" (zitiert MEW 23: 51, Fußnote). Ein Tauschwert "existiert bloß, wo Ware im Plural vorkommt" (MEW 19: 375)

Wichtig ist noch zu verstehen, dass mit dem Tauschwert nicht schon der Preis gemeint ist. Als Preis wird in der späteren Argumentation die "Geldform der Ware" (MEW 23: 110) bestimmt, d.h. der Tauschwert einer Ware, in Geld abgeschätzt (MEW 6: 24). Er ist damit abhängig von Angebot und Nachfrage und bestimmt durch die Produktionskosten (ebd.: 33). "Die Marktpreise drücken nur die unter den Durchschnittsbedingungen der Produktion für die Versorgung des Markts mit einer bestimmten Masse eines bestimmten Artikels notwendige Durchschnittsmenge gesellschaftlicher Arbeit aus. Er wird aus der Gesamtheit aller Waren einer bestimmten Gattung errechnet. [...] Soweit fällt der Marktpreis einer Ware mit ihrem Wert zusammen. Andrerseits hängen die Schwankungen der Marktpreise bald über, bald unter den Wert oder natürlichen Preis ab von den Fluktuationen des Angebots und der Nachfrage. Abweichungen der Marktpreise von den Werten erfolgen also ständig [...]" (MEW 16: 128).

Schauen wir nun auf die Beziehung von Gebrauchswert und Tauschwert:

  • Der Gebrauchswert: bezieht sich auf den "stofflichen Inhalt" einer Sache (ihre "Naturalform");
  • der Tauschwert bezieht sich auf die "gesellschaftliche Form" ("ökonomische Formbestimmung").

Wollen wir nun Dienstleistungen bewerten, so geht es hier darum, dass der Produktionsakt mit dem Konsumtionsakt unmittelbar zusammen fällt. Dies unterscheidet sie von dinglichen Waren. Stofflich besteht ein Unterschied, aber nicht in ihrer gesellschaftlichen Form. (Heinrich 2005: 42)

Damit sind wir aber immer noch nicht fertig. Wir hatten festgestellt, dass der Tauschwertcharakter einer Ware ihr nur im Verhältnis zu anderen Waren zukommt: Wir betrachten noch gar wirklich das Innere der Ware, sondern eins der Momente, der Tauschwert, braucht den Vergleich mit anderen Waren. Wir wollen aber herausfinden, was "in" der Ware selbst steckt, in jeder einzelnen Ware. Dies wird auch die Grundlage sein, auf der die Vergleichbarkeit beruht (der weitere Schritt begründet das Vorhergehende).

Fußnote:
Fußnoten: [1] Dass etwas, z.B. der Gebrauchswert oder der Wert "realisiert" wird, deutet auf eine wichtige Unterscheidung hin: Der Gebrauchswert oder Wert stellt eine Potenz, eine Möglichkeit dar, die sich im praktischen Handeln erst noch realisieren, verwirklichen muss.

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