Aus dem
Klo-Bücher-Regal

Er blieb scheu hinter ihr, bis sie ihm versicherte, daß niemand da sei. Er wurde nervös, als sie die Tür öffnete und ihm die Toilette zeigte. Sie wünschte, sie wäre sauberer gewesen. Es war ihr ein bißchen peinlich. Die anderen Leute, die das Klo benutzten, machten nie sauber, und sie fluchte, wenn sie es einmal in der Woche für alle putzte. Sie zog an der Kette, um ihm die Wasserspülung vorzuführen. "Siehst du, hier geht es runter und wird weggespült." Als sie ihm zurück in die Wohnung folgte[...] saugte sie befriedigt an ihrer Unterlippe. Zum erstenmal ein Punkt für sie. [...]
"Also das ist ein WC!" Luciente zerzauste sich seine langen, dicken, schwarzen Haare, daß sie nur so flogen. "Ich kann es nicht glauben. Also stimmt alles."
"Was stimmt? Das Wasser kommt aus dem Hahn aus dem Ausguß. Und wenn du die Toilette benutzt, dann verschwindet der ganze Mist."
[...]
"Manchmal habe ich den Verdacht, daß unsere Geschichtsschreibung etwas tendenziös ist. Viele aus meiner Generation [...] haben den Verdacht, das Zeitalter der Gier und Verschwendung sei... stark überzeichnet. Aber daß ihr euren Kompost verbrennt! Eure Scheiße in das Wasser leitet, das andere weiter flußabwärts trinken müssen! In dem Fische leben müssen[...] Niemand wird es mir glauben...."
"Okay, du Klugscheißer, was macht ihr denn mit Müll oder Scheiße? Au den Mond schicken?"
"Wir geben es der Erde. Wir kompostieren alles, was kompostierbar ist. Alles andere verwenden wir wieder."
Sie runzelte die Stirn. Aha, er nahm sie hoch. "Sprichst du über... Aborthäuser im Freien?"
"Häuser? Im Freien? Häuser, die von anderen isoliert stehen?" Luciente bekam einen verzweifelte Gesichtsausdruck. "Wir sollen euch ja nicht mit Technik bombardieren, aber darauf hat man mich nicht eingefärbt..."
"Bei meinem Tio Manuel in Texas, zum Beispiel, dort gab es so etwas. Sie waren zu verdammt arm, um sich Abwasserleitungen in der Wohnung leisten zu können. Sie hatten draußen ein Plumpsklo. Überall Fliegen. Du sitzt auf einem Brett mit einem Loch darin, und alles fällt in die Grube am Boden."
"Das ist das Prinzip sehr primitiver – ich meine, elementarer Form. Heutzutage natürlich – ich meine, in unserer Zeit – wird alles zentral kompostiert für ganze Häusergruppen; und wenn es entgiftet ist, verwenden wir es für den Ackerbau."
"Versuchst du mir klarzumachen, du kämst aus der Zukunft? Hör zu, in fünfzig Jahren werden sie ihre Nahrung in Pillenform einnehmen, und niemand wird mehr scheißen!"
"Das wurde gegen Ende Eures Jahrhunderts ausprobiert – petrochemische Nahrung. Eine Riesenkatastrophe. Überleg mal, wie die Menschen in eurer Zeit unter dem Wechsel zu hyperraffinierter Nahrung zu leiden hatten – Dickdarmkrebs[...]"

 
 

Marge Piercy:Frau am Abgrund der Zeit, S. 62/63
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