Bedeutung

Bedeutung (allgemein): Verhältnis zwischen psychischen Charakteristika und den objektiven Beschaffenheiten der Umwelt (Holzkamp 1985,S. 207)

Bedeutung (gesellschaftlich): Vermittlung zwischen dem objektiv-ökonomischen und dem psychischen Aspekt der gesamtgesellschaftlichen Eingebundenheit individueller Existenz (HOLZKAMP 1985, S. 233f); Bezug jedes einzelnen Menschen zum gesamtgesellschaftlichen Handlungszusammenhang (wie er in den umgreifenden ® Bedeutungsstrukturen gegeben ist)(HOLZKAMP 1985, S. 234);
diese Bedeutungen sind nicht mehr Aktivitätsdeterminanten (wie bei Tieren), sondern dem Individuum gegebene Handlungsmöglichkeiten (HOLZKAMP 1985, S. 236)

Bedeutungsstruktur (gesellschaftlich): gesamtgesellschaftlicher Verweisungszusammenhang; Inbegriff aller Handlungen, die durchschnittlich (>modal<) von Individuen ausgeführt werden (müssen), sofern der gesellschaftliche Produktions- und Reproduktionsprozeß auf einer gegebenen Stufe möglich ist (Holzkamp 1985, S. 234)

genauer:

  Stefan Meretz:

"Das Bedeutungskonzept spielt in der Kritischen Psychologie eine zentrale Rolle. In der GdP wird der Begriff im Zuge der Analyse schrittweise entwickelt und angereichert....

Es ist schwer zu verstehen, dass Bedeutungen nicht etwas Dingliches sind und dass sie auch nicht Eigenschaften von Dingen sind (Einsichten, die der Informatik besonders hermetisch verschlossen sind).

Die "Bedeutung" fasst die Relevanz, die eine Umgebung für ein aktives Lebewesen hat. Damit wird klar, dass dasselbe Umweltding - was andere Lebewesen einschließt - für verschiedene Lebewesen unterschiedliche und gar keine Bedeutung hat. Da sich der Zustand des Lebewesens zeitlich ändert, heisst das weiterhin, dass sich die Bedeutung eines "konstanten" Sachverhalts ändert. Der Bedeutungsbegriff beschreibt also immer ein Verhältnis, nicht ein Ding oder eine Eigenschaft.

Daraus folgt, dass Bedeutungen nicht in der unbelebten Natur "für" die unbelebte Natur existieren. Im Aufsatz "Genese der Information" (Meretz 1992) versuche ich den qualitativen Umschlag von der unbelebten zur biotischen Natur entwicklungslogisch zu rekonstruieren. Es wird klar, dass sich physikalische Ursache-Wirkungs-Beziehungen unvermittelt herstellen, während der Organismus-Umwelt-Zusammenhang eine vermittelte Beziehung ist, in der die Bedeutung die Vermittlungsinstanz (als Aktivitätsrelevanz) darstellt. Dass schließt nicht aus, dass die Organismus-Umwelt-Beziehung auf unspezifisch-biotischem Niveau nicht dennoch eine deterministische Relation ist. Eine "Wahl" darf für den Organismus auf vormenschlichem Niveau nicht unterstellt werden....
Folgende Tabelle stammt aus Meretz 1998:

Prozeßebene
Voraussetzung
Rolle der Bedeutung
Resultat
Relation
physikalisch
Ursache
-
Wirkung
deterministisch
unspezifisch-biologisch
gegebene Umwelt
Aktivitätsrelevanz
Aktivitätsrelevanz Aktivität
deterministisch
spezifisch-menschlich
produzierte Welt und unbearbeitete Natur
Handlungsmöglichkeit
Handlung
fakultativ

 

Zum Verhältnis von Bedeutung und Definition/Begriff:
"Worte sind die sprachliche Hülle einer Bedeutung. Demgegenüber ist der Begriff die Bedeutung. Definitionen und andere Verabredungsformen stellen nun die Beziehung zwischen einem Wort und einem Begriff, also der gemeinten Bedeutung her: "Ich verstehe unter xy, wenn...". Doch die Herkunft der Bedeutung bleibt unklar. Ich muss bei Definitionen darauf setzen, dass ein gewisses Verständnis der gemeinten Bedeutung schon "irgendwie" vorhanden ist. Definitionen etc. können sinnvoll erst gemacht werden, wenn die Bedeutungen geklärt sind. Während die traditionelle Psychologie meint, es sei mit einer Wort-Bedeutungszuweisung getan, fordert die Kritische Psychologie, dass die Bedeutungen der Sache, um die es geht, erst wissenschaftlich erarbeitet werden müssen. Das nennt sie Kategorialanalyse. Dieses Erarbeiten kann dabei keinesfalls ein bloßer Einigungsprozess sein, die Kategorialanalyse ist also nicht bloß eine Art kommunikativer Verständigung über Dinge, die "sowieso eigentlich" klar sind. Nichts ist klar. Es gibt ein gewisses Vorverständnis, es gibt dementsprechend auch vorläufige Begriffe - aber ob diese Begriffe und Bezeich-nungen taugen, muss sich erst noch erweisen."

"Da die Begriffe, also die Bedeutungen, um die es geht, kein Einigungsprodukt sind, müssen sie Resultat der wirklichen historischen Entwicklung der materiellen Welt sein. Wenn ich nun den wirklichen Prozess der Entstehung und Ausdifferenzierung der Sache, die ich untersuchen will, herausfinde und diesen Prozess begrifflich rekonstruiere, dann sind meine Begriffe der Sache auch angemessen. Schematisch kann man sich die Begriffslogik und die reale Prozeßlogik als Eins-zu-eins-Abbildung vorstellen. In der Sprache der Kritischen Psychologie heißt das: Die Begriffe müssen dem "Isomorphiekriterium" genügen, sie müssen strukturgleich sein."

(Stefan Meretz, in: »Die Grundlegung lesen...« Eine Einführung in die "Grundlegung der Psychologie" von Klaus Holzkamp, Manuskript - März 2001)

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