Gibt es ein richtiges Leben
im falschen?

 
Adorno sagte, es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Darauf hat dann Peter Brückner geantwortet, es gäbe aber ein richtigeres Leben.

 
Johannes Agnoli: Ja, das ist richtig. Wenn es kein richtige Leben im Falschen gibt, dann können wir uns auch in unser Gärtlein zurückziehen und Tomaten pflanzen. Dann gibt es ja keinerlei Aussicht auf Emanzipation, auf Verbesserung und Richtigstellung des Lebens. Das ist natürlich schwierig, denn selbst die italienischen Anarchiker - sie heißen Anarchiker, denn Anarchismus ist doktrinär - leben in der Konsumgsellschaft. Auch sie sind nicht dazu in der Lage, eine geldlose Gesellschaft innerhalb der bürgerlichen herzustellen, was die Aussage, es gäbe kein richtiges Leben im Falschen, eigentlich bestätigt.

Deshalb wiederhole ich die alte Formulierung von mit bis zum Überdruß: Daß es auf die alltägliche Orientierung ankommt. Wenn du dich vom Alltag bis zu den höchsten kulturellen Sphären am Prinzip orientierst, daß es allemal Herrscher und Beherrschte geben soll, wirst du deinen Alltag anders organisieren, als wenn du der Utopie einer Gesellschaft der Freien und Gleichen anhängst. Dass dies ein schwieriges Geschäft ist, ist klar. Wenn es nicht so schwierig wäre, hätten wir längst Freiheit und Gleichheit erreicht. Mit der Orientierung am Telos von Freiheit und Gleichheit selbst in dürftigen Zeiten, läßt sich das alltägliche gesellschaftliche Zusammenleben zwangloser und menschlicher gestalten. Es geht dabei aber nicht nur um das richtige Leben unter den Zwängen des Kapitalismus.

Dadurch wird zudem die Möglichkeit neuer Aufbrüche bewahrt, in denen der Mensch sein Leben in die eigenen Hände nimmt und für sein freies Glück kämpft.


 

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