Teufelskreise

 
Teufelskreise können sogar in einer einzigen Person entstehen. Einen davon kennt wohl jede Person: Wenn ich denke, dass ich nicht malen kann, werde ich mir sagen, dass ich es lieber unterlassen sollte und wenn ich es vermeide zu malen, kann ich natürlich auch nie damit besser werden und es entsteht ein echtes Defizit, was meinen Glauben daran, es nicht zu können, natürlich bestärkt. Paul Watzlawick beschreibt in seinem Buch "Anleitung zum Unglücklichsein" noch mehrere sehr effektive Beispiele dieser Selbst-Behinderung durch sich-selbst-erfüllende-Prophezeiungen.

           
Der Teufelskreis des "Nicht-Könnens" (in Schulz von Thun 2006: 227; Teufel aus MR 1: 194)

Da alle Kommunikation letztlich aus Rückkopplungsschleifen besteht, können auch in der zwischenmenschlichen Kommunikation sich gegenseitig verstärkende Mißverständnisse entstehen.

Nehmen wir einen Fall aus der Familientherapie (Dreier 1980: 16ff.):

Eins der auffallendsten Probleme ist die Zänkerei, die vor allem vom Sohn ausgeht. Er versteht sich nicht mit seiner Schwester und die Mutter ist so weit, die Kinder getrennt in ein Internat schicken zu wollen.
Wenn nicht wenigstens der gesamte Familienzusammenhang betrachtet wird, könnte der Sohn als Problemerzeuger in den Mittelpunkt der Therapieversuche geraten. In diesem Fall jedoch ist es deutlich, dass die Probleme nur in der Familie auftauchen, nicht in anderen Gruppen. Deshalb ist hier der systemische Zusammenhang zu berücksichtigen.
Neben den Einflüssen der Eltern fällt hier auf, dass die Zankerei vor allem im Zusammenhang mit dem Besitz von Spielzeug einsetzt. Die Tochter versucht ständig, möglichst alle Spielzeuge zu horten und der Sohn will ihr immer wieder etwas wegnehmen und zankt deswegen.

Hier haben wir den Teufelskreis von "Sachen-Wegtun" (Tochter) und "um-die-Sachen-zanken" (Sohn). Friedemann Schulz von Thun führte eine Darstellung von Teufelskreisen ein, bei der zwischen den äußerlich sichtbaren Verhaltensweisen (mit Rechteck dargestellt) und inneren Beweggründen (Kreise) unterschieden wird.

In unserem Fall fühlt sich die Tochter bedrängt von der Zänkerei des Bruders und möchte sich deshalb die Sachen sichern - der Bruder dagegen fühlt sich dadurch ausgeschlossen und beginnt zu zanken.

Graphisch dargestellt erhalten wir folgenden Teufelskreis:

Teufelskreis der Geschwister
Teufelskreis nach Dreier
(Darstellung aus http://www.schulz-von-thun.de/img/mod-img/teufelkr.jpg)

Schon in diesem Rahmen kann es helfen, durch das Herausarbeiten der inneren (meist unbewussten) Begründungen eine Klärung vorzubereiten. Therapeutische Einflussnahme besteht dann in der "Umwandlung einer "senkrechten" (verhaltensbezogenen) in eine "waagerechte" (auf das Innere bezogene) Kommunikation (vgl. Schulz von Thun MR 2: 31).


Recht häufig, aber noch komplizierter zu durchschauen sind die sog. "verdeckten" Kreisläufe. Wenn beispielweise der Hauptteufelskreis darin besteht, dass der Sohn (weil er sich abgelehnt fühlt) etwas ausfrisst, worauf hin der Vater streng reagiert (weil er entsetzt und alarmiert ist), so kann ein zweiter verdeckter Teufelskreis das Ganze stabilisieren und verfestigen: Der Vater hat durch das Verhalten des Sohns die Gelegenheit, sich als Vater gebraucht zu fühlen und der Sohn fühlt wenigstens in der Intervention des Vaters eine Art Zusammengehörigkeit. (Schulz von Thun MR 2: 37).


Ole Dreier führt die Analyse der Familie noch weiter: Dass sich der Streit gerade um den Gebrauch und Besitz von Sachen dreht, ist nicht zufällig. Während sich normalerweise die systemische Betrachtungsweise für den Inhalt der Kommunikation überhaupt nicht interessiert, thematisiert Dreier ausführlich die Bedeutung der "Verinnerlichung der Logik des Privateigenums" (Dreier 1980: 37) in der dargestellten Familiensituation. Das Privateigentum ist ein "Verhältnis, welches das Leben in unserer Gesellschaft grundlegend prägt und damit auch die Kinder in unzähligen Lebensituationen betrifft" (ebd.: 39). Schon im frühesten Alter lernen die Kinder, dass es "Meins" und "Deins" gibt. "Das Privateigentum wird wird weitgehend als Begründung dafür gebraucht, die Benutzung von Dingen in der Welt des Kindes zuzulassen oder sie zu verbieten." (ebd.: 41). Diese Eigentumszuschreibung erscheint als natürliche Eigenschaft der Dinge und nicht als gesellschaftlich festgelegte. Geben und Nehmen wird als Belohnung und Strafe eingesetzt. Auf diese Weise werden die Dinge als Mittel eingesetzt um Gefühle hervorzurufen (Dankbarkeit, Buße) und zwischenmenschliche Beziehungen zu regulieren. Durch den Einsatz solcher Mittel (Eigentumsfestlegung für Dinge) werden Interessen von Individuen gegeneinander ausgespielt, einer kann sich immer nur in Konkurrenz zum anderen durchsetzen.
Diese Situation wirkt auf den genannten Teufelskreis verschärfend ein, bzw. ist der Boden, auf dem er entsteht und gedeiht.

Teufelskreis, erweitert um die Rolle des Privateigentums


Ein besonders heimtückischer Teufelskreis wird als "Double Bind" (Doppelte Bindung) bezeichnet.


Literatur:
Dreier, Ole (1980): Familiäres Sein und familiäres Bewußtsein. Therapeutische Analyse einer Arbeiterfamilie. Frank-furt, New York: Campus Verlag.
Schulz von Thun, Friedemann (MR 2):Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Differentielle Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt. 2005.
Schulz von Thun, Friedemann (2006): Klarkommen mit sich selbst und anderen. Reinbek: Rowohlt.
Watzlawick, Paul (2007): Anleitung zum Unglücklichsein. (1. Aufl.: 1983) München, Zürich: Piper.

 
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