Mehr zum Wert und zum Fetisch (und
damit zur Spezifik 1. Wert und Fetisch in der Beziehung Produzent - Produkt Es finden verschiedene Vorgänge der
Verschleierung der wirklichen Verhältnisse im Kapitalismus statt. Letztlich
geht es darum, in welcher Weise Wert entsteht, auftaucht, erscheint usw. Wertinhalt und -form in der
einzelnen Ware Fetisch für den
Einzelproduzenten (Real-)Abstrakte ArbeitInwieweit im Arbeitsprozess selbst
Fetischisierung erfolgt, ist strittig. Robert Kurz (1987) insistiert gegen fast
alle anderen Interpreten von Marx darauf, dass die Fetischisierung nicht erst
im Austausch erfolgen kann. Dafür spricht, dass nach Ricardo und Marx der Wert
durch die Arbeit gebildet wird,
obwohl er erst im Austausch erscheint.
Die Frage ist nun: Was ist das für ein Wert, der in dem Produkt steckt (bevor
es wirklich getauscht wird). Dies gilt letztlich für die einzelne Ware, die von je einem Warenproduzenten (in
Privatarbeit) hergestellt wird. „Solange
das Problem des Übergangs von der Arbeit zum Wert nicht gelöst ist, bleibt eine
Lücke in der Marxschen Argumentation...“ (Kurz 1987: 63) Da diese Frage bei Marx anscheinend [13]
nicht beantwortet ist, versucht Kurz das in seinem Text von 1987 zu ergänzen. Er unterscheidet zwischen „zwei Ebenen des Wertform-Begriffs“ (Kurz 1987: 63), wobei Marx nur die zweite behandelt (rechte Spalte) und Kurz die erste ergänzt (linke Spalte):
1.
Wie wird aus Arbeit Wert? (bei Marx nicht vollständig) „Die
Qualität Arbeit erscheint als Wert... 2. In welchen Formen erscheint der
Wert? (Wertformanalyse bei Marx) ...
der Wert erscheint als Tauschwert.“ (Kurz 1987: 63) -
in
der Produktion -
schon
in der einzelnen Ware -
im
Austausch -
im
Verhältnis der Waren -> Wert selbst stellt gegenüber der Arbeit
eine verschiedene Qualität dar -> Wenn nur 2. betrachtet und 1. geleugnet
wird, findet nur im Austausch die dingliche Verkehrung statt Tabelle 1: Zwei Ebenen des Wertform-Begriffs Im Folgenden geht es um 1.: Auch von Marx gibt
es hierzu einen Hinweis: „Menschliche
Arbeitskraft im flüssigen Zustand oder menschliche Arbeit bildet Wert, aber ist
nicht Wert. Sie wird Wert im geronnenen Zustand, in gegenständlicher Form.“
(MEW 23: 65) Marx bindet diese Gegenständlichkeit jedoch
daran, dass der Wert der einen Ware sich im Gebrauchswert einer anderen (der
Ware in Äquivalentform, wobei das Geld als allgemeines Äquivalent gilt)
darstellt/ausdrückt. Kurz sucht nach einer genaueren Bestimmung dieses
gegenständlichen Werts noch in der Produktionssphäre (ohne andere Ware). Nach Marx ist der Wert in einer einzelnen Ware
„unfaßbar... als Wertding“ (MEW 23: 62); dies gilt, wie Kurz bemerkt, nur
hinsichtlich des Werts als erscheinender sinnlicher Eigenschaft. Trotzdem muss
die „Form der Wertgegenständlichkeit der einzelnen Ware“ (Kurz 1987: 64) interessieren und geklärt werden. Es geht um das Verhältnis von lebendiger
Arbeit (auch Wertsubstanz) als Inhalt
der Wertbestimmung und der „geronnenen“, „gegenständlichen“ Form an der einzelnen Ware. Schon dieses
„Gerinnen“ ist nach Kurz ein Aspekt
des Warenfetischs. Er ist besonders deshalb wichtig, weil er den besonderen
historischen Charakter des Werts benennt. Wenn der Wert nur im Verhältnis zu anderen
Waren betrachtet wird, könnte der werterzeugende Arbeitsprozess als unkritische
überhistorische Tatsache behandelt werden. Dies ist nach Kurz auch der Fehler
aller Marxinterpreten, bei denen eine „Warenproduktion im Sozialismus“
vorgestellt oder um den „wahren Wert der Ware“ gerungen werden soll. Eine Einordnung der ersten Tabelle in
verschiedene Erkenntnisstufen ergibt eine Parallele zur Hegelschen Unterscheidung
von An-sich, Für-andere und Für-sich. an-sich[1]:
(Wesen) ohne alle Bestimmung, wahrheitslose,
leere Abstraktion für-andere: (Form): Übergehen in das Äußere oder in das
Dasein (HW 3: 43) für-sich: Einheit von Wesen und Form[2] Tabelle 2: Hegelsche Unterscheidung von
an-sich, für-andere und für-sich[3] Dazu kann man nun zwei Positionen einnehmen.
Entsprechend einer ersten Position wäre die Suche nach der „Form der
Wertgegenständlichkeit der einzelnen Ware“ (Kurz 1987: 64) wäre dementsprechend
dem entsprechend der Versuch, das innere Wesen ohne Beziehungen „für andere“
(d.h. ohne den Austausch) zu begreifen, was aber prinzipiell nicht möglich ist:
„In
diesem Sinn kann man freilich nicht wissen, was das Ding an-sich ist. Denn die Frage Was? verlangt, daß Bestimmungen angegeben werden;
indem aber die Dinge, von denen sie anzugeben verlangt würde, zugleich Dinge-an-sich sein sollen, das
heißt eben ohne Bestimmung, so ist in die Frage gedankenloserweise die Unmöglichkeit
der Beantwortung gelegt, oder man macht nur eine widersinnige Antwort.“ (Hegel WdL I, HW 5: 130) Diese ablehnende Position entspricht der
Aussage, dass es ja sowieso keine einzelne Ware gibt, sondern dass die
Vorstellung einer einzelnen Ware nur eine gedankliche Abstraktion ist.[4]
Da wir aber von voneinander unabhängigen Privatarbeiten ausgehen, sollte es
gerechtfertigt sein, jeweils die Beziehung zwischen dem Produkt einer solchen Privatarbeit
und dem Produzenten zu betrachten. Das „für andere“ ist dann anders bestimmt: nicht mehr durch
die Beziehungen zwischen den Waren, sondern die Beziehung zwischen Produzent
und Produkt. Bei Marx findet der Fetisch der Ware für den Warenproduzenten keinen systematischen Platz, denn bis hin
zum Austauschkapitel abstrahiert er von
Menschen, weil er zeigen will, dass die fetischartigen Verhältnisse
den Handlungen der Menschen vorgelagert sind. [14]
Diese Darstellungsweise ist es, mit der er sich von Kurz unterscheidet. Mit
der Untersuchung der Beziehung zwischen Produzent und Produkt nimmt Kurz einen
anderen Standpunkt ein als Marx. Dadurch erhält er einen Übergang vom An-sich
zum Sein-für-andere, der sich (noch) nicht auf das Verhältnis zwischen zwei Waren
bezieht (wie in der Wertformanalyse, siehe II), sondern den Übergang von der lebendigen
Arbeit zum Wert (für den einzelnen Produzenten mit einer einzelnen Ware)
untersucht. Der Übergang wird diesmal nicht als einer zwischen zwei Waren
betrachtet (wo die Ware in Äquivalentform den Wert der anderen Ware
„spiegelt“), sondern zwischen Produzent und Produkt. Wir sind mit Kurz nun auf der Suche nach der
„Form der Wertgegenständlichkeit der einzelnen Ware“ (Kurz 1987: 64). Als
Inhalt[5]
bestimmt Kurz die lebendige Arbeit selbst, ihren Prozesscharakter, der sich im
Zeitmaß der Arbeit ausdrückt (ebd.). Es ist dabei -
noch nicht ausgemacht, dass die Gleichheit der
menschlichen Arbeiten (im Sinne der Gleichheit in Bezug auf „Verausgabung von
Hirn, Nerv, Muskel, Sinnesorgan usw.“)
die „sachliche Form der gleichen
Wertgegenständlichkeit der Arbeit“ (MEW 23: 86) erhält und -
auch
noch nicht, dass das Maß der
Verausgabung menschlicher Arbeitskraft durch ihre Zeitdauer[6]
die Form der Wertgröße der Arbeitsprodukte
erhält und -
auch
noch nicht, dass die
„Verhältnisse der Produzenten, worin jene gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer
Arbeiten betätigt werden, [...] die Form
eines gesellschaftlichen Verhältnisses der Arbeitsprodukte“ erhalten (ebd.). [7] Bei Marx werden diese noch ungeformt
betrachteten Stoffe als „Inhalt der Wertbestimmung“ (MEW 23: 85) bezeichnet.
Damit wäre der Wertinhalt
überhistorisch festgelegt, ebenso die lebendige Arbeit als letztlich überhistorische
Wertsubstanz. Kurz teilt diese
Sprechweise nicht, sondern unterscheidet überhistorische Bestimmungen, wie die
eben genannten und kommt dann zur spezifisch kapitalistischen Form (an der
einzelnen Ware). Die Wertform, die auch an der einzelnen Ware
gilt, ist dann nach Kurz „die (sinnlich „unfaßbare“[8])
Form des zeitökonomischen Inhalts des einzelnen Produkts“ (Kurz 1987: 65). Auf dem Weg von der Arbeit zum Wert fehlt aber
noch ein Zwischenstück: Wert ist tote Gegenständlichkeit – gesucht ist nun noch
eine prozesshafte Gegenständlichkeit (ebd.: 67). Es geht dabei um eine
Verdinglichung in der Arbeit selbst, die noch nichts mit Tausch zu tun hat.
Marx versucht das mit der Bezeichnung „geronnene Arbeitszeit“ (MEW 23: 54). Die
Zeit welcher Arbeit „gerinnt“ da? Bei Marx ist es die „Verausgabung menschlicher
Arbeitskraft im physiologischen Sinn“: „Alle
Arbeit ist [...] Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im physiologischen Sinn
und in dieser Eigenschaft gleicher menschlicher oder abstrakter Arbeit bildet
sie den Warenwert.“ (MEW 23: 61) Die „Verausgabung menschlicher Arbeitskraft im
physiologischen Sinn“ ist eine Tatsache in allen Gesellschaftsformen. Die
Spezifik des Kapitalismus besteht nun darin, dass diese allgemeinste Bestimmung
zur gesellschaftlichen Formbestimmung wird. Das heißt: Nur im Kapitalismus wird
die Allgemeinheit der menschlichen Arbeit „im physiologischen Sinn“ zur
wirklichen gesellschaftlichen Allgemeinheit, aber eben als abstrakte Allgemeinheit.[9]
Das heißt: Zwar besteht eine
Gesellschaftlichkeit des Systems der konkret-nützlichen Arbeiten „an sich“ –
aber nicht „für“ die Menschen in einer warenproduzierenden Gesellschaft. (Kurz
1987: 71) Für diese gilt[10]
die Arbeit nur in ihrer abstrakten Allgemeinheit. Vorausgesetzt ist hierbei,
dass sie als Privatarbeiten voneinander unabhängig ausgeführt werden. Die
Trennung der Einzelnen erzeugt seine spezifische Gesellschaftlichkeit als
abstrakt Allgemeines. Marx spricht diese Beziehung so aus, „daß die
Arbeit des einzelnen die abstrakte Form der Allgemeinheit [...] annimmt.“ (MEW
13: 21). Bei Marx ist es noch offen, ob dies bereits im Prozess der Produktion
oder erst im Austausch stattfindet. Auf jeden Fall ist „die Arbeit, die sich im
Tauschwert darstellt, [...] vorausgesetzt als Arbeit des vereinzelten
Einzelnen“ (ebd.). Diese Arbeit des vereinzelten Einzelnen ist im Kapitalismus
von vornherein Arbeit für den Verkauf und damit hat sie für diesen
produzierenden Einzelnen bereits in der Produktion den abstrakten Charakter, um
den es hier geht. Mit Abstraktion ist hier die Trennung
von der Nützlichkeit gemeint (vgl. Kurz 1987: 78), und die gilt
bereits für den Produzenten, weil er die Ware von vornherein für den Verkauf,
d.h. getrennt von der Nützlichkeit, herstellt. Während wir später in der Wertformanalyse im
Verhältnis zweier Waren eine Eigentümlichkeit der Äquivalentform darin sehen,
dass die Privatarbeit (an der Ware in Äquivalentform) zur Form ihres
Gegenteils, zu Arbeit in unmittelbar gesellschaftlicher Form (an der Ware in
relativer Wertform) wird (MEW 23: 73), so gilt hier bereits für die Arbeit an
einer einzelnen Ware, „daß die Privatarbeit sich als ihr Gegenteil, als
gesellschaftliche Arbeit darstellen muß“ (Kurz 1987: 78). Der Produzent produziert,
um zu verkaufen. Privatarbeit ist Arbeit zur Herstellung von Waren, deren gesellschaftliche
Form „ihre Beziehung auf einander als gleiche
Arbeit“ ist (MEGA II.5: 41), d.h. Abstraktion von ihrer Ungleichheit
bereits im Produktionsprozess für
den Produzenten. Obwohl der stoffliche Prozess natürlich konkret stattfindet
und die Arbeiten im System der Arbeitsteilung auch sachlich zusammen hängen,
abstrahieren die Produzenten als Privatarbeiter davon. Für sie ist ihre eigene Arbeit abstrakt. Dies ist auch die Ursache für das verbreitete
Desinteresse am Sinn der Arbeit, die sich im bloßen „Job-“Verständnis zeigt. „Ebenso
gleichgültig, wie dem Kapital, als sich verwertendem Wert, die besondre stoffliche
Gestalt, worin es im Arbeitsprozesse erscheint, ob als Dampfmaschine,
Misthaufen oder Seide, ebenso gleichgültig ist dem Arbeiter der besondre Inhalt seiner Arbeit.“
(Marx Resultate: 94.) Das bedeutet auch, dass die Produzenten „real
von der Totalität ihrer Bedürfnisse [abstrahieren] und damit von deren
produktiver Grundlage.“ (Kurz 1987: 86) Wie Kurz erwähnt (Kurz 1987: 84), setzt diese
Abstraktifizierung den Austausch auf dem Markt durchaus voraus – aber der Ort
dieser Realabstraktion ist nichtsdestotrotz die Produktion selbst und sie
bezieht sich auf das Verhältnis des Privatarbeiters zu seinem Produkt. „Sein
eigenes Produkt ist zwar für ihn durchsichtig Resultat seines eigenen konkreten,
lebendigen Arbeitsprozesses. Aber dieser im stofflichen Sinne konkrete Arbeitsprozeß
wird für ihn im GESELLSCHAFTLICHEN Sinne zu einem abstrakten und sein Produkt zur
abstrakten "Wertgegenständlichkeit" dadurch, daß die konsumtive
Zwecksetzung seiner eigenen Produktion von ihm abgetrennt ist.“ (Kurz 1987: 86) Was bedeutet es nun, dass sein „Produkt zur
abstrakten Wertgegenständlichkeit“ wird? Es ist ja nicht im physischen Sinn so,
dass „Arbeit gerinnt“, sondern ‚“das Produkt wird zum „Zeichen“, zur
GESELLSCHAFTLICHEN „Hieroglyphe“ für die real bereits vergangene Arbeit.“
(ebd.: 97)[11] Zwar ist, wie schon erwähnt, die Produktion
nicht unabhängig vom Austausch (bzw. vom Kapitalverhältnis, das bei Marx erst
später als Grund für das logisch Vorhergehende entwickelt werden wird), aber
schon vor dem Zu-Markte-Tragen der Produkte entsteht die Wertabstraktion als
Projektion vergangener Arbeit auf das Produkt im Hirn des Produzenten (Kurz 1987: 99 ff.). Abb. 1: 1. Form der Wertabstraktion im
Verhältnis Produzent - Produziertes Marx behandelt diese Form des Fetisch erst
nach der Behandlung des Kapital, weil er dann erst klarer unterscheiden kann
zwischen lebendiger und vergegenständlichter Arbeit sowie den Standpunkten vom Verwertungsprozess (des Kapitals) aus
und vom Arbeiter aus. Dann
spricht er von einem „Arbeiter, der den von ihm geschaffnen Wert zugleich als
ihm selbst fremden Wert schafft.“ (Resultate: 67) Ab jetzt gilt bereits die Beschreibung des
Fetisch-Charakters der Ware, wie sie Marx gibt: „Um daher eine Analogie zu finden,
müssen wir in die Nebelregionen der religiösen Welt flüchten. Hier scheinen die Produkte des
menschlichen Kopfes mit eigenem Leben begabte, untereinander und mit den
Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die
Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich den Fetischismus, der den
Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher
von der Warenproduktion unzertrennlich ist. Dieser Fetischcharakter der Warenwelt
entspringt [...] aus dem eigentümlichen gesellschaftlichen Charakter der
Arbeit, welche Waren produziert.“ (MEW 23: 86 f.) Die vom Produzenten hineingesteckte Arbeit
wird für ihn, in seinem Kopf, zur
Eigenschaft seines Produkts, das er als Ware für den Verkauf hergestellt hat,
zum Träger der Eigenschaft „Wert zu haben“. Der Wert wird für ihn zu einer „geronnenen“ Produkteigenschaft.
Die Warenproduzenten selbst verhalten sich zu ihren Waren als Werten (MEW 23:
93), was in der ersten Ausgabe des „Kapital“ noch deutlicher und ausführlicher
beschrieben war: „Der
Mysticismus der Waare entspringt also daraus, daß den Privatproduzenten die gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer Privatarbeiten als gesellschaftliche Naturbestimmtheiten der
Arbeitsprodukte, daß die gesellschaftlichen
Produktionsverhältnisse der Personen als gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen zu einander und zu
den Personen erscheinen. Die
Verhältnisse der Privatarbeiter zur gesellschaftlichen Gesammtarbeit vergegenständlichen sich ihnen gegenüber
und existiren daher für sie in den Formen
von Gegenständen.“ (MEGA II,5: 47) Dabei entstehen folgende Aspekte des
Fetischismus[12], die
hier jeweils bezüglich des Produzenten konkretisiert sind: -
Enthistorisierung/Naturalisierung: Der Herstellungsprozess „verschwindet“
im Produkt. Wie der Produzent etwas herstellt, ist letztlich gleichgültig,
wichtig ist, dass das Ergebnis verkaufbar ist. Dies zeigt sich z.B. in der
landwirtschaftlichen Produktion, wo dem Eigencharakter biotischer Prozesse
nicht mehr gefolgt wird. -
Verkehrung: Das Produkt steht für den Arbeitsprozess; das
zeigt sich z.B. in der Vertuschung schlechter Arbeitsbedingungen durch die
warenästhetische Repräsentation (schöne Verpackung) des Ergebnisses. -
Verdinglichung/Versachlichung: Sich bewegende und widersprüchliche
Prozesse erstarren zu festen Dingen. Als Ergebnis einer wissenschaftlichen
Arbeit zählt z.B. oft nur das Ergebnis, der widersprüchliche Prozess des
Erkenntnisgewinns wird systematisch ausgeblendet. -
Mystifikation/Verschleierung/Verhüllung: Die Dinge verschleiern ihre Gewordenheit,
Alternativen des Tuns geraten aus dem Blickfeld. Energie in großen Mengen wird
durch Großkraftwerke bereit gestellt und der Blick auf den „Energiebedarf“
verstellt (auch für diese) die Möglichkeit der dezentralen regenerativen
Energieversorgung bzw. die Umstellung der Lebensweise auf einen geringeren
Energieverbrauch. -
Charaktermaske/Personifikation: Der Produzent folgt der ökonomischen
„Sachlogik“; er stellt nur her, was er als rentabel verkaufbar prognostiziert. -
Personalisierung: gesellschaftliche Verhältnisse werden auf das
bewusste Wirken von Personen reduziert. Das zeigt sich für den Produzenten in
der Unterwerfung unter die soziologische Marketinglogik, die nicht die
Bedingungen des Herstellens und Verteilens als gesellschaftliches Verhältnis in
Frage stellt. -
Unmittelbarsetzen/Ausblenden von Vermittlungen bzw. Verhältnissen: Es werden nur die unmittelbaren
Kunden, Investoren oder „Mitbewerber“ und deren unmittelbares Verhalten
berücksichtigt, nicht die gesellschaftlichen Strukturen, die den Rahmen für deren
Verhalten vorgeben. Dass der Wert in der Produktion entsteht und
nicht erst im Austausch, wo das, was vorher entstanden ist, sich
„ausdrückt/darstellt“, bedeutet aber nicht, dass er quasi als Ding mit
hergestellt wird wie ein Brötchen. Die von Marx verwendeten Ausdrücke wie „Kristall“
und „geronnen“ könnten so gelesen werden, aber so kann es nicht gemeint sein.
Zu denken, der Wert sei wirklich ein
Ding und kein gesellschaftliches Verhältnis, das unter dinglicher Hülle versteckt ist (vgl. MEW 23: 88, Fn 27),
wäre fetischartiges Denken. Die Kurz hinzugewonnene Fetischform bezieht
sich also darauf, dass dem Produzenten seine vergangene Arbeit als „geronnene“
Produkteigenschaft erscheint. (Kurz 1987: 104) Allgemein gesprochen werden jeweils Prozesse,
die „an sich“ gesellschaftlich sind, „für den Menschen“ (hier den Produzenten)
zu etwas Wertförmigen und die widersprüchliche Einheit des „an sich“ und „für ihn“ begründet solch
widersprüchlichen Ausdrücke wie „geronnene Arbeit“, „geronnene Zeit“ usw. Es
geht dabei immer um eine spezifische (d.h. verkehrende) Formung eines an sich unspezifischen
Sachverhalts. Der Inhalt des Kapitels „Der Fetischcharakter
der Ware und sein Geheimnis“ (MEW 23: 85-108) im „Kapital“ bezieht sich auf die
Ergebnisse der Wertformanalyse. Der Inhalt dieses Kapitels sollte von den eben
ausgeführten Ergänzungen kaum berührt werden. Wenn Marx in diesem
Fetischkapitel schreibt, dass „die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere
ihrer Privatarbeiten erst innerhalb des Austausches“ erscheinen (MEW 23: 87),
so ist diese Erscheinungsform gerade die in Tabelle 1 auf der rechten Seite als
zweite genannte Wertform. Die erste ist die Form „für den Produzenten“, die
zweite „für die andere Ware“. Später kommt Marx zu anderen Fetischformen, so
dass es durchaus legitim ist, die verschiedenen Quellen von Fetischen aus den
quasi archäologische Schichtungen heraus zu präparieren.
Nach dem Durchgang bis hin zum Reproduktionsprozess des Kapitals sind dann auch die Grundlagen geschaffen, um eine weitere Fetischform erfassen zu können. Diese gehört systematisch auch nicht direkt hinter das Ware-Wert-Kapitel bei Marx, sondern sie lässt sich erst nach der Erklärung des Kapitals ableiten. Aber inhaltlich hat es was mit den hier genannten Verkehrungen zu tun.
Eine wichtige Eigenart der kapitalistischen Produktionsweise ist die Tatsache, dass alle Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit als Produktivkräfte des Kapitals erscheinen (MEW 26.1: 365).
Dies ist darin begründet, dass die lebendige Arbeit dem Kapital einverleibt ist, "als ihm gehörige Tätigkeiten erscheint" (ebd.).
Text
Auch die Produktionsmittel sind nicht Mittel für den Arbeiter, um Produkte zu produzieren, "sondern er ist Mittel für sie, teils um ihren Wert zu erhalten, teils um ihn zu verwerten, i.e. zu vergrößern" (ebd.: 366). Produktivkräfte und Produktionsmittel, die er selbst geschaffen hat, stehen ihm in ihrer Funktion, die in der Kapitalverwertung und damit -vermehrung steht, "fremd und sachlich gegenüber" (ebd.: 367). Marx drückt das auch so aus, dass "die gesellschaftlichen Charaktere ihrer Arbeit ihnen gewissermaßen kapitalisiert gegenübertreten" (ebd.).
Dadurch wird auch der Zweifel und die Kritik an Wissenschaft und Technik im Kapitalismus begründet. Unter den Bedingungen kapitalistischer Produktionsverhältnisse ist ein Fortschritt in Naturwissenschaft und Technik nicht zugleich ein Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit. Dies betont Klaus Peters (1988). Er beschreibt dies genauer:
"Technischer Fortschritt ist die Weiterentwicklung bestimmter Produktionsmittel zum Zweck der Steigerung der Produktivkräfte der menschlichen Arbeit. Sobald aber der Arbeitsprozeß als Verwertungsprozeß des Kapitals betrachtet wird (sozusagen vom Standpunkt des Kapitalisten), wird dieses Verhältnis von "Mitteln" und "Kräften" auf den Kopf gestellt. Jetzt wird aus der Steigerung der Produktivkraft der Arbeit ein bloßes Mittel zur Erhöhung des relativen Mehrwerts, während der technische Fortschritt als Steigerung der Produktivkräfte selbst erscheint, nämlich jener Kräfte, mit denen das Kapital ein größeres Quantum lebendiger Arbeitskraft pro Zeitspanne aus dem Arbeiter "aussaugt"."
Obwohl diese Aussage technikkritisch wirkt, stellt sie diese Kritik in den angemessenen Rahmen: Kapitalistisch angewandt werden aus den produktiven Kräften der Menschen lediglich Mittel zur Profitgewinnung. Außerhalb der kapitalistischen Verhältnisse ist "Technik [...] prinzipiell beherrschbar, weil die Produktivkräfte, die in ihr vergegenständlicht sind, in Wahrheit die Kräfte der menschlichen Arbeit sind und nicht fremde, von den Menschen unabhängige Mächte, die magischerweise toten Gegenständen innewohnen." (ebd.) Es liegt an der Nichtmeisterung der sozialen Beziehungen und nicht an der Technik, wenn wir mit unserer jetzigen Technik ökologische Probleme und den Klimawandel herbeiführen.
Unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen, in denen Menschen nicht mehr ausgebeutet und erniedrigt werden, in denen sie selbst und nicht Verhältnisse "hinter ihrem Rücken" ihre Entwicklung bestimmen, werden sie auch eine andere Art Technik entwickeln können. Ernst Bloch nannte diese dann mögliche Technik "Allianztechnik".
Kurz,
Robert (1987):
Abstrakte Arbeit und Sozialismus. Zur Marx'schen
Werttheorie und ihrer Geschichte. .
Marx, Karl (MEW 26.1):
Theorien über den Mehrwert. Erster Band. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Band 26.1. Berlin: Dietz Verlag 1974. . Marx,
Karl: Resultate: Resultate des
unmittelbaren Produktionsprozesses. Veröffentlicht als Das Kapital 1.1. Resultate des unmittelbaren
Produktionsprozesses. Berlin: Dietz-Verlag 2009. (siehe auch: nach
Archiv sozialistischer Literatur 17, Neue Kritik, Frankfurt a.M. 1968.) Peters, Klaus (1988):
Karl Marx und die Kritik des technischen Fortschritts. Marxistische Blätter 7/1988, S. 56-60. . [1] „Aber dies Ansich ist die abstrakte Allgemeinheit, in welcher von
seiner Natur, für sich zu sein,
und damit überhaupt von der Selbstbewegung der Form abgesehen wird.“ (Phän. HW
3: 24) [2] „Wenn der Embryo wohl an sich Mensch ist, so ist er es aber nicht für sich; für sich ist er es nur als gebildete Vernunft, die sich
zu dem gemacht hat, was sie an sich ist. Dies erst ist ihre Wirklichkeit.“ (Phän. HW 3: 25) [3] Es gibt auch die Triade: An-sich, Für-sich und An-und-für-sich. Diese verwendete Hegel in der „Enzyklopädie“, die in der Tabelle Vorgestellte in der „Phänomenologie des Geistes“. [4] Diese Position vertritt z.B. Backhaus.
Er betont, „daß der „allgemeine Gegenstand“ als solcher, daß heißt der Wert als
Wert sich gar nicht ausdrücken läßt, sondern nur in verkehrter Gestalt
„erscheint“, nämlich als „Verhältnis“ von zwei Gebrauchswerten...“ (zit. bei
Kurz 1987: 66). Kurz kritisiert diese Sichtweise: „Daß der Wert als Wert sich
an der einzelne Ware nicht UNMITTELBAR SINNLICH „fassen“ läßt, kann doch aber
nicht heißen, daß er deswegen auch nicht logisch-analytisch „ausgedrückt“
werden könnte...“ (Kurz 1987: 66) [5] Hier wäre die Kategorie der „Materie“
oder des „Stoffs“ (hyle) besser, denn es kennzeichnet das Abstrakte,
Überhistorische, Ungeformte, während einer Form immer ein bestimmte Inhalt
entspricht und Inhalte immer geformt sind (siehe WdL II, HW 5: 88 ff.). [6] Das heißt auch, dass nicht jede
Messung der Zeitdauer allein durch die Quantifizierung wertförmig ist. Es gibt
auch eine Messung der Zeitdauer, die nicht getrennt ist vom zu messenden
nützlichen Inhalt (siehe Kurz 1987: 77): „Wenn der Bau eines Verkehrsmittels
zur Debatte steht, der dafür notwendige Arbeitsaufwand gemessen und kalkuliert
wird, und diese Arbeit bei positiver Entscheidung schließlich qualitativ und
quantitativ als bewußt geplanter Teil der Gesamtarbeit durchgeführt wird, dann
ist daran überhaupt nichts "abstrakt".“ (ebd.) [7] In den ersten beiden Momenten geht es nach Kurz (1987: 66) um die Bestimmungen des Werts selbst (im Sinne der linken Spalte der Tabelle 1) und im letzten um Bestimmungen des Tauschwertes (rechte Spalte der Tabelle 1). [8] damit auch nicht an der einzelnen Ware
irgendwie messbare! [9] Eine konkrete
Allgemeinheit würde ihren Gegenstand „mit Inhalt und Erfüllung [...] nehmen“
(WdL I, HW 5: 132) und „den Reichtum des Besonderen in sich fassen“ (ebd.: 54).
Das abstrakt Allgemeine entsteht durch
Hinweglassung des Besonderen und hält lediglich das Gemeinschaftliche fest.
Vgl. Schlemm, Annette (2000): Die Abstraktion.
[10] Da dies nicht nur ausgedacht ist, sondern den objektiven Verhältnissen entspricht, wird hier eine „Realabstraktion“ vollzogen. Eine Realabstraktion ist „nicht denkerzeugt, hat ihren Ursprung nicht im Denken der Menschen, sondern in ihrem Tun.' (Alfred Sohn-Rethel, Geistige und körperliche Arbeit, S. 41) [11] Einerseits muss für jede solche „Hieroglyphe“ reale Arbeit aufgewendet worden sein, deshalb ist der Wert nicht nur ein bloßes Gedankending. Die „Substanz“ des Werts (Arbeit) ist kein Gedankending (auch die wirklichen gesellschaftlichen Beziehungen der Produzenten nicht) – allerdings erscheint dieser Inhalt (d.h. als Erscheinungsform) dem Menschen lediglich als Gedankending. Insofern fallen hier – bei Kurz – Inhalt und Form auseinander (Kurz 1987: 97), wobei statt „Inhalt“ hier auch wieder „hyle“ gemeint ist. Kurz geht dabei davon aus, dass „die FORM der gegenseitigen Beziehung der gesellschaftlichen Arbeiten [...] jedoch als abstrakte so nur in den Köpfen enthalten“ ist (ebd.). Dabei ist diese ideelle Form dem individuell-subjektiven Denken voraus gesetzt. (Weiter zu typisch bürgerlichen Denkformen und Folgen für die Sprachstruktur siehe kurz bei Kurz 1987: 98). Es entsteht eine „gesellschaftlich-fiktionale und gleichwohl objektive „Vergegenständlichung“ von etwas zwar Materiellem, aber nicht wirklich Gegenständlichen“ (ebd.: 99). [12] http://seltsamer-zusammenschluss.org/downloads/Die_Marxsche_Kritik_des_Fetischismus_Handout.pdf. [13] Nachtrag 2013: Kurz verkennt die Systemstruktur des Marxschen Werkes. Niemals war es dessen Absicht, die Wertbildung in den Austausch zu verlagern. Erst später wird klar, dass die Produktion im Kapitalismus von vornerein wertbildende Arbeit ist. Dies kann Marx an dieser Stelle aber noch nicht voraussetzen. [14] Nachtrag 2013: Das ist falsch, wenn dadurch eine eindeutige Determination vorgestellt wird: Dass Marx die Bewegung der Waren vor den Handlungen der Menschen darstellt, hat nichts damit zu tun, dass die Verhältnisse die Handlungen eindeutig bestimmen. Im Gegenteil: Im Fortschritt der Argumentation werden vorherige Erscheinungen auf ihr Wesen hin überschritten. |