Lohn-Arbeit

Aus einer Mail von Stefan Mz. am 29.9.99:

...Das bedeutet dann aber klarerdings, das die alte Vorstellung, erst produzieren die Arbeiter Gebrauchswerte, dann kommt der Kapitalist, bringt die Güter zum Markt und verscherbelt sie, wodurch er sie erst zu Tauschwerten macht (praktischer Vergleich auf abstrakter Wertbasis) falsch ist. Entsteht der Wert in der Produktion (und nicht in der Distribution), dann wird dort auch nur abstrakt gearbeitet. Dieses schon immer dagewesene Verhältnis wird bei den neuen Produktionsmethoden, mit denen der Druck des Marktes sozusagen ungefiltert an die Arbeitenden (Gruppen oder gar Einzelne) durchgereicht wird, auch sinnlich erfahrbar. Für mich wurde das so deutlich, als ich den Aufsatz „Die neue Selbständigkeit in der Arbeit und Mechanismen sozialer Ausgrenzung“ von Wilfried Glißmann (Betriebsrat bei IBM in Düsseldorf) las - erschienen in: Herkommer, S. (Hrsg., 1999), Soziale Ausgrenzungen. Gesichter des neuen Kapitalismus, Hamburg: VSA. Zitat daraus:

„Die neue Dynamik im Unternehmen ist sehr schwer zu verstehen. Es geht einerseits um "sich-selbst-organisierende Prozesse", die aber andererseits durch die neue Kunst einer indirekten Steuerung vom Top-Management gelenkt werden können, obwohl sich diese Prozesse doch *von selbst organisieren*. Der eigentliche Kern des Neuen ist darin zu sehen, daß *ich als Beschäftigter* nicht nur wie bisher für den *Gebrauchswert-Aspekt*, sondern auch für den *Verwertungs-Aspekt* meiner Arbeit zuständig bin. Der sich-selbst-organisierende Prozeß ist nicht anderes als das Prozessieren dieser beiden Momente von Arbeit *in meinem praktischen Tun*. (...) *Die beiden Aspekte zerreißen mich geradezu, und ich erlebe dies als eine persönlich-sachliche Verstrickung*.“ (Hervorhebungen mit *...* im Original)

Das Zitat ist in mehrfacher Hinsicht beachtlich.
(1) Nach obiger Diskussion ist die Vorstellung, Gebrauchswerte zu produzieren, irrig. Es sind und waren zuverwertende Werte, das war der dominante Aspekt. Jede persönliche Vorstellung „gute Arbeit“ leisten zu wollen, mußte schon immer gegen das Faktum, das nur die abstrakte Arbeit abgefordert wird, durchgesetzt werden. Die meisten resignieren dabei, wie auch im MgA beschrieben, denn Qualität als eigene Leistung wurde ja auch sofort zwecks Verwertung enteignet. Hier gibt es die interessante Story von der Übertragung von Star-Office auf die Linux-Plattform. Das geschah nämlich in Guerilla-Taktik heimlich teilweise neben, teilweise während der Arbeit gegen die Order des Managements. Dann wurde Linux immer populärer und gleichzeitig flog die Untergrundentwicklung auf - aber das Management verzieh gnädigerweise. Was vorher mit Begeisterung betrieben wurde, war dann nurmehr „normale Arbeit“. Und dann gibt es die Linux-Entwicklung selbst, die ausserhalb von Verwertungszusammenhängen geschah - und nur so realisiert werden konnte. Das heißt: Der Gebrauchswert-Aspekt, die konkrete Arbeit kann nur außerhalb von Verwertungszusammenhängen realisiert werden. Innerhalb des Verwertungszusammenhang gibt es dafür keinen Raum (mehr).
(2) Wenn es also bei der Arbeit schon immer um Verwertung ging, dann ist der Unterschied, dass die Beschäftigten neuerdings dafür zuständig sind, nicht der eigentliche. Der Unterschied ist dann „nur“, dass vorher ein bürokratischer „Filter“ existierte, der über eine Kommandostruktur die Marktmechanismen per Befehl nach unten weitergab. Das „spart“ man sich jetzt. Der mittelbare Verwertungsdruck ist einem unmittelbaren gewichen - das ist der Unterschied.

 


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