Subject: [ox] Neuer ProduzentInnentyp
Date: Sun, 07 Nov 1999 19:49:25 +0100
From: Stefan Merten

Dazu: Benni Baermann

nochmal: Stefan Merten (17.11.)

....
Wenn es sich tatsächlich um einen neuen Produktivkrafttyp handelt, dann braucht dieser auch einen neuen Typ von ProduzentInnen. Im Falle von Gnu/Linux wären das genau die Leute, die heute daran arbeiten. Es wäre die Frage, was an ihnen gegenüber der durchnittlichen LohnarbeiterIn anders ist. Ich sammle mal, was mir gerade so dazu einfällt.

  • Gnu/Linux-ProduzentInnen müssen über einen Teil ihrer Freizeit frei verfügen können.

nicht zwingend. Immer groessere Teile der Freeware werden ja von Firmen beigesteuert.

Eine interessante Entwicklung in der Tat. In aller Regel unterliegen diese Arbeiten aber immerhin auch offenen Lizenzen - soweit ich das überblicke. Um nochmal die Überlegungen bzgl. Freiheit / Lust am produktiven Tun als (finaler) Produktivitätsreserve aufzugreifen: Die Leute, die in Lohnabhängigkeit für Linux entwickeln, müßten dann ja auch den Problemen unterliegen, die für Lohnarbeit kennzeichnend sind. D.h. sie dürften eigentlich nicht so einen Erfolg haben wie der Gnu/Linux-Kern. Andererseits würde ich das für ein Randphänomen halten, bei dem mangels Masse keine verläßliche Aussage getroffen werden kann. Es gibt ja auch in Lohnarbeit gut motivierte und fähige Leute und außerdem dürften sie dennoch von dem Open-Source-Rücklauf profitieren. Sollte auf jeden Fall gut beobachtet werden dieser Bereich.

Wir haben denke ich schon festgestellt, daß die Gnu/Linux-ProduzentInnen offensichtlich Einkommensquellen haben müssen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer Gnu/Linux-Produktion zu tun haben.

Das ist oft noch so, muss aber nicht so bleiben.

Was meinst du? Daß sie in absehbarer Zeit ihre Lebensmittel so bekommen, wie sie anderen Gnu/Linux geben ;-) ?
Du meinst, daß Gnu/Linux irgendwann überwiegend von LohnarbeiterInnen entwickelt werden könnte? Hmmm...

Vulgo könnten wir auch sagen, daß sie genügend freie Zeit haben, die sie nicht dem Lebensunterhalt widmen müssen, sondern die für frei(gewählt)e und unentgel{dt}liche Tätigkeiten wie z.B. die Gnu/Linux-Produktion zur Verfügung steht.

  • Eine gute Ausbildung ist notwendig.

Die Gnu/Linux-ProduzentInnen müssen auch über mindestens ein gewisses technisches Know-How verfügen - sie müssen ja programmieren können - oder als ModeratorInnen ja mindestens genug von der Materie verstehen.

Der größte Teil wird über ausreichende Englisch-Kenntnisse verfügen müssen, die wir wohl zur Ausbildung rechnen können.

Diesen Punkt wuerde ich sogar noch staerker machen. Nicht nur eine gute Ausbildung ist noetig, sondern eine Ausbildung die es moeglicht macht, absolute Spitzentechnik nicht nur zu verstehen, sondern selber zu gestalten . Stimmt.

Trotzdem (oder gerade deswegen?) gibt es viele Autodidakten.

  • Sie müssen über Computer und Internet-Zugang verfügen.

Computer und Internet-Zugang sind quasi die Produktionsmittel der Gnu/Linux-ProduzentInnen.

Eigentlich wird ihr Wissen zu ihrem hauptsaechlichen Produktionsmittel. Ein Internetzugang und ein Computer wird ja auch erst dadurch zum Produktionsmittel, dass man _weiss_ wie man damit umzugehen hat. Na gut. Es gehört beides zusammen.

Und im Gegensatz zu einer klassischen Maschiene, die man mehr oder weniger auf eine bestimmte Art einsetzen kann, Hier gibt es natürlich auch schon innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise einen starken Trend zu immer komplizierteren Maschinen, die eben nicht mehr nur auf eine mehr oder weniger bestimmte Art eingesetzt werden können...

sind hier die Einsatzmoeglichkeiten allerdings unendlich und nach oben (fast) nur vom Wissen, des Einsetzenden begrenzt.

...der Computer als universellste aller Universalmaschinen ist da sicher das wichtigste Beispiel.

Damit fallen meiner Meinung nach Deine Drei Punkte in einem Zusammen: Die Produzenten freier Software machen Wissen zum eigentlichen Produktionsmittel. Damit liegen sie voll im Mainstream der wirtschaftlichen Entwicklung, da auch hier sich die Produktion immer mehr verwissenschaftlicht.

Genau. So gesehen wird da nur der innerkapitalistische Trend weiter (über ihn hinaus?) projiziert.

Das wär's erstmal was mir so einfällt.

Bei der klassische LohnarbeiterIn sieht das so aus.

  • Sie muß frei über ihre Arbeitskraft verfügen können.

Sie darf also nicht durch Leibeigenschaft, familiäre, soziale, religiöse, ständische oder andere Regularien daran gehindert sein, ihre Arbeitskraft frei auf dem Markt anzubieten.

  • Eine Ausbildung ist nicht immer notwendig.

Zwar ist eine Ausbildung von Vorteil auch für die LohnarbeiterIn. Notwendig ist sie allerdings nicht - es gibt ja genügend Un- und Angelernte.

  • Sie braucht keine Produktionsmittel.

Lohnarbeit ist ja gerade dadurch gekennzeichnet, daß sie mit fremder Leute Produktionsmitteln verrichtet wird.

 

 


Weiter zu diesem Thema

Zu Oekonux