Dialektischer Begriff von Arbeit und die wissenschaftliche Arbeit

Peter Ruben und Camilla Warnke veröffentlichten 1979 einen Text, der sich gegen eine ihrer Ansicht nach einseitige Bestimmung der menschlichen Arbeit richtet. Georg Lukács hatte als Bestimmung der menschlichen Arbeit vor allem ihre Zielgerichtetheit betont. Für ihn beruhte die Arbeit auf einer "fortlaufenden Verwirklichung teleologischer Setzungen" (zit. in Ruben, Warnke 1979: 21).
Dem stellten Ruben und Warnke eine umfassende eigene Bestimmung der Arbeit entgegen, bei der das umfassende Wissen Camilla Warnkes über die philosophische (Hegelsche) Dialektik und Peter Rubens über die analytische Verdinglichung als einer reduzierenden Denkmethode zur vollen Wirkung kommt. Auch die menschliche Arbeit kann unter diesen beiden Sichtweisen betrachtet werden, der dialektischen und der analytischen.

Dialektische und analytische Sicht auf die Arbeit

Eine dialektische Sicht auf die Arbeit muss die konkrete Einheit ihrer Momente erfassen. Dabei sind die Momente zwar kategorial unterschieden, aber in ihrer Existenz untrennbar miteinander verknüpft. Dies gilt, wenn wir die unmittelbare, aktuelle Existenz eines Arbeitsvorganges betrachten. Dabei eignet sich ein Arbeitssubjekt das Arbeitsobjekt an und bildet es um. Das Subjekt ist als solches nur bestimmt in der konkreten Einheit mit dem Objekt - das Objekt in der Einheit mit dem Subjekt.
Eine Trennung dieser Momente ist durch die gedankliche Analyse möglich, das "Subjekt" arbeitet dann aber nicht mehr, sondern wird zu einem abstrakten, verdinglichten Arbeitsvermögen und das "Objekt" steht diesem Vermögen äußerlich, z. B. als Naturgegenstand, gegenüber.
Ein wirkliches Subjekt und ein wirkliches Objekt gibt es nur in der dialektischen Relation in der wirklichen, konkreten Beziehung. In einer analytischen Sichtweise werden (potentielle) "Subjekte" und (potentielle) "Objekte" zu vergleichbaren Gegenständen in einer nicht mehr dialektischen, sondern in einer binären Relation. Beide werden als in ihrer Existenz voneinander unabhängige Dinge unterstellt und zwischen ihnen werden analytische Vergleiche möglich (so können zwischen aufgewandtem subjektiven Arbeitsvermögen - Aufwand - und dem konsumierbaren vergegenständlichten Arbeitsvermögen - Nutzen - ökonomische Vergleiche stattfinden).

Dialektische Unterscheidung

Welche Momente sind nun im konkreten Arbeitsprozess ("konkrete Arbeit") zu unterscheiden? Gerade für die Arbeit ist es wesentlich, dass Subjekt und Objekt nicht unvermittelt wechselwirken, sondern sich das Subjekt Arbeitsmittel schafft[1], mittels derer es seine Arbeitsobjekte umgestaltet. Das Subjekt ist dabei der Akteur der Aneignung und Umbildung des Objekts und das Arbeitsobjekt ist nicht nur die äußerliche, passive Bedingung eines auf ihn einwirkenden Prozesses, sondern konstitutives Moment der Arbeit. Im Arbeitsmittel finden wir eine reale Einheit von Objekt und Subjekt, nach Ruben und Warnke "das reale Objekt-Subjekt, das Schelling einst im Ich Fichtes suchte, aber mangels der Orientierungen auf die wirkliche materielle Produktion nicht fand" (Ruben, Warnke 1979: 22)[2]. Innerhalb dieser dialektischen Einheit kann nicht in dem Sinne unterschieden werden, dass eins der Momente ein aktives, ein anderes ein passives wäre - jedes Moment ist selbst als Einheit von Gegenstand und Verhalten (ebd.: 25) zu betrachten. Das bedeutet, dass in der Arbeit auch das Subjekt verändert wird und auch das Objekt nicht nur passiver Veränderung unterliegt sondern in seinen Verhaltensweisen aktiv mitwirkt.

Analytische Trennung

Bei der analytischen Trennung erhalten wir eigenständige Dinge, die nur das Abstrakte der vorher konkreten Momente darstellen. In unserem Fall sehen wir als verdinglichtes Arbeitsvermögen die realisierbare Arbeitsfähigkeit auf der einen Seite und auf der anderen Seite Rohstoffe oder Halbfertigwaren als potentielle Objekte der Arbeit oder die fertigen Arbeitsprodukte. Es sind nicht Momente wirklicher Arbeit, sondern "Bedingungen ihrer Möglichkeit" (Ruben, Warnke 1979: 22) und sie kennzeichnen die "abstrakte Arbeit" als ihre subsumierende Einheit. All diese Faktoren können getrennt existieren, außerhalb des konkreten Arbeitsprozesses. Wenn ich sie in dieser Form einer Untersuchung zum Thema Arbeit zugrunde lege (wie ökonomietheoretisch z.B. als "Produktionsfaktoren"), seziere ich tote Dinge, aber ich kann den konkreten Arbeitsprozess nicht begreifen. In dieser getrennten Form kann ich sie auch einem Vergleich unterwerfen, bei dem ihre konkrete Mannigfaltigkeit auf wenige oder einen Parameter reduziert wird (wie die Zuschreibung des ökonomischen "Werts").
Während in der dialektischen Sichtweise jedem der Momente eine innere Einheit von Aktivität und Passivität, von Verändert-Werden und Verändern zugesprochen wird, wird nun dem "Subjekt" das aktive Einwirken auf ein als passiv vorgestelltes "Objekt" zugeschrieben. Dem entspricht die Auffassung von Arbeit als Äußerung eines Subjekts unter Ausschluss und im Gegensatz zum Objekt, wie es bei Lukácz zu verzeichnen ist (Ruben, Warnke 1979: 28).

Reale Abstraktion im Kapitalismus

In der kapitalistischen Gesellschaftsformation liegt eine besondere Form von Arbeit vor[3] : In der Lohnarbeit verhält sich das Arbeits"subjekt"[4] nicht mehr als Aneigner (Eigentümer) und Umgestalter (Produzent) zum Objekt, sondern die Aneignungs- und Umgestaltungsfunktion wurden getrennt. Kapitalistisches Eigentum an Produktionsmitteln und -gegenständen vollführt also quasi eine "Realabstraktion"[5] und ist deshalb die Grundlage für die kapitalistische Entfremdung[6] und das Fetischverhältnis[7] .
Unabhängig von dieser Realabstraktion, die ihre Grundlage in den herrschenden Eigentumsverhältnissen hat, kann auch in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft nach dem vollzogenen konkreten Arbeitsprozess ein Vergleich von Aufwand und Nutzen erfolgen.[8]

Wissenschaft als Arbeit

Wissenschaft als Erforschung der Veränderbarkeit in seiner Einheit von Subjekt-, Objekt und Mittel

Die eben referierte Konzeption zur menschlichen Arbeit lässt sich anwenden, wenn wir sie auf eine Form menschlicher Arbeit anwenden, die wissenschaftliche Erkenntnisarbeit. Den Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnis verstehen wir dann als "Moment der menschlichen Arbeit" (von Borzeszkowski, Wahsner 1979: 219, vgl. Ruben 1978, Laitko 1979). Als Momente der konkreten wissenschaftlichen Arbeit sind dann Erkenntnissubjekt, Erkenntnisobjekt und Erkenntnismittel zu sehen. Was unterscheidet dabei Erkenntnisobjekt und Erkenntnismittel? Erkenntnisobjekte stehen unter Bedingungen und (re)agieren bedingt - Erkenntnissubjekte bringen Gründe ins Spiel, also Interessen, Ziele etc...[9]

Nach Laitko unterscheidet sich die wissenschaftliche Arbeit von anderen Arbeitsformen dadurch, dass sie nicht selbst das Ziel hat, die Welt im Interesse der Selbsterhaltung und Entwicklung der Menschen zu verändern, wie andere Arbeitsprozesse, sondern dass es ihr um die "objektive Erforschung der Veränderbarkeit" (Laitko 1979: 84, vgl. auch Bloch PH: 286 [10]) geht. Dabei wirken, wie auch bei der Arbeit im oben besprochenen Sinne, das Subjekt und das Objekt durch Wechselbeziehungen aktiv aufeinander ein - wenn auch nur dem Erkenntnissubjekt ein Erkenntnisinteresse zuzusprechen ist. Beide Momente verändern sich in dieser Beziehung auch. Das Erkenntnissubjekt gewinnt an Kenntnis über das Sein und die Veränderbarkeit der Welt und erweitert damit seine Handlungsfähigkeit - die zu erkennenden Bereiche der Welt werden zu "Gegenständen" der Erkenntnis, in dem sie notwendigerweise[11] teilweise aus ihren umfassenden Wechselbeziehungen in der Welt herausgelöst werden und ihre Untersuchung jeweils auf spezifische Verhaltensweisen beschränkt wird. Das Erkenntnissubjekt erkennt in der wissenschaftlichen Arbeit seine Objekte auch nicht auf unmittelbare Weise, sondern verwendet Erkenntnismittel, die gegenständlich oder auch theoretisch sein können.[12]

Herbert Hörz nennt als Vermittlungen zwischen Erkenntnisobjekt und Erkenntnissubjekt: Geräte und deren Theorien, außerdem Hypothesen, Modelle und eine wachsende Rolle der Mathematik speziell in der Physik (Hörz 1966: 63f.) und Samuel M. Rapoport untersuchte speziell das Zusammenwirken von Gegenstand (Objekt), Zielfunktion (subjektives Moment) und Methoden (als Erkenntnismittel) (Rapoport 1981). Aufgrund der schnellen Veränderlichkeit der Erkenntnismittel kommt ihnen eine "revolutionierende Rolle" (ebd.: 122) zu.

Dualisierung als Form der Konstituierung von Objekt und Mittel

Eine weitere Präzisierung des Zusammenhangs von Erkenntnisobjekt und Erkenntnismittel erarbeitete vor allem Renate Wahsner (meist in Zusammenarbeit mit Horst-Heino von Borzeszkowski). Sie interessiert sich weniger für den Unterschied von Dialektik und reiner Analytik, wie sie von Peter Ruben thematisiert wird, sondern sie untersucht die Rolle von Erkenntnismitteln in der Einzelwissenschaft, speziell der Physik.[13] Keine Einzelwissenschaft kann direkt und unmittelbar alle wirklichen Beziehungen vollständig und in ihrem widersprüchlichen Verhältnissen erfassen. Wie können wir einen in sich widersprüchlichen Gegenstand (Bewegungsform, Prozess, Entwicklung) einzelwissenschaftlich erfassen? Der einfachste Widerspruch liegt schon mit der reinen Ortsbewegung vor: Indem sich ein Körper bewegt, ist er nicht mehr am ersten, aber auch noch nicht am nächsten Ort. D. h. der Bewegungszustand zu einem Zeitpunkt kann nicht eindeutig durch eine Ortsangabe bestimmt werden. Die Lösung des Problems besteht in der Einführung der vektoriellen Größe Geschwindigkeit. Dadurch kann der Bewegungszustand durch die Angabe einer Zeit, einer Raum- und einer Geschwindigkeitsangabe eindeutig und logisch nicht widersprüchlich bestimmt werden. Dabei werden die Momente des Widerspruchs der Bewegung in zwei Pole auseinandergelöst, der eine Pol umfasst Raum- und Zeitkomponenten, der andere die Geschwindigkeit.[14] Das Auflösen widersprüchlicher Momente in zwei getrennte Pole wird von Wahsner und von Borzeszkowski "Dualisierung" genannt. Diese Dualisierung ist also eine spezielle Form wissenschaftlicher Abstraktion, bei der Erkenntnisobjekt und Erkenntnismittel konstituiert werden. Der untersuchte Gegenstand mit seinen vielen Wechselbeziehungen wird nur in Bezug auf die jeweilige Fragestellung betrachtet, einzelne Verhaltensweisen werden aus der Gesamtheit heraus gelöst und z. B. als physikalische Grundgröße verdinglicht. So ist die (träge) Masse eines mechanischen Körpers abgeleitet von der Verhaltensweise aller trägen Körper, gegen eine Bewegungsänderung (Beschleunigung) einen Widerstand auszuüben. Die Masse bekommt einen Doppelcharakter: Sie ist etwas von Menschen Konstituiertes (als Erkenntnismittel) und gleichzeitig vom realen Objekt Abgeleitetes, nichts lediglich willkürlich Erfundenes. Im Erkenntnismittel vereinigt sich die Aktivität des Subjekts (das entscheidet, welche Verhaltensweise es untersucht) und des Objekts (dessen reales Verhalten der Gegenstand der Untersuchung ist).

In der Physik ist es speziell die Messung, die den Rückbezug darauf sichert, dass reale Verhaltensweisen in angemessener Form erfasst werden und nicht nur mathematische Formelspekulationen erfunden wurden: "Durch Messung können jedoch nur voneinander geschiedene, nicht nur unterschiedene Objekte bestimmt werden. Es bedarf daher stets einer gegenständlichen und geistigen Arbeit, um Gegenstände resp. Systeme aus der Komplexität der Wirklichkeit herauszulösen, um die verschiedenen Momente der Bewegung so auseinanderzulegen, daß sowohl die Messung, also physikalische Erfahrung möglich wird, als auch das Auseinandergelegte wieder so zusammengedacht werden kann, daß die Wirklichkeit erfaßt wird." (von Borzeszkowski, Wahsner 1991: 185/186)
Durch diese Dualisierung entstehen genau jene Momente von Wissenschaft, die vielfach kritisch diskutiert wurden. Dies beginnt mit Goethes Kritik an Newtons Grundlegung der Farblehre auf nur quantitativen Größen (Wellenlängen), die Ernst Bloch weiter führt und direkt in Bezug zur Verdinglichung in der kapitalistischen Warenwelt setzt (Bloch AOP: 36) sowie aktuellen Wissenschaftskritiken. (Ortlieb 1998 u.a.)

Zum Zusammenhang von Gesellschafts- und Erkenntnisform kann sicher viel gesagt werden - hier jedoch steht eine erkenntnistheoretische Begründung der Dualisierung im Mittelpunkt und es kann durchaus die interessante Fragestellung weitergegeben werden, wie eine Freie Wissenschaft in einer Freien Welt das Problem der einzelwissenschaftlichen Erfassung der Widersprüchlichkeit lösen wird. Auch dann jedoch werden wir nicht die Welt in ihren vollständigen Beziehungen, wie sie "an sich" ist, erkennen, sondern spezifische Erkenntnismittel erarbeiten. Bereits jetzt ist - wie Rapoport für die Methoden feststellte - die Dynamik des Schaffens neuer Erkenntnismittel, des Auffindens neuer Formen des Dualismus sehr groß und neuere Dualismen gestatten jeweils tiefere Einblicke in die realen komplexen Zusammenhänge. So wird ein großer Bereich der in der Newtonschen Mechanik von der bewegten Materie abgetrennten Raumzeit durch die allgemeine Relativitätstheorie direkt als Wirkungsform der Materie (Metrik als Raum"krümmung" durch die Gravitation) begriffen.[15]

Das Analytische und die Konkretheit in den Einzelwissenschaften

Die Konstitution von Grundgrößen und apriorischen Voraussetzungen einer wissenschaftli-chen Theorie ist ebenfalls als spezifische analytische Methode in der wissenschaftlichen Arbeit zu verstehen. Aus der Gesamtheit der unendlich vielfältigen Verhaltensweisen eines Naturge-genstandes werden besondere Verhaltensweisen herausgelöst, die wir bezüglich einer Frage-stellung als die wesentlichen ausmachen (wie das Ausüben eines Widerstands gegenüber Be-wegungsänderung in der Mechanik) und diese verschiedenen verdinglichten Verhaltensweisen treten einander gegenüber als getrennte. Sie müssen so weit getrennt werden, dass mit ihrer Darstellung logisch widerspruchsfreie mathematische Gleichungen möglich werden (vgl. auch Röseberg 1975). Alle die dabei entstehenden Größen sind nicht Momente einer dialektischen Einheit, sondern Elemente von mathematisch formulierbaren Relationen. Sie werden in ihrer Existenz als unabhängig voneinander unterstellt, sind dies aber lediglich als Bedingungen der Möglichkeit ihres Wirkens im jeweiligen Gesamtzusammenhang. In der Physik werden nicht nur Größen konstituiert und Gleichungen über ihre vermutlichen Beziehungen aufgestellt, sondern über Experimente und Messungen werden nur solche Hypothesen zu gültigen Geset-zen ernannt, bei denen die vermutete Beziehung nicht nur der Möglichkeit nach, sondern in der Wirklichkeit unter bestimmten, die Wirkung anderer Beziehung einschränkenden Bedin-gungen nachgewiesen werden kann. Im Experiment werden die vorher getrennten Größen in ihrem wirklichen wechselseitigen Verhalten untersucht. Auf diese Weise sind einzelwissen-schaftliche Größen und Gesetze nicht völlig abstrakt, sondern konstituieren eine besondere einzelwissenschaftliche Konkretheit[16].

Relative Apriori

Die Erkenntnissubjekte erkennen die Objekte nicht unmittelbar, sondern konstituieren Erkenntnismittel und -objekte. Es gibt also keinen direkten Informationsfluss vom Objekt zum Subjekt und eine Theorie, die das Verhalten des Objekts erfasst, fußt auf Elementen des Erkenntnismittels, die nicht selbst durch die Theorie erklärt werden. Wenn gemessen wird, so gibt es für das in dem jeweiligen Bereich mögliche Messverfahren jeweils eine Messtheorie, die nicht selbst aus den Gesetzen der Theorie folgt. Diese Wirkung des Dualismus bringt die "Apriori" von Immanuel Kant wieder in Spiel. Er nannte Erkenntnisse, die nicht von der Erfahrung abhängen, Erfahrungen "a priori" (vor aller Erfahrung, Kant KrV 38, A2). Zum Beispiel sind bei ihm Raum und Zeit Anschauungsformen a priori, sie müssen uns gegeben sein, bevor wir überhaupt etwas in Raum und Zeit wahrnehmen können. Das eben diskutierte onto-epistemische Erkenntniskonzept hat auch "A priori", allerdings gelten diese nicht für alle Menschen ein für alle Mal, sondern sie gelten jeweils für eine bestimmte Theorie. Sie sind deshalb nur relativ. Der relative Apriorismus behauptet nur, dass bezogen auf die jeweilige Theorie etwas vorausgesetzt werden muss, das nicht aus der Erfahrungswelt dieser Theorie abgeleitet worden ist. Die an aktuellen Problemen (z.B. der Vereinigung von Gravitationstheorie und der Theorie für Elementarteilchen) arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen oft davon aus, dass gerade ihre neue Theorie die Apriori endgültig abschaffen wird; das Einheitsstreben, bzw. die Suche nach einer "Theorie von Allem" ist ein großes begeisterndes Motiv. Bisher jedoch erschlossen sich durch die neuen Antworten stets neue Objektfelder der Welt, bei deren Bearbeitung sich neue Apriori zeigen. Deshalb ist zu vermuten: "Die Beseitigung des apriorischen Anteils ist eine Aufgabe, deren totale Erfüllung der Physik nie gegeben, aber stets aufgegeben ist."(Wahsner, von Borzeszkowski 1992: 251)

Erkenntnis des Objekts kommen, sondern weiterhin immer wieder neu entwickelte Erkenntnismittel verwenden. Im postmodernen Sinne könnte das so interpretiert werden, dass damit der letzte Wahrheitsanspruch verspielt sei[17] , denn die Mittelhaftigkeit bringt immer wieder subjektive Interessen ins Spiel, auch Macht (Foucault 1971) usw. Eine optimistischere Interpretation zeigt, dass wie im Fall der Entwicklung der allgemeinen Relativitätstheorie die Art der Apriori sich so verändert, dass die Erkenntnis der objektiven Realität tiefgreifender, immer mehr Beziehungen erfassend und immer wieder neue Bereiche erschließend, erfolgt. Wie bereits Feyerabend feststellte, entsteht der Fortschritt in den Wissenschaften vorwiegen durch eine "Maßstabsänderung" (Feyerabend 1980: 11f.).

Da dies oft außer Betracht gelassen wird, entstehen Mystizismen und Verwirrungen, indem das unvermittelt angenommene Subjekt nicht mehr weiß, ob es das Objekt je erreicht, bzw. wie es mit ihm zusammen kommen kann oder ob wenigstens relativ wahre Erkenntnis möglich ist. Die Einzelwissenschaft allein kann ihre Dualisierungen auch nicht wieder aufheben. Sie spricht über die Masse, wie einen Gegenstand, den sie vorfindet und reflektiert wenig über die Art und Weise, wie sie dieses Erkenntnismittel selbst gemacht hat. Deshalb kann "[d]ie Begrenztheit des physikalischen Wirklichkeitsbegriffs [...] nur durch die philosophische Einbettung der Physik in die Lebenstätigkeit der menschlichen Gattung kompensiert oder aufgehoben werden." (von Borzeskowski, Wahsner 1991: 188) Es erwies sich immer wieder, dass Philosophie und Einzelwissenschaft vorn vornherein nichts Getrenntes sind, sondern neue wissenschaftliche Ideen vor allem von philosophisch denkenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefunden wurden. In einer neuen Einheit dieser Betrachtungsweisen (ohne ihre Spezifik zu verwischen) wird auch die Zukunft einer Neuen Einzelwissenschaft bzw. einer Neuen Philosophie liegen - aber nicht im Aufgaben des Anspruchs an Wissenschaftlichkeit oder durch Verzicht auf Erkenntnismittel.

Anhang

Dialektisches Begreifen des Konkreten

Ruben und Warnke verweisen darauf, dass die konkrete Einheit der Momente, also die dialektische Beziehung, nur in der aktuellen Existenz des Arbeitsvorgangs vorhanden ist. Es erscheint so, als sei hier die "Konkretheit" auf das Unmittelbare reduziert. Die Hegelsche Sichtweise unterscheidet jedoch zwischen dem sinnlich- unmittelbaren Konkreten (das wahrgenommen werden kann), dem (unterscheidenden) Verhältnis von Wesen und Erscheinungen sowie dem dialektischen Begreifen des Konkreten, das er "Spekulieren" nennt: "Spekulativ denken heißt, ein Wirkliches auflösen und dieses sich so entgegensetzen, daß die Unterschiede nach Denkbestimmungen entgegengesetzt sind und der Gegenstand als Einheit beider gefaßt wird. Unsere Anschauung hat das Ganze des Gegenstandes vor sich, unsere Reflexion unterscheidet, faßt verschiedene Seiten auf, erkennt eine Mannigfaltigkeit in ihnen und entzweit sie. Bei diesen Unterschieden hält die Reflexion die Einheit derselben nicht fest, vergißt einmal das Ganze, das andere Mal die Unterschiede, und wenn sie beides vor sich hat, so trennt sie doch von dem Gegenstande die Eigenschaften und stellt beides so, daß das, worin beide eins sind, ein Drittes wird, das von dem Gegenstande und den Eigenschaften verschieden ist. [...] Das ist überhaupt das Geschäft der Spekulation, daß sie alle Gegenstände des reinen Gedankens, der Natur und des Geistes in Form des Gedankens und so als Einheit des Unterschiedes auffaßt." (Hegel VLRel: 29) Wir beziehen uns im dialektischen Begreifen auf den unmittelbaren, den wirklichen Prozess und reproduzieren diesen im Denken. Dabei müssen wir, um die konkrete Einheit zu begreifen, die Unterschiede erst einmal herausarbeiten. Auch wenn dies in Form einer Abstraktion geschehen ist, kommt es dann darauf an, "vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen", was "die Art für das Denken ist, sich das Konkrete anzueignen, es als ein geistig Konkretes zu reproduzieren." (Marx Grundr.: 35)

Subjekt-Objekt

Der Begriff des Subjekts bzw. des Objekts enthält in dialektischer Sicht jeweils sein Gegenteil, d.h. er ist nur in dialektischen, konkreten Beziehungen definiert. Wenn auch in analytischen Relationen von "Subjekt" bzw. "Objekt" gesprochen wird, wenn also jeweils eins davon auch unabhängig vom anderen als existierend angenommen wird, ist das verdinglichte Ergebnis der analytischen Betrachtung gemeint. Wir erhalten dann selbständig existierende Dinge, deren Verhaltensmöglichkeiten nur abstrakt, nicht im konkreten Vollzug gegeben sind.

Unter "realabstraktiven" kapitalistischen Verhältnissen entsteht eine verwickelte Widersprüchlichkeit: Menschliche Akteure sind im realen Lebensvollzug tatsächlich Subjekte ihres Tuns, gleichzeitig agieren sie unter gesellschaftlichen Verhältnissen, die nicht bewusst von ihnen gestaltet wurden, sondern sie lediglich als "Subjekte" konstituieren. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer "Subjekt"-Kritik, die jedoch nicht die Subjektivität der Menschen selbst mit in Frage stellen darf.[18]

Zum Unterschied von "Unterscheidung" und Trennung"

Während die "Unterscheidung" der Besonderheit der Momente in einer dialektischen Einheit Rechnung trägt, werden die Momente bei der "Trennung" aus ihrer Einheit gerissen, wobei sie ihren Momentcharakter verlieren und zu eigenständigen Dingen (verdinglicht) werden. Auch eine solche Trennung kann u. U. ein notwendiges Durchgangsstadium im Erkenntnisprozess sein, sein Ergebnis ist jedoch noch nicht die "ganze Wahrheit".[19]

Natur

Die Natur ist nicht nur eine äußere Bedingung der Arbeit, sondern wird als Arbeitsmittel und Arbeitsobjekt konstitutives Moment der Arbeit (Ruben, Warnke 1979: 24). Letztlich ist auch die gesellschaftliche Existenz der Menschen nichts "Unnatürliches", sondern selbst Naturmoment, aber eins mit einer besonderen Qualität.
Auch die Naturobjekte sind nicht nur passiver Gegenstand der Bearbeitung, sondern wirken durch die ihnen gegebenen Verhaltensweisen mit.[20] Sie sind deshalb auch als Einheit von Gegenstand und Verhalten, von objektiven und subjektiven Momenten zu verstehen. Hier haben wir die Grundlage für den Verweis von Ernst Bloch auf das "hypothetische Natursubjekt" (Bloch PH: 777). "Wobei allerdings die Natur nicht bloß Objekt sein kann, sondern selbst die Keime eines werdend Subjektiven enthalten muß." (Bloch EM: 227)

Produktivkraftentwicklung

Wenn die Arbeit als Vermittlung zwischen Gesellschaft und außermenschlicher Natur verstanden wird (Ruben, Warnke 1979: 29), so kann geschichtliche Entwicklung verstanden werden als "Entwicklung derjenigen Systeme sozialer Aktivität, die auf der naturevolutionären Entgegensetzung von menschlicher und außermenschlicher Natur beruhen und den problematischen materiellen Austausch zwischen diesen beiden Naturmomenten bewerkstelligen." (Tjaden S. 14, zit. in Ruben, Warnke 1979: 29)
Eine Produktivkraftentwicklung ist dann zu verzeichnen, "wenn die Gesellschaft in ihrem Stoffwechsel mit der Natur mehr an Arbeitsfähigkeit zurückerhält, als sie in der Produktion verausgabt hat" (ebd., Tjaden S. 16). Das bedeutet, dass sich über die Entwicklung gesellschaftlicher Arbeitsmittel die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Natur erweitern und vertiefen.

Möglichkeit

Die Kategorie der "Möglichkeit" wird hier im Hegelschen Sinn als eine abstrakte aufgefasst. Ohne Wirklichkeit zu sein, ist sie z.B. als realisierbare Arbeitsfähigkeit lediglich das abstrakte Vermögen eines Dings, zum sich verhaltenden Gegenstand zu werden. Quasi als "festgehaltenes Ding" hat es (abstrakte) Möglichkeiten, die im konkreten Wirken zur Wirklichkeit werden.
Das unterscheidet sich von der Sichtweise, nach der bestimmte Dinge ein Repertoire an Verhaltensmöglichkeiten (Möglichkeitsfeld) haben, von denen jeweils nur einige wenige "verwirklicht" werden. Dies ist höchstens in dem Sinne umzuinterpretieren, dass in der jeweiligen Gegenwart alle Bedingungen so, wie sie gerade gegeben sind, das Geschehen vollständig bestimmen (Bedingungsgesamtheit: es gibt nichts, was nicht von anderem bedingt wäre, d.h. es gibt keine durch nichts bedingten "Wunder"), dass aber wegen den ständigen Bedingungsänderungen für spätere Momente die Bedingungsgesamtheit noch nicht feststeht. Weil für spätere Momente die das Wirkliche bestimmenden Bedingungen noch nicht vollständig gegeben sind, bestehen abstrakt gesehen noch "andere Möglichkeiten" (Kontingenzen). (vgl. http://www.thur.de/philo/asmoeg2.htm). Für die Vergangenheit können "versäumte Möglichkeiten" konstatiert werden, wenn wir uns gedanklich in frühere Momente zurückversetzen und aus deren Gegenwart heraus analysieren, dass für deren Zukunft es kontingente Möglichkeiten gab.

Literatur

Bloch, Ernst (AOP): Philosophische Aufsätze zur objektiven Phantasie. Werkausgabe Band 10. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 1985.

Bloch, Ernst (EM): Experimentum Mundi. Frage, Kategorien des Herausbringens, Praxis. Werkausgabe Band 15. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 1985.

Bloch, Ernst (PH): Das Prinzip Hoffnung. Werkausgabe Band 5. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. 1985.

Feyerabend, Paul (1980): Erkenntnis für freie Menschen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Foucault, Michel (1971): Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Diff): Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie Werke. In: G.W.F. Hegel: Werke in 20 Bänden. Band 2. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag 1970.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (Enz.I): Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. Erster Teil. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag.1986.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (VLRel): Vorlesungen über die Philosophie der Religion. In: G.W.F. Hegel Werke in 20 Bänden. Band 16. Suhrkamp Verlag 1970.

Hörz, Herbert (1966): Materialismus und moderne Physik. Deutsche Zeitschrift für Philosophie Sonderheft 1966: Materialismus und moderne Naturwissenschaft.. S. 47-69.

Holzkamp, Klaus (1985): Grundlegung der Psychologie. Frankfurt/Main, New York 1985

Laitko, Hubert (1979): Wissenschaft als allgemeine Arbeit Zur begrifflichen Grundlegung der Wissenschaftswissenschaft. Berlin: Akademie-Verlag.

Lenin, Wladimir I. (MuE): Materialismus und Empiriokritizismus. Werke Band 14.

Lukácz, Georg (1973): Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins. Die Arbeit. Neuwied, Darmstadt.

Marx, Karl (Grundr.): Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie. (1858) In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Band 42. Berlin: Dietz Verlag 1983.

Marx, Karl (Kap. I): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. (1867) In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Band 23. Berlin: Dietz Verlag 1988.

Marx, Karl (ÖPM): Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke Band 40. Berlin: Dietz-Verlag 1990.

Marx, Karl (TüF): Thesen über Feuerbach (1845). In: Karl Marx, Friedrich Engels. Werke Band 3, Berlin: Dietz-Verlag 1990.

Ortlieb, Claus Peter (1998): Bewusstlose Objektivität. Aspekte einer Kritik der mathematischen Naturwissenschaft. In: Hamburger Beiträge zur Modellierung und Simulation. Heft 9. August 1998. Vgl. http://www.math.uni-hamburg.de/home/ortlieb/ hb09bewobj.pdf (2004).

Rapoport, Samuel, M. (1981) : Zur revolutionierenden Rolle von Methoden in der Wissenschaft. In: Plädoyers für einen wissenschaftlichen Humanismus (Hrsg.: Josef

Schleifstein, Ernst Wimmer). Frankfurt am Main: Marxistische Blätter. S. 119-127.

Röseberg, Ulrich (1975): Widerspiegelung objektiver Naturdialektik in mathematisierten naturwissenschaftlichen Theorien. Deutsche Zeitschrift für Philosophie 23 (1975)7, S. 938-945.

Ruben, Peter (1978): Wissenschaft als allgemeine Arbeit. Über Grundfragen der marxistisch-leninistischen Wissenschaftsauffassung. In: Ruben, Peter: Dialektik und Arbeit der Philosophie. Köln: Pahl-Rugenstein. S. 9-51.

Ruben, Peter; Warnke, Camilla (1979): Telosrealisation oder Selbsterzeugung der menschlichen Gattung. DZfPh 27 (1979), S. 20-30.

Schelling, F.W.J. (1795): Vom Ich als Princip der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen (in Ausgew.Schriften, F.a.M. 1985, Band 1)

Schelling F.W.J. (1804): System der gesammten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere (in Ausgew.Schriften, F.a.M. 1985, Band 3)

Schlemm, Annette (2005): Wir wirklich sind Naturgesetze? Auf Grundlage einer an Hegel orientierten Wissenschaftsphilosophie. Münste: LIT-Verlag.

Tjaden, Karl Hermann (1977): Naturevolution, Gesellschaftsformation, Weltgeschichte. In: Das Argument. Heft 101.

von Borzeszkowski, Horst-Heino; Wahsner, Renate (1981): Die Wirklichkeit der Physik. In: DIALEKTIK 1991/1, S. 179-190.

von Borzeszkowski, Horst-Heino; Wahsner, Renate (1979): Erkenntnistheoretischer Apriorismus und Einsteins Theorie. Einstein in seiner Beziehung zu Newton und Kant. Deutsche Zeitschrift für Philosophie 27 (1979). S. 213-222.

Wahsner, Renate; Borzeszkowski, Horst-Heino von (1992): Die Wirklichkeit der Physik. Studien zu Idealität und Realität in einer messenden Wissenschaft. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien: Verlag Peter Lang.

Wahsner, Renate (1996): Zur Kritik der Hegelschen Naturphilosophie. Über ihren Sinn im Lichte der heutigen Naturerkenntnis. In: HEGELIANA. Band 7. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien. Peter Lang, 1996

Fußnoten:

[1] Ruben und Warnke zitieren hier die Arbeit "Sinnliche Erkenntnis..." von Klaus Holzkamp (1973) mit der Bestimmung menschlicher Werkzeugherstellung als "Werkzeugherstellung für eine zukünftige Gelegenheit" (zit. Ruben, Warnke 1979: 23, in Holzkamp S. 112).

[2] In der Subjekt-Objekt-Identität, dem absoluten Ich, ist der wechselseitige Übergang (dass das Objekt auch Subjekt ist und das Subjekt auch Objekt) aufgehoben (Schelling 1795: 69). Die ursprüngliche Identität von Subjekt und Objekt, von Mensch und Natur sieht Schelling im Absoluten, das er nach Spinoza auch Substanz oder Gott nennt. (Schelling 1804) (vgl. http://www.thur.de/philo/as221.htm und http://www.thur.de/philo/as226.htm)

[3] ie folgenden Gedanken sind nicht Gegenstand der Arbeit von Ruben und Warnke, sondern von wurden durch mich ergänzt. Ruben und Warnke erwähnen in einer Nebenbemerkung, dass die Trennung der konkreten Einheit von Subjekt und Objekt durch Enteignung geschehen kann (Ruben, Warnke 1979: 21). Allerdings wäre deutlicher zu unterscheiden zwischen einer nur gedanklichen Trennung, wie sie für jeden konkreten Arbeitsprozess geschehen kann - und der realen Enteignung, bei der zwar spezielle gesellschaftliche Verhältnisse mit Entfremdung, Fetischisierung etc. (s.u.) entstehen, bei der die realen unmittelbaren Arbeitsvorgänge aber nichtsdestotrotz auch konkret und in Einheit aller ihrer Momente stattfinden.

[4] Als Lohnarbeiter(in) ist die Arbeitskraft kein Subjekt im wahren Sinne mehr, was sich in Begriffen wie "Entfremdung" (siehe unten) zeigt.

[5] Die Realabstraktion erfolgt nicht nur in Gedanken, sondern kennzeichnet das wirkliche gesellschaftliche Verhältnis. Sie zeigt sich im Warenaustausch, wie Sohn-Rethel erkannte, aber ihre Grundlage ist die Aufhebung konkreter menschlicher Beziehungen im Bereich der Produktion und deren Ersetzung durch das abstrakte Wert-Verhältnis ("Wert-Vergesellschaftung").

[6] bezieht sich vor allem auf das Arbeitsergebnis - d.h. auch für die produzierten gesellschaftlichen Verhältnisse: "Der Gegenstand, den die Arbeit produziert, ihr Produkt, tritt ihr als ein fremdes Wesen, als eine von dem Produzenten unabhängige Macht gegenüber." (Marx ÖPM: 511) Dabei entsteht auch eine Entfremdung im Akt der Produktion (ebd.: 514), d.h. die Arbeit ist dem Arbeiter äußerlich, sie gehört nicht zu seinem Wesen, er bejaht sie nicht. "Ihre Fremdheit tritt darin rein hervor, daß, sobald kein physischer oder sonstiger Zwang existiert, die Arbeit als eine Pest geflohen wird." (ebd.)

[7] "Das Geheimnisvolle der Warenform besteht... einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis des Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes Verhältnis von Gegenständen." (Marx Kap.I.: 86) Deshalb "... hat die Warenform und das Wertverhältnis der Arbeitsprodukte, worin sie sich darstellt, mit ihrer physischen Natur und den daraus entspringenden dinglichen Beziehungen absolut nichts zu schaffen. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmogorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt. ... Dies nenne ich Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist. (ebd.: 86f.)

[8] Wie jede Denkmethode ist auch die analytische Denkmethode "keineswegs aber der Entstehungsprozess des Konkreten selbst" (Marx Grundr.: 35). Deshalb schafft allein der Vergleich nach Vollzug der konkreten Arbeit noch keine Realabstraktion im Sinne kapitalistischer Produktionsverhältnisse. Vergleiche sind dann nicht mehr Produktionsmotivation bzw. bestimmender Faktor, sondern Momente eines Begründungszusammenhangs.

[9] Zur Bestimmung von Gründen im Unterschied zu Bedingungen siehe u.a. Holzkamp 1985: 348.

[10] siehe dazu mehr in http://www.thur.de/philo/bloch2.htm.

[11] Wenn das nicht nötig wäre, wäre dem Erkenntnissubjekt quasi in gottgleicher Weise eine perfekte geistige Reproduktion der ganzen Welt gegeben.

[12] Das Verständnis der Wissenschaft als Arbeit und die Analyse der Rolle von Erkenntnismitteln könnte wohl viele der lang diskutierten und noch aktuell ungelösten Fachfragen der Wissenschaftstheorie lösen. Nicht umsonst finden "alle Mysterien, welche die Theorie zum Mystizism[us] veranlassen, [...] ihre rationelle Lösung in der menschlichen Praxis und in dem Begreifen dieser Praxis" (Marx TüF: 7) Dies konnte z.B. gezeigt werden für die Frage nach dem Wirklichkeitsbezug von Gesetzen in Schlemm 2005 (III.2.2. ab S. 249).

[13] Obgleich nicht alle Erkenntnisse, die sich aus der Analyse der Physik ergeben, für alle anderen Einzelwissenschaften in gleicher Weise gelten, gibt es gleichartige Fragestellungen.

[14] Zur Raumzeit als Erkenntnismittel und -objekt siehe http://www.thur.de/philo/poject/raumzeit.htm.

[15] Ein "Rest" von Raumzeit, die zwecks Messbarkeit voraus gesetzt werden muss, bleibt allerdings übrig: der gekrümmte Riemannsche Raum ist im Unendlichkleinen euklidisch und ermöglicht die Definition starrer Maßstäbe. (vgl. http://www.thur.de/philo/ project/raum04.htm#3)

[16] Die in Hegels Kategoriensystem nicht enthalten ist (vgl. bes. Wahsner 1996).

[17] Zu erinnern ist, dass eine Erkenntnis der Welt "an sich", also einer "absoluten Wahrheit" (Lenin MuE: 116) von vornherein nicht als Ziel gesetzt worden war.

[18] vgl. http://www.thur.de/philo/subjekt3.htm.

[19] Foucaults Analyse zeigt, dass die Sichtweise auf Ordnungsstrukturen über Identifikationen und Unterschiede historisch mit dem Entstehen der Klassik im 16. Jahrhundert entstand, nachdem vorher Ordnungen eher über Ähnlichkeiten und "Symphatien" gesehen wurden (Foucault 1971: 82) Das, was Foucault als Problem dieser Art von Ordnung vor allem im politischen Sinne diskutiert (Identifikationen und Unterscheidungen als Form der Machtausübung) könnte entweder zum Verzicht auf derartige Ordnungen führen, oder zur Rückkehr zu vorklassischen Denkweisen verleiten oder aber zu einem bewussten Umgang mit Unterscheidungen und ihrer jeweiligen Aufhebung in ihrer Einheit führen, wie es z.B. in der Dialektik beim Übergang vom Verstand zur Vernunft vorgesehen ist.
Zu Verstand und Vernunft: "Die Tätigkeit des Verstandes besteht überhaupt darin, ihrem Inhalt die Form der Allgemeinheit zu erteilen, und zwar ist das durch den Verstand gesetzte Allgemeine ein abstrakt Allgemeines, welches als solches dem Besonderen gegenüber festgehalten [...] wird." (Hegel Enz.I: 169) "Solche festgewordene Gegensätze aufzuheben, ist das einzige Interesse der Vernunft. [...].Vernunft setzt sich gegen das absolute Fixieren der Entzweiung durch den Verstand." (Hegel Diff.: 21, 22)

[20] Ruben und Warnke nennen "unvorhergesehene Bedingungen" (Ruben, Warnke 1979: 24) als Anzeichen dieses Wirkens der Natur. Die aktive Bedeutung der Natur ist jedoch auch durch ihre mitwirkende Eigenqualität gegeben.


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