Indigene sind doof:
Eurozentristische Herrschaftsvorstellungen in der Agenda 21

von Jörg Bergstedt

Die Agenda 21 ist bekanntlich ein Abschlussdokument der Umwelt- und Entwicklungskonferenz der Vereinten (?) Nationen im Rio 1992. Damals galt diese Konferenz auch als Fehlschlag, heute ist ein Mythos darauf entstanden. Wie hart die Wirklichkeit ist, zeigt ein Blick in die Agenda 21. Das Lesen lohnt sich - auch wenn es Zeit kostet, denn die Agenda ist lang und kompliziert-buerokratisch geschrieben. Auf der anderen Seite kann das Lesen aber Zeit sparen - naemlich die, die viele Menschen unverstaendlicherweise in Agenda-Gruppen verbringen.

Die Agenda 21 ist vor allem in europaeischen, ganz besonders aber deutschen Denkrunden entwickelt worden: Regierungen, Institutionen, NGOs usw. haben daran mitgewirkt. Herausgekommen ist ein neoliberales und oftmals auch imperialistisches Papier. Es fordert den Ausbau der Atomtechnik weltweit und die Endlagerung atomarer Abfaelle in Entwicklungslaendern. Es fordert den massiven Ausbau der Gentechnik und behauptet, so liesse sich der Hunger besiegen. Und in fast allen Kapiteln findet sich der Hinweis, dass der freie Zugang zu allen Maerkten und zu allen Rohstoffen das wichtigste fuer die Weiterentwicklung der Welt ist. All das sind schon krasse Durchgriffe gerade auf aermere Laender und meist auch die dort seit langem lebenden Menschen. Besonders schlimm faellt die Frage der Beteiligung von Bevoelkerungsgruppen aus. Es ergibt sich ein bizarres Gefaelle vo den in der Agenda als neue Fuehrungsgruppe postulierten Unternehmern ueber viele andere, die zu "konsultieren" sind bis hin zu indigenen Bevoelkerungsgruppen, die u.a. "angepasst" werden sollen und denen die Faehigkeit abgesprochen wird, mit ihrem eigenen Land verantwortungsbewusst umzugehen. Mit diesen Formulierungen wiederholen vor allem die EuropaeerInnen bzw. die reichen Nationen insgesamt ihren jahrtausendalten Machtanspruch: Die Weltordnungsvorschlaege und Lebensstile der EuropaeerInnen sind universell, immer die besten und schaffen daher berechtigterweise auch die Fuehrungsrolle fuer Europa (und wenige andere). Die Agenda 21 ist ein Papier, das die Macht europaeischer Lebens- und Gesellschaftsentwuerfe ueber andere "Kulturen" und Gesellschaften festigt.

Der Blick in die Agenda 21: Agenda-21-Zitate zu Beteiligungsrechten In Kapitel 30 wird die "zentrale Rolle" der Privatwirtschaft einschliesslich transnationaler Unternehmen fuer die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Landes betont. "30.1 ... Die Privatwirtschaft einschliesslich transnationaler Unternehmen und die sie vertretenden Verbaende sollen gleichberechtigte Partner bei der Umsetzung und Bewertung von Massnahmen im Zusammenhang mit der Agenda 21 sein". Hierbei faellt die sehr weit gehende Formulierung "gleichberechtigte Partner" auf. Kapitel 24 spricht von der "aktiven Einbeziehung der Frau". In Kapitel 25 wird gefordert, die Jugendlichen aktiv an Entscheidungsprozessen zu "beteiligen". ... Die indigenen Bevoelkerungsgruppen (Kapitel 26) sollen "gefoerdert und gestaerkt werden". Mit den NGOs soll es nach Kapitel 27 "eine moeglichst intensive Kommunikation und Zusammenarbeit geben" und die Arbeitnehmer (Kapitel 29) sollen "umfassend ... beteiligt werden". Bei keiner Bevoelkerungsgruppe gehen die Formulierungen so weit wie bei der Definition der Einbeziehung der Privatwirtschaft. Am dramatischsten ist die Formulierung bei den UreinwohnerInnen (Kapitel 26). Sie werden als dumm und zurueckgeblieben beschrieben, eine Beteiligung ist gar nicht vorgesehen, sondern eine Anpassung an den vorgegebenen Lebensstil der Nachhaltigkeit (Nachhaltigkeit von oben!). "26.1 ... Indigene Bevoelkerungsgruppen ... Ihre Faehigkeit zur uneingeschraenkten Mitwirkung an einem auf eine nachhaltige Entwicklung ausgerichtetetn Umgang mit ihrem Land hat sich aufgrund wirtschaftlicher, sozialer und historischer Faktoren bisher als begrenzt erwiesen. Angesichts der Wechselbeziehung zwischen der natuerlichen Umwelt und ihrer nachhaltigen Entwicklung einerseits un d dem kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und physischen Wohlergehen der indigenen Bevoelkerungsgruppen andererseis soll bei nationalen und internationen Anstrengungen zur Einfuehrung einer umweltvertraeglichen und nachhaltigen Entwicklung die Rolle dieser Menschen und ihrer Gemeinschaften anerkannt, angepasst, gefoerdert und gestaerkt werden".

 

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