From Thomas.Roessler@Sobolev.IAM.Uni-Bonn.DE Tue Mar 25 18:43:35 1997 Path: news.uni-jena.de!news-lei1.dfn.de!news-ber1.dfn.de!news-fra1.dfn.de!news-koe1.dfn.de!RRZ.Uni-Koeln.DE!news.rhrz.uni-bonn.de!riemann.iam.uni- bonn.de!rhein!sobolev!not-for-mail From: Thomas.Roessler@Sobolev.IAM.Uni-Bonn.DE (Thomas Roessler) Newsgroups: de.soc.zensur,de.org.ccc Subject: Re: Fwd: Hausdurchsuchung bei ISP Date: 25 Mar 1997 15:58:45 GMT Organization: Ibyxfsebag mhe Orservhat qrf Hfrargf. Lines: 161 Message-ID: <5h8snl$q7s@sobolev.iam.uni-bonn.de> References: <6TUEKF4QSNB@wolfgang.3landbox.comlink.apc.org> <3337d63d.15233494@192.10.203.100> NNTP-Posting-Host: sobolev.rhein.de Mime-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=iso-8859-1 Content-Transfer-Encoding: 8bit Xref: news.uni-jena.de de.soc.zensur:1436 de.org.ccc:1388 In article <3337d63d.15233494@192.10.203.100>, Peter Still wrote: >Free Speech hin oder her. Es ist fuer einen Provider bzw. >News-Server-Betreiber wohl ein Leichtes, Gruppen wie >alt.binaries.erotica.children rauszuschmeissen. Und wer dies nicht >tut, soll auch mit Konsequenzen rechnen! Die Grenze, welche Gruppen >auf seinem Server vertreten sind, muss jeder natuerlich selber ziehen >koennen. Aber Gruppen mit paedophilem Inhalt sollten verschwinden. >Kranken Hirnen sollte nicht noch die Moeglichkeit gegeben zu werden >sich dort aufzugeilen. *seufz* [Aus: http://home.pages.de/~roessler/usenet/zensur.txt, ursprünglich für ein WWW-Diskussionsforum der CDU geschrieben.] Moin allerseits. Ich stoße leider erst jetzt auf dieses Forum (warum, nebenbei, lassen sich die Kombattanten hier nicht einfach mal in de.soc.zensur oder de.soc.netzwesen sehen? Da läuft haargenau diese Diskussion... ;-). Auf diese Äußerungen derer, die hier den Wert der freien Meinungsäußerung hervorheben, hin schrieb Frau Hopp nun vor ein paar Wochen das folgende (http://www.cdu.de/bpt/forum/thema3/aaaa002k1.ovr/aaaa002B2): > ich habe den Eindruck, daß Sie in der Mehrheit Regelungen, z.B. zum > Jugendschutz bzw. Verbote der Publikation von Inhalten wie der > Ausschwitzlüge, von Kinderpornographie ect. lediglich deshalb ablehnen, > weil Sie die Kontrolle für nicht durchführbar halten. Das ist jedenfalls > das, was ich herauslesen kann. Für mich ist das allerdings kein Grund, > entsprechende Regelungen einzuführen, denn, warum sollten die Regelungen, > die für die Print-Medien, den Rundfunk usw. gelten, nicht auch für das > Internet gelten. Zunächst einmal prinzipiell: Ein Rechtsstaat kann von seinen Bürgern nicht das Unmögliche fordern. Ein Staat, der undurchführbare Gesetze erläßt, wird für den Bürger unglaubwürdig und schadet sich dadurch selbst. Damit stellt sich die technische Frage, _ob_ die traditionellen Regelungen durchführbar wären, sogar ganz am Anfang der Diskussion... Schauen wir uns also an, _welche_ Regelungen da übertragen werden sollen. Die Rede ist von »Print-Medien, Rundfunk usw.«. Grundsätzlich also von Kommunikationsformen, bei denen einzelne sich an viele wenden. Kommunikationsformen, bei denen es allein schon der Infrastruktur wegen einen nachvollziehbaren Vertriebsweg und Verantwortliche gibt. Natürlich gibt es solche Kommunikationsformen auch im Internet - auf www.spiegel.de oder www.focus.de zum Beispiel. Diese Abbildungen klassischer journalistischer Arbeit auf eine neue Infrastruktur sind aber gar nicht das, wovon jene reden, die hier die Meinungsfreiheit geschützt sehen wollen. Es geht ihnen vielmehr um die Angebote der einzelnen Netznutzer - sei es die persönliche Homepage oder sei es - noch wichtiger - das Diskussionsforum, Paradebeispiel Newsgroup. In diesen Fällen hat der einzelne Autor einen direkten Zugriff auf die Infrastruktur zur Verbreitung seiner Nachrichten; eine Kontrollinstanz existiert nicht und ist in Anbetracht des schieren Datenvolumens nicht denkbar. Daraus ergeben sich unmittelbar zwei Dinge: Eine Vorzensur wäre nicht nur grundgesetzwidrig, sondern auch praktisch unmöglich, sofern man die Struktur des Mediums auch nur annähernd erhalten will, und eine Verantwortlichkeit des Transporteurs für die von ihm übertragenen Daten ist schwachsinnig - der Transporteur weiß im allgemeinen gar nicht, was sein Computer da gerade durch die Gegend schiebt. Was bleibt, sind also nacheilende Eingriffe. Das Wort »sperren« kommt in den Sinn. Man könnte zum Beispiel (wie etwa verschiedene deutsche Staatsanwaltschaften, vergleiche etwa die Seiten unter http://www.anwalt.de/ictf/) auf den Gedanken verfallen, daß ein Transporteur, der trotz Aufforderung nicht »sperrt«, einer Garantenpflicht nicht nachkomme. Diese Argumentation setzt aber voraus, daß eine Sperre in irgendeiner Form durchführbar sei. Dem ist nicht so. Ich betrachte hier die beiden in dieser Diskussion wichtigsten Dienste: WWW und News. In den News könnte man etwa die Verbreitung einer Gruppe unterbinden. Auf technischer Ebene heißt das, daß Artikel, die ausschließlich (oder im krassesten Fall neben anderen) ein bestimmtes Schlagwort tragen, nicht mehr einsortiert und verbreitet werden. Die Umgehungsmöglichkeit für den Autor ist klar: Er versieht seine Artikel mit einem anderen, unschuldigen Schlagwort (etwa: Zensur im Internet) und teilt seinen Mitinteressenten auf anderen Wegen (etwa: Internet Relay Chat oder sonstige Chat-Räume) mit, unter welchen Schlagworten er die Daten verteilt. Die Schlagworte heißen technisch Newsgroup; im Beispiel wäre es de.soc.zensur. Durch die Sperrung einer Gruppe wird also _nicht_ erreicht, daß der Interessent einen Inhalt nicht erhält - ganz im Gegenteil: Derjenige, der sich für ganz andere Themen interessiert, wird _durch_ _die_ _Sperrung_ auf einmal mit den von ihm unerwünschten (oder für ihn uninteressanten) Thema konfrontiert. Die Sperrung einer Gruppe ist damit schlicht kontraproduktiv. Nehmen wir andererseits an, im World Wide Web sei eine Seite kriminellen Inhalts gefunden worden; es könnte sich dabei zum Beispiel um Holocaust-Leugnung handeln. Wenn diese Seite auf einem Server in der Bundesrepublik liegt, ist der Zugriff vergleichsweise leicht - der Anbieter ist bekannt und dingfest zu machen. Eine Sperrung ist effektiv, da sie an der Quelle ansetzt. Was aber, wenn ein derartiger Inhalt in den Vereinigten Staaten abgelegt wurde, und ein Zugriff der unterschiedlichen Rechtslage wegen nicht möglich ist? Eine »Sperre« müßte in diesem Fall _zwischen_ Leser (D) und Anbieter (USA) liegen, und zwar vergleichsweise nah am Leser. Nehmen wir also an, normale WWW-Zugriffe auf die betreffende Seite würden - wie auch immer - unterbunden, die Eingabe der URL in Netscape führe nur mehr zu einer Fehlermeldung. Wäre eine solche Sperre wirksam? Ich behaupte: Nein. Alles, was der Nutzer tun muß, ist, einen anderen Kommunikationskanal zu wählen. Er könnte zum Beispiel eine E-Mail verschicken, in der er einen ausländischen Freund um die Zusendung der Seite bittet. Eine solche Mail wäre Privatkommunikation und durch das Briefgeheimnis geschützt. Dieser Freund könnte aber auch ein Computer irgendwo im Netz sein, der automatisch die WWW-Seiten, die per Mail angefragt werden, per Mail zurückschickt (WWWMail heißt der Dienst). Diese Art des Vorgehens ist allerdings umständlich. Warum sollte der Nutzer seinen Web-Browser überhaupt verlassen? Jeder bessere WWW-Browser besitzt Proxy-Support, d.h., er ist in der Lage, einen dritten Rechner als Mittler zwischenzuschalten. Alles, was der Nutzer zu tun hat, ist, einen derartigen Proxy zu finden, auf den (a) er selbst zugreifen kann und von dem aus (b) der Zugriff auf die »gesperrte« Seite möglich ist. Das dürfte zum Beispiel für die verschiedensten Proxies in den Vereinigten Staaten richtig sein. »Auch sperren«, könnte man sagen. Das gleiche könnte man von allen anderen Rechnern sagen, die die gleiche Information in Kopie bereithalten (man erinnere sich an die radikal-Affaire, bei der die Bundesanwaltschaft diesem Blättchen eine vorher ungekannte Verbreitung beschert hat, herzlichen Glückwunsch, Herr Nehm). Über kurz oder lang ist die Sperrliste dann aber so lang, daß man eigentlich direkt zu einer Positivliste übergehen kann, was denn noch erlaubt ist. Hat hier irgendwer »Zensur« gesagt? Einem Rechtsstaat stehen derartige Maßnahmen jedenfalls nicht zu. > Kinderpronographie und Extremismus sind gesetzwidrig, > egal wo sie auftauchen. Klar ist natürlich - gerade wegen der schwierigen Richtig. Und es kann - egal, wo sie auftauchen - immer nur um eine Bekämpfung an der Quelle gehen. Die ersatzweise Verfolgung Unschuldiger ist untauglich, um hier irgendetwas zu erreichen. Genauso wie man mit der Ausstrahlung iranischer Radiosender auf Kurzwelle leben muß, wird man auch mit dem einen oder anderen Angebot im Netz leben müssen, das nicht den hierzulande üblichen Maßstäben entspricht. > Kontrolle - daß der freiwilligen Selbstkontrolle eine besondere Bedeutung > zukommt. Sehr richtig. Allerdings sollte hierbei nicht vergessen werden, wie beschränkt die Möglichkeiten einer freiwilligen Selbstkontrolle letztlich sind. Es wäre nicht sonderlich sinnvoll, einer solchen FSK mehr aufbürden zu wollen, als sie tragen kann. Noch sinnloser wäre es, Scheinrecht zu schaffen, das der Beruhigung der Öffentlichkeit dient, aber ansonsten keinen weiteren Effekt hat. (Stichwort Sperren - siehe oben.) [del del del] tlr -- Thomas Roessler · 74a353cc0b19 · We did it. · http://home.pages.de/~roessler/ From Horns@t-online.de Wed Mar 26 15:05:12 1997 Path: news.uni-jena.de!news-lei1.dfn.de!news-ber1.dfn.de!fu-berlin.de!news.coli.uni-sb.de!uniol!news.mediahaus.de!jupiter.nic.dtag.de!news.ecrc.de !news00.btx.dtag.de!not-for-mail From: Horns@t-online.de (Axel H. Horns) Newsgroups: de.soc.zensur,de.org.ccc Subject: Re: Fwd: Hausdurchsuchung bei ISP Date: 25 Mar 1997 19:56:29 GMT Organization: Private Site Lines: 170 Message-ID: <5h9ald$cb0@news00.btx.dtag.de> References: <6TUEKF4QSNB@wolfgang.3landbox.comlink.apc.org> <3337d63d.15233494@192.10.203.100> Reply-To: Horns@t-online.de Mime-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset=iso-8859-1 Content-Transfer-Encoding: 8bit X-Sender: 089000098030-0001@t-online.de (Axel Horns) X-Newsreader: Forte Free Agent 1.0.82 Xref: news.uni-jena.de de.soc.zensur:1460 de.org.ccc:1412 pstill@badische-zeitung.de (Peter Still) wrote: >Free Speech hin oder her. Es ist fuer einen Provider bzw. >News-Server-Betreiber wohl ein Leichtes, Gruppen wie >alt.binaries.erotica.children rauszuschmeissen. Und wer dies nicht >tut, soll auch mit Konsequenzen rechnen! Die Grenze, welche Gruppen >auf seinem Server vertreten sind, muss jeder natuerlich selber ziehen >koennen. Aber Gruppen mit paedophilem Inhalt sollten verschwinden. >Kranken Hirnen sollte nicht noch die Moeglichkeit gegeben zu werden >sich dort aufzugeilen. >Wer selber Kinder hat, wird meine Meinung vieleicht verstehen. Oh du heilige Einfalt! Wenn es doch nur so einfach waere! Wer sich auch nur ein wenig mit dem Usenet beschaeftigt hat, weiss, dass "Newsgroups" an sich keinerlei ontologische Dignitaet aufweisen. Das Usenet ist technisch gesehen vielmehr ein System zur Distribution beliebiger (Text- oder Binaer-)Dateien, und derjenige, der eine Datei in das System einbringt, entscheidet *selber* und zunaechst *voellig autonom* darueber, welche Texstrings (=Newsgroup-Namen) aus ca. 20.000 zugelassenen Textstrings er als eine Art von Rubriken-Attribut auswaehlt und seiner Datei beigibt. Wer sich hierbei ernstlich vertut, wird moeglicherweise zwar mit dem Unmut der uebrigen Usenet-User rechnen muessen, die ihm dann vorhalten, dass die betreffende Datei unter dem gewaehlten Rubriken-Textstring "off-topic" sei. Das aendert aber nichts daran, dass nur derjenige, der eine Datei ins Usenet stellt, darueber entscheidet, welche Newsgroup-Namen er dieser Datei zuordnet. Insoweit ist die Attributierung einer ins Usenet gestellten Datei mit einem als Newsgroup-Namen fungierenden Textstring lediglich ein Sortierkriterium, das das Retrieval per Newsreader vereinfachen soll. Auf einer technischen Ebene hat der Newsgroup-Name keinerlei inhaltliche Selektionsfunktion. Dies liegt hauptsaechlich daran, dass das Usenet eben nicht, wie z.B. von ahnungslosen CSU-Leuten immer wieder gern behauptet, mit einer redaktionell betreuten Publikation, etwa einer Zeitung, aequivalent ist. Bei Kleinanzeigen achtet die Anzeigenredaktion darauf, dass die Rubrik "Angebote 2 Zimmer-Wohnungen" nichts anderes enthaelt, als die Rubrikenbezeichnung anzeigt. Im Usenet gibt es keine solche Redaktion, und die Provider sind weder verpflichtet noch auch ueberhaupt nur in der Lage, die Funktion einer "Redaktion" zu erfuellen. Das liegt zum einen daran, dass ein Provider ja nur *einen kleinen Teil* der auf seinem Server gespeicherten News von seinen eigenen Kunden bekommt, mit denen er ein Vertragsverhaeltnis hat, auf das er sich bei einer Redaktionstaetigkeit stuetzen koennte. Zum anderen kommen die meisten News aus einem oder mehreren Newsfeeds, die von dritter Seite geliefert werden. Die im Newsfeed enthaltenen Dateien entstammen jedoch nicht nur dem Verantwortungsbereich einer Vielzahl von Providern, sondern auch im internationalen Rahmen einer Vielzahl von Rechtsordnungen mit hoechst differierenden Vorstellungen darueber, was erlaubt ist und was nicht. An dieser Stelle bricht die "Zeitungsanalogie": Keine redaktionell betreute Zeitung bezieht neben den regulaeren Beitraegen riesige Quantitaeten von Inseraten ueber einen Zugang, der wahllos die Beitraege von Millionen Nutzern weltweit buendelt. Die Differenz zwischen Zeitung und Usenet ist tiefliegender Natur: Die Anzahl an Autoren (redaktionelle Beitraege und Inserate zusammengenommen) ist bei der Zeitung ueberschaubar. Im Grunde genommen ist eine Zeitung eine Art von "Broadcast-Medium", da von einem Punkt aus - der Redaktion - Beitraege an eine Vielzahl von Empfaengern gehen. Das Internet und mit ihm das Usenet hingegen machen jeden Rezipienten - zumindest potentiell - zum Autoren. Konsequenz: Das Entfernen einer bestimmten Newsgroup von einem bestimmten Newsserver hat nur dann einen Effekt, wenn nur eine Minderheit der Betreiber von Newsservern diese Massnahme ergreift. Dann wird fuer die Nutzer der betroffenen Newsserver der Zugriff auf bestimmte inkriminierte Inhalte, die mit dem besagten Rubriken-String attributiert sind, verunmoeglicht. Wenn viele oder praktisch alle Betreiber von Newsservern diesen Schritt getan haben, wird irgendwann auch vielen oder fast allen Lieferanten von Beitraegen zu dieser Newsgroup klar, dass sie ihre Dateien unter dieser Rubrik nicht mehr effektiv distributieren koennen. Die von diesen Inhaltelieferanten gezogene Konsequenz wird dann sein, dieselben Inhalte einfach unter einer anderen Rubrik (=andere Newsgroup) in das System einzubringen. Es entsteht auf diese Weise ein Migrationsdruck, der die inkriminierten Inhalte von einer urspruenglich als zu bekaempfend identifizierten Newsgroup in andere, bislang noch nicht "infizierte" Newsgroups draengt. Fazit: Auch wenn es muehsam ist, bleibt nichts anderes uebrig, als bei rechtswidrigen Inhalten den wahren und tatsaechlichen Urheber ausfindig zu machen und ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Wenn dieser seinen Sitz im Ausland hat und dort der Inhalt nicht inkriminiert ist, wird man hinzunehmen haben, dass eine Strafverfolgung nicht moeglich ist, falls man das Usenet beibehalten moechte. Das Internet im allgemeinen und das Usenet im besonderen foerdert eine Tendenz zur Radikalisierung der Strafrechtsdoktrinen: Zum einen kann man das Problem strafbarer Inhalte dadurch loesen, dass nur noch dasjenige verfolgt wird, was auf der Basis eines international fixierten kleinsten gemeinsamen Nenners global als strafbar identifizierbar ist. Bei dieser Alternative wird es kaum noch strafbare Inhalte im Internet geben. Zum anderen kann man das Problem auch dadurch loesen, dass alles verfolgt wird, was nach den Gesetzen desjenigen Staates, in dem die betrachtete Staatsgewalt agiert, strafbar ist. Alle Erfahrungen (z.B. aus Asien) zeigen, dass dies nur um den Preis der voelligen Abschottung vom internationalen Telekommunikationsverkehr moeglich ist. A propos "Preis": Zwischenloesungen sind natuerlich denkbar, aber wirtschaftlich instabil. Man kann die Provider eines Staates durch rigorose Gesetze zwingen, die Verantwortung fuer alle Usenet-Beitraege zu uebernehmen. Dies wuerde u.U. dazu fuehren, dass Provider, wenn ueberhaupt, nur noch gegen horrende Gebuehren gewissermassen "handverlesene" News anbieten. Es wird sich zeigen, dass sich damit das Problem der Inhaltskontrolle nicht loesen laesst, weil aus Furcht vor Konsequenzen auch legale Inhalte gestrichen werden, waehrend hie und da (durch Unaufmerksamkeit, Pannen) auch illegales durchrutscht. Niemand wird fuer einen solchen "kastrierten" Service hohe Gebuehren zahlen wollen, und Geld & Phantasie der Usenet-Benutzer werden sich Umgehungsloesungen zuwenden (IP-Tunneling ins liberalere Ausland, im simpelsten Fall z.B. transatlantisches Ferngespraech zum Dial-Up-Zugang in den USA, demnaechst vielleicht auch Usenet-Download via Satelliten-Direktempfang). Der Provider-Markt wuerde zusammenbrechen, und es stuende wieder die radikale Alternative (s.o.) zur Debatte. Es ist schon bedenklich, wie vor allem aus dem katholischen Bible-Belt Deutschlands moralisch aufgeladene Entruestung ueber verwerfliche Inhalte im Internet publizistisch vermarktet wird, ohne den tatsaechlichen strukturalen Handlungsgrenzen auch nur Beachtung zu schenken. Der o.a. Beitrag von Peter Still argumentiert auf einer Verstaendnisebene hinsichtlich der strukturellen Gegebenheiten des Internet, die derjenigen der Internet-Kampagnen bekannter Muenchner Boulevard-Blaetter aequivalent zu sein scheint. Vielleicht ist dies ja auch kein Zufall. Eine Gesellschaft, die durch die Struktur ihrer Massenkommunikationsmittel die Anzahl derjeingen Menschen, die als Autoren fungieren koennen, limitiert haelt, ist leichter reglementierbar als eine solche, bei der potentiell jeder sich an eine breiteste (Netz-)Oeffentlichkeit wenden kann. Da neben einigem Guten auch das Boese unausrottbar in der Welt ist, fuehrt die durch das Internet realisierbare potentielle Autorenschaft aller auch dazu, dass allerhand Uebles aus den tiefsten Sumpfloechern menschlicher Psyche an die Oberflaeche kommt. Je mehr Zulauf das Internet aus allen Kreisen der Gesellschaft erhaelt, desto mehr wird es zu dessen Spiegeldbild. Dies gilt nicht nur fuer illegale Informationsinhalte, sondern auch fuer so wirksame Techniken wie die Kryptographie. Es ist voellig unvermeidlich, dass die Kryptographie auch fuer kriminelle Zwecke verwendet wird. Die politische Frage, die in den naechsten Jahren ansteht, praesentiert die Alternative zwischen einer letztlich das Internet abwuergenden Vermeidungsstrategie, die die Ambivalenz der Neuen Medien erkennt und unter Rekurs auf hergebrachte Rechtssaetze zugunsten der Wahrung der alten Ordnung durch Ueberregulierung der Netze aus der Welt zu schaffen sucht, und der Hinnahme einer erheblich zunehmenden Unsicherheit durch mancherlei aus der neuen Technik erwachsende Bedrohungspotentiale. Bei der letzteren Alternative wird sich jeder NetUser selbst schuetzen muessen, so gut es eben geht. Dazu gehoert, dass man sich selber ueberlegt, was man sich an Inhalten zumuten will, und dass Kinder nicht unbeaufsichtigt ans Internet gelassen werden sollten. Das Internet ist - genausowenig wie das Fernsehen - als wohlfeiles Seditativum fuer in die Ecke geschobene Kinder geeignet. Einfach wird das nicht werden. Simplifizierungen helfen nicht weiter. Und die Stimmungsmache mit dem Hinweis auf die eigenen Kinder ersetzt nicht gut durchdachte Argumente. Axel H. Horns