From marquise2000@gmx.net Wed Oct 11 19:54:52 2000 Path: news.uni-jena.de!news-lei1.dfn.de!news-nue1.dfn.de!uni-erlangen.de!newsfeed.germany.net!newsfeed01.sul.t-online.de!newsmm00.btx.dtag.de!t-online.de!news.t-online.com!not-for-mail From: "Marco Manfredini" Newsgroups: de.soc.recht.datennetze Subject: LG Mü. I Urteil vom 19.06.96 - 7 HKO 11205/96 (microsoft vs. symicron, voll) Date: Sun, 8 Oct 2000 19:31:19 +0200 Organization: T-Online Lines: 510 Message-ID: <8rqb29$erj$17$1@news.t-online.com> Reply-To: "Marco Manfredini" Mime-Version: 1.0 Content-Type: text/plain; charset="iso-8859-1" Content-Transfer-Encoding: 8bit X-Trace: news.t-online.com 971026315 17 15219 520006876397-0001 001008 17:31:55 X-Complaints-To: abuse@t-online.de X-Sender: 520006876397-0001@t-dialin.net X-Priority: 3 X-MSMail-Priority: Normal X-Newsreader: Microsoft Outlook Express 5.00.2919.6600 X-MimeOLE: Produced By Microsoft MimeOLE V5.00.2919.6600 Xref: news.uni-jena.de de.soc.recht.datennetze:1372 Hier ist die berühmte Entscheidung, die Microsoft gegen Symicron ausgefochten hat. Ich glaube es ist insesamt sehr erhellend aber dann doch auch verwirrend... ------------- begin -------------- Landgericht München I Urteil vom 19. Juni 1996 - 7 HKO 11205/96 Urteil In dem Rechtsstreit (...) wegen Unterlassung erläßt das Landgericht München I, 7. Kammer für Handelssachen (...) folgendes Endurteil: I. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin trägt die Verfahrenskosten. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 30.000,00 abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Tatbestand Die Antragstellerin entwickelt und vermarktet Software, insbesondere grafische Systeme, die zumeist der Erkennung von Abbildungen dienen. Die Antragstellerin ist Inhaberin der am 08.04.1994 angemeldeten und am 08.09.1994 eingetragenen Marke Nr. 2077171 "Explora", die für auf "Datenträgern gespeicherte Datenverarbeitungsprogramme" geschützt ist. Sie ist ferner Inhaberin der am 22.09.1995 angemeldeten und am 17.11.1995 eingetragenen Marke Nr. 39538830 "EXPLORER" geschützt für "Datenverarbeitungsgeräte, Datenverarbeitungsprogramme". Die Antragsgegnerin ist die deutsche Tochter der Microsoft Corporation, Redmont, USA, welche das Betriebssystem "Windows 95" entwickelt hat. Die Antragsgegnerin vermarktet dieses Betriebssystem seit Anfang September 1995 in Deutschland. Bestandteil dieser Software ist die als "Explorer" bezeichnete Funktion, welche dem Benutzer u.a. das Suchen, Auffinden, Kopieren und Ordnen der vorhandenen Datenbestände und Dateien ermöglicht. Außerdem verwendet die Antragsgegnerin den Begriff "Microsoft Internet Explorer" für ein Programm, das nicht Bestandteil von "Windows 95" ist und es den Nutzern des Kommunikatiossnetzes "Internet" ermöglicht, von ihrem PC aus auf die im Internet vorhandenen Datenbestände zuzugreifen, diese nach bestimmten Informationen zu durchsuchen, die Ergebnisse zu lesen und sich elektronische Nachrichten zuzusenden. Die Antragstellerin trägt vor, sie benutze die Kennzeichnungen "Explora" und "Explorer" bereits seit 1990 für ihre Software. Erst am 15.05.1996 habe sie davon Kenntnis erlangt, daß die Antragsgegnerin den Begriff "Explorer" in zwei unterschiedlichen Programm-Modulen, nämlich einerseits dem ehemaligen (bis Windows 3.11) "Datei-Manager" und andererseits dem "Internet Explorer" verwende. Hierbei verwende die Antragsgegnerin in beiden Fällen den Betriff "Explorer" auch in Alleinstellung. Zwischen der Bezeichnung "Explorer" und der Marke der Antragstellerin "Explora" bestehe Verwechslungsgefahr. Von den beteiligten Verkehrskreisen werde auf die Aussprache des letzten Buchstabens weniger Wert gelegt. Dieser werde oft undeutlich ausgesprochen oder ganz verschluckt. Mit der von der Antragstellerin im Sinne eines Titels verwendeten Bezeichnung "Explorer" bestehe sogar Identität. Zwar sei "Explorer" der englischsprachige Begriff für "Forscher". Es handle sich aber nicht um ein beschreibendes Merkmal für ein Computerprogramm, insbesondere einen Dateimanager. Daß es sich bei "Explorer" nicht um eine beschreibende Angabe handle, sei auch daraus ersichtlich, daß die Muttergesellschaft der Antragsgegnerin ihren "Internet-Explorer" selbst als "Trademark" bzw. als "Registred Mark" bezeichne. Auch in den USA seien rein beschreibende Angaben von einer Eintragung ausgeschlossen. Programme, welche dem Durchsehen von Daten oder Programmen am Bildschirm dienten, würden allgemein als "Browser", nicht aber als "Explorer" bezeichnet. Warengleichartigkeit bestehe. Die Antragstellerin verfüge über die älteren Prioritätsrechte. § 23 MarkenG komme nicht zur Anwendung, da der Begriff "Explorer" nicht beschreibend sei. Die Antragsgegnerin habe von den Produkten der Antragstellerin positive Kenntnis gehabt, wie sich aus dem Microsoft-Anwender-Journal April/März 1993 ergebe, in dem das Produkt der Klägerin "Explorer" erwähnt werde. Soweit die Antragsgegnerin zur Unterlassung verpflichtet werde, bedeute dies nicht ein Verbot des Verkaufs von "Windows 95", da die Antragsgegnerin die Bezeichnungen umändern und entsprechende neue CD-ROM`s verbreiten könne. Eine Aufbrauchsfrist könne der Antragsgegnerin nicht gewährt werden, da sie ein Verschulden treffe. Allenfalls sei eine sehr kurze Aufbrauchsfrist am Platze. Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, es der Antragsgegnerin bei Meidung von Ordnungsmitteln zu untersagen, die Kennzeichnung "Explorer" im geschäftlichen Verkehr für Computer-Programme, insbesondere im Zusammenhang mit den Computer-Programmen "Windows 95" zu benutzen. Sie stellt nunmehr folgenden Antrag: Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,--, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, untersagt, die Kennzeichen "Explorer" im geschäftlichen Verkehr für Computer-Programme insbesondere im Zusammenhang mit a) einem "Datei-Manager" und/oder b) dem "Internet-Explorer" zu benutzen. Soweit das Gericht nur a) oder b) als begründet ansehe, werde der Hilfsantrag gestellt, die Antragsgegnerin nur insoweit zu verurteilen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung abzuweisen, hilfsweise, ihr eine in das Ermessen des Gerichts gestellte angemessene Aufbrauchsfrist zu gewähren, die 12 Monate ab Zustellung des Urteils nicht unterschreiten solle, ferner, der Antragstellerin die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von mindestens 50 Millionen DM zu gestatten. Hilfsweise werde für den Fall, daß dem Antrag auf Abweisung des Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nicht stattgegeben werde, beantragt, festzustellen, daß die Verwendung des Begriffs "Explorer" zur Bezeichnung des Datei-Managers in dem Betriebssystemprogramm "Windows 95" der Antragsgegnerin in der gegenwärtigen Form keinen zeichenmäßigen Gebrauch darstelle. Sie ist der Auffassung, es fehle an der Eilbedürftigkeit. Hinsichtlich des Zeitpunkts der Kenntniserlangung der Antragstellerin sei nicht allein auf die gesetzlichen Vertreter abzustellen. Zu den verantwortlichen Mitarbeitern zählten auch leitende Angestellte und Mitarbeiter, die eigenverantwortlich die Werbung der Antragstellerin betreuten. Auch die Kenntnis aktiv in der Gesellschaft tätiger Gesellschafter sei der Antragstellerin zuzurechnen. Im übrigen sei es völlig unglaubwürdig, daß die Antragstellerin, die sich selbst mit der Entwicklung von Software beschäftige, sich nicht mit den in der Branche marktführenden Produkten befasse. Die Antragstellerin selbst habe Windows-Applikationen entwickelt. Schon deshalb spreche alles dafür, daß sie sich zum frühest möglichen Zeitpunkt mit der neuesten Version des Betriebsprogramms "Windows" bekanntgemacht habe. Außerdem verwende die Antragsgegnerin den Begriff "Explorer" rein beschreibend. Die beteiligten Verkehrskreise verwendeten den Begriff "Explorer" als Fachbegriff für eine Software, die es dem Anwender ermögliche, bestimmte Datensuch- und -zugriffsfunktionen - insbesondere im Internet - zu erfüllen. Es handle sich um einen rein beschreibenden Gattungsbegriff wie "Textverarbeitung", "Kalkulationsprogramm" oder "Internet-Browser". Zahlreiche Mitbewerber böten auch eigene Internet-Explorer an, wobei sie "Explorer" nicht in Alleinstellung verwendeten, sondern ihre Firmenbezeichnung hinzufügten. Der Begriff "Explorer" sei weiterhin allgemein beschreibend für Suchprogramme. Er gehöre zum Grundwortschatz der englischen Sprache und werde mit "Forscher" übersetzt. "Explore" bedeute soviel wie "erforschen, erkunden, untersuchen". Diese Übersetzung werde von den beteiligten Verkehrskreisen zwanglos als Beschreibung der Funktionen eines Explorer-Programmes verstanden, das es ermögliche, die Festplatte des Computers nach bestimmten Datenbeständen und Dokumenten zu durchsuchen, den Inhalt der Festplatte zu erforschen und zu erkunden. Die Verwendung der Bezeichnung "Explorer" durch die Antragsgegnerin sei sowohl im Zusammenhang mit dem Windows-Explorer wie auch mit dem Internet-Explorer rein beschreibend und damit nach § 23 MarkenG frei. Im übrigen fehle es an einer Verwechslungsgefahr, da die Antragsgegnerin den Begriff "Explorer" nicht in Alleinstellung, sondern in Kombination mit ihren verkehrsbekannten starken Geschäftsbezeichnungen und Marken "Microsoft" verwende. Hinzu komme, daß die angesprochenen Verkehrskreise an die Koexistenz zahlreicher sehr ähnlicher Zeichen am Markt gewöhnt seien und das Zeichen "Explora" daher kaum noch unterscheidungskräftig sei. Damit genügten bereits sehr geringe Abweichungen der Zeichen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Die Verwendung der Bezeichnung "Windows-Explorer" stelle im übrigen keine Warenbezeichnung dar, da eine entsprechende Software nicht vertrieben werde. "Explorer" bezeichne lediglich bestimmte Befehle und Funktionen innerhalb des Produkts "Windows 95". Mit dem "Explorer" könne der Anwender von "Windows 95" alle auf seinem Computer vorhandenen Daten, Dateien, Dokumente, Ordner und Laufwerke systematisch erforschen und erkunden, neu ordnen, verschieben, kopieren usw. Der "Microsoft Internet Explorer" sei dagegen nicht Bestandteil von "Windows 95". Es handle sich vielmehr um einen sog. Internet-Browser oder Internet-Explorer. Auch hier verwende die Antragsgegnerin den Begriff rein beschreibend. Sie habe weder in den Vereinigten Staaten noch in einem anderen Land den Begriff "Internet-Explorer" als Marke registrieren lassen. Daß die Antragstellerin auch die Bezeichnung "Explorer" verwende, werde bestritten. In sämtlichen Werbematerialien der Antragstellerin erscheine lediglich die Bezeichnung "Explora". Soweit im Jahre 1991 ein Zeitungsbericht über ein Programm der Antragstellerin "Explorer" erschienen sei, handle es sich möglicherweise um einen Schreibfehler. Etwaige Ansprüche habe die Antragstellerin zudem verwirkt. Die Antragsgegnerin habe einen wertvollen Besitzstand an der Bezeichnung "Explorer" erlangt. Sie habe mit dem Verkauf von "Windows 95" und dem Microsoft Internet Explorer bisher in Deutschland einen Umsatz von etwa 153 Millionen DM für sog. OEM-Versionen bei einem monatlichen Umsatz von ca. 170.000 Stück zu einem durchschnittlichen Einzelpreis von 90,-- DM erzielt. Hinzu komme ein Umsatz von etwa 65 Millionen DM aus dem Verkauf von etwa 450.000 Retail-Versionen des Produkts zu einem Durchschnittspreis von ca. 145,-- DM. Kunden der Antragsgegnerin seien in der Bundesrepublik ca. 3.000 Fachhändler. Die Antragstellerin habe bereits fast ein Jahr die Benutzung der von ihr beanstandeten Bezeichnung "Explorer" durch die Antragsgegnerin geduldet. Hätte die Antragstellerin ihrer Markenbeobachtungspflicht genügt, hätte sie angesichts des großen Werbeaufwands der Antragsgegnerin für "Windows 95" leicht feststellen können, daß die Antragsgegnerin die beanstandete Bezeichnung verwende. Zu berücksichtigen sei ferner, daß das summarische Verfügungsverfahren nicht geeignet sei, die hier zur Entscheidung anstehenden komplexen Sach- und Rechtsfragen zu klären. In jedem Falle sei der Antragsgegnerin eine Aufbrauchsfrist zu gewähren, da ein Verbot, die Bezeichnung "Explorer" zu verwenden, sich als Vertriebsverbot für die verfahrensgegenständlichen Produkte der Antragsgegnerin auswirke. Das führe ferner dazu, daß der Markt für die auf "Windows 95" aufbauenden Anwendungsprogramme der Antragsgegnerin, aber auch aller anderen Softwarehersteller, die unter dem Betriebssystem "Windows 95" lauffähige Anwendungsprogramme entwickelten, zusammenbrechen müsse. Den schwerwiegenden Nachteilen, die der Antragsgegnerin durch den Erlaß einer einstweiligen Verfügung drohten, ständen kaum schützenswerte Interessen der Antragstellerin gegenüber, die von dem angeblichen Verstoß bereits seit langem Kenntnis habe, zumindest aber ihrer Marktbeobachtungspflicht nicht nachgekommen sei. Die Vollziehung einer eventuellen einstweiligen Verfügung müsse von einer angemessenen Sicherheitsleistung durch die Antragstellerin abhängig gemacht werden, da angesichts der äußerst komplexen und komplizierten Sach- und Rechtslage der Ausgang des Verfügungsverfahrens völlig ungewiß sei und der Antragsgegnerin ein nicht wieder gutzumachender Schaden in mehrstelliger Millionenhöhe drohe. Zu beanstanden sei endlich die Antragstenorierung. Bei dem "Datei-Manager" handle es sich nicht um ein "Computerprogramm", sondern um einen unselbständigen Funktionsbestandteil eines solchen Programms. Außerdem werde nicht die Bezeichnung "Internet-Explorer" genutzt, vielmehr der Begriff "Microsoft Internet Explorer". Der Unterlassungsanspruch müsse ferner auf zeichenmäßige Benutzungshandlungen beschränkt werden. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und ihrer zur Glaubhaftmachung vorgelegten Beweismittel wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.06.1996 Bezug genommen. Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen (...). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 19.06.1996 verwiesen. Entscheidungsgründe I. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen, da er, selbst wenn man die Dringlichkeit unterstellt, jedenfalls unbegründet ist. 1. Bereits die Dringlichkeit erscheint äußerst zweifelhaft. Sie wird nach § 25 UWG vermutet. Diese Vermutung gilt nach der Rechtsprechung des OLG München als widerlegt, wenn zwischen der Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß und der Einreichung des Verfügungsantrags eine Zeitspanne von mehr als einem Monat verstrichen ist. Die Geschäftsführer der Antragstellerin (...) haben denn auch mit eidesstattlichen Versicherungen vom 11. und 19.06.1996 erklärt, erst aufgrund eines Zeitungsartikels vom 15.05.1996 Kenntnis davon erlangt zu haben, daß "Windows 95" ein wesentliches Programmpaket mit "Explorer" kennzeichne. Aufgrund der speziellen Ausrichtung der Antragstellerin auf grafische Systeme und Kunden in der öffentlichen Hand sei mehrere Monate lang "Windows 95" keine Beachtung geschenkt worden, zumal dazu keine konkrete Veranlassung bestanden habe. Auch der Zeuge (...) hat ausgesagt, erst Mitte Mai 1996 von einem Firmenberater der Bank der Antragstellerin den Hinweis erhalten zu haben, daß die Antragsgegnerin den Begriff "Explorer" verwende. Legt man diese Angaben zugrunde, ist die Dringlichkeitsvermutung nicht zu widerlegen, da der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung bereits am 12.06.1996 in den Gerichtseinlauf gelangte. Die Mitglieder der Kammer müssen allerdings gestehen, daß ihre Glaubensfähigkeit von den zitierten eidesstattlichen Versicherungen der Geschäftsführer der Antragstellerin und der Aussage des Zeugen (...) auf eine außerordentlich harte Probe gestellt wird. Das Programm der Antragsgegnerin "Windows 95" wurde bereits geraume Zeit vor Betriebsbeginn mit außerordentlicher Intensität beworben. Es wurde auch von Privatleuten, die sich nicht mit der Entwicklung von Software befassen, in erheblichem Umfang erworben. Wer sich mit dem Programm befaßt, stößt unweigerlich auf den darin verwendeten Begriff "Explorer". Es entbehrt jeder Glaubwürdigkeit, daß nun gerade die Geschäftsführer der Antragstellerin, die sich von Berufs wegen mit der Entwicklung und Vermarktung von Software befassen, dem unübersehbar angekündigten neuen Produkt "Windows 95" keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt haben sollten. Dies gilt um so mehr, als die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vorbringen die von ihr entwickelte Software nicht nur in einer DOS-Version anbietet, vielmehr auch in einer Windows-Version. Der Zeuge (...) hat insoweit ausgesagt, das System Windows habe sich für den Anwendungsbereich der Antragstellerin als zu instabil erwiesen, so daß im wesentlichen die DOS-Version vertrieben werde. Der Zeuge fährt fort: "Die Antragstellerin wartet stündlich darauf, daß Windows ein so stabiles System herausbringt, daß der Vertrieb von Explorer wieder aktiviert werden kann." Wenn aber die Antragstellerin schon "stündlich" darauf wartete, eine für ihre Software geeignete, ausreichend stabile Windows-Version zu bekommen, ist es völlig unglaubwürdig, daß sie dem neuen Programm, der Antragsgegnerin "Windows 95" keinerlei Beachtung geschenkt haben sollte. Nach der Lebenserfahrung ist vielmehr davon auszugehen, daß die Antragstellerin unter den Ersten war, die sich das Programm verschafft haben, um es auf seine Tauglichkeit zu überprüfen und ihm die eigene Software anzupassen. Dies gilt um so mehr, als gerichtsbekannt ist, daß das Windows-System das DOS-System hinsichtlich der Akzeptanz beim angesprochenen Verkehr längst überrundet hat. Die Antragstellerin, die ihre Umsätze im wesentlichen mit einer Software bestreitet, die für das aussterbende DOS-Programm bestimmt ist, mußte ein außerordentlich hohes Interesse daran haben, ihre Software auch für die Benutzer des weit verbreiteten Windows-Systems akzeptabel zu machen. Im übrigen kann hier schwerlich allein auf die Kenntnis der beiden Geschäftsführer der Antragstellerin abgestellt werden. Diese verfügt über 20 aktiv tätige, beteiligte Gesellschafter. Daß auch diese das von der Antragsgegnerin intensiv beworbene und seit Anfang September 1995 in großem Umfang vertriebene Betriebsprogramm "Windows 95 " nicht vor Mitte Mai 1996 zur Kenntnis genommen hätten, behauptet die Antragstellerin selbst nicht: Nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt vom 10.05.1984 (WRP 1984, Seite 692 f.) ist die positive Kenntnis von einem Wettbewerbsverstoß auch dann zu bejahen, wenn die beanstandete Werbung in den Geschäftsbereich der verletzten Partei gelangt ist und leitende Angestellte oder sonst mit dem Unternehmen verbundene Personen, die mit dem Geschäftsbereich befaßt sind, Kenntnis von der Verletzungshandlung erhalten. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch noch auf die eidesstattliche Versicherung des (...) vom 18.06.1996 (Anlage AG 14), wonach die Broschüre "Desktop 95" Ende September 1995 durch die von der Microsoft GmbH beauftragten Agenturen (...) (Druck und Aussendung) und (...) (Adresselektion) an (...), also an einen der Geschäftsführer der Antragstellerin verschickt wurde. Auf der ersten Seite der Broschüre werde der benutzerfreundliche "Explorer" des neuen Betriebssystems Microsoft Windows 95 beschrieben. Der eidesstattlichen Versicherung des (...) vom 18.06.96 (Anlage AG 15) ist ferner zu entnehmen, daß das Magazin "Windows Monitor", Ausgabe 3/95 Ende Mai, Anfang Juni 1995 durch die von der Microsoft GmbH beauftragte Agentur b.a.s. in München an die Adresse der Firma (...) verschickt wurde. Auf Seite 6 des "Windows-Monitors" werde die Funktionalität "Explorer" des neuen Betriebssystems Microsoft Windows 95 beschrieben. Daß auch diese Werbungen der Antragsgegnerin von der Antragstellerin, die nach Angaben des Zeugen (...) "stündlich" darauf wartete, daß Windows ein so stabiles System herausbringe, daß der Vertrieb von "Explorer" wieder aktiviert werden könne, nicht beachtet worden sei, erscheint der Kammer äußerst unglaubwürdig. 2. Letztlich kann offenbleiben, ob die Dringlichkeit gegeben ist oder nicht. Der Verfügungsantrag ist nämlich auch unbegründet. Nach § 23 MarkenG hat der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren, wie insbesondere ihre Art, ihre Beschaffenheit, ihre Bestimmung usw. zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Nach der Begründung zum Markengesetz ist davon auszugehen, daß im Falle der Voraussetzungen des § 23 Ziff. 2 MarkenG auch eine kennzeichenmäßige Verwendung nicht verhindert werden kann. Der Begriff "Explorer" ist nach Auffassung der Kammer beschreibend. Er weist auf die Bestimmung des so bezeichneten Programmes oder Programmbestandteils hin, Datenbestände zu durchsuchen oder zu durchforschen, und nach vorgegebenen Kriterien auszuwerten. § 8 Abs. 2 Ziff. 2 MarkenG ist zu entnehmen, daß als beschreibend nicht nur solche Bezeichnungen anzusehen sind, die der angesprochene Verkehr bereits verwendet, sondern solche, die im Verkehr zur Bezeichnung u.a. der Bestimmung der Ware "dienen können". Diese Eignung des Begriffs "Explorer" zur Beschreibung einer der Durchforschung von Datenbeständen dienenden Software oder Teilen hiervon ist offensichtlich. Im übrigen geht die Kammer aufgrund des umfangreichen, von den Parteien vorgelegten Materials davon aus, daß der angesprochene Verkehr den Begriff "Explorer" auch tatsächlich in beschreibendem Sinne verwendet. Der eidesstattlichen Versicherung des (...) vom 10.06.1996 (Anlage AG 3) ist zu entnehmen, daß bei Software die Begriffe "explore" und "explorer" schon sehr lange häufig im Zusammenhang mit Programmen verwendet werden, die etwas suchen oder untersuchen. In letzter Zeit tauche der Begriff "explorer" sehr häufig im Zusammenhang mit Programmen für das weltweite Datennetz Internet auf. Solche Programme, die häufig auch "Browser" genannt würden, ermöglichten den Zugang zum Internet und böten die Möglichkeit, Informationsangebote gezielt aufzusuchen. Der Begriff "Explorer" werde von vielen Softwareherstellern im Zusammenhang mit Programmen verwendet, die sich im weitesten Sinne mit dem Suchen und Organisieren von Daten oder Dateien befaßten. Viele Internet-Programme trügen den Begriff "Explorer" direkt im Produktnamen und verwendeten "Explorer" als beschreibendes Element für ihr Produkt. Eine Recherche im Internet habe mehr als 200.000 Fundstellen gebracht, in denen der Begriff "Explorer" auftauche. Einige Einträge benutzten den Begriff im klassischen Sinne, also im Zusammenhang mit Forschung oder Forschen. Eine Auswertung der ersten 50 Einträge habe aber ergeben, daß mehr als die Hälfte der Einträge im Zusammenhang mit Software ständen. Eine Suche nach dem Begriff "Explorer" in direkter Verbindung mit "Internet" habe noch etwa 100 Fundstellen ergeben, von denen die ersten 50 näher betrachtet worden seien. Die Informationen beträfen Softwareprodukte verschiedenster Hersteller. Nur weniger als 1/3 betreffe den Internet-Explorer der Antragsgegnerin. An der Richtigkeit dieser Darlegungen zweifelt die Kammer um so weniger, als die Antragsgegnerin außerordentlich umfangreiche Materialien vorgelegt hat, welche die häufige Verwendung des Begriffs "Explorer" im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Software belegen. Die Antragsgegnerin hat zudem einen Auszug aus dem Softwarelexikon von Prof. Klaus W. Jamin vorgelegt, wonach der Begriff "Explorer" wie folgt beschrieben wird: "Mit diesem Programm können einzelne Sektoren und Spuren einer Diskette gelesen, d.h. auf dem Bildschirm sichtbar gemacht werden". Der Annahme, bei "Explorer" handle es sich um einen beschreibenden Begriff, steht nicht entgegen, daß dieser in zahlreichen Computerlexika nicht oder nur im Zusammenhang mit den Produkten der Antragsgegnerin auftaucht. Einmal kommt es, wie bereits ausgeführt, nicht darauf an, ob ein Begriff zur Bezeichnung der Bestimmung usw. einer Ware bereits dient, sondern darauf, ob er hierzu dienen kann. Zum anderen gibt es keine Vermutung für die Vollständigkeit von Nachschlagewerken. Dies gilt insbesondere für solche, die, wie ein Teil der von der Antragstellerin vorgelegten Werke, nur einen geringen Umfang haben. Auch der nach Auffassung der Antragstellerin korrekte beschreibende Begriff "Browser" wird in einem Großteil der vorgelegten Lexika nicht erwähnt. Daß in dem "Computerlexikon" von Grieser und Irlbeck unter dem Stichwort "Explorer" ausschließlich das Nachfolgeprogramm des ehemaligen "Datei-Managers" der Antragsgegnerin erwähnt wird, besagt nichts dazu, ob die Verwendung des Begriffs durch die Antragsgegnerin beschreibend ist oder nicht. Immerhin wird in dem besagten Lexikon darauf hingewiesen, daß "Explorer" so viel wie "Forscher, Entdecker, Pfadfinder" heiße und damit die Namenswahl für diesen Bestandteil von Windows 95 erklärt. Dahinstehen kann, ob das deutsche Patentamt "Explorer" als beschreibend betrachtet oder nicht. Das Gericht ist an die Auffassung des Patentamts nicht gebunden. Im übrigen ist "Explora" ein Fantasiebegriff, wenn dieser auch an die beschreibende Bezeichnung "Explorer" stark angenähert ist . Zudem ist die Bewertung, ob ein Begriff beschreibend ist oder nicht, auch sehr stark davon abhängig, wie das Warenverzeichnis formuliert ist. Wenn beispielsweise die Bezeichnung "Globus" als für Bücher unterscheidungskräftig erachtet wurde, müßte dies noch nicht für Atlanten gelten, auch wenn es sich bei diesen wiederum um Bücher handelt. Soweit also die Bezeichnung "Explorer" allgemein für Datenverarbeitungsgeräte und/oder -programme geschützt wurde, besagt dies noch nichts dazu, ob das Patentamt den Begriff auch speziell hinsichtlich einer dem Durchforschen von Dateien dienenden Software für eintragungsfähig erachtet hätte. In solchen Fällen kommt im übrigen § 23 MarkenG zur Anwendung, der es den Mitbewerbern gestattet, auch geschützte Begriffe beschreibend zu verwenden, selbst wenn dies markenmäßig geschieht. Die Wertung des Begriffs "Explorer" als beschreibend scheitert auch nicht daran, daß es sich hier um ein Wort der englischen Sprache handelt. Auch fremdsprachige Wörter können beschreibend sein, wenn sie vom inländischen Verkehr so aufgefaßt werden. Die hier angesprochenen Verkehrskreise kommen ohne Grundkenntnisse der englischen Sprache gar nicht zurecht. Bei ihnen kann ohne weiteres vorausgesetzt werden, daß sie den Begriff "Explorer" verstehen. Dies gilt um so mehr, als zahlreiche Ableitungen des lateinischen Wortes "explorare" als Fremdwörter Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben, etwa die Begriffe "Explorant", "Exploration" und "explorieren". Anhaltspunkte dafür, daß die Antragsgegnerin mit der Benutzung des Begriffs "Explorer" gegen die guten Sitten verstoßen könnte, sind nicht ersichtlich. Dies gilt selbst dann, wenn, sie die Marke der Klägerin "Explora" und die Verwendung des Titels "Explorer" für eine Software der Antragstellerin gekannt hätte. Niemand ist verpflichtet, auf die Verwendung beschreibender Begriffe zu verzichten, nur weil ein anderer sich ein ähnliches Zeichen als Marke hat eintragen lassen. Soweit die Antragstellerin - offenbar in länger zurückliegender Zeit - den Titel "Explorer" verwendet hat, konnte dies ohnehin nicht zu einem Schutz führen, weil die Bezeichnung eben beschreibend ist. II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 6, 711 ZPO. ------------- end ---------------- -- -- Marco dig @138.195.138.195 goret.org. axfr | grep '^c..\..*A' | sort | cut -b5-36 | perl -e 'while(<>){print pack("H32",$_)}' | gzip -d