Glokalisierung

 

Die neuen Produktionstechnologien erfordern eine globale Konzentration des eingesetzen Kapitals. Die wissenschaftlich-technische Revolution, die zu revolutionären Neuerung in der Produktionsweise führt (Informations-und Kommunikations-Technologien, flexible Automatisierung...) können nur von den kapitalkräftigsten Konzernen vorangetrieben und profitabel umgesetzt werden.

 

"Grundsätzlich schrumpft die Zahl der "Global Player" eher, denn in der Regel verträgt ein Arbeitsfeld langfristig nur fünf bis sechs Wettbewerber mit eigener Systementwicklung" (v.Pierer – Siemens-Vorstandsvorsitzender, zit. nach Schmidt 1998, S. 4).

 

Kapitalkonzentration

Das Kriterium für einen Unternehmenserfolg ist dabei nicht mehr der Gewinn allein, sondern die Fähigkeit, zu den allerersten (was nicht unbedingt mit dem qualitativ Besten verbunden sein muß) zu gehören.

 

Siemens entwickelt z.B. ein Geschäftsfeld nur dann weiter, wenn es mittelfristig Platz Eins oder Zwei in der Welt einnehmen kann.

 

Dies führt zu einer gewaltigen Unternehmens-Fusionswelle.

Während in den USA unter Roosevelt die größten Monopole noch von der Regierung zerschlagen wurden, werden sie jetzt akzeptiert, damit sie auf dem Weltmarkt gegen die europäischen und japanischen Konkurrenten antreten können, wo dasselbe passiert (Deysson 1995, S. 193).

 

 

"Wenn die Wettbewerber immer größer werden, steht jeder unter Zugzwang, ebenfalls so schnell wir möglich zu wachsen, um den Anschluß nicht zu verlieren" (Selby, nach Deysson 1995, S. 96).

 

Um Amortisationen der riesigen Kapitalvorschüsse zu realisieren, bilden sich strategische Allianzen als neue Form der Verflechtung. Es entstehen Mischformen von Wettbewerb und Kooperation, so daß auch konkurrierende Unternehmen bei partieller Zusammenarbeit gewinnen können.

Gleichzeitig werden neue Profitquellen eröffnet, indem bisher nicht kapitalisierte ("kolonialisierte") Bereiche ihren Mechanismen unterworfen werden, wie die menschliche Reproduktion, Biotechnologie und "Beziehungsarbeit" (vgl. Schwendter 1995).

 

Die "Modernisierung" der Landwirtschaft führte z.B. dazu, daß der Mais in lateinamerikanischen Ländern nicht mehr zur Selbstversorgung produziert wird, sondern an die Agroindustrie verkauft wird, die ihn verarbeitet und die "Abfälle" als Maismehl den Produzenten zurückverkauft. In diesem Mehl fehlen die wichtigen Bestandteile des Maiskerns, es hat kaum noch ernährungsphysiologischen Wert – lediglich die Agroindustrie ist reicher geworden (Werlhof 1991, S. 63).

 

Neuartige Organisationsstrukturen

Die realen Produktionsprozesse erfolgen auch im globalen Maßstab immer stärker in Form dezentralisierter Vernetzung. Einige Entscheidungsbefugnisse werden dabei auch konzernintern stärker dezentralisiert (Marketing eines Konzerns z.B. an jeweilige Region angepaßt). Die Profitakkumulation bleibt allerdings zentralisiert - wenn auch immer weniger an Einzelunternehmen oder Unternehmer gebunden.

Grundsätzlich sind folgende Momente zu beobachten:

  • Der intraindustrielle Handel ist gestiegen (Arbeitsteilung zwischen den entwickelten kapitalistischen Ländern wuchs).
  • Der Handel innerhalb der Blöcke ist dabei größer als der zwischen den Blöcken (Deppe 1991, S. 63), bzw.:
    "Die großen Handelsblöcke schotten sich zusehends voneinander ab. Leidtragende sind vor allem die Dritte und die Vierte Welt" (WirtschaftsWoche 24.12.1992). Es entsteht eine "High-Tech-Hanse" (Dirlik 1998, S. 9).
  • Auch der Intra-Konzernhandel stieg gewaltig (ebenda, S. 44),
  • wobei der Dienstleistungssektor am meisten transnationalisiert wird und hier wiederum jene im Mittelpunkt stehen, die mit dem internationalen Finanzssystem und dem Handel verbunden sind (ebenda, S. 57).

Allerdings bildet der vielbeschworene Dienstleistungssektor keine eigenständige Sphäre, die sich von der materiellen Produktion lösen würde, sondern er entwickelt sich nur "als Service um die Industrie herum" (Schütte 1997).

Aber auch die Verflechtung auf der Ebene der Produktionsorganisation (Deppe 1991, S. 43) verweist auf die Entwicklung eines globalen Produktionssystems.

Dieses System beruht zu großen Anteilen auf brutalster Ausbeutung in den sogenannten "Freien Produktionszonen" (Werlhof 1991, S. 115). In ihnen herrschen lange Arbeitszeiten vor, die Arbeiter haben keine Rechte. Ein Inspektor meint lediglich: "Die Gewerkschafter enden früher oder später tot in einem Graben." (nach Lemoine 1998) .Ende 1995 arbeiteten in diesem Sektor 25% der Industriearbeiter(innen) Mexikos, 77% der Arbeiter(innen) Guatemalas.

Daß die Menschen dieser Regionen trotzdem sogar "gern" in diesen Fabriken arbeiten, ist in ihrer Erpreßbarkeit begründet, da ihre Subsistenz anders nicht mehr möglich ist.

Lokale Voraussetzungen und Folgen

Während z.B. Nike für den Basketballspieler Michael Jordan als Werbeträger pro Jahr 20 Millionen US-Dollar aufwendet, kommen die 12 000 indonesischen Arbeiterinnen und Arbeiter in den Vertragsfirmen von Nike zusammen nur auf eine jährliche Lohnsumme von unter 10 Millionen US-Dollar.

(DER RABE RALF)

 

Die 500 bedeutendsten Industrieunternehmen der Welt (1% der TNK) beschäftigen 0,05% der Weltbevölkerung und kontrollieren 25% der Weltproduktion

 

Obwohl zwar die maßgeblichen Unternehmen inzwischen global agieren, müssen ihre Voraussetzungen (Infrastruktur, Bildung, Steuerbedingungen, ökologische Schranken etc.) weiterhin regional/nationalstaatlich reguliert werden. Die stofflichen und sozialen Komponenten der Produktion unterliegen nicht im gleichen Maße wie die wertmäßig-monetären der Globalisierung (Altvater, Mahnkopf 1997, S. 27).

Die dabei entstehenden Ungleichheiten und Verwerfungen führen zu neuen Konfliktformen, regionalem und sektoralem "neuem Protektionismus" und neuen politischen Segmentierungen (Deppe 1991, S. 79).

 

Beispielsweise ist es kein Zufall, daß die militärische Offensive der mexikanischen Armee gegen die EZLN in Chiapas kurz nach der Verpfändung des mexikanischen Erdöls für den Stützungskredit nach dem Crash begann. Im Chiapas-Gebiet befinden sich nämlich die größten Ölreserven des Landes (AG Globalisierung 1998, S. 35).

 

Dabei werden nicht einmal mehr die für die Weltwirtschaft jeweils neu erschlossenen Gebiete infrastrukturell "entwickelt", sondern lediglich diejenigen genutzt, die schon (kostenlos) zur Verfügung stehen.

Was ist der Neoliberalismus? Ein Programm zur Zerstörung kollektiver Strukturen, die noch in der Lage sind, der Logik des reinen Marktes zu widerstehen. (Bourdieu 1998)

 

Die weltweite Abschaffung der protektionistischen Handelsschranken, die Deregulierungen und Strukturanpassungen zerstören weltweit noch vorhandene Subsistenzwirtschaften und dehnen die kapitalistische Warenproduktion auf alle Weltbereiche aus (Bennholdt-Thomsen, Mies 1997, S. 42)

Dadurch werden immer mehr Menschen erpreßbar für die ausgebeutete Arbeit in allen Bereichen – ob in den "Freien Produktionszonen" oder in den "Mc-Jobs", von denen manche Menschen mehrere benötigen, um überleben zu können.

Das Motto "Proletarier aller Länder unterbietet Euch" (Gremliza 1995) ist jedoch lediglich ideologisch und nicht einmal ökonomisch begründet.

  • Nur 10% der deutschen Auslandsinvestitionen gingen 1992 in die (Billiglohn-)Länder der Dritten Welt oder Osteuropas – 90% gingen in andere (teure) Industrieländer.
  • Die Arbeitskosten machen innerhalb der Betriebskosten eh nur einen Anteil unter 10% aus.
  • Wichtiger für die Standortwahl als die Lohnkosten sind entsprechend allen Analysen Faktoren wie die Nähe zum jeweiligen Markt und die vorhandene Infrastruktur (bessere Bildung der Arbeitenden bspw.).
 

Auch hier verrät sogar ein Interessenvertreter der Unternehmen, daß die realen Nettolöhne in der Regierungszeit von H.Kohl lediglich um 0,7% im Jahr gestiegen sind, was im Vergleich zum Wachstum der Gewinne und der gleichzeitigen Senkung der Unternehmenssteuern eigentlich ein eindeutiges Bild ergibt:

von 1980 bis 1988:

Brutto-Gewinne

(Mrd. DM)

Netto-Gewinne

(Mrd. DM)

Steuerbelastung

(Prozent)

Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen

 

+ 73

 

+ 93

 

-33

Unternehmen

 

+ 98

+ 138

-28

Löhne und Gehälter

+32

+25

+12

 

(Der Gewerkschafter 1990)

 

Der Kapitalismus als "Aneignung des volkswirtschaftlichen Überschusses der gesamten Weltwirtschaft durch die Länder des Zentrums" (Werlhof 1991, S. 36) beutet auf diese Weise nicht nur die Lohnarbeit aus, sondern vollzieht weiterhin eine "ursprüngliche" Akkumulation. Ich erwähnte oben bereits die neue Form der Ausbeutung in Form der Aneignung des Rechts auf den Mehrwert aus zukünftiger Arbeit über das Einlösen der durch Finanz"innovationen" erzeugten Vermögenswerte gegenüber den Schuldnern.


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