Hegels Gesetzesbegriff

 

1 Stellung des Begriffs des Naturgesetzes im System   1
2 Die Kategorie des Gesetzes bei Hegel 2
2.1 Das „Gesetz der Erscheinung“  2
2.2 Die „beobachtende Vernunft“ – Das Sein der Gesetze in der Erfahrung  3
2.3 Gesetz in der Logik  5
2.3.1 Seinslogik  5
2.3.2 Wesenslogik - Gesetz der Erscheinung und Gesetz als wesentliches Verhältnis  6
2.3.3 Begriffslogik  9
2.3.3.1 (Toter und freier) Mechanismus – Regel und Gesetz der immanenten und objektiven Bestimmung  10
2.3.3.2 Chemismus - immanentes Gesetz der Objekte selbst 10
2.3.3.3 Teleologie – Auflösung der Antinomie von Naturgesetz und Freiheit 11
2.4 Naturphilosophie  11
2.4.1 Einleitung  11
2.4.2 Inhalt der Naturphilosophie  13
2.4.2.1 Mechanik  13
2.4.2.2 Physik  13
2.4.2.3 Organik  14
2.5 Philosophie des Geistes  14
3. Kritik der Hegelschen Naturphilosophie und Gesetzesauffassung  14
3.1 Zur Hegelschen Naturphilosophie allgemein  15
3.1.1 Natur und mechanizistische Mechanik  15
3.1.2 Spezifik des naturwissenschaftlichen Erkennens  16
3.1.3 Natur bei Hegel 17
3.2 Zur Kategorie Gesetz bei Hegel 17
3.2.1 Zum Verhältnis naturwissenschaftliches Gesetz und Philosophie  17
3.2.2 Zu Gesetzen in der Physik  18
3.2.2.1 Zur Bestimmung der Größen  18
3.2.2.2 Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem im Gesetz  18
3.2.2.3 Verhältnis – Funktion: 18
3.2.2.4 Physikalische Verallgemeinerung: Newtons Gravitationsgesetz und die Keplerschen Geetze bzw. das Galileische Fallgesetz  19
3.2.2.4 Kraft gegen Impulsmechanik  19
3.2.2.5 Gesetze nur im Mechanischen?  20
Literatur 20

 

1 Stellung des Begriffs des Naturgesetzes im System

Hegel kommt an mehreren Stellen seiner Werke auf Gesetze zu sprechen. Dabei meint er jedoch nicht immer denselben Inhalt. Wie immer sind die Bedeutungen seiner verwendeten Kategorien abhängig von der Stelle im Gesamtsystem, in dem sie vorkommen. Die Einbettung der Vorstellung der verschiedenen Kategorien des Gesetzes bei Hegel in den jeweiligen Systemkontext ist deshalb unverzichtbar. Wie im Buch von v. Bogdandy werden hier die Frühschriften Hegels nicht herangezogen, obwohl die Kategorie des Gesetzes dort „zum Teil eine zentrale Rolle spielt“ (v.Bogdandy 1989, S. 13).

Es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass es  hier nicht um Gesetze der Gesellschaft und Geschichte geht, obwohl das wichtige Werk von v. Bogdandy ausdrücklich vermerkt: „Hegels Theorie der Sittlichkeit und damit seine ganze Rechtsphilosophie sind wesentlich eine Theorie des Gesetzes“ (v.Bogdandy 1989, S. 13).

Auch die Rolle der Gesetzmäßigkeit in der Ästhetik Hegels (Ästh, S. 185f.)[1] wird hier nicht weiter untersucht.

 

Noch 1800 ist das Gesetz für Hegel so zentral, dass er  sogar ein „höchstes Gesetz“ (Hegel, Diff., S. 35-36) der Philosophie (in der Vernunft statt nur im Verstand) finden will. Erst später relativiert er die Kategorie des Gesetzes und begründet deren Überwindung innerhalb der Entwicklung der Kategorien hin zum absoluten Geist.

In der „Phänomenologie des Geistes“ will er weiterhin Philosophie als Wissenschaft verstehen, aber nicht mehr auf Gesetzen basierend, sondern über die Stufe der Gesetzeserkenntnis hinausgehende. In diesem Werk  untersucht Hegel die Bewusstseinsentwicklung endlicher Wesen: Die „Phänomenologie“ ist wegen der Endlichkeit ihres Gegenstandes nach Meinung Hösles „unter begründungstheoretischen Gesichtspunkten [...]  kein integrierender Teil des Systems“ (Hösle 1998, S. 58). Systematisch tauchen die Ergebnisse dieser Ergebnisse später in der Philosophie des Geistes wieder auf (Enz. III, S. 199ff.).  Bereits innerhalb dieses Entwicklungsganges verwendet Hegel den Gesetzesbegriff an verschiedenen Stellen. Die erste Kategorie des Gesetzes, das „Gesetz der Erscheinung“ vermittelt zwischen dem „für-sich-Sein“ und dem „Sein-für-Andere“, das sich auch in den Kraftwirkungen zeigt. Hier werden die Dinge noch quasi „von außen“ betrachtet, die Gesetze der Erscheinung haben mit der Welt außerhalb unserer Selbst zu tun, mit ihrer Vermittlung von Wesen und Erscheinung. Diese quasi objektivistische, realistische Sicht ist für Hegel jedoch nicht ausreichend. Er verfolgt die Entwicklung des Bewusstseins hin zum Selbstbewusstsein, in dem die Vernunft sich sicher ist, „alle Realität zu sein“, worin der „Idealismus ihren Begriff aus[spricht]“ (Phän., S. 158). In der entwickelten Vernunft (im Unterschied zum Verstand) ist das je mir im Erkennen und Handeln begegnende Andere nicht mehr fremd, sondern es ist „Anderes für mich“ (ebd., S. 159) – Ontisches/Ontologisches ist nicht mehr vom Epistemischen zu trennen. Auf dem Weg dahin gibt es eine Phase, in der die „Vernunft noch nicht als solche Gegenstand ist“ (ebd., S. 165). Hier ist die beobachtende Vernunft angesiedelt und in ihr taucht zum zweiten Mal die Kategorie des Gesetzes auf. Da innerhalb der beobachtenden Vernunft die Erkenntnistätigkeit endlicher Wesen thematisiert wird, ist an dieser Stelle die Wissenschaftstheorie – und damit der einzelwissenschaftliche Gesetzesbegriff - Hegels zu suchen. Hegel weist nach, dass es Gesetze in seinem Sinne lediglich im Bereich des Mechanischen gibt und im Organischen und erst Recht im Bereich des Menschlichen an seine Grenze stößt.

Dass das Thema des Naturgesetzlichen primär hier seinen kategorialen Platz findet und nicht in der Naturphilosophie, liegt daran, dass in der „Naturphilosophie“ (Enz.II) das Thema nicht die Naturwissenschaft als Erkenntnisweise der Menschen  ist, sondern die Natur als Thema der Philosophie. Als solche muss sie für Hegel notwendigerweise über das naturwissenschaftliche Verständnis hinausgehen. Lediglich einführend behandelt er auch die naturwissenschaftliche Weise als eine der „Betrachtungsweise der Natur“ innerhalb der Naturphilosophie.

Innerhalb des logischen Aufbaus des Hegelschen Gesamtsystems findet die Gesetzeskategorie ihren Platz im Bereich des Wesenslogischen und wird aus der Sicht des Begriffslogischen natürlich nicht zerstört, sondern kritisch aufgehoben, d.h. auch in ihrer Begrenztheit begründet.

2 Die Kategorie des Gesetzes bei Hegel

2.1 Das „Gesetz der Erscheinung“

Das Naturgesetz findet seinen Platz in Hegels seinem „eigentlichen“ System vorangestellten Werk „Phänomenologie des Geistes“. Hier untersucht er die Bewegung des Bewusstseins als Geist, speziell als „konkretes, und zwar in der Äußerlichkeit befangenes Wissen“ (WdL I, S. 17)[2]. Die Entwicklung dieses Bewusstseins durchläuft verschiedene Phasen von der sinnlichen Gewissheit über die Wahrnehmung über das verständige Erfassen von Verstand und Kraft zum Selbstbewusstheit und weiter zur Vernunft, in deren Rahmen auch die „Beobachtung der Natur“ („beobachtende Vernunft“) fällt. Der Weg von der sinnlichen Gewissheit und der Wahrnehmung in Richtung Verstand wurde getrieben von dem Widerspruch zwischen dem Ding und seinen Eigenschaften, zwischen dem „für-sich-Sein“ und dem „Sein-für-Andere“. Dieser Widerspruch wird im verständigen Denken aufgelöst, speziell im Kraftbegriff. In der Kraft wird die Wirkfähigkeit vom „für-sich“ zum „anderen“ gedacht. Die Kraft ist „was es für ein anderes, eben so an sich selbst“ (Phän., S. 95). Auf diese Weise unterscheidet sich der Verstand von der Wahrnehmung dadurch, dass es nicht mehr das Einzelne durch die subjektive Sinnesempfindung und das Allgemeine durchs Bewusstsein allein erzeugt betrachtet, sondern im „für-sich“ zur Objektivität kommt (vgl. Kalenberg, S. 17). Während sich eine Kraft entäußert, bleibt sie doch erhalten – das bedeutet, dass sie irgendwie im inneren Grund der Dinge begründet ist. Aber neben und gegenüber diesem inneren Grund kommt nun das Erscheinende in die Betrachtung. Als Erscheinung gewinnen wir die sinnliche Welt zurück – aber in durch das verständige Denken veränderter (aufgehobener) Weise, als Erscheinung eines Wesens. Der Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung drückt sich nun im „Gesetz der Erscheinung“ aus. Dies zeigt sich zuerst in einem „beständigen Bilde der unsteten Erscheinung“ (Phän., S. 105). Allerdings hat dieses Gesetz noch einen Mangel: „es hat unter immer andern Umständen eine immer andere Wirklichkeit“ (ebd.). Die unmittelbar aus der Erfahrung entnommenen Naturgesetze bedürfen einer Zusammenfassung in allgemeinen Gesetzen, welche „die innere Notwendigkeit des Gesetzes“ (Phän., S. 106) enthalten. Diese zweite Form von Gesetzen abstrahiert nach Hegel von der besonderen Form der einander entgegenwirkenden Kräfte (wie der positiven und negativen Elektrizität) und nähert sich dem Begriff, denn im Begriff (im Begriff der Elektrizität ist enthalten, als positive und negative zu sein) sind die vorher selbständigen Momente in der „Form des einfachen in sich Zurückgegangenseins“ (Phän., S. 197) enthalten. Es ist dann nicht mehr kontingent, welche Momente existieren, sondern die Existenz ergibt sich mit innerer Notwendigkeit aus dem „Gesetz als Gesetz“ (ebd., S. 108). In dieser Phase der Entwicklung des Bewusstseins bleibt das für das Bewusstsein Wahre jedoch (noch) getrennt von ihm selbst (vgl. ebd., S. 118, 120). Erst in der nächsten Stufe, der Entwicklung des Selbstbewusstseins[3], werde „ich“ wissen, dass ich weiß, was ich im „Anderssein“ erkannt habe. „Das Bewusstsein muß sich in seinem Gegenstande entdecken“ (Heinrichs 1974, S. 159). Die Wissenschaft als Ganze muss über das Stadium der Gesetzeserkenntnisse noch hinaus gehen. Gesetze sind lediglich „einzelne verschwindende Momente, deren Wahrheit nur das Ganze der denkenden Bewegung, das Wissen selbst ist“ (Phän., S. 202). Das beobachtende Bewusstsein wird zum Tun gedrängt (ebd., S. 203), es geht darum, als Bewusstsein einerseits dem Gegenstand „gemäß zu werden“ als auch das Gegenständliche „sich gemäß zum machen“ (ebd.). Wissenschaftskritik ist Hegel hier nicht fern, wenn er davor warnt, dass es zum „Verbrechen“ wird, wenn das Individuum die Wirklichkeit „auf eine nur einzelne Weise aufhebt, oder indem es dies auf eine allgemeine Weise und damit für alle tut...“ (ebd.). 

2.2 Die „beobachtende Vernunft“ – Das Sein der Gesetze in der Erfahrung

Nachdem sich Selbstbewusstsein und Vernunft entwickelt haben (die entsprechenden Phasen werden hier nicht erläutert), ist der Anspruch des Idealismus erfüllt: Alles Wissen weiß von sich, Gegenstand und Begriff sind nicht mehr voneinander trennbar. In der beobachtenden Vernunft will sich die Vernunft jedoch erst einmal „als wirkliche, sinnlich-gegenwärtige Weise finden, und haben“ (Phän., S. 164). Denn es reicht nicht aus, nur als „abstrakte Vernunft“ (ebd.) sich dem Sinnlichen gegenüber zu wissen. Die Einheit muss konkret werden, nicht subsummierend, sondern letztlich vernünftig, begreifend, ihre Momente in ihrer spezifische n Qualität enthaltend. Um diese spezifischen Qualitäten zu erfahren, begibt sich die Vernunft auf den Weg der Beobachtung und aktiven (gegenüber der nur passiven) Erfahrung. Auf diese Weise eignet sich die Vernunft das mannigfaltige Sein „als das seinige selbst“ (ebd.) an.

Dabei geht das Erkennen nicht einfach von beliebigen Wahrnehmungen aus, sondern „Das Wahrgenommene soll wenigstens die Bedeutung eines Allgemeinen [...] haben“ (ebd., S. 166). Schon dieses Wahrnehmen orientiert auf etwas sich gleich Bleibendes (ebd.) als abstrakteste Form der Allgemeinheit. Auch das Beschreiben orientiert sich daran. Allerdings gibt es dabei einen „unerschöpflichen Vorrat fürs Beobachten und Beschreiben“ (ebd., S. 167), es geht von einer Beschreibung zur nächsten fort und „ ist es nicht so leicht mehr „neue ganze Dinge zu finden, so muß zu den schon gefundenen zurückgegangen werden, sie weiter zu teilen, auseinanderzulegen und neue Seiten der Dingheit an ihnen noch aufzuspüren „(ebd., S. 166). Hier zeigt sich eine Verwandtschaft mit Goethes Methodologie (vgl. Goethe 1793a/1977). Trotzdem soll das Beschreiben nicht bis Unendliche gehen, sondern sich auf Wesentliches konzentrieren. Dabei ergibt sich jedoch eine Art gedoppelte Wesentlichkeit: Einerseits ist Wesentliches an den Dingen selbst, andererseits geht es dem Erkennenden „wenigstens ebenso wesentlich um sich selbst“ (Phän., S. 167). Zu beachten ist die Verteidigung des Wesentlichen an den Dingen, der „wesentlichen Bestimmtheit der Dinge“, wonach „nämlich ihre Gegenstände selbst so beschaffen sind, dass sie eine Wesentlichkeit oder ein Fürsichsein an ihnen haben, [...] denn in der Tat unterscheidet nicht nur das Erkennen [durch Unterscheidungsmerkmale] ein Tier von dem anderen; sondern das Tier scheidet sich dadurch selbst ab“ (ebd., S. 168). Das Wesentliche zeigt sich vorrangig am Gleichbleibenden – und auch dies ist „das sich Gleichbleibende des Erkennens, wie der Dinge selbst“ (ebd.). Solche wesentlichen Merkmale „sind ruhende Bestimmtheiten, welche so, wie sie als einfache sich ausdrücken und aufgefasst werden nicht das, was ihre Natur ausmacht, verschwindende Momente der sich in sich zurücknehmenden Bewegung zu sein, darstellen“ (ebd., S. 169). Diese Bestimmtheit zeigt sich nun dem Vernunftinstinkt als Gesetz. Im Gesetz zeigt sich eine noch nicht bis zum Begrifflichen hin entwickelte Notwendigkeit und Allgemeinheit. Das Notwendige und Allgemeine im Wesentlichen, Gleichbleibenden der Erfahrung lässt sich (noch) nicht aus dem Begriff ableiten (wie z.B. aus der Schwere abzuleiten sein wird, dass auf der Erde Steine entsprechend dem Fallgesetz fallen und sich die Planeten entsprechend den Keplerschen Gesetzen bewegen). Das Allgemeine muss sich noch im Induktionsschluss zeigen, „die Allgemeinheit ist nur als einfache unmittelbare Allgemeinheit vorhanden“ (ebd., S. 171) und das Gesetz ist noch nicht eine Notwendigkeit, aber es hat ein notwendiges Dasein (ebd, S. 170).

Die weitere Forschung zum Gesetz dient nach Hegel nun darin „reine Bedingungen des Gesetzes zu finden“ (S. 172). Nicht mehr nur der Bernstein zeigt elektrische Eigenschaften, sondern „negativ elektrisch zu wirken“ erweist sich als der Gegenstand der Forschung. Die Prädikate werden von den Subjekten befreit (ebd., S. 172) – Hegels Interpretation der Naturwissenschaft verweist damit lange vor Cassirer (1910/1990) und anderen darauf, dass der Gegenstand (auch) der Naturwissenschaft nicht Dinge (Subjekte), sondern ihre Verhaltensweisen (Prädikate) sind (vgl. Wahsner 1996a, S. 42; Wahsner 2000a, S. 2). Für die biologische Wissenschaft zeigt Hegel dann aber auf, dass hier die Vorstellung eines Gesetzes nicht sinnvoll ist. Im Organischen lassen die erscheinende Allgemeinheit im Inneren und die Teile der ruhenden, äußeren Gestalt nicht mehr auseinanderhalten, ohne ihre organische Bedeutung zu verlieren (Phän., S. 187). Es „ergeben sich keine solchen seienden Seiten, als für das Gesetz erfordert werden“ (ebd., S. 188). „Auf diese Weise geht an dem Organischen die Vorstellung eines Gesetzes überhaupt verloren.“ (ebd.) Die organische Einheit selbst muss hier Gegenstand der Untersuchung werden, es gibt keine getrennt voneinander „rein seienden Unterschiede“ (ebd., S. 188) mehr. (siehe dazu 3.2.2.5)

Auch für die Logik und Psychologie findet Hegel lediglich eine Art formelle Gesetzlichkeit. Sogenannte Denkgesetze sind nur „einzelne verschwindende Momente, deren Wahrheit nur das Ganze der denkenden Bewegung, das Wissen selbst ist“ (ebd., S. 202) und über die Psychologie von Individuen lassen sich genau so wenig Gesetze machen, denn nach Hegel „ist die Welt des Individuums nur aus diesem selbst zu begreifen, und der Einfluß der Wirklichkeit, welche als an und für sich seiend vorgestellt wird, auf das Individuum, erhält durch dieses absolut den entgegengesetzten Sinn, daß es entweder den Strom der einfließenden Wirklichkeit an ihm gewähren läßt, oder daß es ihn abbricht und verkehrt“ (ebd., S. 205-206).

Spätestens am Menschen als Individuum[4] findet damit das Suchen nach Gesetzen seine endgültige Grenze. Die beobachtende Vernunft „scheitert hier jedoch an ihrer eigenen Natur, die versucht, den Menschen zu verstehen, indem sie ihn als einen Gegenstand, ein Objekt, betrachtet und seine Natur nicht gleichzeitig als ein Wesen, das sich selbst erschafft, erfassen kann.“ (Taylor 1998, S. 221). Das Menschliche ist wesentlich dadurch, dass es das Sein aufheben kann, das „wahre Sein des Menschen ist vielmehr seine Tat; in ihr ist die Individualität wirklich“ (Phän., S. 215). „Beobachtender Vernunft fehlt das Verstehen des handelnden Menschen.“ (Taylor 1998, S. 221).

Auch andere systematische Mängel des als Gesetz Erkannten führen bei Hegel schließlich dazu, dass der Verstand zum vernünftigen Selbstbewusstsein übergeht.

2.3 Gesetz in der Logik

2.3.1 Seinslogik

Kommen wir nun zum eigentlichen System der Wissenschaften nach Hegel, das sich in die Momente Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes teilt. Innerhalb der Logik gibt es wiederum eine Dreiteilung in Seinslogik, Wesenslogik und Begriffslogik. Logik hat nichts mehr mit „konkreten Gegenständen, Gott, Natur, Geist“ (WdL I, S. 23) zu tun, sondern es geht ihr um Gedanken „in ihrer vollständigen Abstraktion“ (ebd.), um „ mögliche Formen von Beziehungen von Begriffsmomenten“ (Neuser 1989, S. 37). Dabei ist die Einheit von Denken und Sein selbstverständlich vorauszusetzen – die Logik ist niemals gegenstandslos „nur als Denkmethode“ zu betrachten, sondern die Entfaltung der Bedeutung ihrer Kategorien erweist sich als identisch mit der Entwicklung der „Sache selbst“ (Phän., S. 270f.; WdL I, S. 38). Mit der Kategorie der „Sache“ bezeichnet Hegel jene Realität, die dem Begriff und seiner Entwicklung, der Entwicklungslogik entspricht. Diese ist als Gegenstand der Logik von der Methode nicht zu trennen. Erst in den beiden realphilosophischen Bereichen (Naturphilosophie und Philosophie des Geistes) geht es um reale Gegenstände, in der Logik um die abstrakteste Darstellung, die überhaupt möglich ist, aber nicht nur dem Denken angehört, sondern gleichermaßen das Sein als Sache enthält.

Über die Zusammenhänge von Seins-, Wesens- und Begriffslogik wurde an anderer Stelle berichtet. (Schlemm 2002) Hier soll es um die Stellung der Kategorie Gesetz innerhalb dieser systematischen Entwicklung der Logik gehen.

In den seinslogischen Schriften (WdL I, Enz. I) ist das Gesetz als Kategorie nicht ausgearbeitet. Im Abschnitt zum Maß (denjenigen Quantitäten, welche bestimmten Qualitäten zugrunde liegen, Enz. I, S. 224) spricht Hegel von Gesetzen in der Chemie (WdL I, S. 424, 434), die mit Sättigungs- als Maßverhältnissen zu tun haben. Dabei nimmt Hegel hier einen Vorgriff auf wesenslogische Kategorien vor, den er spricht hier schon von „Ganzen“ (ebd., S. 451) und Kräften (ebd., S. 452f.). Tatsächlich leitet die Analyse des Maßes ja auch weiter zur Wesenslogik. Die Ausführungen zum „Verhältnis selbständiger Maße“ (WdL I, S. 413) erhalten ihre Rechtfertigung auch erst aus dem späteren Verständnis des Gesetzes als wesentliches Verhältnis (vgl. Duque 2002, S. 153).

An einer Stelle in diesem Kontext wird eine wichtige Kennzeichnung des Gesetzlichen[5] bei Hegel deutlich: Gesetze beruhen nach Hegel darauf, dass Raum und Zeit reine Äußerlichkeiten darstellen und dass Masse (Menge der Materien) und Gewicht als äußerliche Bestimmungen verstanden werden (WdL I, S. 392). Als solche reinen Äußerlichkeiten genommen, können Gesetze im Mechanischen angenommen werden – schon für das Physikalische, erst recht das Organische ist diese Äußerlichkeit nicht mehr gegeben.

2.3.2 Wesenslogik - Gesetz der Erscheinung und Gesetz als wesentliches Verhältnis

Das eigentliche Feld des Gesetzlichen ist die Wesenslogik. Wesenslogischer Verstand entfernt sich vom Sinnlichen als Einzelnes und Verschwindendes, richtet sich auf das Dauernde und Allgemeine – wobei er dann neben Gattungen auch Gesetze findet: „Wir sehen die Gestirne heute hier und morgen dort; diese Unordnung ist dem Geist ein Unangemessenes, dem er nicht traut, denn er hat den Glauben an eine Ordnung, an eine einfache, konstante und allgemeine Bestimmung. In diesem Glauben hat er sein Nachdenken auf die Erscheinungen gewendet und hat ihre Gesetze erkannt, die Bewegung der himmlischen Körper auf eine allgemeine Weise festgesetzt, so daß aus diesem Gesetz sich jede Ortsveränderung bestimmen und erkennen läßt.“ (Enz.I., S. 77-78).

Das Wesen wird zunächst einmal durch jene Gattungsmerkmale festgestellt, „woran die Dinge erkannt werden“ (Phän., S. 167), wodurch sich ein bestimmtes Ding von anderen unterscheiden und „seine wesentliche Bestimmtheit ist die, worin es untergeht.“ (JW II; W. 111). Dabei liegt die Unterscheidung zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem nicht nur in der Entscheidung des äußeren Beobachters, sondern die Dinge selbst unterscheiden sich tatsächlich selbst in dieser Weise (Phän., S. 168). Existierende Merkmale und Verhaltensweisen lassen sich nun auch in wesentliche und unwesentliche unterscheiden. Die wesentlichen machen die Erscheinung aus. Erscheinung steht deshalb nicht allein gegen das Wesen, sondern steht als Erscheinung des Wesens gegen das Unwesentliche. Etwas als „Erscheinung“ genommen impliziert, dass die Erscheinung eine Erscheinung ihres Wesens ist, nichts beliebig Existierendes. Das Wesen steht nicht außerhalb des Seins, sondern ist selbst das Sein, aber als in sich scheinend, als in sich gegangenes, als einfache Beziehung auf sich, als Vermittlung seiner in sich mit sich selbst (Enz.I, S. 231). Das Scheinen in sich slbst, die Reflexion, diese Negativität ist dem Sein nicht äußerlich, „sondern seine eigene Dialektik“ (ebd.). Das Sein wird nicht mehr als unmittelbar genommen, sondern als vermittelt, Dinge zeigen sich als durch Anderes vermittelt und begründet. Die Sphäre des Seins und des Wesens sind negativ aufeinander bezogen, in der Sphäre des Wesens ist die Sphäre des Seins „nur an sich“ (ebd., S. 235), d.h. der Möglichkeit nach, als verschiedene mögliche Erscheinungen. Erst im Begriff werden Sein und Wesen völlig identisch – die Sphäre des Wesens ist noch von ihrer – aufeinander bezogenen – Verschiedenheit geprägt. Diese Unterscheidung von Sein und Wesen zeigt sich bei unserem Thema als Unterscheidung von Phänomen und Wesentlichkeit. Phänomene werden als Phänomene des Gesetzes genommen, Phänomen und Wesentlichkeit sind aufeinander bezogen, aber negativ, als unterschieden. Das Aufeinander-Bezogen-Sein verweist darauf, dass Ding und seine Verhaltensweisen, sowie die Beziehungen zwischen den Dingen nicht getrennt werden können. Sein heißt „Sich-Äussern“ (Duque 2002, S. 148). „Die beiden Extreme, Ding und Erscheinung, begründen einander [...]  gegenseitig. Die Gesamtheit von Setzungen/Gesetztsein ist gerade das Gesetz.“ (ebd.)

Die Kategorie des Gesetzes wird von Hegel hier eingeführt, um das „im Wechsel der Erscheinung sich Gleichbleibende“ zu charakterisieren. Dies ist das „Gesetz der Erscheinung“. (WdL II, S. 149, siehe auch Phän., S. 105). In der Mannigfaltigkeit des Existierenden beziehen sich bestimmte Dinge (bzw. Momente, gemeint sind nicht nur stoffliche Körper) auf ganz bestimmte andere. Eins gehört zu seinem anderen. Das Eine setzt sein Anderes voraus, das Andere sein Eines. Die jeweilige Einheit der beiden, die der Grund dafür ist, dass das Eine auf sein Anderes bezogen ist (und umgekehrt), nennt Hegel „Gesetz der Erscheinung[6]“ (WdL II, S. 152). Auf der Ebene des Seins wird die Unterschiedlichkeit des Einen gegenüber dem Anderen betont. Es geht um die „Vermittlung von Erscheinungen, welche zunächst als unabhängig und entgegengesetzt auftraten“ (v.Bogdandy 1989, S. 27). Das Wesen als Gesetz zeigt sich als Verhältnis zweier unterschiedlicher Erscheinungen.

Dieses Verhältnis wird zwar gesetzt, aber nicht lediglich durch eine äußere Reflexion (wie bei Kant), sondern dieses Setzen beruht darauf, dass das Andere tatsächlich auch das Andere des Ausgangspunktes ist, sein Anderes (vgl. v. Bogdandy 1989, S. 29). Diese Zweispältigkeit des „Setzens“  als einerseits Reflexion und Abstraktion aber andererseits als Beziehung zwischen tatsächlich aufeinander Bezogenen erhält die Spannung aufrecht, die in der Frage steckt, wie Gesetze mit der Realität zusammen hängen. Gesetze abstrahieren von Randbedingungen und dem unwesentlichen Teil der Erscheinungen – aber die wesentlichen Beziehungen, die sie ausdrücken, „sind nicht jenseits der Erscheinung“ (WdL II, S. 153). Im Gesetz wird dem Allgemeinen auch eine objektive Wirklichkeit zugeschrieben (Enz. II, S. 20), gerade weil das Wesentliche eben nicht nur in unserer Betrachtung liegt. Dass Menschen in Ohrläppchen haben ist zwar ein Merkmal, aber nicht das wirklich Wesentliche des Menschen. Was dies ist, ist nicht nur subjektiv gesetzt, sondern liegt im „eigene[n] innere[n] Wesen der Gegenstände selbst“ (ebd.).

Das Wesen ist keine abgehobene Sphäre, sondern „Das Gesetz ist [...] nicht jenseits der Erscheinung, sondern in ihr unmittelbar gegenwärtig; das Reich der Gesetze ist das ruhige Abbild der existierenden oder erscheinenden Welt. Aber vielmehr ist beides eine Totalität, und die existierende Welt ist selbst das Reich der Gesetze...“ (WdL II, 153-154).[7] „Das Wesen muß erscheinen [...] Das Wesen ist daher nicht hinter oder jenseits der Erscheinung, sondern dadurch, daß das Wesen ist, welches existiert, ist die Existenz Erscheinung.“ (Enz. I, S. 261.262) Gesetz und Erscheinung unterscheiden sich jedoch dadurch, dass in den Erscheinungen noch mehr ist als im Gesetz. Und diese stellen sich gegenüber  dem Gesetz als „ruhigen Inhalt“ als „unruhiger Wechsel“ (WdL II, S. 154) dar.

 

Im Gesetz wird betont, dass die Welt der Erscheinungen eine des ständigen Wechsels, der Veränderung, des Entstehens und Vergehens ist und dem wird eine Ebene der Beharrlichkeit, des Bleibens - eben das Gesetz - gegenüber gestellt. Im Gesetz zeigt wird nicht mehr von Dingen und Eigenschaften ausgegangen, sondern von Inhaltsbestimmungen, die das Gesetz selbst erst konstituiert. Ihnen kommt wesentliche Existenz zu und ihnen stehen die unwesentlichen, sich verändernden, werdenden und vergehenden Erscheinungen gegenüber (vgl. Wölfle 1994, S. 365).

 

 

Im Gesetz geschieht also die Auflösung substantieller Dinge in Beziehungen von Inhaltsbestimmungen, wie auch Cassirer (1910/1990) betonte.[8] In der wechselseitigen notwendigen Abhängigkeit der wesentlichen Inhaltsbestimmungen hebt sich übrigens auch jene Relativität auf, die aus einer willkürlichen Kennzeichnung beliebiger Bestimmungen als wesentlich folgen könnte. Nicht beliebige Bestimmungen können je nach „Perspektive“ oder „Interesse“ als die Wesentlichen herausgehoben werden, sondern nur jene, die einen notwendigen Zusammenhang untereinander zeigen, der nicht nur mit der Aktivität des Erkenntnissubjekts zu tun hat, sondern der sich uns aus der Welt heraus  zeigt.

 

Die Erscheinungen sind umfassender als das Gesetz, sie sind ihm gegenüber die Totalität. Wenn jeweils Rand- bzw. Anfangsbedingungen mit in das Gesetz hinein genommen werden, entstehen neue Gesetze und so weiter – niemals ist dieser Prozess umfassend abschließbar. Es entsteht nicht eine Allgemeinheit, sondern viele Allgemeinheiten (vgl. Kalenberg 1997, S. 26f.) Dies ist einer der Mängel[9] des Gesetzes der Erscheinung, die das Denken schließlich weiterführen wird. Ein anderer Mangel ist der, dass im Gesetz je zwei Inhaltsbestimmungen als wesentlich miteinander verbunden sind, die einander jedoch äußerlich sind – die eine enthält die andere nicht (wie später die Momente einer Totalität). Im Gesetz zeigen sich z.B. die Zusammenhänge zwischen Raum und Zeit bei der Fallbewegung – aus der Erfahrung ergibt sich dies – nach Hegel – unmittelbar. Was fehlt, ist der „Beweis, d.h. eine Vermittlung für das Erkennen, dass das Gesetz nicht nur statthat, sondern notwendig ist“ (ebd., S. 255). Deshalb „ist das Gesetz als verbindliche Aussage über die zugrunde liegende Wirklichkeit hinter der Erscheinung nicht zufriedenstellend, denn es liegt wirklich weder allem zugrunde, noch bringt es innere Bezogenheit zustande, was es eigentlich tun sollte. Es ist zu innerlich (weil es nicht den ganzen Inhalt des Äußeren besitzt) und zu äußerlich (weil es sich nicht zur Notwendigkeit hin bewegt.“ (Taylor 1998, S. 361).

Eine weitere Stufe der Entwicklung des Gesetzes wird erreicht, wenn seine Seiten nicht nur als unterschiedliche erkannt sind, sondern sich als (negativ) aufeinander beziehende (ebd., S. 157). Nicht nur Wesentliches wird aus der Fülle der Mannigfaltigkeit der Welt herausgehoben, sondern die gesamte Welt, das Universum wird als gesetzmäßig strukturiert angesehen, auch die vorher abgeschiedenen unwesentlichen Momente erhalten ihre Bedeutung innerhalb einer gesetzmäßigen Struktur. Auch das Unwesentliche wird vom Gesetz reflektiert – es entsteht über der „erscheinenden Welt“ eine „an und für sich seiende“ Welt. Die Entwicklung des Gesetzes der Erscheinung zum Gesetz als wesentliches Verhältnis unterscheidet sich in den beiden eigentlich parallelen Darstellungen der Entwicklung der Kategorien der Wesenslogik (in „Wissenschaft der Logik II“ und „Enzyklopädie I“) stark[10]. Letztlich will Hegel darauf hinaus, dass nichts Existierendes – auch das Unwesentliche nicht - völlig zusammenhanglos ist, sondern „alles, was existiert, steht im Verhältnis“ zu anderem (Enz.I, S. 267). Auf diese Weise gelingt das Hineinnehmen des vorher als unwesentlich aus dem Gesetz noch Herausfallenden. Auch das Unwesentliche ist im Ganzen enthalten. Als Ganzes ist die „an und für sich seiende Welt [...] die Totalität der Existenz; es ist nichts anderes außer ihr“ (WdL II, S. 159). Als solche ist sie aber für uns nicht mehr anschaulich, sinnlich wahrnehmbar, sondern „übersinnlich“ (ebd., S. 158). Das Gesetz als wesentliches Verhältnis lässt sich direkt interpretieren als Verhältnis von Ganzen und Teilen. Hier erhält die Vermittlung der beiden vorher nur unterschiedenen Aspekte eine neue Qualität: Ganzes und Teile sind „beide zugleich nur sind als sich gegenseitig bedingend und voraussetzend“ (WdL II, S. 165). Noch innerhalb der Wesenslogik wird also das Gesetzmäßige als spezifische Einheit des Denkens und Seins aufgehoben in weitere Kategorien und Kategorienpaare (Ganzes-Teile, Außen-Innen, Wirklichkeit, Kausalität, Wechselwirkung). 

Im Übergang vom Gesetz der Erscheinung zum Gesetz als wesentliches Verhältnis liegt auch ein wichtiges Moment der Kritik der auf dem Gesetz der Erscheinung beruhenden Wissenschaft. Das Gesetz der Erscheinung begegnet uns als „rein formelle Verknüpfung“ (Duque 2002, S. 151) primär quantitativ betrachteter Faktoren[11] – von ihm aus ist weiter zu gehen in Richtung des Verstehens der Einheit der Sache[12] mit dem Verstandesinhalt. Überhaupt kennzeichnet der Übergang von den Dingen zu Verhältnissen (den Lucien Séve vor allem im Marxschen Denken realisiert sieht) eine völlig neue Qualität der Erkenntnisweise. Durch diesen Übergang wird eine neue Form von Wissenschaftlichkeit möglich, die nicht nur abstrakt Allgemeines erfasst, sondern die „paradoxe Aufgabe“ erfüllen kann, „das Allgemeine als Einmaliges und das Einmalige als Allgemeines“ (Séve 1977, S. 268)[13] darzustellen.

2.3.3 Begriffslogik

Die letzte Stufe der Wesenslogik, die Wechselwirkung wird in der Begriffslogik nun weitergeführt, indem die beiden wechselwirkenden Seiten „als Momente eines Dritten, Höheren, erkannt werden“ (Enz I, S. 302). Auf diese Weise zeigt sich dann auch die Notwendigkeit der Beziehungen zwischen den Momenten einer Totalität.

Wir hatten oben gesehen, dass die Einheit von Einem und seinem Anderen in der Wesenslogik nur gesetzt ist und erst vom Begriff her begründet werden kann. Der Paragraph über „Das Erkennen“ ist fast am Ende der Begriffslogik zu finden, innerhalb der Untersuchungen zur „Idee“ (als Einheit von Objektivität und Subjektivität), die viel mit dem denkend handelnden Menschen zu tun hat. Hier geht es um die Entstehung der Gesetze im Erkennen der Menschen. Hegel untersucht hier die Entstehung des Gesetzes als konkret-Allgemeines in der analytischen Methode. Die analytische Methode kann auf zwei verschiedenen Wegen zu zwei verschiedenen Ergebnissen kommen. Das vorliegende Konkrete[14] kann einerseits so aufgelöst werden, dass dessen Unterschiede vereinzelt werden und ihnen die Form abstrakter Allgemeinheit gegeben wird. Andererseits kann von den als  unwesentlich erscheinenden Besonderheiten abstrahiert werden und es entsteht konkret-Allgemeines, das Gesetz (Enz. I, S. 379-380)[15].

Hegel erwähnt die zwei weitere Möglichkeiten der Analyse. Einmal wird in den Gegenstand etwas hineingelegt, etwas einseitig vom Subjekt gesetzt (subjektiver Idealismus Kants), das andere Mal wird so getan, als würden die Gedankenbestimmungen alle von außen aufgenommen (Realismus) (WdL II, S. 503). Hegel hebt diesen Widerspruch so auf, dass er im analytischen Vorgehen, der „Verwandlung des gegebenen Stoffes in logische Bestimmungen“ (ebd.) das Logische nicht nur als Gesetztes, sondern als Ansichseiendes annimmt (ebd., S. 504).

Für Hegel folgt auf diese analytische Methode notwendigerweise die synthetische (bzw. beide erweisen sich als von vornherein verbunden) und später der „Übergang von der Idee des Erkennens zur Idee des Wollens“ (Enz. I, S. 385). Schließlich folgt deren Einheit in der absoluten Idee.

 

Auf dem Weg zur Idee untersucht Hegel die Formen des Objektiven genauer. Objektives beinhaltet für Hegel verschiedene Formen der Unmittelbarkeit (Objektivität), bei denen auch die Gesetzmäßigkeit eine Rolle spielt. Gesetze sind immer dann wichtig, wenn Teile eines Ganzen sich aufeinander beziehen, aber selbständig sind (vgl. v. Bogdandy 1989, S. 38). Es sind die drei Entwicklungsstufen Mechanismus, Chemismus und Teleologie zu unterscheiden.

 

2.3.3.1 (Toter und freier) Mechanismus – Regel und Gesetz der immanenten und objektiven Bestimmung

Im Mechanismus befinden sich nach Hegel[16] die Objekte äußerlich selbständig und gleichgültig nebeneinander. sie können lediglich eine subjektive Einheit bekommen (als innere oder äußere). In jeder Verbindung bleiben sie einander äußerlich. Jede Beziehung zwischen ihnen bleibt ihnen fremd, hat mit ihrer Natur nichts zu tun. Ihre Einheit bleibt „Zusammensetzung, Vermischung, Haufen“ (WdL II, 410). Auch Denken und Tun kann mechanisch sein, wenn „ die eigentümliche Durchdringung und Gegenwart des Geistes bei demjenigen fehlt, was er auffasst oder tut“ (ebd.). Mechanische Objekte werden durch äußere Einwirkungen bestimmt, die beliebig sind. Es werden an ihnen zwar verschiedene Seiten oder Teile (von außen) unterschieden, sie haben aber nichts mit Selbstbestimmung (von innen her) zu tun. Allerdings wirken sie (nach Hegel; Leibnitzens Monaden unterscheiden sich davon) durchaus aufeinander, es entsteht ein mechanischer Prozess. Solch ein Prozess hat das Resultat nicht schon vorher in sich, es ist letztlich zufällig. Die Objekte selbst bestimmen sich im Prozess gegeneinander als selbständige Einzelne.

Innerhalb des Mechanischen sind jedoch auch unterschiedliche Stufen zu unterscheiden.

Die erste umfasst lediglich unfreie, äußerliche Bewegungsformen, wie Stoß und Bewegung um einen Zentralkörper (absoluter Mechanismus, WdL II, S. 423ff.). Als „toter Mechanismus“ kennt er zwar Regeln, aber kein Gesetz im eigentlichen Sinne.

In der zweiten Stufe wird die Ordnung nicht mehr nur von außen aufgezwungen, sondern sie ist immanent in der Bestimmung des Objekts enthalten – hier spricht Hegel vom Gesetz. (Gesetz der immanenten und objektiven Bestimmung, WdL II, S. 426). Es geht nun nicht mehr um beliebige Objekte, sondern um ihre spezifische Funktion im Ganzen. Nur als freier Mechanismus kann er ein Gesetz haben, es besteht in der „eigene[n] Bestimmung der reinen Individualität“ (ebd., S. 427).[17] Zwar ist seine Bewegung notwendig, aber aus der besonderen Individualität des Objekts her begründet, d.h. frei. Als Gesetz gilt dabei „eine Allgemeinheit, die sich an ihr selbst besondert, der ruhige in der unselbständigen Besonderheit der Objekte und ihrem Prozesse feste Unterschied“ (WdL II, S. 422). 

Noch allerdings können die Objekte auch außerhalb ihrer gesetzmäßigen Bewegung bestehen. Himmelskörper existieren auch außerhalb eines Planetensystems ohne ihre Kreisbewegung. Sterne auch ohne Planeten. Erst wenn sie zusammen kommen (was auch nicht der Fall sein kann), folgt ihre Bewegung den Gesetzen, die ihrer Beziehung immanent sind.

 

2.3.3.2 Chemismus - immanentes Gesetz der Objekte selbst

Im Chemismus jedoch ist den Objekten ihr Aufeinander-Bezogensein inhärent. Für ein chemisches Objekt gehört die „Beziehung auf anderes und die Art und Weise dieser Beziehung seiner Natur an“ (ebd., S. 429). Das Objekt selbst „ist ein Streben, die Bestimmtheit seines Daseins aufzuheben (ebd., S. 430), es beginnt den Prozess selbstbestimmt (und muss nicht auf das Zusammentreffen warten). Im Chemismus zeigt sich „immanente Gesetz der Objekte selbst“ (ebd., S. 409).

 

2.3.3.3 Teleologie – Auflösung der Antinomie von Naturgesetz und Freiheit

Die Einheit des Begriffs braucht sich auf der nächsten Stufe der Objektivität nicht mehr als Gesetz zeigen, sondern als Zweckbeziehung in freier Selbstbestimmung, die den vorigen Stufen noch nicht zukommt.

Das teleologische Denken ist nach Hegel wie bei Kant auch die Auflösung der Antinomie zwischen „Kausalität nach Naturgesetzen“ und Freiheit (Kant, KrV, S. 462ff.; B 472ff.; KdU, S. 221ff., B 314ff.,), wobei sich der Zweck als das konkrete Allgemeine, als Begriff erweist (WdL II, S. 443). Dabei wird vor allem auch das Mittel in der Zweckbeziehung thematisiert und seine Rolle bei der Aufhebung der früheren Entgegensetzung von Kausalität und Finalität (vgl. Wahsner 2002c, S. 102). Es zeigt sich dabei, „daß [...] über die „reine“ Objektivität nichts zu sagen ist ohne Begriffe, daß aber auch der scheinbar absolute Gegensatz der Subjektivität [...] Produkt der zweckgerichteten Lebenstätigkeit des Menschen ist“ (ebd.).

Dabei zeigt sich im Teleologischen, wie im Organischen (siehe Naturphilosophie) bereits das Vernünftige, aber die Methode der wissenschaftlichen Analyse entspricht ihr innerhalb der „beobachtenden Vernunft“ noch nicht vollständig.

Innerhalb der Logik erkennen wir also, dass die Kategorie des Gesetzes bei Hegel wesenslogisch, aber auch[18] begriffslogisch bestimmt wird. Während die wesenslogische Bestimmung eines Gesetzes bereits Allgemeinheit (allerdings nur, weil die Randbedingungen nicht berücksichtigt werden) und Wesentlichkeit von aufeinander bezogenen Erscheinungen berücksichtigt, ergibt sich der Nachweis der Notwendigkeit dieses Zusammenhangs erst aus dem Begriff, d.h. dem vereinheitlichenden Prinzip, aus dem sich die Teile und ihre Beziehungen erzeugen, bzw. dem umfassenden Entwicklungszusammenhang[19].

2.4 Naturphilosophie

2.4.1 Einleitung

Auch Hegels Naturphilosophie ist vor allem aus ihrer Stellung im Gesamtsystem heraus verständlich. Sie dient hier als „Vermittlung  zwischen der Wissenschaft der Logik und der Philosophie des (subjektiven) Geistes“ (Meyer 1989, S. 18). Naturphilosophie soll Natur nicht empirisch, wie die Physik oder Naturgeschichte erkennen, sondern aus dem Gedanken ableiten, womit auch unterstellt ist, dass Vernunft in der Natur ist[20], nicht nur im Geist.

In der Einleitung zur Naturphilosophie trägt Hegel Standpunkte vor, die sich erst aus dem Gesamtsystem ergeben (siehe auch Abschnitt zur Philosophie des Geistes). Nicht Natur ist demnach das Höchste, Umfassendste der Welt – sondern Geist.[21] Diesem gegenüber, bzw. seinem endlichen Moment, der Idee, ist Natur lediglich ein Anderes[22] (Enz.II, S. 24). Trotzdem ist es dem erkennenden Geist bereits möglich, nicht nur das Andere, sondern sich selbst in der Natur zu erkennen – in der Naturphilosophie (ebd.). „Die denkende Naturbetrachtung muß betrachten, wie die Natur an ihr selbst dieser Prozeß ist, zum Geiste zu werden, ihr Anderssein aufzuheben.“ (ebd., S. 25). Bereits die verschiedenen Stufen der Natur lassen eine Entwicklung[23] hin zum Geiste ausmachen. „Als Natur als solche kommt in ihrer Selbstverinnerlichung nicht [...] zum Bewußtsein ihrer selbst. [...]erst der Mensch erhebt sich über die Einzelheit der Empfindung zur Allgemeinheit des Gedankens, zum Wissen von sich selbst, zum Erfassen seiner Subjektivität, seines Ichs, - mit einem Worte: erst der Mensch ist der denkende Geist und dadurch, und zwar allein dadurch, wesentlich von der Natur unterschieden.“ (Enz. III, S. 25).

Diese philosophische Betrachtung setzt die empirische Naturwissenschaft bereits voraus. Sie übernimmt beispielsweise das aus der Physik „überlieferte verständige Allgemeine“ und übersetzt es in Begriffe, „indem sie zeigt, wie es als ein sich selbst notwendiges Ganzes aus dem Begriff hervorgeht“ (Enz. II, S. 20). Vom umfassenden Horizont des Begriffs bzw. des Geistes aus lässt sich die Natur noch einmal charakterisieren. Während im Geist Begriff und Wirklichkeit übereinstimmt, fallen sie in der Natur noch auseinander. Während im Geist die Freiheit herrscht, so in der Natur die Notwendigkeit und Zufälligkeit (Enz. III, S. 19, 27). Während im Geist die Äußerlichkeit und Endlichkeit des Daseins überwunden ist, ist es dies für die Natur noch nicht.

Die Erkenntnisweisen, wenn sie nur auf diese Natur gerichtet sind, will Hegel überwinden. Wissenschaftskritik mündet bei ihm nicht in der Forderung einer anderen Wissenschaft über Natur, die nicht Philosophie wäre, sondern im Fortgang des Systems selbst, der sich zeigt in der „Übersetzung“ des von der empirischen Wissenschaft gelieferten verständig Allgemeinen in der Naturphilosophie und darüber hinaus noch im Fortgang zur Philosophie des Geistes.

Natur ist selbst an sich Geist. An dem, was eventuell ontologisch als Natur existiert, hat Hegel keine Kritik, er betont eher ihre Potenzen, das Enthaltensein des „An sich“ des Geistes in ihr. Als ungenügend kennzeichnet er allerdings die physikalischen Denkbestimmungen. „α) Das Allgemeine der Physik ist abstrakt oder nur formell; es hat seine Bestimmung nicht an ihm selbst oder geht nicht zur Besonderheit über. β) Der bestimmte Inhalt ist eben deswegen außer dem Allgemeinen, damit zersplittert, zerstückelt, vereinzelt, abgesondert, ohne den notwendigen Zusammenhang in ihm selbst, eben darum nur als endlicher.“ (Enz. II, S. 21). Diese Verstandesreflexion wird von Hegel ausdrücklich als einseitig kritisiert und im Unterschied dazu eine „Befreiung der Natur“ (ebd., S. 23) angestrebt.

Dazu muss allerdings das theoretische Verhalten, bei dem die Allgemeinheit ohne Bestimmtheit wäre und das praktische Verhalten, bei dem die Einzelheit ohne Allgemeines bestünde, durch das begreifende Erkennen vermittelt werden. Die Allgemeinheit soll nicht ein Diesseits gegen die Einzelheit der Gegenstände bleiben, sondern es soll sich negativ gegen die Dinge verhalten, in dem es dieselben assimiliert, in ihnen die Einzelheit findet und darin die Dinge gewähren und frei in sich bestimmen lässt (ebd.).

Auch dieser Prozess erfolgt in mehreren Stufen., der Mechanik, der Physik und der Organik.[24] In dieser Stufenfolge lässt sich auch die „Abfolge zunehmender Annäherung an die >wahre< Form des Gesetzes“ (Kalenberg 1997, S. 36) finden.

2.4.2 Inhalt der Naturphilosophie

2.4.2.1 Mechanik

In der Mechanik der Naturphilosophie entwickelt Hegel wie üblich aus den unmittelbarsten und abstraktesten Bestimmungen ein Konkretes – hier „die sich selbst bewegende Materie“ (Enz. II, S. 41).

Nach der Entwicklung der Kategorien des Orts und der Bewegung aus jenen von Raum und Zeit entwickelt Hegel jene Mechanik, die ihrem Begriff entspricht. Deren Entwicklungsstufen sind träge Materie, Stoß (als nicht frei und abhängig von äußeren Einwirkungen, vgl. Enz. II, S. 66f.), Fall (relativ frei: die Bewegung selbst ist durch den Begriff gesetzt, nur die Entfernung ist zufällig, vgl. Enz. II, S. 75ff.) und schließlich die absolute (Himmels-) Mechanik (als absolut frei, weil ihrem Begriff entsprechend, vgl. Enz. II, S. 82f.)

Das Anliegen von Hegel dabei ist es, von der mechanizistischen Vorstellung isolierter, toter Einzeldinge wegzukommen in Richtung von inneren Beziehung und Lebendigkeit. Jede Äußerlichkeit wird von ihm kritisiert und aufgehoben – Kräfte[25] sind nicht von außen eingepflanzt, sondern sie machen „in Wahrheit das Wesen der Materie“ aus (ebd., S. 58). Was zuerst einander äußerlich ist, zeigt nach und nach seine impliziten Wirkungszusammenhänge. Der Fortgang dieser Entwicklung ist auch als „Übergang von der Idealität zur Realität, von der Abstraktion zum konkreten Dasein,  hier von Raum und Zeit zu der Realität, welche als Materie erscheint“ (ebd. II, S. 56) zu verstehen. Materie und Bewegung werden als einander zugehörig erkannt (ebd., S. 60) und finden sich in der Einheit des Begriffs Schwere wieder (ebd., S. 106).

Hegel erwähnt, dass für diese mechanischen Bewegungen Gesetze als „Verknüpftsein zweier einfacher Bestimmungen, so daß nur ihre einfache Beziehung aufeinander das ganze Verhältnis ausmacht, die beiden aber den Schein der Freiheit gegeneinander haben müssen“ (Enz. II, S. 93) vorhanden sind. Schon für den Magnetismus gelten keine Gesetze mehr, weil in ihm „die Untrennbarkeit der beiden Bestimmungen schon gesetzt“ (ebd.)  ist. Hegel stellt die Aufgabe, „diese aus dem Begriffe zu entwickeln“ (ebd., S. 94).[26]

 

2.4.2.2 Physik

Die Mechanik hatte Materie und Bewegung im Begriff der Schwere zusammen geführt. Damit werden Bestimmung (als Schwere bestimmte Materie) und Sein (in der Bewegung) identisch (vgl. Enz. II, S. 108). Diese Identität kennzeichnet qualifizierte Materie und diese ist Gegenstand der Physik.

Hier wird das vorher schon betrachtete Sonnensystem nun sogar teilweise bereits als Organismus (an sich, vgl. ebenda, S. 339) betrachtet; die Planeten verhalten sich gegenüber den Kometen „als notwendige organische Momente“ (ebd., S. 127). Hegel versucht hier die vorher als Zufälligkeiten betrachteten Naturerscheinungen in einem vom Begriff bestimmten notwendigen Zusammenhang zu sehen.

Das führt u.a. auch dazu, die „Verwandlung der Elemente ineinander“ gegenüber einer „endlichen Physik“ (ebd., S. 146) zu betonen, wobei sich Zustände nicht nur quantitativ ändern, sondern „aus als innerliche Bestimmtheit“ (ebd., S. 150). Physik nach Hegel muss auch die qualitativen Veränderungen nicht  nur als quantitative Veränderung der Zustandsgrößen erfassen. Von Physik ist  nach Hegel durchaus mehr zu erwarten als die von ihm zuerst geschilderte Mechanik, die er in der real existierenden „endlichen“ Physik allerorten am Werk sieht.

Hegel verfolgt nun die „Stufen der Bestimmungen“ (Enz.II, S. 290) im Einzelnen weiter  über das Chemische bis hin zum Organischen. In diese Qualitätsstufe des Seins gehört nach den heute üblichen Einteilungen eigentlich noch das Gesetz der Folge von geologischen Formationen, das Hegel erst innerhalb der Organik beschreibt.

 

2.4.2.3 Organik

Im organischen Leben sieht Hegel einen „perennierend gemachte[n] Prozeß“ (ebd., S. 333). Der Prozess wird zu einer Einheit, die sich selbst anfacht und unterhält (ebd., S. 334). Daraus ergibt es sich, dass die Darstellung eines Organismus nicht mittels eventuell linear veränderlicher Zustände möglich ist, sondern sie ist „nur in diesem Kreislauf von Zuständen erschöpft und dargestellt“ (ebd., S. 335). Dieser andere Charakter der Zustandsbeschreibung im Organischen führt auch dazu, dass für Hegel die Gesetzesform aus der Mechanik nicht mehr anwendbar ist. Das Organische ist „sich sein Allgemeines, das sich in seine Teile entzweit, welche sich aufheben, indem sie das Ganze hervorbringen“ (Enz. II, S. 368). Inneres ist Äußeres geworden, Äußeres Inneres; Ursache und Wirkung, Zweck und Mittel, Subjektivität und Objektivität sind Eins geworden (ebd., S. 339). Leben ist als Selbstzweck bestimmt (ebd.).

Wie schon erwähnt, diskutiert Hegel das Geologische als „Grund und Boden des Lebens“ (ebd., S. 340) im Rahmen der Organik, weil systematisch das Geologische zum Moment der Tätigkeit des Lebendigen als Objektives unbedingt dazugehört. Zur Einheit des Lebens gehört die Erde– der moderne Gaia-Gedanke ist bei Hegel enthalten: „Die Erde erscheint als das tote Produkt; sie wird aber durch alle diese Bedingungen erhalten, die eine Kette, ein Ganzes ausmachen.“ (ebd., S. 344).

Auffallend ist, dass Hegel hier zwar geschichtliche Prozesse der Bildung von geologischen Formen voraussetzt – aber er explizit erläutert, dass dieser vergangene Bildungsprozess nicht sein Thema ist (ebd., S. 343, 347,348). Gerade in der Unabhängigkeit vom geschichtlichen Bildungsprozess will Hegel „das allgemeine Gesetz dieser Folge von Formationen“ (ebd., S. 348) erkennen, rein „abhängig von der Beschaffenheit, vom Inhalt dieser Gebilde selbst“ (ebd.).

2.5 Philosophie des Geistes

In der Philosophie des Geistes wird die Kategorie des Gesetzes noch einmal im Zusammenhang mit der Diskussion des Verstandes in der Phänomenologie des Geistes als endliches Bewusstseins analysiert. Von hier aus wird nun endgültig gesehen, dass das Gesetz als das „wahrhafte Innere [...] als konkret, als in sich selber unterschieden“ (Enz. III, S. 211) zu begreifen ist – was sich in den bestimmten, besonderen Gesetzen jedoch noch nicht zeigt (vgl. Kalenberg 1997, S. 34). Dem Verstande selbst zeigt sich das Gesetz als abstrakt Identisches, aber die Vernunft begreift mehr. Verstand entdeckt die zusammengehörigen unterschiedlichen Bestimmungen – Vernunft begreift ihre Einheit. Dem verständigen Denken bleibt die Dialektik von Identität und Unterschied von Welt und Theorie verborgen, es bleibt gefangen im Entweder-Oder zwischen Subjektivismus und Objektivismus – erst die Vernunft kann begreifen, dass jedes Erkennen voraussetzt: „Wie der Mensch die Welt anblickt, so blickt sie ihn [an]“ (Enz.III, S. 406).

Wir können den inneren Zusammenhang und die Bedeutung der Inhalte der Kategorie „Gesetz“ begreifen, wenn wir sie als aufeinander folgende Inhalte der Selbsterkenntnis des Geistes betrachten. Erst vom Horizont der Philosophie des Geistes aus erkennen wir auch den Unterschied zwischen empirischer Wissenschaft und dem nach Hegel wahren, spekulativen Denken: „Wenn in den empirischen Wissenschaften der Stoff als ein durch die Erfahrung gegebener von außen aufgenommen und nach einer bereits feststehenden allgemeinen Regel geordnet und in äußerlichen Zusammenhang gebracht wird, so hat dagegen das spekulative Denken jeden seiner Gegenstände und die Entwicklung derselben in ihrer absoluten Notwendigkeit aufzuzeigen“ (Enz. III, S. 14).

3. Kritik der Hegelschen Naturphilosophie und Gesetzesauffassung

 „Alle Kritik an Hegel ist kein Vorwurf gegen ihn,
sondern Kritik an heutigen Denkern.“
 (Renate Wahsner 2002a, S. 141)

3.1 Zur Hegelschen Naturphilosophie allgemein

Renate Wahsner geht in ihrer Hegelkritik davon aus, dass in einem Ansatz, der versucht „das Werden der völligen Übereinstimmung von Gewissheit und Wahrheit darzustellen“ (Wahsner 2000a, S. 1), wie es in der „Phänomenologie des Geistes“ angestrebt war, eine angemessene Charakterisierung der neuzeitlichen Naturwissenschaft zu erwarten ist. Auch wenn es nicht das Ziel Hegels war, eine umfassende Wissenschaftsphilosophie auszuarbeiten, so bezieht er sich doch recht häufig beispielsweise auf die empirische Physik als „Voraussetzung und Bedingung“ (Enz.I, S. 15) der philosophischen Wissenschaft. Ob seine Ansichten über diese Voraussetzung und Bedingung angemessen sind, ist also wichtig für das Gesamtsystem. Wir werden sehen, dass Hegel viele Bestimmungen der neuzeitlichen Naturwissenschaft auf eine Weise erfasst, die weit über vieles hinausgeht, was später dazu erarbeitet worden ist. An anderen Stellen müssen seine Ansichten korrigiert bzw. präzisiert werden.

Besonders positiv hervorzuheben ist nach Wahsners Einschätzung die Tatsache, dass Hegel ausarbeitet, inwiefern der Gegenstand der Naturwissenschaften nicht in Dingen und ihren Eigenschaften zu sehen ist, sondern in Verhaltensweisen, die durch den Übergang zum Reich der Kräfte angezeigt werden (Wahsner 2000a, S. 2f.). Indem er die Bewegung und nicht ein Ding zum Gegenstand macht, reflektiert Hegel die epistemologische Verfasstheit der Naturwissenschaft in angemessener Weise (Wahsner 1996a, S. 57)[27].

Hegel hatte gefordert, deren Grundlagen auch vernünftig zu betrachten. „Männer vom Fach reflektieren nicht darauf. Aber es wird eine Zeit kommen, wo man für diese Wissenschaft nach dem Vernunftbegriffe verlangen wird!“ (Enz. II, S. 106). Newton stellte seinem Hauptwerk Definitionen voran, die sich durch die gültige Anwendbarkeit des gesamten Theoriesystems rechtfertigen. Einstein macht seine kategorialen Neubestimmungen mittels Gedankenexperimenten plausibel. Hegel vermutet, die Wissenschaft werde dazu kommen, jene jeweiligen kategorialen Grundlagen in der Wissenschaft selbst besser vernünftig zu begründen. [28]

Renate Wahsner erfüllt in diesem Sinne Hegels Forderung, denn auch sie betont es als Aufgabe der Philosophie, „die Notwendigkeit der messtheoretisch bzw. naturwissenschaftlich bedingten Trennungen zu begründen und zu bestimmen; sie insofern aufzuheben. Somit wäre auch gezeigt, dass die Natur nicht an sich so beschaffen ist, wie die Naturwissenschaft sie denkt.“ (Wahsner 1996a, S. 117)

3.1.1 Natur und mechanizistische Mechanik

Hegel verdeutlicht die Unterscheidung zwischen Mechanischem und Organischem beispielsweise in der „Phänomenologie“, wenn er darlegt, wieso „im Organischen die Vorstellung eines Gesetzes überhaupt verloren“ (Phän., S. 187)  gehe. Wo das Gesetz denkbar ist, also im Mechanischen, nimmt Hegel an, die im Gesetz als ruhend erfassten Seiten wären auseinandergehalten – dies sei im Organischen nicht mehr möglich. Dem widerspricht Renate Wahsner, indem sie zeigt, dass die von Hegel verwendete mechanizistische Sichtweise (für den Mechanismus) nicht selbst identisch ist mit einer naturwissenschaftlichen Sichtweise.

Keine Naturwissenschaft, auch nicht die Newtonsche, ist in ihrer wissenschaftlichen Methode so mechanizistisch, wie Weltanschauungsinterpreten (wie beispielsweise Voltaire) es von ihr annehmen. Wenn sie es wäre, würde sie nicht als Naturwissenschaft funktionieren. „Der Witz einer physikalischen Theorie – auch der klassischen Mechanik – liegt daher gerade darin, das gegenseitige Aufeinandereinwirken der Körper zu beschreiben und eben dadurch den Begriff des physikalischen Körpers zu bestimmen. Genau hierdurch unterscheidet er sich von einem geometrischen Körper. Die Physik selbst liefert also die Argumente gegen den Mechanizismus, für die Selbständigkeit der Natur oder der Materie.“. (Wahsner 1981a, S. 196).

In einer Diskussion erklärte R. Wahsner ausführlicher, dass Newtons Kraftbegriff nicht wie jener von Kant und Hegel „Stoß“ (oder dasselbe in der Gegenrichtung, als „Zug“) oder „Impuls“ meint und dass besonders die Gravitation nicht als eine einseitig gerichtete Kraft verstanden werden kann, sondern dass sie als Gegeneinander zu verstehen ist (Wahsner 2002b, S. 35f.). Körper sind nur gegeneinander schwer (vgl. Newton, in Borzeszkowski/Wahsner 1980b, S. 126). Die physikalische Größe „Masse“ ist nicht eine Eigenschaft eines isolierten Dinges, sondern beschreibt ein spezifisches Verhalten von Körpern, nämlich gegen die Änderung des Bewegungszustandes Widerstand zu leisten.

Recht unbekannt ist leider auch, dass Newton selbst sich ausdrücklich dagegen aussprach, dass Körpern nicht nur Trägheit zukommt und sie bewegenden Einflüssen quasi „von außen“ (z.B. durch äußere Naturgesetze) unterliegen, sondern dass hier sog. „aktive Prinzipien“ vorliegen, von denen er neben der Gravitation noch Gärung und Kohäsion nannte (Newton 1717, S.167). Diese Prinzipien kommen nicht den Dingen als Isolierte zu (als verborgene Qualitäten)[29], sondern „als allgemeine Naturgesetze, durch die die Dinge gebildet sind“ (ebd., S. 31). Das Gravitationsgesetz wird so zur Darstellung von bestimmten realen Wirkungen zwischen Körpern, die keiner weiteren Hypothesen über ihre Verursachung benötigen.

Natürlich ist die klassische Mechanik eingeschränkt auf wenige der möglichen Bewegungsformen der Materie in der Welt.[30] Aber jene, die sie erfasst, erfasst sie nicht lediglich abstrakt als äußerlich den (qualitätslos gedachten) Dingen hinzukommende Beziehung, sondern sie sind begründet in den Verhaltensweisen der sie verwirklichenden Gegenstände. Auch die Gravitation ist – wie Newton nach langem Nachdenken erkannte - keine den Körpern inhärente Eigenschaft, sondern die Beschreibung eines gegenseitigen Verhaltens von Körpern. Diese Spezifik des Newtonschen Kraftbegriffs wird meist unterschlagen, wenn die „Newtonsche Welt“ als Billardtisch-Welt vorgestellt wird.

3.1.2 Spezifik des naturwissenschaftlichen Erkennens

Zu präzisieren bleibt nach Wahsner jedoch grundsätzlich, dass auch bei Hegel die Spezifik des naturwissenschaftlichen Erkennens nicht genügend ausgearbeitet worden ist. Naturwissenschaft befindet sich nicht nur „auf der Linie“ zwischen Verstand und Vernunft, sondern unterliegt epistemologischen Voraussetzungen („neben“ philosophischer Kategorienentwicklung), die innerhalb der diesbezüglichen Analysen überhaupt nicht erwähnt werden, wie der Erarbeitung von Erkenntnismitteln zum Zwecke der Ermöglichung der Messbarkeit.

Während Hegel davon ausgeht die  Naturwissenschaft als analytisch zu kennzeichnen und dies als Mangel per Philosophie aufzuheben, betont Renate Wahsner die Notwendigkeit und Berechtigung des speziellen naturwissenschaftlichen Vorgehens (Wahsner 1996a, S. 110). Vor allem die Bedeutung der messtheoretischen Bestimmtheit fehlt in der Hegelschen Wissenschaftsvorstellung.

Auf diese Weise reflektiert Hegel nicht die realen Naturwissenschaften, sondern vereinfachten Vorstellungen über Naturwissenschaft, die – wenn sie wahr wären – nicht einmal das Funktionieren der Wissenschaft gewährleisten könnten. "Da Hegel die mechanizistische philosophische Reflexion der Naturwissenschaft seiner Zeit mit dieser Naturwissenschaft selbst identifizierte, ist ihm die Kritik der Metaphysik durch die Erhebung der Bewegung zum Subjekt als Subjekt zugleich Kritik der Naturwissenschaft..." (Wahsner 1996a, S. 59)

Bei seiner Kennzeichnung des Unterschieds der Philosophie gegenüber den „anderen Wissenschaften“ nimmt Hegel an, die Gegenstände der letzteren „als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben sowie die Methode des Erkennens für Anfang und Fortgang als bereits angenommen voraussetzen zu können“ (Enz.I, S. 41). Gegenstände wie auch Methode sollen also vorausgesetzt werden und ihre Konstitution nicht selbst zur Wissenschaft gehören. Allerdings – und dafür stehen ausführliche Analysen u.a. von R. Wahsner – sind gerade die Gegenstände der Naturwissenschaft (speziell der Physik) ihr eben nicht bereits gegeben, sondern werden „durch das System der jeweiligen naturwissenschaftlichen Theorie“ (Wahsner 2002a, S. 105,) bestimmt.

Die maßgebliche Rolle einer Theorie für die Naturwissenschaft wird von Hegel gar nicht gesehen, seine Versuche der „Begriffsbestimmung in dem philosophischen Gange“ (WdL II, S. 15) setzen an der einzelnen naturwissenschaftlichen Größen an und können deren Bestimmung innerhalb der wissenschaftlichen Theorie nicht begreifen. Deshalb verwendet er oft die Bezeichnung „empirische“ Naturbetrachtung, obwohl die von ihm gemeinte neuzeitliche Naturwissenschaft selbst gar nicht so empiristisch funktioniert.[31] Wissenschaftliche Erfahrung ist dabei nicht zu verwechseln mit Alltagserfahrung.

Bei der Beschreibung, wie Naturwissenschaft vorgeht, betont Hegel die analytische Methode (Enz.I, S. 379). Er beschreibt, inwiefern tatsächlich das gegebene Konkrete (die widersprüchliche Totalität) vereinzelt wird und auf diese Weise erst eine messende und rechnende Wissenschaft entstehen kann. Wie jedoch die entstehenden Größenmomente selbst wieder in einen Zusammenhang kommen, der einerseits durchaus qualitativ unterschiedliche Aspekte enthält und andererseits auch reale Wechselwirkungsformen zur Erscheinung gelangen lässt, nämlich im Experiment, wird von Hegel nicht mehr untersucht. Wie Hegel richtig sieht, ist Naturwissenschaft selbst auch „denkende Erkenntnis der Natur“ (ebd., S. 11), ihre spezifische Weise, Denken (Theorie) und Praxis (Experiment) zu verbinden, wird von Hegel aber nicht ausreichend erfasst. Das in der Naturwissenschaft erfasste besondere Allgemeine, z.B. das „Physikalisch-Allgemeine“ (als nicht nur abstrakt Allgemeines, aber auch nicht vollständig konkret Allgemeines) kann deshalb nicht innerhalb des Hegelschen Kategoriensystems gefunden werden.

Letztlich ist naturwissenschaftliches Erkennen nicht nur als verständiges Denken im Hegelschen Sinne zu verstehen, sondern es unterscheidet sich von diesem durch zusätzliche wesentliche Elemente, die bei Hegel nicht erfasst sind. Denn obwohl Hegel die menschliche Arbeit durchaus thematisiert, fällt sie aus der naturphilosophischen Betrachtung heraus – er kann nicht nachvollziehen, inwieweit die Gegenstände, sogar das Sinnlich-Konkrete der Naturwissenschaft Ergebnis menschlicher Tätigkeit sind (vgl. Wahsner 2002a, S. 132).

3.1.3 Natur bei Hegel

Hegel versteht die Naturwissenschaft Mechanik mechanizistisch und ontologisiert dann deren Gegenstände, als „mechanische Objekte“. Als solche bilden sie natürlich nur einen „tote[n] Mechanismus“ (WdL II, S. 427). Zwar erweist sich diese Naturform als mangelhaft und wird deshalb von Hegel aufgehoben in Richtung organischer und zweckmäßiger Lebendigkeit, aber als Natur ist und bleibt der Geist sich selbst noch äußerlich. Dass die Natur „an sich“ bereits Geist ist, belegt, dass Hegel sich ebenso wenig mit der toten Natur zufrieden gibt, wie beispielsweise Schelling. Die Vermittlung zum Absoluten wird von Hegel ebenfalls – wie auch von Schelling – auf dem weiteren Wege der Entwicklung der Kategorien unternommen, allerdings im Einzelnen auf unterschiedliche Weise gegenüber Schelling. (vgl. Fußnote 21)

3.2 Zur Kategorie Gesetz bei Hegel

3.2.1 Zum Verhältnis naturwissenschaftliches Gesetz und Philosophie

Hegel konstatiert den Mangel der Gesetzeserkenntnis deutlich: Das Gesetz ist nie mit der Erscheinung identisch. Für Einzelnes gibt es kein Gesetz und ein Gesetz beschreibt noch kein System, solange nicht Rand- und Anfangsbedingungen hinzugefügt werden. Dies ist aber kein Mangel, der wissenschaftlich durch die Entwicklung hin zum Begriff zu beheben wäre – sondern diese Differenz beruht auf der spezifischen naturwissenschaftlichen Methode (Experiment), deren Aufhebung Naturwissenschaft (speziell) Physik beseitigen würde.

Hegel stellt richtig fest, dass „das naturwissenschaftliche Gesetz das philosophische Bedürfnis noch nicht befriedigt“ (Wahsner 2000a, S. 6, kursiv von A.S.). Die Frage ist aber, ob es das soll, d.h. ob Physik als Naturwissenschaft in Philosophie übergehen und in ihr aufgehen soll – oder ob sie ihre epistemologische Eigenständigkeit bewahren muss, um überhaupt ihre Ergebnisse erhalten zu können; die dann für philosophische Untersuchungen relevant werden können.

3.2.2 Zu Gesetzen in der Physik

3.2.2.1 Zur Bestimmung der Größen

Hegel konstatiert, dass die in das Gesetz eingehenden Bestimmungen sich zueinander als rein äußerliche verhalten (vgl. WdL I, S. 392), aber sie sich aufeinander beziehen. Darauf bezieht sich auch Hegels Kritik am Gesetz. Er fordert, dass die Größen sich auseinander herleiten lassen, wie er es auch schon ansatzweise in der gegenseitigen Abhängigkeit von verflossener Zeit und durchlaufenem Raum im Fallgesetz sieht (Phän., S. 123). Dieser Forderung muss aber entgegen gehalten werden, dass die Größen innerhalb einer naturwissenschaftlichen Theorie durchaus fest gegeneinander sein müssen, um Messbarkeit zu ermöglichen (vgl. Wahsner 2002c, S. 110). Sie waren ja genau zu diesem Zwecke aus der konkreten widersprüchlichen Welttotalität herausgezogen worden. (siehe auch hier)

 

3.2.2.2 Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem im Gesetz

Hegels Kritik am Gesetz bezieht sich auch darauf, dass er annimmt, im Gesetz sei „das Allgemeine nur identisch mit sich und ebenso das Besondere nur identisch mit sich“ (Hegel 1823/1824, zit. nach Wahsner 2003, S. 11). Erst im (philosophischen) Begreifen würde „das Allgemeine durch das Besondere, das Besondere durch das Allgemeine“ (Wahsner 2003, S. 11) existieren. Diese Auffassung beruht auf der Voraussetzung, in den verschiedenen Formen des Allgemeinen nur je verschiedene Stufen der Begriffsentwicklung zu sehen. In diese Form presst er dann auch seine Vorstellung vom Naturgesetz.

Hegel irrt aber in seiner Bestimmung des Naturgesetzes. Allgemeines und Besonders sind schon hier nicht so getrennt, wie er annimmt. Das Allgemeine der Naturwissenschaft betrifft tatsächlich nicht die Totalität der Welt – jedoch eines mit einer Theorie erfassten Weltbereiches. Durch das Allgemeine der Theorie werden einzelne Messgrößen (als Substantivierung bestimmter Verhaltensweisen der Naturgegenstände; vgl. Schlemm 2003) bestimmt. Diese Einzelnen sind deshalb nichts Zufälliges für das Allgemeine. Wenn das Allgemeine als funktionale Abhängigkeitsfunktion dargestellt (z.B. als Kegelschnittformel) ist, so enthält es als Besonderes verschiedene Lösungen (z.B. Kreis, Ellipse, Parabel oder Hyperbel) in Abhängigkeit von bestimmten Verhältnissen der in der Formel enthaltenen Konstanten (Wahsner 2003, S. 12).

 

3.2.2.3 Verhältnis – Funktion:

Auf dem Weg hin zum Begreifen nimmt Hegel das Verhältnis im Infinitesimalkalkül als Fortschritt. Er sieht im Verhältnis dx/dy „zwei veränderliche Größen, die in einer Gleichung verbunden sind, deren die eine als eine Funktion der anderen angesehen wird“ (WdL I, S. 313). Welche als Funktion der anderen angesehen wird, lässt Hegel offen, denn dies folgt nicht aus dem Kalkül selbst. Als naturwissenschaftliches Gesetz ist in einem solchen Verhältnis jedoch immer festgelegt, welche Variable die Abhängige ist.[32] Diese Festlegung, diese Bestimmung unterscheidet das naturwissenschaftliche Gesetz von lediglich abstrakten Verhältnisrelationen. Diese Bestimmung erfolgt jeweils innerhalb der naturwissenschaftlichen Theorie.

Der naturwissenschaftliche Funktionsbegriff geht über den des Verhältnisses bei Hegel hinaus. Hegels System fußt auf Dualitäten, wobei Entzweiung und deren Aufhebung thematisiert werden. Einem Etwas wird immer nur ein einziges  Anderes entgegengesetzt. In der Physik wird mit der Bildung einer Messgröße je eine Verhaltensweise aus einer Totalität möglicher Verhaltensweisen eines Gegenstands substantiviert. Allerdings stecken im Funktionsbegriff mehr Möglichkeiten, die Vielfalt der Verhaltensweisen zu erfassen.

Hegel tendiert dazu, das den Gegenstand mit einer Verhaltensweise zu identifizieren (Sonne als Mittelpunkt des Planetensystems). Allerdings ist dies eine Reduktion (vgl. Wahsner 1996a, S. 107).

 

3.2.2.4 Physikalische Verallgemeinerung: Newtons Gravitationsgesetz und die Keplerschen Gesetze bzw. das Galileische Fallgesetz

Hegel nimmt an, dass die Planetengesetze Keplers und Galileis Fallgesetz Sonderfälle des Newtonschen Gravitationsgesetzes seien und deren Vereinigung zu letzterem führten: „Die vielen Gesetze muß er darum vielmehr in ein Gesetz zusammenfallen lassen, wie z.B. das Gesetz, nach welchem der Stein fällt, und das Gesetz, nach welchem die himmlischen Sphären sich bewegen, als ein Gesetz begriffen worden ist.“ (Phän., S. 105). Bei diesem Zusammenfallen entsteht jedoch nicht nur etwas Abstrakteres, wie Hegel annahm. Newton synthetisierte nicht nur formal eine  Identität zwischen Keplerschen und Galileischen Gesetzen, sondern begründete „eine neue Art von Gesetz, eine neue Art von Allgemeinem, charakterisierbar als Physikalisch-Allgemeines“ (Wahsner 2000a, S. 5). Der Übergang von Kepler/Galilei zu Newton ist vielleicht am besten charakterisierbar dadurch, dass Kepler und Galilei noch durchaus kinematisch[33] aufzufassen sind, während erst Newton eine Dynamik begründete. Dazu reichte es nicht aus, die Keplerschen und das Galileische Gesetz mathematisch zu vereinen. Die formale Idee einer Einheit dieser Bewegungen durch die Schwere hatten vor Newton schon andere Wissenschaftler. Mach nennt beispielsweise Kopernikus, Kepler, Hooke, Gilbert und Borelli (Mach 1921, S. 182). Newton zeichnete sich ihnen gegenüber dann dadurch aus, dass er ein System von Größenbestimmungen und Gleichungen aufstellte, das insbesondere physikalische Größen eindeutig und in angemessenem gegenseitigen Bezug definierte. Diese Größenbestimmungen sind nicht nur mathematische Abstrakta, sondern ermöglichen praktische Messungen. Sein Kraftbegriff ist „an die Materie gebunden“ (ebd., S. 189), genauer gesagt: an die Bewegung und das Gegeneinander der Körper. Das Newtonsche Gravitationsgesetz setzt also Bestimmungen voraus, die in den vorherigen Gesetzen noch nicht enthalten waren. Auch die Bestimmung der Gravitationskonstante gehört dazu (vgl. Wahsner 2003, S. 9).

 

3.2.2.4 Kraft gegen Impulsmechanik

Hegels Kategorie des Gesetzes ist eng verbunden mit jener der Kraft. Das Problem eines angemessenen Verständnisses von Kraft im Unterschied vom Impuls ist dabei nicht vollständig durchdrungen. Hegel hat sich bei der Beschreibung von Kräften wohl eher Impulswirkungen vorgestellt, denn mit der Kraft hätte die gegenseitige Wirkfähigkeit auch der Gegenstände der Mechanik klarer herausgearbeitet werden können (vgl. Wahsner 1996a, S. 39).

„Was bei Kant und auch bei Hegel unter der Überschrift „Kraft“ oder „mechanische Kraft“ diskutiert wird, ist eigentlich Stoß oder Impuls. In der Tat aber ist das, was in der Mechanik Kraft heißt, das, was im zweiten Newtonschen Axiom auf der rechten Seite steht, was wiederum mitbestimmt wird durch das, was im ersten und dritten Axiom gesagt wird. Oder, etwas verständlicher formuliert, Kraft ist eine dynamische Wechselwirkung, die durch die drei Newtonschen Axiome in ihrem Charakter determiniert ist.“ (Wahsner 2002b, S. 35f.)

 

3.2.2.5 Gesetze nur im Mechanischen?

Hegels Kennzeichnung des Gesetzes, besonders die Unterschiedenheit der im Gesetz verknüpften Bestimmungen, führt zur Ablehnung des Gesetzlichen im Organischen. Hier muss die von Hegel vorgenommene Unterscheidung zwischen Mechanischem und Organischen hinterfragt werden (siehe oben, Abschnitt 3.1.1). Wenn Gesetze wirklich an das, was Hegel „mechanisch“ kennzeichnet, gebunden sind, so dürften sie in der Naturwissenschaft, deren Gegenstand von vornherein Bewegungen sind, gar nicht auftauchen. Renate Wahsner betonte in einer Diskussion: „Hegel sagte ja: „Das Wesentliche des Organischen ist, seine Momente als durchlaufende Prozesse zu haben, nicht aber an einem isolierten Dinge ein Bild des Allgemeinen zu geben.“ Aber das macht das Mechanische auch nicht! Insofern ist das kein Argument gegen die Möglichkeit organischer Gesetze.“ (Wahsner 2002c, S. 119).

Wenn man an der Kategorie des Gesetzes festhalten will, muss man dazu übergehen, das Gesetz zwar als ruhiges Abbild im Wechsel der Erscheinung zu verstehen, es aber „als Darstellung von Bewegung, von Bewegung des betrachteten Gegenstandes“ (Wahsner 2000a, S. 9) zu begreifen. Gesetze, die „auf einem Gegeneinander“ beruhen (ebd.), können dann auch für das Organische angenommen werden. Für solche Gesetze müssen jedoch die wissenschaftliche Methoden selbst noch einmal neu thematisiert werden.

 

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[1] „Die Gesetzmäßigkeit nun ist das Substantielle, welches die Unterschiede und ihre Einheit feststellt, aber einerseits selber abstrakt nur herrscht und die Individualität in keiner Weise zu freier Regung kommen läßt, andererseits selbst noch die höhere Freiheit der Subjektivität entbehrt und deren Beseelung und Idealität deshalb noch nicht vermag zur Erscheinung zu bringen.“ (Ästh., S. 186f.)

[2] Dadurch wird die Phänomenologie zur „Wissenschaft vor der Wissenschaft“ (Kimmerle 1970, S. 289).

[3] Im Kapitel zum (noch verständigen) Selbstbewusstsein verwendet Hegel die Kategorie des Gesetzes nicht, auch und gerade nicht, wo es im Herrschaft und Knechtschaft geht (Phän., S. S. 127ff.). Dies diskutiert z.B. Hoffheimer (1992) ausführlich.

[4] Im Bereich des Sittlichen, also der Gesellschaft, diskutiert Hegel durchaus wieder Gesetze (vgl. Phän., S. 280ff.), die hier aber nicht mehr Gegenstand der Betrachtung sein sollen.

[5] Bezüglich der Stellung im System ist diese Feststellung eher der Naturphilosophie zuzuordnen, was Hegel auch selbst vorher erwähnt (WdL I, S. 392).

[6] Als „Erscheinung“ hat das Existierende seinen Grund nicht in sich selbst, sondern in Anderem (Enz.I, S. 262). „Nur Erscheinung zu sein, dies ist die eigene Natur der unmittelbar gegenständlichen Welt selbst, und indem wir dieselbe als solche wissen, so erkennen wir damit zugleich das Wesen, welches nicht hinter oder jenseits der Erscheinung bleibt, sondern eben dadurch sich als Wesen manifestiert, daß es dieselbe zur bloßen Erscheinung herabsetzt.“ (ebd., S. 263). Netterweise erwähnt Hegel auch die Vorteile der Erscheinungshaftigkeit, wonach „wir alle Ursache haben, zufrieden damit zu sein, daß wir an den Dingen, welche uns umgeben, es bloß mit Erscheinungen und nicht mit festen und selbständigen Existenzen zu tun haben, da wir in diesem Fall sowohl leiblich als geistig alsbald verhungern würden.“ (ebd., S. 263-264)

[7] Zum Verständnis dieser Einheit wird bereits begriffslogisches Begreifen vorausgesetzt, worin sich zeigt, dass das Hegelsche System, bzw. das Fortschreiten seiner Logik nicht wirklich am Ausgangspunkt des Textes (Beginn der Seinslogik) beginnen kann, sondern bereits das Ergebnis, das Gesamtsystem bzw. die von ihm „spekulativ“ genannte Methode, voraussetzt. In diesem Fall verweist das darauf, dass das Verhältnis von Gesetz zum Existierenden erst mit begriffslogischen Mitteln angemessen behandelt werden kann.

[8] In den Kräften werden jedoch die Gesetze wieder mit den Dingen vereint, vgl. Wölfle 1994, S. 376.

[9] Zur Konstruktivität der Kritik gerade des Gesetzesbegriffs des Verstands siehe v. Bogdandy 1989, S. 33.

[10] Von v. Bogdandy wird das Gesetz als wesentliches Verhältnis innerhalb der Wesenslogik gar nicht mehr behandelt.

[11] Duque vermerkt die interessante Parallelität der Gedankengänge von Nietzsche und Hegel, wobei beide unterschiedliche Schlussfolgerungen aus dem Mangel des formell-Gesetzmäßigen ziehen (Duque 2002, S. 150f.).

[12] Mit der Kategorie „Sache“ bezeichnet Hegel nicht das Ding selbst, sondern „unsere Begriffe von ihr“ (WdL I, S. 25).

[13] Séve macht diesen Wissenschaftstyp fruchtbar bei seiner Suche nach einer „Theorie der allgemeinen Formen der Individualität“, einer „Wissenschaft der konkreten Persönlichkeit“ (Séve 1977, S. 269).

[14] Gemeint ist hier nicht das Sinnlich-Konkrete, sondern die Konkretheit der Totalität der Welt. Dieser Feststellung zu folgen oder nicht unterscheidet gegensätzliche Linien der Wissenschaftstheorie (nominalistische - dialektische).

[15] Diese zweite Möglichkeit der Analyse hin zu einem konkret-Allgemeinen als Gesetz, zu unterscheiden vom abstrakt-Allgemeinen fehlt in der „Wissenschaft der Logik“ noch. In dieser untersucht Hegel ausführlicher die Bildung von „Größen“.

[16] Zur Kritik daran siehe Abschnitt 3.1.1. („Die Gesetze der Mechanik sind nicht so, wie Hegel sie darstellt.“ (Wahsner 2002c, S. 117).

[17] v. Bogdandy interpretiert den „freien Mechanismus“ bereits als entwickelten Organismus (v. Bogdandy 1989, S. 48ff.). Dies widerspricht aber Hegels eindeutiger Ablehnung des Gesetzlichen für das Organische in der Phänomenologie (Phän., S. 187).

[18] Nach v. Bogdandy liegt dem Gesetzesbegriff der bürgerlichen Gesellschaft die wesenslogische Bestimmung zugrunde, jener des Staates die begriffslogische (v.Bogdandy 1989, S. 22).

[19] Deswegen haben Wissenschaftstheorien, die derartiges als „Spekulation“ ablehnen, auch genau mit der Bestimmung der Notwendigkeit im Gesetzeszusammenhang grundsätzliche Schwierigkeiten.

[20] „Die Natur ist [...] die verkörperte Vernunft.“ (Hegel in der „Nachschrift Bernhardy“ 1819/1820, zit. in Meyer 1989, S. 20).

[21] Zur Geschichte dieser Konzeption, mit der sich Hegel ab 1803/04 von Schelling zu unterscheiden beginnt, siehe Kimmerle 1970, S. 292. Vgl. auch Kimmerle 1969, S. 308ff., Schmied-Kowarzik 1989, S. 120f. und Neuser 1989, S. 36f..

[22] Hegel selbst betrachtet die Natur keinesfalls nur als Negatives, die Sprechweise der Natur als ein „Abfall der Idee von sich selbst“ (Enz. II, S. 28) entspricht nicht Hegels Ansicht, sondern sie wird von Hegel zitiert als Beispiel für nur-negative Betrachtungen, die er keinesfalls teilt. Die ganze Naturphilosophie ist eben die positive Selbsterkenntnis des Geistes in der Natur (wobei sie diese Sphäre dann allerdings auch wieder verlässt, wie Schmied-Kowarzik 1989, S. 125 betont).

[23] Bei Hegel meint Entwicklung eine logische, nicht die zeitlich-historische: „Aus unserer bisherigen Auseinandersetzung erhellt aber schon, daß das Hervorgehen des Geistes aus der Natur nicht so gefaßt werden darf, als ob die Natur das absolut Unmittelbare, Erste, ursprünglich Setzende, der Geist dagegen nur ein von ihr Gesetztes wäre; vielmehr ist die Natur vom Geiste gesetzt und dieser das absolut Erste.“ (Enz. III, S. 24; vgl. S. 31f)

Zu berücksichtigen bleibt, dass auch Schelling durchaus Abstriche an der Bedeutung zeitlicher Entwicklung für die natura naturata macht: „.Die Zeit ist nur die ewige Offenbarung dessen, was vor Gott nichtig ist.“ (Schelling 1804/1985, S. 579). Zur Feststellung, dass auch bei Schelling die Natur – die zeitlich evolvierende natura naturata – wieder zum Teil des Systems wird, siehe auch Dehnel 1989, S. 146.)

[24] Zum Zusammenhang von Naturphilosophie und Logik siehe ausführlicher Meyer 1989, S. 23ff.. Die vorher betrachten logischen Kategorien 2.3.3.1 bis 2.3.3.3 gelten nicht nur für die Naturphilosophie, sondern auch die Philosophie des Geistes.

[25] In der konkreten Ausführung verwechselt Hegel die „Größe der Bewegung“, die er auf S. 57 als Impuls (p = mv) beschreibt, später (auf S. 58) mit der Kraft ( F= ma).

[26] Hegel teilt an dieser Stelle seine Auffassung zum Verhältnis von Einzelwissenschaft und Philosophie deutlich mit: „Die Philosophie hat vom Begriffe auszugehen. [...] Was aber durch den Begriff erkannt ist, ist für sich klar und steht fest, und die Philosophie braucht keine Unruhe darüber zu haben, wenn auch noch nicht alle Phänomene erklärt sind.“ (Enz.II, S. 106)

[27] Wobei der Verlust der Gegenständlichkeit, das „Auflösen“ der Gegenstände innerhalb der Beziehungen,  zu kritisieren bleibt.

[28] Dabei ist noch nicht gesagt, ob die bisherige Naturwissenschaft selbst „philosophischer“ wird, oder gar selbst zur Philosophie werden muss. „Unseres Erachtens verweist die Notwendigkeit, die Herkunft der vorausgesetzten Kategorien aufzuzeigen, auf die Notwendigkeit der Philosophie für die Naturwissenschaft, nicht aber auf die Notwendigkeit ihres Aufgehens in die Philosophie.“ (Borzeszkowski, Wahsner 1982/1996, S. 1367)

[29] Borzeszkowski und Wahsner weisen auch auf die wichtige Wortbedeutung bei Newton hin, der das Wort „Materie“ verwendet, wenn von einzelnen Atomen mit ihren passiven Eigenschaften spricht – jedoch von „Natur“, wenn er sich auf aktive Prinzipien und Wechselwirkungen bezieht (Borzeszkowski, Wahsner 1981b, S. 37).

[30] V.Weizsäcker beschreibt eindrücklich, wie ihn ein doppelbrechender Kalkspat auf seinem Schreibtisch daran erinnert, von einem Lehrer in die Besonderheit der physikalischen Betrachtungsweise eingeführt worden zu sein: "Es ist also klar, dass das physikalische Weltbild nicht alle wesentlichen Eigenschaften der Gegenstände umfasst. Es ist noch nicht ebenso klar, wieweit es sie mit Notwendigkeit ausschließt." (v. Weizsäcker 1941, S. 17)

[31] Hegel identifiziert häufig die empirischen Wissenschaften mit Empirismus (vgl. Wahsner, Borzeszkowski 1992, S.281; Wahsner 1996, S. 83)

[32] Zur Kritik der Interpretation des Differentialquotienten durch Hegel siehe auch Wahsner 2000b, S. 278ff..

[33] Die kinematische Betrachtung bezieht sich nur auf nur Längen und Dauern (ohne Masse) und kennzeichnet deshalb nur abstrakt-Mögliches und erfasst nicht Bewegung als reale.


 

 
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