Multilaterales Investitionsabkommen (MAI)

Die Regierungen der Hauptindustrieländer basteln (vorerst im Geheimen) an einem Multilateralen Investitionsabkommen (MAI), das allen Investitionsempfängern ein Zwangskorsett anlegen soll, welches sogar den bürgerlichen Demokratieprinzipien Hohn spricht.

  • Multinationale Konzerne werden Nationalstaaten rechtlich gleichgestellt
    (mit dem schon in Investitionsschutzabkommen üblichen Recht, daß Firmen Staaten verklagen dürfen).
  • Nationale Regierungen dürfen Auslandsinvestoren keinen zusätzlichen (sozialen oder ökologischen) Bedingungen mehr unterwerfen
    (Gleichstellung mit inländischen Investoren – dies führt bei Produkten, die im Land selbst gar nicht hergestellt werden, weswegen es keine beschränkenden Gesetze für sie gibt, zu absoluter Handlungsfreiheit für ausländische Investoren).
  • Alle dem Abkommen entgegenstehenden nationalen Regelungen müssen aufgehoben werden, kein Staat darf in Zukunft neue Gesetze oder Politiken einführen, die dem entgegenstehen (das bedeutet für die Staaten der Dritten Welt, daß sie auch gar keine derartigen Regeln erst einführen können, sondern alles von der Weltökonomie aufgezwungen bekommen).
  • Enteignungen sind verboten, auch alle Maßnahmen, die als "schleichende Enteignung" interpretiert werden könnten (wie z.B. Verbote für umweltschädigende Produkte und Verfahren).
  • Eigene Kulturen dürfen nicht mehr gegenüber der Hollywoodisierung geschützt werden.
  • Regionale Nahrungsmittelproduzenten dürfen nicht mehr bevorzugt werden.
  • Staaten, die dem MAI beigetreten sind, binden ihre Politik damit für mindestens 20 Jahre – unabhängig von innerstaatlichen politischen Machtwechseln (und demokratischer Entscheidungsgewalt).

Der Präsident des US Council for International Business sprach es offen aus:

"Das MAI ist ein Abkommen der Regierungen, um die internationalen Investoren und ihre Investitionen zu schützen und das Investitionsregime zu liberalisieren. Wir werden uns jeder und allen Maßnahmen widersetzen, für die Regierungen oder die Wirtschaft bindende Verpflichtungen in bezug auf Arbeit oder die Umwelt zu schaffen oder auch nur zu implizieren." (zit. nach Schmid 1998, S. 6).

Dr. Zimmer vom Bundeswirtschaftsministerium verweigerte einer IAO-Delegation den Einblick in den Vertragstext mit der Begründung: "Es ist legitim, den normalen Bürger nicht zu fragen, unter welchen Rahmenbedingungen ein Unternehmen im Ausland investieren kann." (zit. nach Schmid 1998, S. 6).

Der Beitritt zum MAI wird natürlich freiwillig sein – aber ein Nicht-Beitritt würde ein Ausschluß aus der Weltökonomie bedeuten, was sich kaum ein Land leisten will und kann.

Die Geheimhaltung konnte durch gezielte Indiskretion verhindert werden – seit Monaten organisieren sich (u.a. übers Internet) internationale und nationale Kampagnen gegen das MAI, die bisher den geplanten Abschluß verhindern konnten. Allerdings ist diese Abwehrkampagne in einzelnen Bereichen auch von nationalistischen Tönen durchsetzt (wenn überbetont wird, daß die eigene Nation gegenüber den Investoren Handlungsspielräume verliert).

Trotzdem berührt es auch demokratische Kräfte im Kern ihrer Aktivitäten, wenn durch das MAI der Schutz von Auslandsinvestitionen über nationales Recht gestellt wird (Wallach 1998 und West Coast Environmental Law Research Foundation 1998). Auch der Internationale Währungsfond entwickelt sich immer mehr von der "Welt-Geldpolizei" zur "Welt-Geldregierung" (Mayer, Schmid 1998, S. 19).

Sogar der Chefvolkswirt der Deutschen Bundesbank, O. Issing warnte davor, daß der IFW nicht zu "einer Art Superregierung im Weltmaßstab" werden dürfe (Ruttig, 1998, S. 11).
Interessant ist, daß in der WirtschaftsWoche der Widerstand gegen das MAI als "totale Hysterie" verunglimpft wird und gleichzeitig verraten wird, daß soziale und Umweltstandards tatsächlich abgesenkt werden sollen (Gersemann 1998, S. 40):
Die "Internationale Anti-MAI-Koalition, die von der Mauritischen "Kleinbauern-Bewegung" bis zum "Amerikanischen Krankenschwester-Verband" reicht, würde das Abkommen sogar am liebsten in ein Instrument des Protektionismus umfunktionieren... Die OECD beginnt bereits, dem Druck nachzugeben: In der Diskussion ist inzwischen ein Verbot, Arbeits- und Umweltstandards abzusenken, um ausländische Investoren anzulocken." (ebenda, S. 41).
Schon die GATT-Verhandlungen, aus denen die Welthandelsorganisation WTO entstand, zeigen, was passiert, wenn unter dem Vorwand der Zerschlagung von Korruption politische Entscheidungen der Staaten, z.B. zum Schutz der Kleinbauern in Indien, unmöglich gemacht werden (Shiva 1995, S. 301ff.).
Unökologisch, mit viel Energie hergestellter sowie subventionierter amerikanischer Weizen ist billiger als indischer Reis und MUSS nun in Indien eingeführt werden, was Millionen von Rausbauernwirtschaften die Existenzgrundlage nimmt.
Auch Kanada (in Kanada nahm die Widerstandsbewegung gegen das MAI ihren Anfang) hat schlechte Erfahrungen mit länderübergreifenden Liberalisierungen gemacht:
Ein US-Unternehmen verklagt Kanada auf Entschädigung, weil es in Kanada ein nationales Verbot für einen toxischen Kraftstoffzusatz (MMT) gibt und die US-Firma dadurch ihr diesen Zusatz enthaltenden Kraftstoff nicht nach Kanada exportieren kann (Fawcett 1998).
Die "Globalisierung als gegenwärtige Form des Kolonialismus" (Afro-Asian conference 1998) führt u.a. dazu, daß nach der Krise in Mexiko erzwungen wurde, daß die Renten- und Sozialversicherung an private, an der Börse spekulierende Fonds gegenben werden mußte (Fenner 1998, S. 24).

Angesichts der wachsenden Rolle ökonomischer Beziehungen verlieren Staat und Zivilgesellschaft (Parteien, Vereine, nichtstaatliche Körperschaften, wissenschaftliche Institutionen...) unter solchen Umständen tatsächlich enorme Möglichkeiten, die innerhalb dieser Gesellschaft schon einmal errungen waren.

 

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Ein weiterer Text:   Warum überhaupt noch wählen? Ob "MAI" oder "MRA" - das Kapital beherrscht die Welt...

siehe auch   "Was bringt das MAI?"
und   Globalisierung, Neoliberalismus, WTO - Positionspapier von der Anti-WTO-Gruppe Zürich

sowie   aktuell im Web...

Leseempfehlung zum Thema: Lizenz zum Plündern

herausgegeben von Maria Mies und Claudia von Werlhof
 

Das Multilaterale Abkommen über Investitionen. Globalisierung der Konzernherrschaft - und was wir dagegen tun können

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- Diese Seite ist Bestandteil von "Annettes Philosophenstübchen" 1998 - http://www.thur.de/philo/mai.htm -