Unternehmens-Organisations-Modelle:

Business Reengineering

Das Business Reengineering zielt wie alle modernen Unternehmenskonzete auf die Freisetzung der "Begabungen und setzt menschliche Kreativität frei" (Hammer, Champy, S. 13). Ihr Konzept ist deshalb kein Überstülpen eines Modells für alle, sondern im Gegenteil die Entfaltung der spezifischen inneren Ressourcen.

Allerdings werden diese strikt den Erfordernissen des Marktes untergeordnet und alle Geschäftsprozesse werden nicht lediglich verbessert, sondern radikal in Frage gestellt. Alle nicht wertschöpfenden Prozesse werden reduziert, nicht etwa nur "verbessert".

 

Die verbleibenden Aufgaben werden nicht mehr abteilungs-arbeitsteilig organisiert, sondern prozeßorientiert. Die Prozesse sind über den direkten Kundennutzen definiert, nicht über Positionen und Aufgaben.

"Business Reengineering bedeutet, altbekannte Vorgehensweisen aufzugeben und die Arbeit, die in den Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens steckt, aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten sowie dem Kunden einen neuen Wert zu bieten." (Hammer, Champy, S. 47).

Praktisch bedeutet das die Beantwortung der Frage: "Wenn ich dieses Unternehmen heute mit meinem jetzigen Wissen und beim gegenwärtigen Stand der Technik neu gründen müßte, wie würde es dann aussehen?"

Alle Regeln sollen dabei in Frage gestellt werden. Dabei werden die neuen Möglichkeiten der Informationstechnologie genutzt.

Das Vorgehen ist

  • fundamental: Es wird zuerst gefragt, warum WAS gemacht wird, und erst dann nach dem WIE und
  • radikal: Es werden keine oberflächlichen Änderungen vorgenommen, sondern das Unternehmen wird völlig neugestaltet;
    und bringt
  • Verbesserungen in Größenordnungen (d.h. nicht Prozente, sondern Faktorvielfache!)
    durch
  • Prozeßorientierung: Fokussierung auf den Kundenauftrag durch ganzheitliche Prozeßrealisierung durch Generalisten statt Abarbeitung durch Spezialisten.

Wichtig ist, daß das Business Reengineering nicht bei einzelnen Organisationsteilen ansetzen kann, denn genau diese wird es in Frage stellen.

Als Nachteil des Business Reengineering wird kritisiert, daß die Umstrukturierungen durch das Business Reengineering eigentlich nur Infragestellungen, aber keinem neuen ganzheitlichen Managementkonzept folgen.

Einige Merkmale sind aber bestimmbar (Hammer, Champy, S. 72ff.):

  • Mehrere Positionen werden zusammengefaßt (Generalist oder Team übernimmt gesamten Prozeß).
  • Mitarbeiter fällen Entscheidungen.
  • Die einzelnen Prozeßschritte werden in eine natürliche Reihenfolge gebracht (künstliche lineare Ablauffolge wird abgeschafft).
  • Es gibt mehrere Prozeßvarianten (Ende der Standardisierung- Unterteilung für einfache, mittelschwere und schwierige Prozesse).
  • Die Arbeit wird dort erledigt, wo es am sinnvollsten ist.
  • Weniger Überwachungs- und Kontrollbedarf.
  • Abstimmungsarbeiten reduzieren sich auf ein Minimum (wenn z.B. der Zulieferer das Management der Lagerbestände übernimmt, indem er bedarfsgerecht zuliefert wie der Pamperslieferant Procter & Gamble bei Wal-Mart).
  • Der Case-Manager als einzige Anlaufstelle für den Kunden.
  • Mischung aus Zentralisierung und Dezentralisierung.

Für die Mitarbeiter verändern sich die Arbeitsinhalte grundlegend. Nicht mehr das Abarbeiten von Aufgaben im Auftrag von Chefs wird ihr Ziel, sondern die Erfüllung von Kundenwünschen in eigener Verantwortung. Der Markt rückt dem einzelnen Mitarbeiter "auf den Leib". Er muß seine Leistung selbst vermarkten. Dies ist einerseits eine Bereicherung, andererseits aber auch eine Erhöhung des Drucks. Weniger eines abstrakten "Leistungsdrucks", sondern des Zwangs, die eigenen Fähigkeiten immer mehr zu erweitern.

Alte Regeln werden durch neue ersetzt (Hammer, Champy, S. 103f.):

  • Mein Chef zahlt mein Gehalt.
  • Ich bin nur ein kleines Rädchen im Getriebe.
  • Je mehr Mitarbeiter mir unterstellt sind, desto wichtiger bin ich.
  • Morgen wird es genauso sein wie heute...
  • Nur die Kunden zahlen unsere Gehälter.
  • Ich werde für den Wert bezahlt, den ich erzeuge.
  • Ich bin Mitglied eines Teams: Wir gewinnen oder scheitern gemeinsam.
  • Niemand weiß, was der morgige Tag bringen wird: Stetiges Lernen ist Teil meiner Arbeit
  • Siehe: Menschen im Zentrum

    Problematisch sind auch die mit dem Business Reengineering verbundenen Umstrukturierung, weil vorhandene "informelle Netzwerke" und Beziehungsnetze zerrissen werden können, die für Leistungsfähigkeit und Flexibilität unerläßlich sind. Kulturelle Fragen werden im Business Reengineering selbst nicht berücksichtigt und müssen zusätzlich beachtet und in den Mittelpunkt gestellt werden. Auch organisiertes Wissensmanagement kann diese Nachteile nur teilweise ersetzen.

    Literatur:
    Hammer, M., Champy, J., Business Reengineering. Die Radikalkur für das Unternehmen, Frankfurt/ New York 1994

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    © Annette Schlemm 1999