Wie kommt ein Wissenschaftler zu Erkenntnissen?


A. Poyet "Der Erfinder"


A. Poyet stellt in seinem Bild "Der Erfinder" einen menschlichen Kopf dar, der aus Zahnrädern, Schrauben, Federn, Rollen, einem Winkelmesser, einer Zange, einer Harke und weiteren menschlichen Gebrauchsgegenständen besteht.

Die Vorraussetzung für wissenschaftliche Erkenntnis sind Erkenntnismittel, die zwischen der Welt und den erkennenden Subjekten vermitteln. So ähnlich wie die a priori bei Kant sind die Erkenntnismittel Vorraussetzungen unter denen die Erfahrungen verarbeitet werden und diese können nicht direkt aus der Erfahrung abgeleitet und dadurch bewiesen werden.
Erkenntnismittel der Physik sind zum Beispiel der verwendete Raumzeitbegriff und das, was als Grundzustand der Materie (Ruhe oder Bewegung) angesehen wird. Sie sind jedoch nicht unveränderlich und von der Natur vorgegeben, sondern werden von den Menschen selbst gebildet. Die Newtonsche Mechanik verwendet andere Erkenntnismittel als die Relativitätstheorie von Einstein.
In A. Poyets Bild werden mechanistische Erkenntnismittel versinnbildlicht: die Idealisierung der Objekte der Wissenschaft in Form des Winkelmessers und des perfekten Kreises, die mechanische Wirkungsweise der Welt in Analogie zu einem Uhrwerk in Form von Zahnrädern und Schrauben sowie eine mechanische Dynamik dargestellt durch die Unruhe und die Feder im Hals. Mechanistische Wissenschaft sieht überall in der Welt einfache kausale Zusammenhänge und kann nur über mechanische Prozesse reden. Die Mechanik stellt die Welt als ein riesiges Uhrwerk dar, das irgendwann irgendjemand (Gott) angestoßen hat. Im Gegensatz zu den Griechen und der Wissenschaft im Mittelalter ist die Welt aber schon nicht mehr statisch sondern dynamisch.

In dem Bild finden wir eine Ansammlung von technischen Bauteilen, die um 1870, zur Zeit als A. Poyet es zeichnete, zur am höchsten entwickelten Technik gehörten. Es sind Bestandteile von Uhrwerken, Dampfmaschinen und hochentwickelten mechanischen Maschinen. Nicht nur die Wissenschaft war mechanistisch sondern auch alle hochentwickelte Technik nutzte die Mechanik. Zusätzlich besteht der Kopf auch aus technischen Gebrauchsgegenständen wie der Zange und dem Blasebalg. Außerdem enthält das Bild zwei landwirtschaftliche Geräte, die gar nicht dazu zu passen scheinen, eine Harke und einen geflochtenen Korb.
Menschen neigen dazu, Vorgänge, die sie selbst verwirklichen können, überall in der Natur zu sehen und in ihr Weltbild einzubauen. In Poyets Zeit wurde deswegen versucht die gesamte Welt und auch den Menschen mechanistisch zu erklären. Heutzutage versucht man alles mit Informatik zu erklären: Das Universum wird als riesiger Computer betrachtet und der Mensch wird auf seine Neuronen reduziert. Ein ähnliches Bild für die heutige Zeit müsste anstelle von Zahnrädern und Federn Leiterplatten und elektrotechnische Bauelemente enthalten.

In meiner ganzen Diskussion habe ich bis jetzt außer Acht gelassen, dass A. Poyet sein Bild "Der Erfinder" betitelt hat, ich aber nur über Wissenschaft gesprochen habe. Ein Wissenschaftler sucht Gesetzmäßigkeiten und fragt dabei ganz allgemein "Was ist möglich?". Ein Erfinder verwirklicht die möglichen Veränderungen und schafft Neues. Ich denke aber, dass A. Poyet diese Unterscheidung nicht getroffen hat und es problemlos möglich ist, seinen dargestellten Menschen als Wissenschaftler zu deuten.
Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen Wissenschaft, Technik und Weltanschauung, der oft übersehen wird und den auch A. Poyet nicht beachtet hat. Alle drei begründen sich aus der menschlichen Lebenspraxis, deren Ziel es ist, die Welt so zu verändern, dass der Mensch leben kann. Dabei ist die Aufgabe der Wissenschaft, wie oben schon erwähnt, herauszufinden welche Veränderungen möglich sind während die Technik herausfindet wie das geht und es auch tut. Die Weltanschauung ist viel allgemeiner und umfassender. Man darf jedoch die Weltanschauung nicht mit der Wissenschaft gleichsetzen, weil zur Wissenschaft immer die Erkenntnismittel gehören und diese Gleichsetzung die Erkenntnismittel auf die Welt übertragen und als unveränderlich festsetzen würde. Eine mechanistische Weltanschauung geht zum Beispiel davon aus, dass es wirklich nicht mehr als 3 Raumdimensionen gibt und dass der Raum absolut ist, dabei ist dieser Raumbegriff nur ein Erkenntnismittel der Mechanik und auf keine Weise aus Erfahrung heraus begründet. Es wäre übrigens genau so mechanistisch, sich die Einsteinsche Raumzeitvorstellung als "die wirklich existierende Raumzeit" vorzustellen.


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