Neue Arbeit für Mühlheim

Institut für Neue Arbeit

Wege aus der Krise der Arbeit

... und anderswo

 

 

Zum offenen Brief der "Sklaven in Aufruhr" an das INA

Heinz Weinhausen

Wann, wenn nicht jetzt ? Wo, wenn nicht hier ?

Vorbemerkung: Bei den folgenden Zeilen repräsentiere ich nicht das INA, vielmehr handelt es sich um meine persönliche Meinung.

Wer sich kritisch in der Öffentlichkeit bewegt, macht früher oder später die Erfahrung, daß die gewöhnlichen Medien es fertigbringen, einem die Worte aus dem Zusammenhang zu reißen und sie gewissermaßen noch im Mund zu verdrehen, sodaß die Leserinnen und Leser nur noch ein verzerrtes Etwas erreicht. Selbstredend genau dann, wenn Form und Stil einmal nicht so gelungen sind. Die "Sklaven in Aufruhr" stehen da um nichts nach. Mit ihrer absurden Behauptung, wir würden uns auf die Seite der Herrschenden stellen, fühle ich mich sogar noch an die Sprache des Stalinismus erinnert.

Ich kann mir das nur so erklären, daß das INA sich mit seinem Ansatz von neuer konstruktiver Gesellschaftlichkeit quer zu ihrem klassenkämpferischen Schwarz/Weiß-Weltbild stellt, das stets Opfer und Ausgebeutete des "Schweinesystems" braucht, die es für einen Aufstand gegen die Herrschenden am fernen Tage X zu mobilisieren gilt. Dazu muß der banale - auch von uns geführte - Verteilungskampf von den Sklaven als Rekrutierungsfeld hochgelobt werden, wo es aber realiter doch nur darum geht, sich gegen miese Arbeit, gegen Lohneinbußen und staatliche Kürzungen zu wehren, oder im besten Fall gar ein paar Mark mehr zu ergattern.

Ich frage dagegen - gar nicht unbescheiden -, was wäre denn, wenn jede und jeder 5.000 DM monatlich Existenzgeld bekäme? Gäbe es dann weniger Energievergeudung oder Umweltverschmutzung, weniger Autoverkehr, weniger Designfraß, weniger Werbung, weniger Vereinsamung?

Dazu höre ich von den "Sklaven" nur die leere Worthülse, daß es ihnen auch stinken würde, wenn der gesamte Zusammenhang zwischen den Menschen über Geld liefe und vom Geld zerstört würde. Beim INA werden hingegen Konsequenzen daraus gezogen. Es wurde gegründet, um mitzuwirken, ansatzweise beginnend Lebensqualität hier und heute umsetzen. So heißt es beispielsweise in der Köln-Mülheimer Erklärung: "Auf dem ehemaligen Güterbahnhofsgelände kann ein neues Viertel mit hoher Lebensqualität, mit neuen Arbeits- und Existenzmöglichkeiten, ein Stadtteil »zum Anfassen«, ein »sinnliches Quartier« entstehen: Wohnen im Grünen mit dem Garten zur Selbstversorgung - Arbeiten gleich um die Ecke - Spielen im Blickkontakt der Eltern - Feiern mit den Nachbarn, statt sich zu stören - Sich als Jugendliche in »Nischen« (auch mal unbeobachtet) zurückziehen können - Sich gegenseitig versorgen: Einkaufen, Pflegen, Beraten, Helfen, Besuchen, Begleiten - Leben auf der Straße könnte wieder möglich sein - eine Streitkultur entwickeln - Mitentscheiden, was in meiner Nachbarschaft passiert und was passieren soll. Dieses neue Veedel ist ein offenes, es bietet Arbeiten, Lernen und Genießen." Wie gesagt ein Beispiel, was nicht der Weisheit letzter Schluß sein soll.

Das »Institut für Theorie und Praxis der Neuen Arbeit« tritt dafür ein, daß Menschen ihren eigenen Lebenszusammenhang gestalten können, wofür die Colectivo de Formacion Popular in Venezuela einen eigenen Begriff geprägt haben, "Construyendo el vivir". Produzieren für den Weltmarkt mit seinen unerbittlichen Konkurrenzzwängen oder die Abhängigkeit von der Staatsknete läßt da nur äußerst wenig Freiraum zu. Daher setzt das INA vor allem auf stofflichen Reichtum. Wenn Menschen ihre Häuser selber bauen oder renovieren, sie sich ein kommunikatives Wohnumfeld schaffen, wenn sie moderne, vielfältige Werkstätten zur Verfügung haben, wenn ihnen Boden für den Anbau von Lebensmitteln zur Verfügung steht und wenn sie sich untereinander vernetzen, dann bedeutet Eigenarbeit etwas ganz anderes als die Plackerei oder die Monotonie der gewöhnlichen Lohnarbeit und der heutigen Hausarbeit. Und sehrwohl ist eine Investivförderung als Starthilfe vom Staat zu beanspruchen, weil kommunikative Lebensqualität ohne die Basis einer neuen Infrastruktur nur sehr beschränkt gelebt werden kann. Daß dann, und nur dann, weniger Konsumptivförderung seitens des Staates geleistet werden müßte, liegt auf der Hand.

Gerade in der heutigen Strukturkrise der Marktwirtschaft, wo deren Befürworter an sich selbst irre werden, weil alle Möglichkeiten zur Steigerung des Wirtschaftswachstums vergeblich durchgezogen wurden, und sie so langsam nervös werden, weil sie wissen, daß eine lahmende Konjunktur bei heißlaufender Börse nichts Gutes verheißt, halte ich die Perspektive der Aneignung von Gemeinschaftlichkeit und stofflichem Reichtum für die realistischste und zugleich menschlichste.

Das Motto dazu hat jüngst Carl Amery eindrucksvoll wiedergegeben, der sich fragt, was zu tun sei in einer Welt, in der zunehmend nur noch das Verrechenbare zähle. "Was bleibt, wenn man nicht resignieren will (und Resignation ist keine Handlungsgrundlage), ist die Ortung von Haarrissen im Beton des machtvollen Stumpfsinns und ihre Erweiterung mit der Geduld des hartnäckigen Ausbrechers."

 

 

weitere Texte:

 

Aus der Satzung von INA e.V.

 

Berichte

 

Grundlagentexte

 

Veranstaltungen

 

siehe auch:

 

 

Keime für Neues Arbeiten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zurück zur Sklavendebatte

Meinung von Horst

Meinung von Martin

 

h.weinhausen@ina-koeln.org

e-Mail-Kontakt

Home-Page