Neue Arbeit für Mühlheim

Institut für Neue Arbeit

Wege aus der Krise der Arbeit

... und anderswo

 

 

 

An die "Sklaven in Aufruhr"

An die
'Sklaven in Aufruhr'
c/0 kumm erus
Elsaßstraße 34
50677 Köln

Wir haben lange gezögert, überhaupt auf Euren offenen Brief vom 28.4.99 zum Schröder-Brief des INA zu antworten, denn Eure manchmal platte Polemik und die altbekannte Methode, sich erst einen Feind aufzubauen, auf den man dann einknüppelt, ermuntert nicht gerade zu einem Dialog. Wollt Ihr eigentlich einen Dialog? Seid Ihr noch auf der Suche nach einem Weg zu einem anderen Wirtschaften, Arbeiten und Leben, oder - wie es sich möglicherweise für Sklaven gehört - habt Ihr keine körperliche und geistige Kraft mehr außer gegen profitorientierte Erwerbsarbeit zu kämpfen?

Allerdings gab es auch einige überlegenswerte Kritik in Eurem Brief, und, solange wir uns noch kritisieren, ist auch noch was lebendig. Deshalb also unsere Antwort.

Da ist einmal der Arbeitsbegriff. Wir haben uns die Position der Feministinnen angeeignet: Mengenmäßig wird die heutige gesellschaftliche Gesamtarbeit in der BRD zu etwa zwei Drittel in Form unbezahlter Arbeit und nur zu einem Drittel als bezahlte Arbeit erbracht. Nicht alle unbezahlte Arbeit ist Zuarbeit für den heutigen Markt, obgleich sich das Kapital durch die neuen Arbeitsformen immer mehr unbezahlte Arbeit einverleibt.

Von den produzierten Werten her gesehen, kommt die Erwerbsarbeit noch schlechter weg, denn den größten Batzen an Werten produziert die Natur selbst. Die privaten Haushalte produzieren im Durchschnitt monatlich 3.200,- DM netto (gemessen an den natürlich unakzeptablen Marktpreisen, lt. Zeitbudget-Studie). Das ist mehr als das gesamte Produzierende Gewerbe zum Bruttosozialprodukt beiträgt.

Diese "gesellschaftliche Gesamtarbeit" entspricht allerdings nicht der "gesellschaftlich nützlichen Arbeit". Und da fängt es eigentlich erst an, spannend zu werden. Wer definiert, was als gesellschaftlich nützliche Arbeit bezeichnet wird? Der Begriff der gesellschaftlich nützlichen Arbeit ist politikfähig.

Ihr kennt offensichtlich nur "Scheißmaloche". Wir unterscheiden zwischen Arbeit, die das profitorientierte Wirtschaften stärkt und Arbeit, die für das gemeinsame Eigene getan wird, die der Bedürfnisbefriedigung der zusammenlebenden Gruppen und ihrer einzelnen Personen dient. Und auch die Arbeit für das gemeinsame Eigene wird nicht immer nur Spaß machen, wird aber unter selbstentwickelten Bedingungen ablaufen und dient direkt den eigenen Interessen.

Vermutlich schätzen wir die Entwicklung auf dem Erwerbsarbeitsmarkt ähnlich ein. Wir gehen davon aus, daß das Kapital immer weniger existenzsichernd bezahlte Erwerbsarbeit auf dem mehr und mehr sich internationalisierenden Arbeitsmarkt anbieten wird, also sporadische und prekäre Erwerbsarbeit, Armut und Polarisierung zunehmen. Die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen hat jetzt den Dienstleistungssektor voll erfaßt. In Ostdeutschland müssen die Leute sich schon für 6,-DM/Std. verkaufen. Es gibt politisch mehrere Formen darauf zu reagieren:

  • kämpfen gegen den Abbau von Tarifen, Löhnen, Sozialleistungen, Pflichtarbeit etc. d.h. kämpfen gegen die Verschlechterungen im System;
  • kämpfen für eine Grundsicherung für alle von mindestens 2.000,- DM netto/monatl. an aufwärts, d.h. diese Forderung baut auf das weitere Funktionieren des Systems, das diese Grundsicherung ausspucken soll.
  • für die "große" Bewegung kämpfen, die tabula rasa macht, um dann etwas Neues aufzubauen, schon weil es angeblich "nichts Richtiges im Falschen" geben kann.
Allerdings ist in den Köpfen derer, die diese Strategie verfolgen, das Neue überhaupt noch nicht über ein paar Schlagworte hinaus entwickelt; sie haben zudem vergessen, daß sich Veränderungen nur aus den Widersprüchen heraus entwickeln lassen.

  • vorhandene Verdienstmöglichkeiten, Solidar- und Sozialleistungen nutzen und sichern und gleichzeitig vorhandene Qualifikationen, Kraft, Zeit und Engagement in ein anderes Wirtschaften, Arbeiten und Leben einbringen.
Wir vom INA wollen das letztere.

Was meinen wir mit "Anders Wirtschaften - Arbeiten - Leben"?

Wenn schon die Wirtschaft nicht mehr in der Lage ist, ausreichend existenzsichernde Erwerbsarbeit anzubieten, wir also zu einer teilweisen Selbstversorgung gezwungen werden, dann ist es höchste Zeit, darüber nachzudenken, wie wir diesen Teil der Bedürfnisbefriedigung in unserem Interesse selbst gestalten und ausdehnen können, um uns wenigstens hier ein Stück gewünschte Lebensqualität gemeinsam zu schaffen. So gesehen, sind solche Zeiten des Umbruchs auch echte Zeiten, etwas qualitativ Neues zu entwickeln. Ein Neues, was wir uns wirklich wünschen.

Zwischenbemerkung zum 'Dritten Sektor', damit sich die verkürzte Darstellung in unserem Schröder-Brief nicht fortsetzt: Selbstverständlich denken die Herrschenden darüber nach, wie sie die »freigesetzte« Arbeitskraft wieder einbinden können. Alle Vorschläge verfolgen - unter Vernachlässigung kleinerer Unterschiede - mindestens fünf Ziele:Das heutige Arbeitsethos, das nur die Erwerbsarbeit als dem menschlichen Leben Sinn gebend kennt, dieses Leistungsprinzip soll erhalten bleiben, ebenso wie der Wille und die Disziplin zu solcher Arbeit und die Anerkennung der Lohndifferenzen. Die Bereitschaft, solche Arbeit zu suchen und die Hoffnung, sie zu finden, ist ihnen ebenfalls wichtig. Das zweite Ziel ist die Kontrolle und Lenkung des ungenutzten Arbeitskräftepotentials. Dazu gibt es der öffentlichen Kontrolle unterstellte Einrichtungen, wie z.B. die Wohlfahrtsverbände und andere als gemeinnützig anerkannte Institutionen, über die dann die Subventionsbeträge abgerechnet werden und Geldhähne auf- und zugedreht werden können. Und als drittes gibt es diverse Vorschläge, wie dieses 'überflüssige' Arbeitskräftepotential so eingesetzt werden kann, daß der Staat soziale Leistungen einsparen kann. Viertens dient die Ausweitung des Non-Profit-Sektors dazu, einen Niedriglohnsektor akzeptabel zu machen. Und fünftens ist ihnen wichtig, daß dieser Sektor der Wirtschaft keine Konkurrenz macht, sondern ihre Bestrebungen ergänzt.

Nicht-profitabel zu vermarktende Tätigkeiten, die dem Wirtschaftsablauf direkt oder indirekt dienen, vor allem die ganzen Reparaturarbeiten, damit das neoliberale Wirtschaften weiter funktioniert, sind z.B. gewünscht. (Genaueres nachzulesen im Vortragsmanuskript von CarolaMöller, erhältlich beim INA)

Alle diese Merkmale treffen nicht auf die von uns geplante "Neue Arbeit" zu. Über das, was wir unter "Anders Wirtschaften, Arbeiten, Leben" verstehen, haben wir vom INA (Rainer Kippe, Martin Rausch, Carola Möller, Peter Bach u.a.) schon einiges geschrieben (alles dort erhältlich). Hier deshalb nur Stichworte:

  • Es sind Formen der Zusammenarbeit für eine gemeinsame Selbstversorgung, die de facto erst einmal eine Teilselbstversorgung ist, also aus Verdienst aus Erwerbsarbeit ebenfalls angewiesen bleibt, weshalb auch der Widerstand gegen Verschlechterungen angesagt ist;
  • Es ist ein ökologisch sinnvolles Wirtschaften und Arbeiten im lokalen Umfeld, mit den und für die dort lebende Bevölkerung.
  • Es braucht die Vernetzung mit anderen lokalen Ökonomien.
  • Die Organisation der Arbeit ist nicht-patriarchal. Sie beruht auf Austausch, bei dem z.B. die Zeit ein Maßstab sein kann. Aber vielleicht fällt uns da auch noch was Besseres ein.
  • Die Arbeitsinhalte sind nicht beliebig. Sie dienen der Bedürfnisbefriedigung der dort Lebenden und Arbeitenden.
  • Die neuentstehenden Kommunikationsstrukturen und Arbeits- und Lebensweisen sind Ausdruck einer neuen Lebensqualität.

Zum Stichwort "Staatsknete": Unsere Art zu wirtschaften, arbeiten und leben erspart einer Kommune eine spürbare Summe im Etat für "Folgekosten des heutigen Wirtschaftens". Wir erheben Anspruch auf Steuermittel, nicht auf diese kurzfristigen AB-Mittel, sondern auf Investivgüter, die der lokalen Einheit langfristig zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung stehen, aber im Eigentum der Kommune bleiben: Boden, Gebäude, Energie z.B. Auch die Finanzierung von Starthilfen für Projekte einzelner Vereine kann sinnvoll sein. Eine individuelle Arbeitsmarktförderung für Arbeitskraft nach heutigen Bedingungen wirkt eher kontraproduktiv.

Zum Stichwort "Mischwirtschaft": Wir schätzen die derzeitige Situation so ein, daß wir auf der Industriebrache in Mülheim die gewünschte bedürfnisorientierte Wirtschaftsweise nicht in Reinkultur realisieren können, sondern Kompromisse mit anderen Wirtschaftsformen machen müssen, die sich aber bezüglich der Arbeitsinhalte und der Umweltbelastungen an bestimmte Mindestbedingungen halten müssen. Für uns ist wichtig, daß die von uns angestrebte neue Lebensqualität eine Ausstrahlungskraft bekommt, die Wirkung zeigt. Nur wenn uns das gelingt, hat das "Neue" Chancen.

 

   

weitere Texte:

 

Aus der Satzung von INA e.V.

 

Berichte

 

Grundlagentexte

 

Veranstaltungen

 

siehe auch:

 

 

Keime für Neues Arbeiten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zurück zur Sklavendebatte

Meinung von Heinz

Meinung von Horst

 

e-Mail-Kontakt

Home-Page