Meine Meinung zum Thema Balkan

- Richard Weinrich -

Während sich der Schuldenstand eines kapitalistischen Landes einigermaßen sicher aus den Bilanzen der jeweiligen Zentralbank ablesen läßt, ist die Beurteilung eines sozialistischen Systems ungleich schwieriger.

Betrachten wir zunächst das kapitalistische System. Wir müssen uns dabei vor Augen halten, daß Geld immer eine Schuld ist, die normalerweise durch die freiwillige Vereinbarung zwischen natürlichen und/oder juristischen Personen entstanden ist. Die sich daraus ergebende Schuld = Geld besteht bis zur Vertragserfüllung. Dann verschwindet die Schuld und damit auch das Geld. Soweit die Wirklichkeit.

Zahllose sich überschneidende Vorgänge dieser Art lassen jedoch den Eindruck entstehen, daß immer eine bestimmte Geldmenge vorhanden ist, die wie eine Ware betrachtet wird. Das ist auf jeden Fall die Sicht der Banken und der meisten ökonomischen Theorien. Dabei muß jedoch beachtet werden, daß es unmöglich ist, rechtzeitig Bargeld in Umlauf zu bringen, das den gerade abgeschlossenen Verträgen entspricht und entsprechende Beträge aus dem Verkehr zu ziehen, wenn Verträge erledigt sind. Einen ungefähren Ausgleich kann man jedoch durch die bargeldlose Abwicklung von Geschäften erreichen. Gleichzeitig wird für kleinere Vertragsabschlüsse Bargeld benötigt. Es stellt sich die Frage, wieviel Bargeld ausgegeben werden kann und wie es dargestellt wird. Gradmesser aller wirtschaftlichen Aktivitäten ist das Bruttosozialprodukt. Diesem BSP muß nach gängiger Lehre eine gleich große Geldmenge gegenüberstehen. Das Verhältnis zwischen BSP und Geldmenge ist möglichst stabil zu halten ist, um inflationäre Tendenzen zu vermeiden.

Nehmen wir an, daß die Bundesrepublik ein BSP von 3 Billionen hat. Wir stellen im Alltag fest, daß 5% aller Geschäfte bar abgewickelt werden. Dann können wir Bargeld in Höhe von 150 Milliarden in den Umlauf geben. Ausgehend von diesem Betrag geschieht folgendes: Aus einem Vertrag werden 1000 DM in bar gezahlt. Dieser Betrag wird bei einer Bank eingezahlt, die 5%, also 50 DM in der Kasse behält und 950 DM an eine andere Bank zur Begleichung von Zahlungsdifferenzen weiterleitet, die wiederum 5%, also 47,50 DM einbehält und den Rest weiterleitet, usw. Daraus ergibt sich eine geometrische Reihe mit dem Ergebnis 20, das multipliziert mit der Bargeldmenge die Gesamtgeldmenge ergibt.

 

In der Bilanz einer Zentralbank erscheint das Bargeld auf der Passivseite und ist somit eine Schuld. Die Gegenbuchungen auf der Aktivseite belegen, woher diese Schuld stammt. Im wesentlichen sehen oder besser sahen wir Gold, Wechsel von Privatfirmen, Beträge aus dem Offenmarktgeschäft und Devisenvorräte. Gold stellt keine Forderung dar, die Wechsel werden eingelöst, das Offenmarktgeschäft dient angeblich der Konjunktursteuerung, somit alles harmlose Posten. Der Hauptanteil besteht jedoch aus Devisenreserven, jedoch nicht in bar, sondern zu weit über 90% aus Schuldverschreibungen der Vereinigten Staaten. D. h. unsere harte Deutsche Mark, wie alle anderen frei konvertierbaren Währungen, basiert im wesentlichen auf Schulden in Dollar, die erfahrungsgemäß, wie alle Staatsschulden, niemals beglichen werden. Da in der europäischen Zentralbank die verschiedenen Währungen unter dem Namen Euro zusammengefaßt werden, ist es nicht verwunderlich, daß er sich immer mehr dem Dollar angleicht. Soweit die stark vereinfachte Darstellung des Geldes, wie es uns täglich begegnet.

Gleichzeitig verschulden sich alle Staaten in zunehmendem Maße. Unser Grundgesetz legt fest, daß sich der Staat maximal 6 Milliarden DM für 3 Monate von der Bundesbank besorgen konnte. Man wollte auf diese Weise verhindern, daß der Staat die Geldpresse anwirft, wenn die Kasse leer ist. Dieses Hindernis hat man aber von Anfang an erfolgreich umschifft, indem man entsprechende verzinsliche Darlehen bei Privatbanken aufgenommen hat, die ihrerseits die Papiere an die Zentralbank weitergeleitet haben. Diese Papiere wurden niemals eingelöst, sondern durch neue Schuldverschreibungen zuzüglich Zinsen ersetzt. Bis etwa Mitte 1980 entsprach die "Nettokreditaufnahme" den Zinszahlungen. Ab diesem Zeitpunkt wird über Zinsen nicht mehr gesprochen und die Neuverschuldungen entsprechen neuen Darlehen, die aus den Leistungen unserer Urenkel getilgt werden sollen. Da Schuldbriefe eines Staates ohne weiteres beliehen werden können, nutzt der Bankenapparat diese Möglichkeit und reiht sich mit ungeheuren Mitteln in die Reihe der Spekulanten ein. Jetzt haben wir aber zusätzliches Geld, das durch keine, wie auch immer geartete Leistung abgedeckt wird. Vermehrt wird dieses Geld noch aus den arbeitslosen Einkommen, die sich aus der Selbstverrentung ergeben. Verzinsen sich Rentenpapiere - Schuldverschreibungen des Staates - mit 5 - 6% , ergeben sich nach ca. 50 Jahren genau so viel Zinsen, wie für die Papiere ausgegeben wurde. Im gleichen Maß, wie diese arbeitslosen Einkommen steigen, nimmt weltweit, um nicht zu sagen global, die Zahl der Beschäftigten ab. Eines Tages werden wir wie Midas am Geld verhungern. Wie lange wir dieses Spiel noch betreiben können, ist nicht vorherzusagen. Vielleicht steht aber schon morgen ein kleines Mädchen am Wegesrand und ruft: " Der Kaiser ist ja nackt".

Mit einer Geldwirtschaft, die sich auf unsere Leistung bezieht, ließe sich auch mit falschen ökonomischen Theorien leben. Selbst den Bankenapparat könnte man ertragen, wenn es in regelmäßigen Abständen zu einer Währungsreform käme. Aber mit einem Staat, der sich hemmungslos verschuldet und aufschuldet, ist kein Staat zu machen. Jedem Kaufmann ist bekannt, daß er unweigerlich bankrott geht, wenn die Schulden schneller steigen als das, woraus sie bedient werden.

Ein sozialistisches Wirtschaftssystem wird mit Hilfe der Planwirtschaft gesteuert. Dabei kommt es über die Verrechnung der Produktionseinheiten genau so zu einem bargeldlosen Zahlungsverkehr, wie im kapitalistischen System. Die umlaufende Bargeldmenge müßte also dem Konsum entsprechen. Da es jedoch kein beleihbares Eigentum gibt, können die Produktionseinheiten sich auch nicht verschulden, um die Produktion zu finanzieren. Somit gibt es keine Gegenbuchung zum umlaufenden Bargeld. Dieses Problem wird umgangen, indem man die vorgegebenen Produktionsmengen mit festgelegten Preisen multipliziert und die sich daraus ergebende Geldmenge von Staats wegen als geltend erklärt. Außerdem wird das Kursverhältnis zu anderen Währungen festgelegt. Das hieß z. B. in Deutschland 1DM Ost = 1 DM West. Somit ist ein reibungsloser Warenaustausch zwischen sozialistischen und kapitalistischen Systemen nicht möglich und muß sich auf Volkswirtschaften gleicher Struktur beschränken. Das stieß jedoch sehr schnell auf Schwierigkeiten. Wenn das eine Land für ein Produkt 100 DM West erzielen konnte, war es nicht bereit für 100 DM Ost zu verkaufen. Also war man gezwungen, sich 100 DM West zu besorgen. Dieser Bedarf wurde immer dringlicher, so daß z. B. die DDR einen Schalck-Golodkowski hauptberuflich als Devisenbeschaffer einstellte.

Nach gängiger Auffassung ergibt sich das Nettowachstum eines Wirtschaftssystems, wiederum grob vereinfacht, aus Bruttowachstum -Inflationsrate -Arbeitslosenrate -Zinssatz der Schulden - anderen Faktoren, die wir für unsere Abschätzung vernachlässigen können. Während nun das kapitalistische System seine Schulden versteckt, indem sie einfach nicht erwähnt werden, hat das sozialistische System seine Arbeitslosen versteckt. Tatsächlich wurde und wird das Leistungsdefizit der Systeme immer größer und steigt weiter exponentiell. Solange sich jedoch diejenigen, welche die Zettel schreiben, untereinander einig sind, geschieht nichts. Erst, wenn das dumme Volk das Gefühl hat, daß da etwas nicht stimmt, wird es kritisch. Obwohl sich niemand spezielle Gedanken darüber macht, warum das so ist, macht sich Unbehagen breit. Jeder glaubt zu verlieren und fühlt sich um die Früchte seiner Leistung betrogen, zum Teil ohne darüber nachzudenken, daß er gar keine Leistung erbringen konnte oder daß ihm das, was er zu verlieren glaubt, gar nicht gehört. Der Mensch befindet sich dann vergleichsweise in der Lage eines Mannes, der von seiner Frau verlassen wird, von der er annahm, daß sie sein persönliches Eigentum sei. In einer derartigen Situation verändern sich viele Menschen auf eine erschreckende Weise. Vorher anscheinend friedliche Naturen stoßen plötzlich Morddrohungen aus. Solche Veränderungen haben in der Vergangenheit immer wieder ganze Völker befallen und führten zur Verfolgung von Minderheiten. Immer jedoch ging einer derartigen Verhaltensänderung ein Staatsbankrott voraus. Stellt man bei einer gesellschaftlichen Momentaufnahme zunehmende Gewaltbereitschaft, Fremdenhaß, Vernachlässigung der Kinder, Hinwendung zu pseudoreligiösen Vereinen, Ideologien und Nationalismus fest, ist dieser Zeitpunkt nicht mehr fern.

Versuchen wir einmal das bisher gesagte auf Jugoslawien anzuwenden. Es bedurfte eines charismatischen Führers wie Tito, um einen Vielvölkerstaat wie Jugoslawien zu schaffen und zusammenzuhalten. Seine geniale Idee, einen Club der blockfreien Staaten zu gründen und der Privatindustrie gewisse Freiheiten zu geben, hat sicher dazu beigetragen, Jugoslawien zu entwickeln. Von Anfang an jedoch hatte er das Problem, den Dinar zu festigen. Zwar brachten der Tourismus und die im Ausland arbeitenden Jugoslawen Devisen ins Land, die jedoch für Waffenkäufe wieder abflossen. Titos großes Sicherheitsbedürfnis ist sicherlich durch die traumatischen Erlebnisse des 2. Weltkriegs zu erklären, führte jedoch zu einem kräftigen Abzug von Leistung, die für den Aufbau und die Entwicklung des Landes dringend benötigt worden wäre. Da Rüstungsausgaben, wie in allen sozialistischen System Staatsgeheimnis waren, lassen sich über die tatsächliche Höhe keine Angaben finden. Auf jeden Fall waren sie zu hoch, wie alle Rüstungsausgaben weltweit. Es gibt schließlich nichts unnützeres als Waffen zu produzieren oder zu kaufen. Die Produzenten verweisen auf das big business, wobei sie vergessen, daß sie möglicherweise eines Tages von ihren eigenen Waffen vernichtet werden könnten. Werden die Waffen in eigenen Systemen verwendet, wird ungeheuere Leistung einer Volksgemeinschaft sinnlos gehortet und somit verschwendet.

Während sich auf dem Balkan noch der schiere Irrsinn abspielt, wird schon über die Kosten eines Wiederaufbaus nachgedacht. 60 - 80 Milliarden. In Europa und Amerika hört man wohl schon die Kasse klingeln. Dabei wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, dem Armenhaus Europas die Gelegenheit zu geben, sich selbst zu entwickeln.

Es wird mit den ehemaligen jugoslawischen Staaten unter Einbeziehung von Bulgarien und Rumänien ein entmilitarisierter, neutraler Staatenbund gegründet, in welchem jede ethnische Gruppe ihre eigenen Belange möglichst innerhalb der alten Staatsgrenzen regelt. Dabei wäre die Einführung einer für alle verbindlichen Verfassung auf basisdemokratischer Grundlage von Vorteil. Das würde bedeuten, daß Gemeinden ihre Interessen in Kreistagen vertreten ließen, der wiederum einen oder mehrere Vertreter in die Landtage delegieren würde, deren Vertreter im Bundestag zusammengefaßt würden. Die Kontrolle auf den verschiedenen Ebenen würde durch ein Rat erfolgen, in dem sich Interessenverbände und Parteien organisieren könnten. Es wird auf strikte Gewaltenteilung geachtet. Nur in diesem Bereich arbeitende Personen erhalten den Beamtenstatus. Alle alten internen und externen Schulden werden bedingungslos gestrichen.

Eine gemeinsame Währung wird nicht, wie bisher üblich, durch neue verzinsliche Darlehen dargestellt, sondern durch erbrachte Leistung. Es wir nicht, wie seinerzeit in Deutschland, ein Kopfgeld im voraus ausgegeben. Es bleibt jedem überlassen, wie er die Kosten der ersten 4 Wochen finanziert, sofern er sich an Arbeiten beteiligt, die sich auf die Infrastruktur beziehen, oder länger, wenn er sich mit anderen zu einer Firma zusammenschließt, welche Güter des täglichen Bedarfs produziert. In diesem Fall ist jeder Mitarbeiter Anteilseigner in Höhe des kreditierten Entgelts. Die Beleihung von Eigentum muß schon in der Verfassung ausgeschlossen werden. Die bestehenden Banken übernehmen lediglich die Kontoführung gegen Gebühren. Das Bargeld ist so schnell wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen und durch Kreditkarten zu ersetzen. Damit geht dann auch der Mafia sehr schnell die Luft aus.

 

Die Aufgabe des übrigen Europas muß darin bestehen, in der Übergangszeit für menschenwürdige Verhältnisse zu sorgen. Als Gabe, nicht als Geschenk, das nur beschämen würde. Das bezieht sich auch auf technische Geräte und Rohmaterial. Sofern noch nicht vorhanden, müssen Reduktionsstahlwerke gebaut werden, um die in den Waffensystem enthaltenen Rohstoffe wieder zu gewinnen. Fahrzeuge könnten zu Straßenbaumaschinen umfunktioniert werden. Sehr wichtig wäre private Unterstützung, z. B. durch Patenschaften.

Die weitere Entwicklung sollte sorgfältig beobachtet, jedoch nicht gestört werden. Falls bestimmte Ansätze nicht funktionieren, muß man es noch einmal mit neuen Anfangsbedingungen versuchen.

Fortsetzung folgt...

Richard Weinrich
Hermannstr. 2
33813 Oerlinghausen

 


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