Es ist Krieg in der Welt - es war immer Krieg irgendwo in der Welt !

von Bernhard Vogel

Über 50 Jahre war Frieden in Europa - aber in der Welt war immer Krieg!

Der Krieg war immer weit weg, aber er wurde uns geliefert - er kam in unsere Wohnzimmer: ein paar Leichen, weinende Kinder, brennende Häuser - und wir waren betroffen . - 5 Minuten am Tag.

Die Werbung holte uns in unsere Wirklichkeit zurück: lachende Kinder bei Kinderschokolade, neue Häuser für jeden von uns erschwinglich.

Dann der Krimi; da gab es noch ein paar Leichen mehr, als im Krieg.

Tagaus tagein das bekannte Gemisch aus Crime, Sex, Fun und Action, "schöne" neudeutsche Wörter für unsere systematische Verblödung.

Können wir denn noch unterscheiden zwischen Realität und Fiktion ?

Der Golfkrieg z.B. wurde uns als perfektes Medienspektakel wie eine Computeranimation direkt geliefert - wir waren life dabei! Auf grünflimmernden Bildschirmen sahen wir Lichtblitze - Treffer! - chirurgisch perfekt. Aber die Toten, die verbrannten Körper und die Verstümmelten nach so einem chirurgischen Schlag, sahen wir nicht. Die sollten wir auch nicht sehen, denn dann wäre unser Bild vom sauberen Krieg zerstört worden. Natürlich sehen wir auch nicht die 5000 Kinder, die heute noch jeden Monat an den Folgen des Krieges und des totalen Embargos im Irak sterben. Auch die werden uns nicht gezeigt. Die Inkarnation des Bösen schlechthin, der Diktator Saddam baut sich eine Residenz nach der anderen. Er, der getroffen werden sollte, ist der Sieger.

Immer brauchen wir einen Bösewicht, ein Feindbild, wenn wir auf den Krieg vorbereitet werden. Und wir wurden über Jahre auf diesen Krieg vorbereitet:

  • von Serben vergewaltigte moslemische Frauen, zu tausenden in Speziallager eingesperrt in Bosnien,
  • von Serben niedergebrannte katholische Kirchen in Kroatien,
  • von Serben aus ihrer Heimat vertriebene Kosovaren.

Die Greuel der Moslem-Terroristen in Bosnien, die Vertreibung der Serben aus ihrer Heimat in Bosnien und aus Kroatien zu mehreren Hunderttausend, waren eben Begleiterscheinungen des Bürgerkrieges - heute würde man sagen "Kollateralschäden".

Aber jetzt endlich war die NATO auch politisch stark genug, die UNO und die OSZE zu brüskieren, und konnte eingreifen. Eine humanitäre Katastrophe wollte man verhindern, Mord und Vertreibung im Kosovo beenden. Die "Staatengemeinschaft" konnte nicht mehr zusehen, wie jemand in ihrem eigenen Hinterhof Verbrechen beging, ohne sie danach zu fragen. Die Türkei darf das ja schon seit Jahrzehnten ungestraft tun.

Nach dem Diktatversuch von Rambouillet gab es nun endlich keine Alternative mehr zum NATO - Krieg. Mit dem Krieg sollte nun zu Ende gebracht werden, was mit diplomatischen Mitteln nicht gelungen war.

* * *

Nach fast 80 Tagen Bombenkrieg gegen Jugoslawien sehen wir erste "Ergebnisse":

> 1 Million vertriebene Kosovaren (vor Beginn des Krieges waren es 50.000),

fast völlige Zerschlagung der Opposition in Jugoslawien,

völlige Zerstörung der zivilen Infrastruktur in Jugoslawien, Bombardierung von Elektizitäts- und Heizkraftwerken, Schulen und Krankenhäuser,

eine unüberschaubare Umweltkatastrophe durch Bombardierung von Ölraffinerien und Chemiewerken,

Die Lebensgrundlagen eines ganzen Volkes wurden systematisch zerstört. Aber das sind nur die sofort sichtbaren Katastrophen!

Außerdem werden jetzt auch die Folgen von Bürgerkrieg und Bombardierung im Kosovo sichtbar; ein Land, entvölkert und zerstört.

Die zweite Fluchtwelle, diesmal sind es die Serben, läuft gerade an, unter den Augen der NATO-Friedenstruppen ! Jetzt wird der Kosovo "ethnisch rein" gemacht. Und die Fernsehkameras sind immer dabei.

Und wieder bekommen wir die Life-Bilder der Grauens in unsere Wohnzimmer geliefert - nach der Werbung und vor dem Sexfilm. Und wieder ist von vornherein klar, wer Schuld an allem hat. Der Vizeankläger des Haager Tribunals ist bereits in den Kosovo gereist, um die Schuld der Serben nachzuweisen - für eine objektive Untersuchung ist also gesorgt. Die Gräber des Kosovo - jedes einzelne ist eines zuviel - werden also für die mediale "Nachbereitung" des Krieges zur Rechtfertigung des NATO-Einsatzes instrumentalisiert.

Aber es steht zu befürchten, daß die als Verteidigungsbündnis gegründete NATO weitere "Schurkenstaaten" entdeckt, die man westliche Demokratie lehren muß. Die parallel zum Kosovo-Krieg verabschiedete neue Militärdoktrin rechtfertigt jedenfalls weitere Kosovo’s.

Mit unseren friedlichen Aktionen hier in Jena wollten wir auf diesen Krieg und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten aufmerksam machen. Viele haben uns gesagt, mit Schweigemärschen erreicht ihr gar nichts, oder sie fragten uns nach unseren Alternativen zum Krieg. Ein Bürger sagte uns gar, ‘solange die Serben den albanischen Frauen die Augen ausstechen’, bin ich für die Luftangriffe. Ein Ergebnis des psychologischen Krieges!!

Meiner Meinung nach gibt es nur eine Alternative zum Krieg:

Gespräche, Gespräche und nochmals Gespräche!!!

Das Bemühen, den vermeintlichen Gegner zu verstehen, seine Motive, seine Ängste und Wünsche zu erfassen und so lange zu verhandeln, bis ein von allen Seiten tragbarer Kompromiß gefunden ist, ist die einzige Alternative zum Krieg. Krieg ist nie eine Lösung - er schafft immer neue und schlimmere Konflikte. Aber mit den Gesprächen muß man beginnen, bevor die widersprüchlichen Positionen unauflösbar scheinen.

Natürlich haben wir mit unseren Schweigemärschen in Jena den NATO-Krieg in Jugoslawien um keinen Tag verkürzt. Aber wenn es uns gelungen sein sollte, ein paar Menschen auf die Gefahr neuer Kriege aufmerksam zu machen, dann habe wir schon viel erreicht. Aber unsere Politiker und unsere Medien kalkulieren mit der Vergeßlichkeit unserer Menschen . Dem müssen wir entgegenwirken !

Abschließen möchte ich mit den Worten des Schriftstellers Wolfgang Borchert; von seinem Sterbelager in einer Baseler Klinik 1947 hat er uns folgendes als sein Testament hinterlassen :

Mann auf der Kanzel
wenn sie wiederkommen und dir sagen, du sollst die Waffen segnen
und den Krieg,
Mann auf der Kanzel, sag NEIN!

Und Mutter,
wenn sie zu dir kommen und wieder sagen , du sollst Kinder
gebähren,
Mädchen als Krankenpflegerinnen für die Spitäler
und Jungen als Soldaten für die Schützengräben

Mutter, sag NEIN!

Und Mann an der Werkbank,
wenn sie wiederkommen und sagen, du sollst statt Kochgeschirre
Kanonenrohre ziehen und statt Wasserleitungen Gewehrrohre,

Mann an der Werkbank, sag NEIN!
Wenn du nicht NEIN sagst, wird das alles wiederkommen !!!

 

Bernhard Vogel, Jena


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